Teaser 3 (Umbar)
Scarlatta Vetrella ist sichtlich erregt. Sie trägt ein schlichtes Hauskleid und geht unruhig auf und ab, während sie um Worte ringt. Zwischendurch würdigt sie Umbar immer wieder eines flüchtigen Blickes, schaut ihm jedoch nicht in die Augen. Sie hat ihn rufen lassen. Worum es geht ließ sie nicht ausrichten, er solle sich lediglich möglichst schnell bei ihr einfinden, hieß es. Umbar sitzt in einem aufwändig gestalteten Korbstuhl. Er ist konzentriert und hat die gesamte Terrasse im Blick, nichts würde ihm entgehen. Er hört aufmerksam zu, aber richtig schlau wird er nicht, aus dem was Scarlatta erzählt. Offenbar Geschichten aus der Vergangenheit der Familie Naranjor.
Scheinbar abrupt unterbricht sie und winkt ihn zu sich herüber. Sie deutet auf einen kleinen, runden Tisch, der neben ihr steht. Umbar betrachtet die dort platzierten Objekte. Zwei Bilderrahmen, ein silberner Becher, mit kunstvoll eingravierten Meerestieren und ein prall gefüllter Lederbeutel. Die Bilder zeigen zwei Personen. Auf einem ist das Portrait eines jungen Mannes abgebildet, sympathischer Gesichtsausdruck, gewisse Ähnlichkeiten mit den Gesichtszügen Scarlattas sind nicht zu verkennen. Ihr Sohn, Oldrado, ist es nicht, den kannte Umbar persönlich. Dann gleitet sein Blick zu dem zweiten kleinen Gemälde, dem Bildnis eines Kindes. Instinktiv muss er die Augen schließen. Erinnerungen kommen hoch, vor seinem inneren Auge zucken Schlangen vom Kopf des Mädchens in seine Richtung. Das liebreizende Antlitz hat sich in eine fürchterliche Visage verwandelt. Glück gehabt, es handelt sich nur um ein Bild, ein harmloses Bild. Umbar öffnet die Augen. Scarlatta steht jetzt dicht neben ihm. Ihre Hand liegt ganz sanft auf Umbars Oberarm und sie raunt ihm zu: „Sie ist schuld“ und deutet auf das Abbild Florimels, „schon damals konnte sie alle verhexen: Auch meinen kleinen Bruder, er war ganz vernarrt in sie. Sehr viel Macht hatte sie über ihn, Estevan konnte dem nicht standhalten, da bin ich mir sicher, sonst hätte er nicht solche Dummheiten begangen.“ Sie steht nun ganz dicht vor Umbar, nur wenige Zentimeter trennen sein Gesicht von ihrem. „Er ist hier in der Stadt und es heißt er habe erneut eine Dummheit begangen. Bitte finde für mich heraus, ob das der Wahrheit entspricht. Estevan ist der letzte der Naranjors, wenn er getan hat, wessen er bezichtigt wird, dann ist das sein Todesurteil. Bitte nimm dies, als Zeichen meiner Anerkennung und als Lohn für deine Dienste.“ Sie greift nach dem Lederbeutel und reicht ihm Umbar. „Dieser Becher hier wird dir helfen, dich ihm gegenüber als Freund auszuweisen. Nimm ihn an dich. Unten wartet ein Boot der Tizianos, es wird dich nach Ilmira, zur Insel der Zauberer bringen. Viel Glück, Umbar!“
@Orlando Gardiner