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Darstellungsformen der Spielwelt


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Hallo!

 

In letzter Zeit habe ich mir vermehrt Gedanken über die Darstellungsformen der Spielwelt durch den Spielleiter gemacht. Bisher sind mir bei verschiedenen Spielleitern unterschiedliche Stile aufgefallen, die sich doch erheblich voneinander unterscheiden, auch wenn sie sich alle auf die gleiche Faktenlage (Quellenbücher) berufen. Jeder setzt eben eigene Schwerpunkte und verleiht dadurch seiner Darstellungsform zwangsläufig eine persönliche Note.

 

Ist Euer Midgard eher märchenhaft oder historisch angehaucht, klar in gut und böse unterteilt oder diesbezüglich schwieriger zu fassen, strahlend oder dreckig, eher ernst oder vielmehr humoristisch, eine Kopie unserer Gesellschaft oder doch eher ein utopischer Gegenentwurf zu dieser?

 

Bei der Beschreibung der jeweiligen Darstellungsform geht es mir weniger um Abweichungen davon, die man zugunsten seiner Spieler einbaut. Es ist klar, dass ein Spielleiter, der seinen Spielern regelmäßig die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer Figuren gibt, auch auf deren Vorstellungen der Spielwelt eingeht. Mein Interesse liegt hier aber eindeutig auf der persönlichen Vorliebe des jeweiligen Spielleiters. Mir geht es hier auch weniger um eine irgendwie geartete Umsetzung (z. B. mehr oder weniger erzählend, viel oder wenig würfeln lassen, ...). Die entscheidende Frage sollte sein: Wie fühlt sich Euer persönliches Midgard an?

 

Langfristiges Ziel ist es, unterschiedliche Darstellungsformen zu charakterisieren und sie gegebenenfalls mit den unterschiedlichen Spielertypen nach Robin Law in Relation zu setzen. Auch interessiert mich, ob das Spielsystem MIDGARD bestimmte Darstellungsformen fördert oder hemmt. Bis dahin möchte ich Euch dazu einladen, einmal über die eigene Darstellungsform nachzudenken und hier Eure Erfahrungen sammeln. Dafür danke ich bereits vorab.

 

Mit freundlichen Grüßen, Fimolas!

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Hallo!

 

Nach einer intensiven Beobachtung meiner eigenen Darstellungsform in den letzten Monaten und einer kritischen Hinterfragung dessen, was mir eigentlich besonders gefällt, kam ich zu dem Ergebnis, dass meine Form der Darstellung Midgards am besten durch den Begriff „Historisierender Realismus“ charakterisiert werden kann.

 

In Anlehnung an historische Vorgaben und Erkenntnisse entwickle ich auf Grundlage der Quellenbücher eine Welt, die sich möglichst authentisch anfühlen soll. Dabei wird kein Blatt vor den Mund genommen und es werden neben den lichten Aspekten auch schonungslos die Schattenseiten beschrieben. Bei den Grenzerfahrungen, die in Abenteuern regelmäßig erspielt werden, kann es vereinzelt sehr direkt und hart zugehen. Um die Authentizität zu erhöhen, streue ich viele kleine Details ein, die zusammengenommen eine plastische Welt vermitteln. Weiterhin lege ich ganz besonderen Wert auf die Nichtspielerfiguren, da mittels überzeugender Beschreibungen, Hintergründe und Motivationen über diese viel von dem Charakter der Spielwelt vermittelt werden kann. Dadurch versuche ich, eine möglichst dichte Atmosphäre zu erzeugen, was die künstlich erschaffene Realität greifbarer machen soll. Meine Erfahrung in diesem Zusammenhang ist nämlich, dass je stärker die Spieler emotional Anteil am Spielgeschehen haben, desto stärker fühlen sie sich in die jeweilige Situation versetzt, was die Glaubwürdigkeit des Ganzen unterstützt und dadurch realistischer erscheinen lässt.

 

Inspiriert wurde diese Form der Darstellung sicherlich von Autoren wie Bernard Cornwell (die Artus-Chroniken und die Uthred-Saga) und George R. R. Martin (Das Lied von Eis und Feuer). Hier finde ich Beschreibungen, wie sie mir liegen und aus denen ich vielfach Anregungen für meine eigene Darstellungsform der Welt Midgard ziehe.

 

Eine Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang stelle, ist folgende: Ist meine bevorzugte Darstellungsform nun von dem Spielsystem MIDGARD, das ja auf historischen Vorlagen fußt, beeinflusst oder kommt das Spielsystem meinem Stil nur entgegen? Ich weiß es nicht.

 

Mit freundlichen Grüßen, Fimolas!

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Hallo Fimolas

 

Ich versuche mich mal an einer Antwort und hoffe, auch ohne entsprechende Hintergrundkenntnisse der RST eine für dich korrekte und hilfreiche Schilderung liefern zu können.

 

Erstens einmal: der Ausdruck Historisierender Realismus kommt meiner Vorstellung ebenfalls sehr nahe. Natürlich erweitert um Magie und Nicht-menschliche Rassen, ebenso wie um weitere, nicht Midgard-Spezifische Besonderheiten, die einen Ursprung in meinen langen Kampagnen besitzen und aus vielen verschiedenen Quellen, vor allem natürlich verschiedenster Fantasy-Welten/Bücher herrühren. Insofern gibt es einen harten historischen Kern und drumherum sehr viele fantastische Ausschmückungen, die eben eine Besonderheit in allen Kampagnen/Abenteuergeschichten unter meiner Spielleiterschaft bilden - auch für Leute, die den Ursprung dieser Besonderheiten nicht (mehr) kennen, weil sie erst viel später zu meinen Runden gestoßen sind. Gerade dies macht es aber mMn interessanter, da dadurch Spielerwissen und Figurenwissen leichter konform geht: beide wissen eben nicht alles, was in der Welt passiert (ist), können es weder durch Studium von QB oder historischer Bücher selbst erfahren, und dies herauszufinden wird für Spieler und Figur dann eine besondere Herausforderung und - falls es gelingt - eine schöne "Belohnung".

 

Zu dem Punkt, wie mein Midgard aussieht: Grau in Grau. Auch die Spielerfiguren sind absolut gesehen nicht "Die Guten", ebenso wie man dies von den NSCs nicht behaupten kann (auf der Gegenseite manchmal schon, allerdings nicht immer). Im Speziellen sind es für den/die Spieler absolute Grenzerfahrungen, wenn sie draufkommen, dass ihre Handlungen das absolute Gegenteil von dem bewirken können, was sie eigentlich gedacht haben: Ich arbeite sehr viel mit externen Verführungen, wo der Spieler (!) erst sehr viel später, manchmal erst Jahre später, draufkommt, dass er eigentlich die ganze Zeit insgeheim für die "böse" Seite gearbeitet hat und dadurch viele seiner Handlungen schreckliche Auswirkungen hatten, die von einer "normalen" Gruppe wohl aufs energischste bekämpft worden wäre. Entwicklungen, die die Spielerfiguren in dieser Zeit mitgemacht haben, können dann auch nicht mehr so einfach abgeschüttelt werden und ich habe oft schon bemerkt, dass die Spieler auch nach der "Aufklärung" weiter in alte Verhaltensmuster gefallen sind - und dies teilweise auch absichtlich gemacht haben! Dies finde ich eine besonders schöne und gute Form des Rollenspiels!

 

Desweiteren ist die Frage nach "Gut" und "Böse" immer eine sehr relative und von den Augen des Betrachters abhängige. Die Spieler, die schon lange in meinen Gruppen spielen, wissen das schon. Die "Neuen" werden das auch noch kennen lernen. Insofern denke ich, dass ich als SL sehr gerne auch eine Rolle des "Augen Öffners" einnehme. Viele der Beschreibungen zur Midgardwelt, ebenso wie auch viele Abenteuer zu Midgard, helfen mir dabei, da sie sehr oft auf einen inneren Konflikt hinauslaufen, wobei sich die Spielfiguren und damit die sie spielenden Menschen entscheiden müssen, auf welche Seite sie sich schlagen: die offensichtlich "gute" Seite, die aber durchaus ihre Schattenseiten hat, oder die offensichtlich "böse" Seite, die vielleicht eher das Mitgefühl der Spieler erregt und zu der sie eine höhere emotionale Bindung aufbauen können.

 

Hierzu möchte ich auch noch festhalten, dass die Frage "Gut" oder "Böse" auch stark vom Hintergrund einer Figur abhängt: was für die eine Figur schon "Böse" ist, empfindet eine andere Figur als "Normal" oder sogar "Gut". Hierbei muss/möchte ich mich auch sehr bei meinen Spielern bedanken, die wirklich sehr schön die Rollen ihrer Figuren auch bis zur letzten Konsequenz durchspielen, ohne dass dabei große Brüche in den Spielweisen oder dem Gruppenzusammenhalt auftreten. Allerdings gebe ich zu, dass ich den Vorteil habe, bei sich anbahnenden Konflikten rechtzeitig zu reagieren, indem ich einfach die Gruppenzusammenstellung optimiere: bei einer großen Anzahl von Spielern und Spielfiguren (die alle ungefähr zur selben Zeit und auf der selben Welt spielen) ist dies recht problemlos möglich.

 

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu deiner Frage, ob Midgard als System das speziell unterstützt oder nicht: mMn ist dies nicht der Fall! Ich habe vorher andere Systeme und andere Welten gespielt und es war zB. in Rolemaster ebenso wie auf Mittelerde oder Shadowworld gleich möglich wie im Midgard System und auf der Midgardwelt. ABER ich gestehe durchaus zu, dass die Welt Midgard es nicht behindert, so eine Darstellungsform auszuwählen - einzigartig dabei ist sie aber nicht. Da ich aber nicht alle Welten kenne, kann es durchaus sein, dass es andere Welten gibt, in denen es deutlich schwerer fällt, wenn nicht sogar unmöglich ist, solche Spielweisen umzusetzen. Desweiteren hängt es natürlich stark vom Geschmack und den Vorlieben sowohl der SL als auch der Sp ab, wie sie ihre Welt und ihre Umsetzung der Welt sehen und handhaben: aber darüber wirst du ja hoffentlich noch mehrere (andere) Rückmeldungen bekommen!

 

LG GP

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Für mich ist Midgard schmutzig, voller alter Geheimnisse und Intrigen. Das variiert nach Region. Die Intrigen treten in den Küstenstaaten und Valian mehr in den Vordergrund, die alten Geheimnisse sind in Moravod und Alba eher präsent. Wenn ich leite, möchte ich eine Welt vermitteln, die größer ist wie das was auf dem Papier geschrieben steht. Hinter jedem aufgedecktem Geheimnis gibt es ein weiteres Myterium zu ergründen. Jeder aufgedeckte Mord hat Einfluß auf die Gesellschaft usw.

 

Beim leiten möchte ich, dass die Spieler und deren Charaktere langsam die Puzzelstücke aus denen die Spielwelt besteht zusammensetzen. Mir kommt es dabei nicht mehr auf eine historisch korrekt dargestellte Spielwelt an. Das Gefühl der Spieler, mit ihren Figuren Teil eines größeren Ganzen zu sein ist mir wichtiger.

 

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du nach dieser Art von Antwort gesucht hast. Ich finde, die von dir angerissenen Schwerpunkte passen nicht zu meiner Sicht auf Midgard.

 

Ich starte auch (bzw. würde es) jede Kampagne auf einem Nullpunkt. Das heiß, ein unverändertes Midgard mit neuen Geheimnissen und neuen Verwicklungen, mit neuen Herausforderungen. Ich fänd es langweilig, wenn die Abenteuer der Vorgängergruppe zu viel Einfluß auf eine neue Kampagne hätten (natürlich ist es was anderes, wenn die alten Charaktere in die neue Kampagne geführt werden).

Bearbeitet von Abd al Rahman
Absätze eingefügt
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Bei mir ist Midgard schmutzig und grau. Das Leben in einer Stadt ist eine gefährliche Sache, jedenfalls dann, wenn man nicht der Oberschicht angehört. Die Städte sind versifft und in einigen dunklen Ecken ist der Gestank fast unerträglich. Kein Hahn kräht danach, wenn irgendein armer Schlucker getötet wird, weil ein dubioser Hexer für finstere Machenschaften ein paar Organe oder vielleicht eine Hand benötigt. Auf dem Land ist es etwas angenehmer, dafür ist hier aber auch der Hund begraben. …

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Midgard ist für mich vor allem eine Leinwand mit Setzbaukasten, wo ich verschiedene Elemente je nach meinem Bedürfnis (bzw. der Gruppe) bestimmte Aspekte betone oder auch völlig unter den Tisch fallen lasse. Generell ist es schon eher einem historisierten Realismus um Magie erweitert orientiert. Aber das ist kein Gesetz. Ich sehe keine Probleme darin, auch Anachronismen einzubauen, meist natürlich irgendwie historisiert. Aber Cameos sind einfach nett. Generell habe ich auch keine Probleme damit, auch ganze Straßenzüge, ja Städte, umzugruppieren, wenn sich das ein anderes Mal eben so anbietet. Solange die Topographie halt relevant ist, bleibt sie bestehen, ansonsten ist sie halt erst mal wieder im Pool des Möglichen wabernd.

Aber genaue Topographien sind mir persönlich einfach schlicht uninteressant. Strukturen interessieren mich mehr, da lege ich wert drauf, auch wenn ich hier ebenfalls gerne Improvisiere, was die konkrete Ausgestaltung angeht.

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  • 2 Monate später...

Auch mein Midgard ist relativ historisch orientiert, hoffentlich farbig und geruchsintensiv, oft verregnet, andererseits aber gerne auch Schauplatz toller Heldentaten. Gut und Böse lassen sich aber nicht immer leicht trennen.

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Meine Darstellung der Welten wurde mal von einem Spieler als farbiger als farbig bezeichnert.

 

Ich nutze das Mittel der Überzeichnung um einen phantastischen Eindruck der Welten herüber zu bringen. Ich leite uns spiele am leibsten in den exotischen Bereichen der Welten.

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  • 3 Wochen später...

Mein Midgard ist meist aufgeräumt, selten schmutzig, es ist viel Platz für scheinbar unberührte Natur. Es kommt einfach darauf an, wo man sich gerade befindet. Ausgewachsene Kriege finden in der Regel wo anderst statt, tragen aber zum Ambiente bei.

Im Wesentlichen versuche ich, historisch plausible (manchmal auch eher cineastisch geprägte) Darstellungen zu liefern unter Berücksichtigung der Existenz vom Magie und Göttern auf Midgard. Mir ist wichtig, dass in meiner Welt keine Logikbrüche vorkommen, selbst wenn ich der einzige bin, der die innere Logik der Spielwelt vollständig kennt.

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Hallo Fimolas!

 

'Historisierender Realismus mit einem kräftigen Schuß Fantasy' trifft meinen Stil wohl am Besten.

 

Mir geht es vor allem darum, dass der Hintergrund stimmig uns in sich logisch ist. Zb gibt es bei mir nicht einfach ein Dungeon. Ich überlege mir, wer hat es wieso gebaut, bzw wie ist es entstanden,.... Das hilft mir ungemein bei der Detailbeschreibung, meist muss ich mir dann nicht mehr viele Überlegungen machen, da sich vieles aus dem Hintergrund ergibt.

 

Die meisten Städte, Dörfer & Handelsstrassen sind bei mir nicht übermässig gefährlich (zumindest für einigermassen erfahrene Chars), wie könnten sie sonst existieren? Bedrohungen sind hier meist temporärer Natur.

Wenn ich besonders gefährliche Orte ausarbeite (zb Uchana, Ulwar oder Meknesch) überlege ich mir, wie kann ein einfacher Tagelöhner, Handwerker, Krämer oder auch durchreisender Händler hier überleben?

Womit ich noch immer teilweise Probleme habe, ist durchgehend ein nicht westlich-modernes Weltbild zugrunde zu legen. D.h. NSCs nach völlig anderen Entscheidungsgrundlagen handeln zu lassen.

'Gut & Böse' ist bei mir sehr oft eine Frage des Standpunktes. Eindeutig unter 'Böse' fällt wohl nur finstere Magie & Kulte und dergleichen (und selbst hier tue ich mir manchmal schwer bzw. definiert Midgard vieles leichtfertig als 'böse', zb Nekromantie, da ein christliches Weltbild zugrundeliegt), der Rest liegt im Auge des Betrachters. Seit einiger Zeit habe ich eine Vorliebe für Szenarien entwickelt (zu einem guten Teil inspiriert von 'Ziegenspuren), in denen es den Spielern/Chars nicht leicht fällt sich für eine Seite zu entscheiden. Gut/Böse gibt es hier nicht, entschieden wird aufgrund der Weltsicht der Spieler und Chars sowie der jeweiligen Interessenslage.

Yep! Meine Städte sind schmutzig und stinken wenn es heiß ist, allerdings ist es für die Chars derart normal, dass es meist nur nebenbei erwähnt wird. Ausnahmen werden besonders betont.

Ansonsten ist meine Darstellungsform dadurch geprägt, dass ich außer 'Storytellern' jeden Typus in meiner Gruppe vertreten habe, also einen Mittelweg finden muss um jeden zufriedenzustellen.

 

Midgard als System kommt sicherlich 'Method Actern' und 'Tacticians' entgegen, 'Powergamer' und 'Butt Kickers' haben ihre Probleme mit dem System. Von den Darstellungsformen werden Historisierende eindeutig gepusht. Zb. werden für Kulturen durchwegs irdische Vorbilder genannt, Quellenbücher und Abenteuer (zumindest meistens) sind logisch-rational aufgebaut, usw, usw...

 

LG

 

Chaos

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