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Zeno's Crime Club


Zeno

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Und wo wir gerade vom Golden Age (GA) gesprochen haben: Normalerweise setzt man ja den Beginn dieser Epoche um 1920 an, als u.a. Agatha Christies Roman "The Mysterious Affair at Styles" erschienen ist. Tatsächlich werden aber auch zwei Romane zum GA gezählt, die vor dem ersten Weltkrieg erschienen sind: H.C. Bentleys "Trent's Last Case" (1913) und  A.E.W. Mason "At the Villa Rose" (1910), den ich zum Krimi dieses Monats auserkoren habe.

Um mich nicht dauernd wiederholen zu müssen, zitiere ich hier mal meine Einleitung zu diesem Werk, die ein bisschen ausführlicher als sonst ausgefallen ist:

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Den Krimi-Freunden auf der gesamten Welt ist Mason aber durch seine fünf Romane und zwei Kurzgeschichten um den französischen Inspektor der Sûreté Gabriel Hanaud ans Herz gewachsen, eine (für seine Fans viel zu kurze) Serie, die immerhin von 1910, als „At the Villa Rose“ erschien, bis 1946 währte. Masons Intention war von Anfang an, einen Detektiv zu schaffen, der sich so viel wie möglich von Sherlock Holmes unterscheiden sollte (der 1910 ja gerade von seinem Tod in den Reichenbachfällen „auferstanden“ war): Hanaud war untersetzt, Holmes hager, war Polizeibeamter, kein Amateur, gehörte der französischen Sûreté an und stammte nicht aus dem viktorianischen England, und vor allem verließ er sich mehr aus psychologische Einsichten als auf materielle Beweise. Hanauds Watson ist ein ehemaliger Tee- und/oder Gewürzhändler namens Julius Ricardo, nur in dem zweiten Roman „The House of the Arrow” (1923) wird diese Rolle von einem jungen englischen Rechtsanwalt übernommen.

Hanauds Bedeutung (und die des Romans „At the Villa Rose“) wird bereits von dem amerikanischen Literaturhistoriker Howard Haycraft in seinem Werk „Murder for Pleasure. The Life and Times of the Detective Story“ (New York–London: 2. Aufl. 1941, S. 72) treffend beschrieben: “For a good generation after Holmes, virtually every fictional detective of consequence  was either an outright amateur or, at the least, a private consulting agent, engaged in outshining and humilating the minions of the law. With A.E.W. Mason’s M. Hanaud,  of the Sûreté, we come for the first time since Gaboriau to a really notable police detective. In this single sense Hanaud may loosely he called a descandant of Lecoq. But there the resemblance ends, for in contrast to the lumpish sensationalism of Gaboriau, the Hanaud adventures are among the most subtly conceived and described in the genre, Mason, though he chooses a Gallic miseen-scène, and though he handles French judiciaire procedure like a native, is an Englishman, and is thus not under the compulsion most French writers of detection seem to feel of following literally in the footsteps of the feuilletonist.”

Eine humorvolle Note bekommen die Erzählungen u. a. auch durch Hanauds ständigen Kampf mit den englischen Idiomen. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass Hanaud als eines der Vorbilder von Agatha Christies belgischem Detektiv (und ehemaligem Polizeibeamten) Hercule Poirot gilt, dessen erstes Abenteuer, „The Mysterious Affair At Styles“ (dt. „Das fehlende Glied in der Kette“), 1916 geschrieben wurde und sogar erst 1920 erschien. 

Bei aller Modernität hat “At the Villa Rose” durchaus auch noch Züge der Kriminalromane aus der Epoche zuvor. Wie in drei der vier Holmes-Romane (die Ausnahme ist „The Hound of the Baskervilles“) wird die Geschichte in zwei Teilen erzählt: Im ersten werden die Verbrecher gejagt und zum Schluss auch gestellt, im zweiten (ebenso umfangreich wie der erste)  werden die Geschehnisse aus ihrer Sicht und der ihres überlebenden Opfers geschildert. Dies ist in den folgenden Werken nicht mehr so, lediglich im letzten Roman „The House in Lordship Lane“ (1946) wird in den letzten Kapiteln das Tagebuch eines der Beteiligten zitiert

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Von diesem Buch habe ich auch eine Version mit allen Illustrationen. Wer die haben möchte, möge mir bitte eine PN schicken (mit einer E-Mail-Adresse, falls ich die noch nicht haben sollte).

Mason-01-Villa-Rose-ZCC.pdf

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  • 5 Wochen später...

So, nach dem Superklassiker vom März gibt es für den April etwas ein, zwei Nummern kleiner, aber dafür düsterer und okkulter, nämlich einen weiteren (den sechsten) Krimi aus der "Gees"-Reihe von Jack Mann alias E.C. Vivian alias … alias Charles Henry Cannell. Diesmal geht's um Katzen, wie der Titel vermuten lässt, aber speziell um ägyptische Katzen und um eine sehr geheimnisvolle Dame eben aus jenem Land. Etwas für Freunde ägyptischer Mythen und ein sehr schöner Stoff für okkulte Rollenspiel-Abenteuer!

Mann-1939-06-NinthLife.pdf

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  • 2 Wochen später...
Geschrieben (bearbeitet)

Ich bin heute auf die Website des Krimimuseums in Jever gestoßen: http://www.krimimuseum.de

Die haben nicht nur eine interessante Sammlung, sondern geben auch eine Reihe mit historischen Krimis heraus, die ausländischen darunter in einer alten deutschen Übersetzung. Zu den deutschsprachigen Originalen zählt auch einer von Auguste Groner: Die schwarze Schnur, 1908, (444 Seiten, 16 Euro) – "der umfangreichste und spannendste Roman mit dem ersten deutschsprachigen Serien-Detektiv Joseph Müller…" als Band 30 der erwähnten Reihe. Ob das der spannendste Roman ist, weiß ich nicht, dazu müsste ich alle kennen (was die sicher auch nicht tun), aber ordentlich dick ist er jedenfalls. Es gibt (oder soll geben, das Erscheinungsjahr ist 2024) auch einen Thorndyke-Roman, dessen deutschen Titel (Die Nacht von Stratford) ich aber nicht einem der englischen Originale zuordnen kann. Ich habe die Leute mal angeschrieben, weil ich das unbedingt wissen wollte. Watch this space!

Bearbeitet von Zeno
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Mittlerweile weiß ich es schon, weil Herr Schädel (den Nachnamen habe ich mir nicht ausgedacht!) vom Museum prompt geantwortet hat: Leider handelt es sich um eine deutsche Übersetzung von "Pontifex, Son and Thorndyke" aus dem Jahre 1931, den ich für einen der schlechtesten Romane aus der Reihe halte. Außerdem hat er so einige unangenehme antisemitische Untertöne, die ich gar nicht mag. Freeman hat sich davon, wie zahlreiche andere englische Krimi-Autor:innen der Epoche nach der Machtergreifung, sehr schnell davon gelöst, aber …

Nichtsdestotrotz ist die Museumsreihe natürlich für Krimi-Fans einfach nur eine tolle Fundgrube. Und da die damit auch ihre Miete finanzieren, kann man die Leute durch den Kauf eines Buches unterstützen.

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vor 8 Minuten schrieb Zeno:

Mittlerweile weiß ich es schon, weil Herr Schädel (den Nachnamen habe ich mir nicht ausgedacht!) vom Museum prompt geantwortet hat: Leider handelt es sich um eine deutsche Übersetzung von "Pontifex, Son and Thorndyke" aus dem Jahre 1931, den ich für einen der schlechtesten Romane aus der Reihe halte. Außerdem hat er so einige unangenehme antisemitische Untertöne, die ich gar nicht mag. Freeman hat sich davon, wie zahlreiche andere englische Krimi-Autor:innen der Epoche nach der Machtergreifung, sehr schnell davon gelöst, aber …

Nichtsdestotrotz ist die Museumsreihe natürlich für Krimi-Fans einfach nur eine tolle Fundgrube. Und da die damit auch ihre Miete finanzieren, kann man die Leute durch den Kauf eines Buches unterstützen.

Wenn der Vorname (des Herrn Schädel) jetzt Jörn, vormalig aus Norddeich ist, dann ist die Welt für mich wieder eine ganz kleine Sandkiste...... :lol:  

Bearbeitet von Slüram
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Am 8.4.2024 um 12:46 schrieb Slüram:

Wenn der Vorname (des Herrn Schädel) jetzt Jörn, vormalig aus Norddeich ist, dann ist die Welt für mich wieder eine ganz kleine Sandkiste...... :lol:  

Nee, ist er nicht. Aber vielleicht ist der Herr ja ein Verwandter. Er (oder wohl eher das Museum) besitzt übrigens eine stattliche Anzahl zeitgenössischer deutscher Übersetzungen der Thorndyke-Romane. Lechz!

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