Der ehrenwerte Solwac von Irenspring bat mich, meinen Bericht auch hier vorzubringen. Sollte ich damit vorgreifen, so bitte ich um Löschung oder Verschiebung.
[spoiler=Berens Brautwahl]
Ich Snjeschka, Schamanin aus Moravod, möchte berichten, was auf König Berens Brautschau geschah und wie es zuging, dass Soredamor Königin von Alba wurde.
Es ist gar merkwürdig, dass sich die Albai versammeln, damit der König sich eine Frau wählen kann. Malachy und ich, die wir mit König Beren bekannt sind, waren froh, geladen zu sein, auch wenn wir gar nicht recht wussten, was denn geschehen sollte. Doch zunächst begann der Abend fröhlich und angenehm. Der Haushofmeister stellte die geladenen Gäste vor, unter ihnen einige, die uns schon bekannt waren, aber noch viel mehr, die wir noch nie gesehen hatten. Malachy und ich überbrachten die Grüße vom Großfürsten von Geltin, der unser Freund und Gönner ist. Der Haushofmeister sagte auch, dass ich eine Schamanin sei und später Gelegenheit haben würde, die Botschaft meiner Geister der Gesellschaft zu überbringen.
Dann kamen die Bräute herein.
Am Vorabend hatte ich schon die Geister um eine Vision gebeten und gefragt, welche der Damen diejenige wäre, die für Beren am besten ist. Die Geister waren mir wohlgesonnen und sandten mir eine Botschaft: Sie berichteten mir, die beste Braut sei die, auf deren Haupt das Licht der Götter scheine. Aber wie es Art der Geister ist, nannten sie mir keinen Namen und zeigten mir auch kein Gesicht. Also nahm ich mir vor, alle Bräute anzusehen, um herauszufinden, welche von ihnen im Lichte der albischen Götter steht.
Die erste, die mir begegnete, war Bernesse NiConuilh. Ich dachte zuerst, sie könne eine gute Wahl sein, denn Malachy hatte mir erzählt, dass ihr Vater Donuilh MacConuilh ein großer Jäger und guter Mann sei. Also sprach ich Bernesse an und fragte sie nach dem Wohlergehen ihres Vater. Und dann erkundigte ich mich, warum sie Beren heiraten wolle. Sie antwortete: „Weil ich Königin von Alba sein will!“ Da dachte ich bei mir, dass sie vielleicht tatsächlich eine gute Königin werden könnte, aber niemals eine gute Ehefrau. Außerdem fand ich insgeheim, dass ein albisches Königspaar, das „Beren und Bernesse“ heißt, doch recht albern und lächerlich klingen müsse und den übrigen Monarchen und Edlen von Midgard allerlei Anlass zu Spott geben könnte …
Als nächstes sprach ich mit Daina NiConuilh, einer Kusine Bernesses. Von Weitem dachte ich, sie müsste diejenige sein, auf deren Haupt das Licht der Götter liegt! Aber als ich näher kam, bemerkte ich, dass es nur die Juwelen der Conuilhs waren, die in ihren Haaren schimmerten. Sie war auch noch sehr jung und – was schwerer wiegt – schien mir nicht sehr klug zu sein. Eine Königin müsste klüger und auch reifer sein, vor allem bei einem König, der mit seinem Totem noch so im Unreinen ist wie Beren.
Sodann lernte ich Grisande NiRathgar kennen. Sie ist ein gar hübsches und frisches Mädchen, aber Malachy war nicht gut auf den Clan Rathgar zu sprechen, sie gelten in Alba als streitsüchtige und rabiate Leute, und eine von ihnen soll gar mit den Dämonen im Bunde gestanden sein, wie Malachy berichtete.
Zwischendrin machte ich die Bekanntschaft mit den zwergischen Gesandten. Ich fragte sie, warum sie nicht auch eine Brautkandidatin für Beren ausgeschickt hätten, aber sie meinten, es sei so traurig, wenn die Ehefrau ihren Gatten um viele hundert Jahre überlebt, und das leuchtete mir ein. Zu dieser Zeit bemerkte ich auch, dass zwei Wachen stets hinter mir waren, wohin ich auch ging. Sie taten mir leid: Während alle anderen dem Bier und dem Met zusprachen und allerleid gute Dinge aßen, mussten sie dabei stehen und mir zusehen, wie ich mit den edlen Leuten plauderte. Die Armen!
Dann wurde ich Cundris NiCeata gewahr, der vierten Brautanwärterin. Ich muss gestehen, ich mochte sie sofort. Sie war schon älter als die anderen, eine freundliche, kluge Frau, die mit der ruhigen Selbstsicherheit eines Menschen sprach, der weiß, was er will, und dabei das Beste im Sinn hat. Doch gerade diese Offenheit war es, die sie rasch von meiner Liste katapultierte: Sie erzählte mir nämlich, dass sie Witwe und dass ihr erster Gatte bei einem Reitunfall ums Leben gekommen war. Eine Witwe als Braut für den König? Nein, das schien mir nicht richtig zu sein. Wenngleich sie versichern konnte, dass sie bereits zwei Kindern – Söhnen – das Licht der Welt geschenkt hatte (beide waren jung durch ein Fieber verstorben), musste ich diese Kandidatin völlig ausschließen.
Ich traf unter den Gästen Dunstan, jenen Waldläufer, der Beren fast an Vaters Statt großgezogen hatte, und freute mich, dass er sich wohl befand, wenngleich er einen nervösen Eindruck machte. Ich wollte ihn im Vertrauen fragen, welcher Frau denn nun Berens Herz gehörte, aber er wiegelte ab und meinte, seines Wissens sei das Herz des Königs noch nicht vergeben, und wenn es doch so sei, so wisse zumindest niemand, an wen. Er war auch sehr besorgt, ich könne in meiner Vision etwas über Berens Schwierigkeiten mit seinem Totem berichten, aber ich versicherte ihm, dass die Geister nichts verraten würden.
Als nächstes hatte ich Gelegenheit, mit Aidis NiTilion und Arwa NiAelfin zu sprechen. Aidis schien mir ein recht unerfahrenes junges Ding zu sein, das recht wenig von den Männern und noch viel weniger von der restlichen Welt verstand. Arwa dagegen machte den Eindruck einer gescheiten und überaus gebildeten jungen Dame. Sie sprach von Musik und Dichtkunst und langweilte mich damit sehr. Dann begannen die beiden Fräulein, einander schlecht zu machen und schließlich zu zweit auf der armen Cundris einzusticheln, so dass ich mich alsbald verabschiedete.
Etwa um diese Zeit wurde mir klar, dass mir nicht nur die beiden Wachen, sondern auch stets zwei Wächter der Zwerge folgten. Letztere waren besonders um mein Wohlergehen besorgt. Und dann kam auch noch eine Elfe auf mich zu und bat mich, überprüfen zu dürfen, ob das Bier in meinem Glase vergiftet sei! Anscheinend glaubte sie, man wolle mich töten, obgleich ich mir beim besten Willen nicht denken kann, warum.
Die letzte, die ich traf, war Soredamor, die Priesterin der Vana. Auch sie schon in den Zwanzigern, aber doch noch jung genug, um für Beren zu genügen, wie mir schien. Nicht ganz so hübsch wie manch andere, aber mit klugen Augen und einem warmen Blick. Und als ich sie sprechen hörte, war ich mir sicher, dass sie diejenige sein müsse, auf die mich die Geister hingewiesen hatten: Fromm und dem Land verpflichtet, dient sie einer Göttin, die gerade im einfachen Volk in ihren Wäldern und Wehrhöfen sehr verehrt wird. Und dennoch bereit, sich einem Gatten unterzuordnen, der zwar ihr an Macht überlegen war, den sie aber mit spiritueller Stärke anleiten und auf der rechten Spur halten könnte.
Nachdem ich mich von Soredamor verabschiedet hatte, stieß ich auf Laird Angus, den alten Reichsverweser von Alba. Er ist ein gar merkwürdiger und undurchsichtiger Kauz. Ich fragte ihn, welche Braut ihm denn am besten erscheine. Er sprach lang von der Stabilität des Landes und der Stärke der mächtigsten Clans. Also fragte ich ihn, welche der beiden Fräulein Conuilh ihm denn am liebsten wäre, und er meinte, diese Wahl könne man ja Beren überlassen.
Dann geriet ich an die beiden Erzäbte Cleremond von Prioresse und Osmond von Harkfast. Ich fragte sie, warum sie sich denn Erzäbte nannten und ob das etwas mit den Zwergen zu tun hätte, die doch Erz schürften. Aber sie erklärten mir, dass die Erzäbte noch über den normalen Äbten stünden. Ich fragte sie, was denn die albischen Götter zu der Brautwahl gesagt hätten. Sie meinten, die Götter hätten Vertrauen in Beren und würden ihm die Wahl überlassen. Aber mir scheint, dass ein König so viele kluge Ratgeber wie möglich haben sollte, auch unter den Göttern, und es schien mir, womöglich hatten die Äbte ihre Götter gar nicht gefragt aus Sorge, sie könnten etwas sagen, das den Äbten vielleicht gar nicht gefiel.
Dann baten mich Beren und der Haushofmeister, der erlauchten Gesellschaft meine Botschaft der Geister zu überbringen, und ich war glücklich und stolz, von meiner Vision berichten zu dürfen.
Ich schwebte auf grauen Schwingen über die reichen und herrlichen Wälder Albas. Da sah ich auf einer Lichtung die Bären tanzen: Herrlich und schön der Reigen der glänzenden Pelze, und unter ihnen einer, noch größer und edler als alle. Dann trat aus den Wäldern eine Frau: Das Licht der Götter schimmerte auf ihrem Haar, und zu ihren Füßen sprossen die Ähren aus dem Boden.
Und ich sagte Beren, dass die Geister ihm rieten, auf seinen Verstand und sein Herz, aber nicht nur auf seine Augen zu hören.
Nach meinem Bericht mussten die Bräute einige Proben ablegen: Sie mussten Wein und Gedichte auftragen, und eine jede durfte Beren ein Geschenk überreichen. Das fanden Malachy und ich recht langweilig. Wir sprachen mit einem Lidralier, der behauptete gar, meine Vision sei gar nicht die Stimme der Geister, sondern von mir erfunden und umgedeutet! Da wurde Malachy sehr ärgerlich, und er hätte den Lidralier verprügelt, wenn nicht Sir Kinlockew MacRathgar und eine Hofdame der Königinmutter dazwischengegangen wären.
Für einige Zeit war der König aus dem Raum verschwunden, und niemand schien zu wissen, wo er sich aufhielt. Aber er war nur kurz im Abtritt gewesen. Dennoch dachten wir uns, Malachy und ich, dass es doch dumm wäre, wenn der König am Tag seiner Brautwahl verschwände, auf welche Weise auch immer. Also trat ich an ihn heran, um ihm ein Haar vom Hemd zu zupfen, damit ihn sein Seelenkompass auf jeden Fall wiederfinden würde. Oh, was gab das für eine Aufregung! Der Haushofmeister trat sofort dazwischen und die Äbte veranstalteten ein großes Gezeter! Doch der König war sehr huldvoll und gestattete mir, ihm selbst eines seiner roten Haare auszureißen.
Dann sprach ich mit Alric MacBeorn, einem Vettern des Königs, und Doireann, der Hofdame der Königinmutter. Ich dachte, diese beiden müssten wissen, wem Berens Herz gehörte. Doireann berichtete von Gerüchten, nach denen Beren ein Mädchen liebte, das nicht unter den Kandidatinnen sei, jemand von niedrigem Stand. Ich fragte, was geschehen würde, wenn Beren dieses Mädchen heiratete. Alric meinte, das würde nicht geschehen. Doch ich bohrte nach, und schließlich gestand er ein, dass Beren natürlich zurücktreten und seiner Schwester Dorenn den Thron überlassen könnte. Ich denke mir, ein Mann sollte immer die Frau heiraten, die er liebt. Also ging ich zu Dorenn und fragte sie, ob sie nicht gerne Königin werden wollte. Aber sie war dagegen, also verwarf ich diesen Gedanken.
Später sagte mir der Haushofmeister, die erzernen Äbte hätten furchtbare Sorge, ich könnte mit diesem Haar etwas Schlimmes anfangen – ich kann mir nicht denken, was das sein sollte! Jedenfalls bestanden sie darauf, dass ich es zurückgab. Doch der König, der wusste, dass ich nur sein Bestes wollte, steckte mir heimlich ein weiteres Haar zu, so dass am Ende alle zufrieden waren. Er verbot auch, dass mir die Wachen weiter überallhin folgten, so dass ich wieder allein umher gehen konnte.
Langsam wurde es spät. Es kamen noch Musikanten, die ein lustiges Lied über die Brautwahl sangen, und dann war es soweit: Beren stand auf und sprach, er werde seine Wahl bekannt geben. Und es geschah genauso, wie die Geister es vorhergesagt hatten: Beren erwählte tatsächlich Soredamor, auf deren Haupt das Licht Vanas scheint und auf deren Kleid die Säume mit Ähren bestickt waren.
Ich war recht zufrieden mit dem Ausgang des Abends, aber es sollte noch etwas Unangenehmes geschehen: Als ich die Feierhalle verließ, wartete da eine Unzahl albischer Ordenskrieger, die verfügten, ich stünde unter Arrest und müsste sie zu einem Kloster in eine Zelle begleiten. Sie waren recht höflich, darum ging ich mit. Aber als wir dort ankamen und der Ort mit doch sehr unwirtlich schien, hatte ich genug von dieser Posse, nahm ich die Gestalt des Uhus an und flog meiner Wege.
Gruß von Adjana Snjeschka