Hi,
ich wollte hier auch noch einen Beitrag zum Freiraum der Spielleitung loswerden, auch wenn das meiste wahrscheinlich schon in irgendeiner Form gesagt wurde. Meiner Ansicht nach muss die Freiraumdiskussion auf zwei Ebenen betrachtet werden - die selbstverständlich nicht so idealtypisch auftreten, wie ich sie hier vorstelle.
Ebene eins: Quellenbücher (+Regeln), Abenteuer und andere Publikationen, wie der GB. Oder: Texte des Spielleiters.
Ebene zwei: das Spiel in der Runde.
Offenbar geht es bei dem Freiraumproblem um die VERMITTLUNG zwischen diesen beiden Ebenen. Denn, gäbe es keine QB, dann müßte im Spiel improvisiert werden bzw. gäbe es dann keine eindeutige Direktive. Es sei denn, die Spielleitung macht sich sehr viel Arbeit und schreibt sich ihre eigenen Texte. In meiner Rollenspielfrühzeit haben wir noch eigene Welten entwickelt, die jedoch nicht von oben entwickelt wurden, sondern langsam mit dem Spiel wuchsen. So schuf das Spiel gewissemaßen selbst nach und nach eine Welt. Sie entstand durch das Spiel, durch Improvisation und hatte so auch stets mit allerhand Inkonsistenzen zu kämpfen. Das machte aber insofern nicht so viel, weil es keine übergeordnete Instanz QB gab. Inkonsistenz wurde so eher als Problem von Erinnerungsleistung gesehen und behandelt. Wenn sich niemand mehr erinnern konnte, wie der Herrscher von XY hieß, war der wohl nicht so wichtig und inzwischen verstorben.. .
Durch Quellentexte wird also das Gedächtnis aufgepeppt und reproduzierbar. Leider werden durch QB viele Spielwelten - auch Midgard - schnell statisch, weil viele SpielleiterInnen und SpielerInnen QB behandeln, wie eine Doktrin. Hier schaffen Abenteuertexte Abhilfe. Und so lange das Spiel fortschreittet und sich gleichsam die Handlungsorte ändern entstehen auch keine Probleme. Erst wenn die SpielerInnen ihre Herkunftskultur als statisch und einheitlich betrachten (oft Beschreibungsebene der QB) oder Abenteurer Orte erneut aufsuchen, zu alten Schauplätzen zurückkehren und die Beziehungen zur Spielwelt intensivieren beginnen die Probleme.
Damit ein solches Spiel möglich wird gibt es Quellentexte, die im Spiel mehr Tiefe zulassen, da eine gemeinsame Grundlage oder Vorstellung von der Spielwelt entstehen KANN. Das Wissen über die Spielwelt verschafft den SpielerInnen nämlich auch Handlungsräume; siehe auch Gerds Beispiel zu Haelgarde. QB setzen somit die alleinige Definitionsmacht des Spielleiters außer Kraft und setzen ein QB an dessen Stelle. Jetzt steht die Spielleitung vor dem Problem, wie damit umgegangen werden kann. Quellentexte werden zum Stein des Anstoßes. Sie werden, ähnlich wie die Regelwerke zur Diskussion gestellt.
Damit wäre ich wieder beim Vermittlungsproblem und der Frage nach den Freiräumen angelangt. Ist es nicht auch die Frage, um wessen Freiräume es geht? QB schränken meiner Ansicht nach in erster Linie den Freiraum von SpielleiterInnen und AutorInnen (den der Offiziellen) ein. SpielerInnen können durch Quellenbücher Freiräume gewinnen, darum werden sie von diesen ja auch so gerne gelesen.
Zur Praxis:
Ich als Spielleiter begrüsse es, wenn die SpielerInnen QB lesen. Allerdings verweise ich stets darauf, dass diese Dinge nicht als Wahrheit zu betrachten sind, sondern eher wie ein subjektiver Reisebericht zu lesen sind. SpielerInnen können sich dann einzelne Aspekte für ihre Figuren heraussuchen und haben auch etwas zu erzählen. Sie können über ihr Herkunftsland Auskunft geben und ihre Ausführungen mit persönlichen Auffassungen und Ideen anreichern. Dieser Umgang mit QB ist m.E. sehr nützlich, weil er die Spielleitung davor bewahrt, dass SpielerInnen kommen und sagen Nahuatalan ist so uns so, das weiß ich! Schwieriger wird es, wenn diese Praxen für z.B. für Cons verwendet werden sollen, weil dort oft sehr heterogene Spielstile aufeinandertreffen.
Zum Abschluss noch eine Position aus der Sicht der offiziellen Autorin. Hier stellen alle Quellentexte eine erhebliche Einschränkung dar, da sie für jeden neuen Text zu berücksichtigen sind. Daher bin ich dafür nicht ganz Midgard mit QB abzudecken.
Für den inoffiziellen Gebrauch stellt die Einführung immer weiterer Quellentexte freilich, wie Mike ja auch schon eingangs ausführte erstmal kein Problem dar, es sei denn die Spielrunde tappt in eine der zuvor von mir beschriebenen Fallen.
Beste Grüße und guten Wurf...