Erzählung von Vincente Cocinéros, Bürger von Dargirna, Weinhändler. Beim Feierabendwein schwelgt er in Erinnerungen von seinen Reisen der letzten Jahre:
Viel ist passiert in unserem schönen Fürstentum. Wer hätte gedacht, dass die hübsche Fürstentochter Barbelica es bis zur Prinzessin von Valian bringt? Erst war sie gelähmt, verflucht und ihre Zukunft ungewiss. Dann wird sie entführt, versklavt und heiratet Hals über Kopf heimlich diesen Faltinea-Höfling.
Nur gut, dass die Götter ein Einsehen hatten und diese Ehe annulliert haben, nachdem der junge Faltinea schon lange verschollen war und wohl tot sein dürfte. Damit konnte Barbelica dann den zweitgeborenen Sohn des Seekönigs, Marantin, heiraten. Wobei das wohl nicht ihre große Liebe sein dürfte, wie ich gehört habe, sondern eine vom Fürst eingefädelte Ehe, wie sie in adligen Kreisen üblich ist. So spricht man jedenfalls leise hinter vorgehaltener Hand. Angeblich ist der reiche Thronerbe – denn sein älterer Bruder ist mitsamt seiner Flotte nun auch verschollen und wohl tot - nur auf seinem Landsitz mit seiner Schwester zu sehen. Die ist allerdings ein Hingucker, sage ich euch! Einmal durfte ich dorthin meinen Wein liefern, da sah ich sie. Unglaublich, da bleibt jedem Mann die Luft weg, eine wunderschöne Frau in den modischsten Kleidern, die ich jemals gesehen habe. Mit der würde ich auch auf einem Landsitz bleiben wollen.
Aber was geht uns einfache Leute das Liebesleben der Reichen und Adligen an? Der alte Alberigo ist inzwischen komplett verrückt, wenn ihr mich fragt. Die Regierung unseres Fürstentums hat er an Barbelica abgegeben, die offensichtlich schwer an der Verantwortung trägt. Er selbst kümmert sich als Grande – ja Alberigo häuft große Titel und Ehren an, wie kaum ein anderer! – um die corische Flotte, oder geht jagen: Frauen, Hirsche und Waelinger. Wobei die meisten Nordmänner inzwischen wieder weg sind. Ich heule den Barbaren jedenfalls keine Träne nach.
Und Alberigos alter Mentor, der Kanzler Orlandrez ist auf einer Pilgerfahrt unter sehr mysteriösen Umständen verschwunden. Kurz nachdem er abgedankt hat, oder entlassen wurde. Die einen sagen so, die anderen anders. Ein befreundeter Händler hat mir erzählt, er habe Suchkommandos gesehen, die forschten, wo er denn geblieben ist. Fast habe es den Anschein, er wolle nicht gefunden werden, heißt es. Angeblich hat er mit der Hohepristerin Fimarlia einen geheimen Pakt abgeschlossen. Sie wurde auch Äbtissin von Migrapedes, hmmmm….. Wahrscheinlich zieht der alte Fuchs die Fäden noch immer aus dem Hintergrund?
Ach ja, Fra Orlandrez: Der hat kurz vor seinem Verschwinden zu seinem 80. Geburtstag zugegeben, der Vater des Conte Federgo zu sein! Das war mal ein Aufreger, kann ich euch sagen. Die schöne Alchira hat ja sicher viele Männer verführt, dass der – damals noch junge – Ordensbruder auch dazu gehörte, ist echt hart, oder? Denn Alchira hat ja auch eine Tochter mit dem Fürsten. Gut, der besteigt ja jede Frau, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Und überhaupt, inzwischen hat Alchira sogar noch Zwillinge mit einem Waelinger-Anführer. Darum hasst Alberigo diesen Waelinger-Abschaum wohl so. Ne?
Überhaupt Alchira. Sie hat ihre Finger (oder anderes) scheinbar überall drin. Durch ihre Kinder hat sie überall Einfluss. Ihr Sohn Federgo macht sich als Söldnerführer einen Namen und sorgt mit harter Hand auf seinem Lehen für Ordnung. Allerdings macht er sich so auch Feinde. Der Covendo, dessen Ländereien im Norden an die Graftschaft Lapaune grenzen, findet die Ansprüche an mehr Land durch den neuen Conte Federgo gar nicht amüsant. Um nur eine Sache zu nennen.
Ja, viel war los in Vigales. Erinnert ihr euch noch an die große Heerschau, als es beinahe einen Bürgerkrieg gab? Das war echt gefährlich. Da haben sich ein paar Aktionen von wenigen Leuten, einige Missverständnisse und die Kriegslüsterei mancher Adliger ganz schön hochgeschaukelt. Der damalige Großmeister Malifada Tabruzzo ist aus dem ganzen Schlamassel – und anderen Dingen – am Ende sehr stark herausgegangen und wurde mittlerweile zum Hochmeister aller Susperragas befördert. Gruselig, der Mann ist ein echter Fanatiker und möchte uns alle wahrscheinlich sofort zu Culsu schicken, wenn wir kein, nach seiner Meinung, culsugefälliges Leben führen. Nix für mich. Den Weißmänteln gehe ich lieber aus dem Weg. So wie jeder normale Bürger.
Und dann wurde es noch richtig verrückt. Auf einmal haben sich alle um eine ferne Insel irgendwo in der südlichen See geprügelt. Zaracudas heißt das blöde Eiland, auf dem es Vulkane, Drachen und Wilde geben soll. Was es dort sonst zu holen geben soll, konnte mir keiner wirklich sagen, mit dem ich gesprochen habe. Aber alle wollten die Insel für sich in Besitz nehmen. Der Vogt Mattul unserer Prinzessin sagt, das sei „Barbelica-Land“. Die Elhaddarer meinten, es sei ihre Insel und haben sogar ihren obersten Herrscher – oder obersten Priester, oder beides in einem? – den Kalif aus dem fernen Mokkatam und seine Armee mit viel Magie dorthin geschickt. Schließlich haben sich auf der Insel unsere Truppen und die Elhaddarer (die Glaubenskrieger des Kalifen blieben nicht lange…) in Festungen verschanzt und jahrelang ausgeharrt, weil alle auf ihren Standpunkten beharrt haben.
Erst die Trobadores aller Länder konnten die Insel retten. Denn mutige Abenteurer hatten herausgefunden, wenn die Insel weiter so mit Krieg bedroht wird, dann würde sie auseinandergerissen werden. Sie ist – oder war – irgendwie arkan instabil, wahrscheinlich irgendwelche gefährlichen Hinterlassenschaften des alten Imperiums – mögen uns die Götter davor bewahren! Und wenn diese finsteren Künste außer Kontrolle geraten wären, hätte niemand sagen können, ob das nicht auch sogar uns hier betroffen hätte? Aber es gab eine Ballade des Friedens und anschließend einen Kontrakt mit den wilden Eingeborenen. Seitdem ist da wieder Ruhe.
Und es ist noch so viel mehr passiert. Das erzähle ich euch ein andermal.