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Die Hexe

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Blogbeiträge von Die Hexe

  1. Die Hexe
    Liebste Tochter,
    ich war im Auftrag der Magiergilde von Fiorinde unterwegs, deshalb hörst du erst jetzt von mir.
    Da bin ich kaum eine Trideade fort und schon wird meine Tochter zur Frau! Du fragst, was ich darüber denke. Das ist eine gute Frage… Einerseits freue ich mich für dich, anderseits, wie du dir denken kannst, habe ich meine Bedenken und Zweifel. Du musst wissen was du tust, Enya und solange er dich glücklich macht, soll auch ich es sein. Ich kenne diesen Dylan nicht und habe auch noch nie von ihm gehört, ich würde ihn aber zu gerne kennenlernen. Ich werde deinen Vater zu ihm befragen, da kannst du dir sicher sein.
    Wie es scheint hat sich alles zum Guten gewendet. Ich bin sehr erleichtert zu hören, dass das Problem mit deiner Haut und Iros gelöst ist. Wie gerne wäre ich mit dir gemeinsam zu deinem Vater gereist. Es ist schon viel zu lange her, dass ich euch beide zusammen gesehen habe. […] Ich musste schmunzeln bei deinen Erzählungen. Ich kann es mir sehr gut vorstellen, wie Teck aufgetreten ist und was er für einen Eindruck bei den beiden hinterlassen hat. Es hat ihm sicher unheimlich viel Freude bereitet. Du scheinst wirklich zwei bemerkenswerte Männer an deiner Seite zu haben, wenn er sie akzeptiert und ihnen solche Geschenke macht. Um ehrlich zu sein bin ich nun um einiges erleichterter. Ich denke sie werden nach den Worten deines Vaters alles tun um dich zu beschützen, wobei ich nach deinen Erzählungen davon ausgehe, dass sie das wohl auch so tun würden.
    Ich liebe dich, Enya und wünsche mir dich zu sehen.
    Möge er über dich wachen
    Chelinda
  2. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    viel Zeit ist vergangen, der erste Wintermonat ist angebrochen und es gibt Neuigkeiten. Gestern saßen wir beim Abendessen und besprachen, was wir nun als nächstes tun würden. Gray wollte nach Thame, denn es war die nächste Stadt mit einer Magiergilde. Ich schlug vor, dass wir dann weiter nach Corrinis und von dort aus nach Fiorinde reisen könnten. Sie fragten mich, was ich dort wolle und ich antwortete, dass in Fiorinde meine Mutter lebte, es in beiden Städten Magiergilden geben und der Winter dort nicht so streng sein würde. Mira fragte, ob ich Dylan nachdem er schon meinen Vater kennengelernt hatte, auch nicht meiner Mutter vorstellen wollte. Gray meinte auf diese Begegnung könnte er verzichten und ich beteuerte, dass du anders wärst als Vater. Ein bisschen verletzt hat mich Grays Bemerkung schon. Ich habe die Hoffnung, dass er seine Worte nicht ganz ernst gemeint hat. Vielleicht sollte ich mit ihm noch einmal bezüglich Vaters Drohung reden. Ich möchte nicht, dass er das Gefühl hat er muss mich beschützen. Er soll dies nur tun, wenn es sein Wunsch ist.
    Letztlich beschlossen wir nach Thame zu reisen und dort dann weitere Entscheidungen zu treffen, schließlich wussten wir nicht, was alles auf unserer Reise passieren und wo uns unser Weg hinführen würde.
    Als wir dort saßen und unsere Pläne besprachen, öffnete sich die Tür. Ein Mann, mit der Kapuze tief ins Gesicht gezogen, kam herein und begab sich an unseren Tisch. Wir begrüßten ihn verwundert, als wir Iros erkannten. Er berichtete uns, dass er die Zeit in Dalesend verbracht und viel nachdacht hatte. Er hatte meinen Brief gelesen und danach sich zurückgezogen um einen freien Kopf zu bekommen. Dylan warf ihm einen kritischen Blick zu und auch ich war skeptisch, obgleich gespannt, was er uns noch zu sagen hatte. Iros setzte sich zu uns und bestellte sechs Falschen Blauwasserrebe. Nachdem ersten Glas, sagte Iros, dass die Trennung gut gewesen wäre. Gray berichtete kurz von unserer Reise und meinte Iros hätte meinen Vater kennenlernen müssen. Ich war da andere Meinung, ich denke, dass es für Iros tatsächlich nicht ungefährlich gewesen wäre, nun da ich Vaters Reaktion auf Gray und Dylan gesehen und seine Drohung gehört habe. Doch ich schwieg. Iros sprach weiter. Er wollte sich der Gruppe nicht aufdrücken und würde nur weiter mit uns reisen, wenn wir ihn willkommen hießen. Gray meinte, dass er eigentlich ein gutes Verhältnis zu dem Chryseier gehabt hätte. dadurch dass er aber Misstrauen in der Gruppe gesät hatte, hatte er es sich verscherzt. Wenn Iros dieses Verhalten ablegen würde und den nötigen Vertrauensvorschuss jedem einzelnen in der Gruppe entgegenbringen würde, hätte Gray damit kein Problem. Iros erzählte uns die Geschichte, weshalb er so dringend Geld benötigte. Er wollte die Frau, die er liebte, von ihrem Ehemann für 2000 Oring freikaufen. Ihr Vater war jedoch dagegen, weshalb es dazu kommen könnte, dass der Gruppe Gefahr drohe, sollte Iros mit uns reisen. Man versicherte ihm, dass dies kein Problem für uns darstellen würde und auch ich beschloss ihm eine zweite Chance zu geben. Den restlichen Abend verbrachten wir bei Speis und Trunk, Gesang und Lautenspiel. Gray nahm eine Okarina zu Hand und spielte darauf ein sehr schönes Lied. Ich hatte nicht gewusst, dass auch er die Musik liebte. Ich war begeistert und sogleich spielten und sangen wir gemeinsam ein Stück. Zu später Stunde begaben uns zu Bett. An jenem Abend überreichte ich Gray sein Geschenk, um damit meine tiefe Dankbarkeit zu zeigen. Ich hatte für ihn Beutel für seine Zaubermaterialien anfertigen lassen. Sie waren in einem hellen Blau mit Eiskristallen in Weiß bestickt. Er hat sich darüber sehr gefreut.
    Morgen werden wir nach Thame aufbrechen. Fin hat uns verlassen. Ich denke ich habe mich zu wenig um ihn gekümmert und war mit meinen Gedanken bei anderen Dingen. Ich vermisse ihn, jedoch habe ich gelernt, dass die Verbindung zu einem Vertrauten viel Zeit und Aufmerksamkeit bedarf und es nichts ist, was man nebenher einfach mal so tun kann. Vielleicht werde ich noch einmal ein Tier finden, welches ich als Vertrauten an meiner Seite haben möchte oder welches mich erwählt.
    Du möchtest sicher wissen, wie es um mich und Dylan steht. Es war nicht mein Wunsch gewesen, dass wir uns jemals so nahe kommen, dennoch empfinde ich mittlerweile mehr für ihn, als ich es jemals erwartet hatte. Doch immer noch bin ich vorsichtig, Vaters Worte, meine eigenen Zweifel kommen mir immer wieder in den Sinn. Vielleicht bin ich zu gerne in seiner Gesellschaft und habe mich zu schnell daran gewöhnt, dass er an meiner Seite ist. Ich weiß nicht, wie es wäre, würde er uns, mich verlassen. Er ist ein (meistens) vernünftiger Ruhepol in der Gruppe und hat schon die eine oder andere Situation mit seiner lockeren, leichten Art beruhigt und geschlichtet. Es erwärmt mein Herz Gray und Dylan zusammen zu sehen. Wer hätte gedacht, dass sich diese beiden einmal so gut verstehen würden.
    Dylan hat mir während der gesamten Zeit nicht einmal eine Frage zu meinen Wesen gestellt. Interessiert es ihn nicht, reicht es, dass ich schön bin? Einerseits bin ich froh, dass er mein Schweigen respektiert, anderseits schmerzt es mich. Ich habe das Gefühl, dass etwas fehlt oder…nein, ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Deshalb bitte ich dich nun um etwas. Eine Bitte, von der ich nie erwartet hatte, dass sie eines Tages über meine Lippen kommt und doch werde ich sie nun aussprechen.
    Ich möchte, dass du mich von meinem Versprechen entbindest.
    Mutter, ich weiß was ich von dir verlange. Ich hoffe du kannst meine Gefühle und Gründe für diese Bitte verstehen. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst, um darüber nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Ich werde so lange warten.
    Verzeih mir, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Ich habe am Myrkdag des Hirschmonds an dich gedacht, ich hoffe, dass du einen angenehmen Tag verbracht hast und meine Gedanken bei dir angekommen sind. War Vater bei dir? Ich würde dir gerne etwas schenken, doch habe ich bisher noch nichts gefunden.
    Ich denke an dich und mit Freude erwarte ich deine Antwort.
    In Liebe
    Enya
  3. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    nachdem wir das Halfdal schließlich verlassen hatten und in Richtung Thame aufgebrochen waren, hörten wir nach langer Zeit wieder Gerüchte über den Roten Ritter. Er schien wieder oder immer noch sein Unwesen zu treiben. Am Aonadag, 2. Trideade Rabenmond erreichten wir die ersten Ausläufer des Pengannions und kamen an ein größeres Dorf. Dort kehrten wir in das einzige Gasthaus „Zum Vielfraß“ ein. Dylan wurde von dem Wirt erkannt und da wir für musikalische Unterhaltung sorgten, bekamen wir ein Zimmer kostenlos. Während sich die Taverne mit Musik und Menschen füllte und Mira nach unserer Darbietung Dylans Hut rumgehen ließ, machte Dylan den Vorschlag uns einen Namen zu geben, denn er fand es unpassend uns als seine Begleitung vorzustellen. Ein Gedanke, der mir nicht in den Sinn gekommen wäre, doch die Vorstellung, so gemeinsam durch Alba zu reisen, zauberte mir ein Lächeln auf das Gesicht. Ich werde mir einen Namen überlegen, vielleicht habe ich eine passende Idee. Später kam Dylan mit einem weiteren Schlüssel zu mir und ich war froh, mit ihm alleine in einem Zimmer zu sein
    Als der Abend weitervorangeschritten war, öffnete sich die Tür und ein Mann in Begleitung einer blass aussehenden Frau betrat das Gasthaus. Es handelte sich um Aelfrod MacBeorn, ein Mann der Wache und seine Schwester Hiladis. Sie erbaten unsere Hilfe. Sie war von Vanaspring hier her gekommen, denn die Göttin Vana hatte ihr in einer Vision aufgetragen zu dem kleinen Dorf Gileburne zu gehen. Ihr Bruder konnte sie jedoch nicht begleiten und so bat er uns, sie sicher dort hin und wieder zurück zu begleiten. Obgleich uns die Reise in Richtung Südosten und den Sumpf führen würde, beschlossen wir den beiden zu helfen. Aufgrund eines Fests brachen wir erst am Criochdag auf nach Gileburne. Dort angekommen sollten wir nach Royden, einem alten Waffengefährten von Aelfrod fragen. Am Abend teilten wir die Wache ein, doch es war eine ruhige Nacht. Am nächsten Tag gelangten wir in das Moor. Hiladis saß auf dem Wagen, doch nach einiger Zeit konnten wir nicht mehr weiter, denn sie hatte unerklärliche Schmerzen. In der Nähe stand eine kleine Schilfhütte, in die wir die Frau trugen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und sie begann zu bluten. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, sie würde ein Kind gebären. Bruna und ich kümmerten uns so gut es ging um die Frau, als wir auf einmal ein Fauchen hörten. Draußen waren drei Echsenmenschen, die uns eine Wurzel gaben, die der Frau helfen würde. Dafür wollten sie etwas Glitzerndes und bekamen die Maske, die wir damals in Crossing gefunden hatten, von Gray. Ich hatte schon befürchtet, es würde zum Kampf kommen, doch Iros beherrschte sich (erstaunlicherweise). Die Wurzel half Hiladis tatsächlich und schon bald schlief sie ein. Schließlich bauten wir eine Trage und setzten damit unseren Weg fort. Am Abend des Ljosdag kamen wir an das kleine Dorf Gileburne, das nur aus neun Hütten bestand.
    Etwas stimmte dort nicht, eine seltsame Lethargie schien sich der Dorfbewohner bemächtigt zu haben. Auch Royden zeigte dieses merkwürdige Verhalten und wir erfuhren, dass seine Frau gerade erst ein Kind bekommen hatte. Sofort kamen uns Hiladis Schmerzen in den Sinn und wir fragten nach dem Zeitpunkt, welcher genau mit dem Datum übereinstimmte. Wir verließen die Hütte wieder, denn wir hatten nicht das Gefühl Hiladis unter seiner Aufsicht lassen zu können, solange wir nicht geklärt hatten, was in diesem Dorf vor sich ging. Als nächstes suchten wir den Dorfvorsteher Brannel auf. Wir erkundigten uns nach ungewöhnlichen Ereignissen, doch alles was er erwähnte waren ein paar Orte wie ein Schiffswrack im Moor und die Moortrolle. Als Hiladis am Schrein zum Gebet kniete, versammelt sich alle Dorfbewohner, doch verloren sie schnell das Interesse. Gray nahm sich einen Mann beiseite und schnitt ihn, bevor jemand etwas tun konnte, mit dem Dolch. Der Mann zeigte wenig Reaktion, noch erschien eine Wunde, jedoch blutete Hiladis an der Stelle, an der der Mann hätte bluten sollen. Damit wurde unser Verdacht endgültig bestätigt. Es war schon spät, weshalb wir uns etwas abseits im Dorf unser Lager aufschlugen. In der Nacht wachten alle durch Hiladis Schmerzensschreie auf, als sich acht Schnitte, einer nachdem anderen, auf ihren Fußsohlen abzeichneten.
    Vom Dorfvorsteher erfuhren wird am nächsten Morgen von Jofrid, der Vanapriesterin die dem Dorf viel Gutes gebracht hatte, jedoch seit einem Jahr verstorben war. Sie hatte in einer kleinen Hütte außerhalb des Dorfes zusammen mit ihrem Gehilfen Woldren gelebt. Niemand außer ihm wusste, wo die Hütte sich befand. Wir beschlossen den alten Mann aufzusuchen. Doch aufgrund mangelndem Wissen und Neugierde mancher Gruppenmitglieder begaben wir uns zuerst zum Schiffswrack. Mira blieb zurück, um auf Hiladis aufzupassen. Während wir im Sumpf herum stapften ging Iros etwas voraus um nach Spuren zu suchen. Er verschwand aus unserem Sichtfeld und kurz darauf hörten wir einen Schrei. Als wir zu dem Chryseia hineilten, sahen wir wie er von den Armen eines Riesenkranken in Richtung Wasser gezogen wurde. Wir versuchten das Wesen aufzuhalten, doch es gelang uns nicht. Gray sprang Iros ins Wasser hinterher und verzweifelt versuchten Bruna, Dylan und ich die beiden zu retten. Am Ende blieb mir nichts anderes als das Tier für kurze Zeit zu verwirren, doch dadurch schwand meine Kraft in wenigen Augenblicken. Endlich tauchte Iros aus dem Wasser, doch von Gray keine Spur. Grauen überkam mich, ich trank den Krafttrunk den mir Mira gegeben hatte und warf dem Wesen mit letzter Kraft noch einen Zauber entgegen. Doch Gray tauchte immer noch nicht auf. Ich kniete mich auf den Boden und bete verzweifelt zu den Göttern, als Iros um etwas bat, was ihn schneller oder stärker machen würde. Ich gab ihn den Trank von Merstonix und betete, dass es auch tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigen würde. Iros trank ihn, nahm seine Wurfspeer, rannte auf das Wasser zu und sprang ab. In dem Moment, als er seinen Speer warf, tauchte das Wesen auf und die Waffe bohrte sich in sein Maul. Ein gellender Schrei ertönte und das Wesen versank wieder unter Wasser. Iros schwamm ans Ufer zurück und auch Gray tauchte endlich auf. Unbeschreibliche Erleichterung erfüllte mich und ich warf mich um seinen Hals. Die Tatsache, dass er über und über mit Schlamm bedeckt war, bemerkte ich erst hinterher. In dem Moment war ich einfach nur überglücklich, dass Gray überlebt hatte. Wir entschlossen zurückzugehen und uns zu erholen. Auf dem Rückweg wurde Iros von einer Schlange gebissen, doch vom Dorfvorsteher erfuhren wir, dass es sich nicht um tödliches Gift handelte. Zurück bei Mira, versuchten wir unsere Kleider zu trocknen und ich bekam eine Schüssel Wasser aus dem Dorf, sodass ich zumindest den größten Teil des Schmutzes loswurde. Nachdem einige Zeit verstrichen war, brachen wir wieder auf, doch diesmal blieb Dylan bei der Priesterin. Etwas unwohl fühlte ich mich, getrennt von ihm. Ich hätte ebenfalls bleiben können, doch ich wollte nach der Begegnung mit dem Kraken an Gray Seite sein. Auch diesmal kamen wir nicht gleich an das Schiffswrack. Vorher wurden wir von einem kleinen Wesen mit dunklen Mottenflügeln aufgehalten. Es brauchte nur ein Speerwurf von Iros und das Wesen fand den Tod, doch davor setzte es uns schwer zu. Besonders Bruna, die durch die entstehende Dunkelheit fast im Sumpf versunken und dort von Blutegeln ausgesaugt worden war. Ich werde den Zauber Bannen von Dunkelheit lernen, so etwas soll uns nicht noch einmal passieren. Endlich kamen wir an das Schiff, welches jedoch meterweit im Sumpf lag. Ich konnte Gray und somit den Rest der Gruppe davon überzeugen, vom dem Wrack abzulassen und zum Lager zurückzukehren. Dort hörten wir uns noch einmal wegen der Hütte um, doch niemand konnte uns etwas sagen. Bruna musste sich von den Ereignissen erholen und blieb beim Zelt. Als wir gerade dabei waren nach Spuren im Wald zu suchen, kam uns ein alter Mann entgegen. Wir vermuteten, dass es sich um den Gehilfen handelte und sprachen ihn an. Er fragte uns, was wir hier wollten und bat uns zu gehen. Er war der erste, der dies getan hatte und so verstärke sich unser Misstrauen ihm gegenüber. Er weigerte sich uns zu seiner Hütte zu führen, doch schließlich willigte er ein. Auf unserem Weg kamen wir an eine Schlucht. Woldren wollte uns dort an einem Seil herunterlassen. Wir vermuteten eine Falle und Gray versetzte den alten Mann in Schlaf. Er wurde gefesselt und geknebelt. Gray weckte den Mann auf und begann ihm Fragen zu stellen, doch er konnte ihm noch nicht einmal antworten. Ich hatte mir das Geschehen lang genug angeschaut. Auch wenn wir den Mann verdächtigten, ging diese Behandlung zu weit. Ich nahm ihm den Knebel ab. Ein großer Fehler, wie sich kurz darauf herausstelle. Wir ließen uns an einem Seil in die Senke hin ab und begannen sie zu durchqueren. Woldren führte uns, doch nach einer Weile gellte der Pfiff des Mannes durch die Stille und der Boden vor uns brach auf. Aus dem Loch sprang ein Wesen, wie wir ihm schon einmal begegnet sind. Ein Schlammteufel. Ich schrie den anderen eine Warnung zu und begann zurück zu eilen. Ich hatte nur deine Worte im Kopf, sodass ich nicht nachdachte, was ich tat. Dann waren alle am Ende der Senke, nur Gray nicht. Er stand noch dort mit Woldren und der Schlammteufel wendet sich ihnen zu. Schon wieder fürchtete ich um Grays Leben, doch er warf den alten Mann dem Tier entgegen und rannte zu uns. Das Schauspiel was folgte, war grauenvoll, der Mann wurde von dem Tier in tausend Stücke zerfetzt. Hätten ich gewusst, was sei Tod bedeutete, ich hätte mich trotz der Gefahr ohne zu zögern auf den Schlammteufel gestürzt. Es grämte mich, dass der alte Mann so einen Tod gefunden hatte. Noch wussten wir kaum etwas über ihn, auch er mochte seine Gründe für sein Handeln gehabt haben. Als wir nach oben geklettert waren, standen wir vor zehn Echsenmenschen, die begannen uns zu umkreisen und anzufauchen. Wir konnten sie beruhigen und fragten ob sie uns zur Hütte von Joyfrid bringen könnten. Im Gegenzug wollten sie etwas Glitzerndes habe, doch niemand schien derartiges bei sich zu haben. Ich löste meinen rechten Ohrring und gab ihn schweren Herzens an den Echsenmenschen. Ich konnte die Tränen nicht verhindern, als ich Vaters Geschenk für immer aus meinen Händen gab. Die Wesen führten uns sicher durch den Wald und das Moor, bis wir schließlich an eine Hütte kamen. Drinnen entdeckten wir einen Raum mit einem Steinalter, auf dem ein Skelett lag, daneben ein Buch und eine mit Dornen besetzte Peitsche. Plötzlich erklang Dylans Stimme hinter uns und der Geist Joyfrids materialisierte sich über dem Skelett. Wir erfuhren, dass sie, nachdem sie ins das Dorf gekommen war, ihr ganzen Leben für die Dorfbewohner aufgeopfert hatte. Sie hatte die Menschen von ihrem Unglück befreit und das Paradies geschaffen, indem sie ihren Schmerz auf sich genommen hatte. Obgleich Dylan sich nicht mehr bewegen konnte, sah ich an seinen Augen, dass er alles mitbekam. Ich war erschüttert über die Taten der Priesterin und versuchte sie vom Gegenteil zu überzeugen. Denn wo kein Schmerz war konnte auch keine Freude, kein Glück sein. Gray nahm die Peitsche und hieb damit auf den Geist. Die Peitsche fuhr durch sie hindurch, stattdessen hatte Gray sich selbst die Wunde zugefügt. Außer mir vor Wut und Entsetzten nahm ich Dylans Schwert und hieb damit auf die Peitsche. Doch alles was ich damit erreichte, war ein verärgerter Geist, der mich angriff. Ich schaffte es dieses entsetzliche Werkzeug zu zerstören, doch es ändere nichts. Sie ließ dann von mir ab und ich hatte Zeit Gray zu verbinden. Ich versuchte den Geist weiter zu überzeugen, doch es war aussichtslos.
    Wenn wir versuchten ihr zu schaden, erlitten wir die Schmerzen. Wenn wir jedoch den Angriff jedoch gegen uns selbst richteten, schien der Geist leicht zu verblassen. Dennoch widerstrebte es uns, uns selbst zu verletzten, umso mehr, da sie uns dazu aufforderte. Gray hatte Zweifel, ob nicht Hiladis ebenfalls unsere Schmerzen spüren würde und so ließen wir von dem Geist ab. Es war schon spät, wir waren erschöpft und verwundet und zogen uns zurück. Wir suchten uns ein Zimmer und verbrachten dort die Nacht. Am nächsten Morgen bot Dylan an, nach der Priesterin zu schauen. Ich wollte ihn begleiten, denn es war wahnsinnig durch dieses Moor alleine zu gehen. Doch Dylan hielt mich zurück. Er war wieder einmal besorgt um mein Wohlergehen und sah mich lieber in Sicherheit bei den anderen. Wut und Panik mischten sich in meinen Inneren, warum sah er nicht auch meine Sorge? Warum wurde mir nicht erlaubt, aus Sorge um das Wohlergehen eines geliebten Menschen, zu handeln. Als Dylan aus der Hütte trat, wollte ich ihm folgen, doch Mira hielt mich fest und aus den Augenwinkeln sah ich Gray mit einem Säckchen spielen. Zähneknirschend gab ich auf und begab mich in tiefe Meditation. Ich flehte die Götter an Dylan zu beschützen. Danach versuchte ich etwas zu ruhen, doch ich konnte nicht in den Schlaf finden.
    Nun sitze ich hier und habe das Gefühl, die Zeit ist stehengeblieben. Tage sind schon vergangen, seitdem ich auf Dylans Rückkehr warte. Die Angst greift mit ihren kalten Fingern nach meinem Herzen. Meine Gedanken sind ein Chaos aus Sorgen, Furcht, Fragen und Müdigkeit. Ich wünsche, dass endlich morgen wird. Er wird zurückkommen.
    Ich werde noch einmal versuchen zu schlafen.
    Gute Nacht, Mutter.
     
    In Liebe
    Enya
  4. Die Hexe
    Die erste Nacht in der von Orcs besetzten Zwergenbinge Tumunzahar war vergangen. Ich erwachte neben den anderen in einem stinkenden Raum voller Unrat. Wieder einmal war ich froh, dass mein extremes Reinlichkeitsbedürfnis und krankhafter Ekel vor unangenehmen Gerüchen sich aufgelöst hatten. Ich richtete mich auf und schüttelte den Kopf, um damit die Erinnerung an meinem Traum loszuwerden. Ich hatte von Feuermal und seinen Flammen, riesigen Eislawinen, einer kichernden Glannis und einem zornigen Gray geträumt. Feuermal hing nun wieder an meiner Seite, doch ich wünschte es wäre auf andere Art und Weise zu mir gekommen. Noch immer brennen das Bild von der riesen Feuersäule, sein vorwurfsvoller Blick und seine harten Worte in meinem Geist. Dabei wollte ich nur unser Gepäck aus unserem Nachtlager räumen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass die in Stoff eingewickelte Runenklinge auf meine Berührung derart heftig reagieren würde. Ich hatte vor gehabt zu warten, bis Gray mir das Schwert von sich aus gibt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Doch ich sollte nicht klagen, immerhin habe ich sie gefunden, es hätte auch sonst was passiert sein können.
    Nachdem alle aufbruchsbereit waren, erschien der Zwerg ratlos ob des einzuschlagenden Weges. Nach einigem hin und her wählte Golrek den einen, nur um sich dann nach ein paar Schritten doch für den anderen zu entscheiden. Da wir auf diesem jedoch alsbald Orcs sichteten, kehrten wir um und folgten Golreks erster Wahl. Unser Weg führte uns in zerstörte zwergische Wohnstätten. Dem einstigen Prunk nach zu urteilen, handelte es sich dabei um königliche Räumlichkeiten.
    Die ersten Räume passierten wir unbehelligt, die Orcs schienen hier bereits ihr Unwesen vor langer Zeit getrieben zu haben und nun hatten sie das Interesse daran verloren. Dennoch bedeutete dies nicht, dass dieser Ort unbewohnt war. Als Golrek gerade eine Tür zu einem neuen Raum öffnete, kam ihm ein riesiger Käfer entgegen gesprungen. Nachdem die erste Überraschung verklungen war, zerteilte er das Vieh mit einem gekonnten Hieb seiner Axt.
    Der Käfer hatte Golrek jedoch am Bein verletzt, weshalb ich ihm anbot seine Wunde zu verarzten. Während ich mich um ihn kümmerte, kehrten die Erlebnisse aus meinen Traum in meine Gedanken zurück. Sie lenkten mich derart ab, dass ich den Zustand der Verletzung verschlimmerte. Mit Schrecken starrte ich auf das Ergebnis meiner Wundversorgung. Mit einem zurechtweisenden Kommentar nahm Nissyen sich dem Zwerg an. Ich biss mir auf die Unterlippe. Mit Müh und Not unterdrücke ich die Tränen, welche drohten sich in meinen Augen zu sammeln. Wie konnte mir nur so etwas passieren?
    Noch während ich um meine Fassung rang, rief Gray um Hilfe. Ich eilte in den nächsten Raum. Etwas Teppichartiges war von der Wand gesprungen und hatte sich um Glannis gewickelt. Wie vom Donner gerührt ich da und brauchte einen Moment um zu reagieren. Währenddessen versuchte dieses Ding, was auch immer es war, Glannis zu erdrücken. Aus Sorge wir könnten sie verletzten, griffen Gray und ich zunächst auf unsere Zauber zurück. Doch wieder störten Traumbilder meine Konzentration und statt des Wesens taff mein Verwirren-Zauber Gray. Dieser Fehler kostete mich all meine Kraft und mir blieb nichts außer dem Versuch Glannis mit meinem Dolch zu befreien. Gray versuchte es währenddessen mit Eislanzen und schließlich gelang es uns das Ding zu vernichten und damit von Glannis zu trennen. Warum hatte es von uns ausgerechnet Glannis treffen müssen?
    Nach der erste Schock verklungen war und Glannis entdeckt hatte, dass ihre Fidel durch den Angriff bis zur Unbrauchbarkeit gelitten hatte, sprang sie auf, zog ihre Waffen und brüllte, dass sie alles vernichten würde. All meine beruhigenden Worte hatten nichts gebracht und so gab ich das Vorhaben auf. Vielleicht war es auch besser so. Beim Nichts tun kann man zumindest nichts falsch machen, so lange das Nichtstun als solches nicht schon das Falsche ist.
    Von Gray hatte ich für mein Versehen einen zornigen Blick und ein Kopfschütteln geerntet, bevor er das Teppichähnliche Wesen – laut Gray hat es Augen - genommen und es außerhalb von Glannis Sichtweite gebracht hatte.
    Nachdem Nissyen die Wundbehandlung abgeschlossen und Golrek eine Zwergenkriegermaske in den Trümmern gefunden hatte, setzten wir unseren Weg fort. Er endete alsbald auf einer Art Balustrade, von welcher aus man Blick auf den ehemaligen Thronsaal des Zwergenkönigs hatte. Nun war jedoch von einem Drachen auf einem riesen Haufen Gold und Schmuck bewohnt. Golrek war der erste der gebückt zur Balustrade lief und den Drachen entdeckte. Nachdem der Zwerg und Gray sich bereits vorgewagt hatten, begab ich mich ebenfalls zum Geländer der Balustrade und ließ die Szenerie auf mich wirken. Welch majestätischer Anblick und doch wusste ich, dass dieser Drache durch und durch böse war. Das hatte ich von Vater gelernt. So wie es gute und schlechte Menschen gab, verhielt sich es auch mit Drachen. Nur dass hier der Großteil von Gier und Macht getrieben wurde. Nun könnte man sich darüber streiten, ob es bei den Menschen nicht auch so ist.
    „Die Könung des Gekrönten verlassen am Ort der Krönung gekrönt vom ungekrönten König des Bösen.“ Das waren die ersten Worte der Prophezeiung des königlichen Zwergenmagiers gewesen. Ein Teil des Rätsels schien gelöst. Doch noch fehlte die Krone. Um mehr sehen zu können richtete ich mich vorsichtig auf und beugte mich über das Geländer. Mit einem Auge behielt ich den Drachen im Blick, während ich nach einer Krone oder etwas ähnlichem Ausschau hielt. Auf einem steinernen Thron, welcher sich unterhalt der Balustrade befand lag ein silbrig schimmernder Helm. Ich nahm an, dass es sich dabei um eines der drei Königsinsignien handelte, passte doch der erste Teil des Rätsels darauf. Mit einem Blick zum Drachen versicherte ich mich, dass er immer noch tief und fest schlief und setzte dann zu einem Heranholen-Zauber an. Doch Gray, der nicht wusste was ich vorhatte, unterbrach meinen Zauber und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu den anderen zurückzukehren. Warum hat er mir nicht einfach vertraut? Ich weiß, dass der Drache nicht aufgewacht wäre, ansonsten hätte ich so nicht gehandelt!
    Wir zogen uns erst einmal zurück. Dann begab sich Gray noch einmal zurück zum Thronsaal. Er lehnte jegliche Hilfe ab. Um ein Haar wäre ich ihm dennoch gefolgt, doch ich besann mich eines besseren, ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern.
    Plötzlich brüllte es vom Thronsaal auf. Ich eilte in den Gang und sah wie Gray mit dem Sternensilberhelm in der Hand die Treppe herunter sprang und dann auf mich zu gerannt kam. Hinter ihm spie der aufgebrachte Drache Feuer in den Gang. Wir rannten bis zum Ausgang zurück, während der Drache vor Wut in seinem Hort tobte. Ich begann mit Gray über das Geschehene zu diskutieren. So recht wollte ich den Schock darüber nicht verwinden und wählte Worte, die Gray zu Recht als unangemessen abtat. Er wollte mir nicht glauben, dass der Drache bei mir nicht aufgewacht wäre und letztlich kann ich es nicht mit absoluter Sicherheit wissen.
    Als wir im Gang, welcher zum Wasser führt, angekommen waren, sorgten Nissyens rätselhafte Worte wieder einmal für Verwirrung, diesmal jedoch auch zu Sorge und Angst. Erst brüllte er vor Schmerz auf und hielt sich den Kopf, dann blickte er uns an und meinte: „Der Hase stirbt.“ Glannis war voller Sorge, denn für sie war Nissyen der Hase selbst, Gray meinte es bezöge sich eher auf seinen Totemgeist. Auf jeden Fall bedeuteten Nissyens Worte nichts Gutes, darüber waren wir uns einige. Er weigerte sich jedoch weitere Worte mit uns zu teilen.
    Nach einer kurzen Verschnaufpause, begab sich Golrek in den nächsten Raum um zu schauen, wie die Orcs den Ausbruch des Drachen aufgenommen hatten. Er berichtete uns, dass sieben Orcs drei Menschen in Richtung des Thronsaals gebracht hatten und dann wieder zurückgekommen waren. Kurz darauf hörte der Drache auf zu toben und der Ahnung über das Schicksal der Menschen folgte Schweigen. Ein Blick zu Gray verriet mir, dass er am liebsten auf der Stelle sich aller Orcs in der Binge entledigen wollte. Ich konnte ihn verstehen und doch glaube ich, es würde nur unseren Tod bedeuten. Vorsichtig näherten wir uns den Orcs, Gray zauberte sich unsichtbar und wagte sich so ein wenig weiter vor. Als er zurück kam berichtete er uns von zwei Orcs, die in einem Gang, der noch weiter führte, Wache hielten. Der Gang, in den die Orcs mit den Menschen gegangen waren hatte war auffallend anders, prunkvoller gefliest. Wie wir richtig geschlussfolgert hatten, waren die Menschen wohl als Drachenfutter zum Thronsaal gebracht worden.
    Zunächst beschlossen wir zurück zu gehen und uns auszuruhen, was mir sehr entgegen kam, ich war am Ende meiner Kräfte. Nach der Meditation, in der ich Ruhe und Kraft finden konnte, fühlte ich mich besser. Da Golrek nicht so recht weiter wusste, beschlossen wir zunächst die restlichen Räume zu untersuchen bevor wir den Orcs weitere Gedanken widmeten. Eine weise Entscheidung, möglicherweise ist es gar nicht notwendig die Orcs auf uns aufmerksam zu machen…
     
    Eine Frage beschäftigt mich seitdem wir die Binge betreten haben, doch ich traue mich, aufgrund der geistigen Verfassung in der sich meine Gefährten befinden, nicht sie zu stellen: Wie kommen wir wieder heraus? Das provisorische Floss ist beim Aufprall endgültig zerstört worden, zumal die Strömung für einen Rückweg wohl ohnehin zu stark gewesen wäre. Das bedeutet wir müssen einen anderen Weg hinaus finden. Ich hoffe nur er führt uns nicht an den Orcs vorbei. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass wir eine Begegnung mit ihnen überleben würden. Auch wenn Gray meint für den Tod der drei Gefangenen verantwortlich zu sein und es sei seine Aufgabe die verbleibenden Menschen vor den Orcs zu retten. Und Glannis alle Orcs vernichten möchte. Ich mache mir Sorgen um sie. Erst hat sie, seit dem wir die vielen Orcs vor der Binge entdeckt haben, immer wieder leise vor sich hin gekichert und nun gleicht sie einer Furie. Ich habe das Gefühl, ich komme nicht mehr an sie heran. Wie kann ich ihr nur helfen? Wenn ich sie so sehe, denke ich an das, was ich erlebt habe und frage mich, wie ich das überstehen konnte. Ohne Mutters und Vaters Hilfe wohl kaum.
    Golrek, der uns in der Zwergenbinge führen soll, aber wie mir scheint, nicht so richtig über den Auftrag Bescheid weiß, Gray, der von Schuldgefühlen geplagt wird und zugleich zurecht zornig auf und enttäuscht von mir ist und Glannis, die immer mehr ihren Verstand zu verlieren scheint. Und dann noch ich, die alles verkehrt zu machen scheint. Wo soll das noch enden?
    Ich fühle mich so nutzlos, nein schlimmer, ein Teil von mir ist überzeugt, dass sie ohne mich besser dran wären. Und doch werde ich bleiben. Mein Herz will es.
    Davon einmal abgesehen, ganz rational betrachtet, wäre es wohl auch einfach mein Tod sie nun zu verlassen und todessehnsüchtig bin ich nicht. Nein, ich muss leben. Für alle Menschen, denen ich am Herzen liege. Für ihn.
     
    Ich habe Angst vor dem was noch vor mir liegt. Im Vergleich zu dieser Angst scheinen die Orcs unbedeutend und der Drache klein wie eine Maus.
  5. Die Hexe
    Nachdem wir uns ausgeruht hatten ging es mir etwas besser. Ich befürchtete, dass Glannis das von sich nicht behaupten konnte. Sie saß da und zupfte an den Seiten ihrer kaputten Fidel. Ich begab mich zu ihr und umarmte sie. Anschließend wendete ich mich dem schlafenden Nissyen zu und versuchte ihn aufzuwecken. Ich erreichte jedoch lediglich, dass er nach mir schlug. Nicht einmal das konnte ich.
    Bevor wir uns daran machten die restlichen Gänge und Räume zu erkunden, entschuldigte ich mich bei Gray, doch er winkte ab. Ich verstehe ihn nicht, in einem Moment scheint er außer sich vor Zorn und im nächsten ist alles wieder gut. Ist es das jedoch wirklich? Nun, es hinterlässt kein gutes Gefühl. Es lässt mich vorsichtig um ihn herum werden, noch vorsichtiger als zuvor. Und es tut weh.
    Als wir aufbrachen kam das Gespräch auf das Thema des nicht mehr vorhandenen Auswegs aus der Binge. Also war es meine Gefährten ebenfalls aufgefallen. Ich war erstaunt wie ruhig darüber gesprochen wurde.
    In Suche nach den verbleibenden Insignien und einem Ausgang zogen wir von Tür zu Tür und hatten bald einen besseren Überblick über das Gang- und Raumsystem der Binge. Es gab einige Türen die zum Thronsaal und damit zu dem Drachen führten. Wir bemerkten dies bei allen Türen, bevor wie sie öffneten. Bei allen, bis auf einer, welche ausgerechnet ich öffnete. Der Drache bemerkte mich und ich hatte kaum Zeit die anderen zu warnen und mich in Sicherheit zu bringen, bevor der Drache mit einer seiner Pranken durch Tür und Wand fuhr, um nach uns zu greifen. Gray und ich sprangen zurück in den Gang, aus dem wir gekommen waren, die anderen dagegen rannten vor in die ungewisse Dunkelheit des Raumes und waren verschwunden. Eine Weile tobte der Drache noch, dann wurde es still. Gray und ich berieten wie wir wieder zu den anderen gelangen könnten. Doch die außerordentlichen Sinne des Drachen machten dieses Unterfangen selbst mit Unsichtbarkeit nicht einfach. Gray schlich sich vor zur Tür und wollte nach dem Drachen sehen. Da wurde der Gang auf einmal mit dem Feuerhauchs des Untiers gefüllt und Gray ging zu Boden. In letzter Sekunde unterdrücke ich einen Schrei und rannte zu Gray. So schnell wie möglich zog ich ihn zurück in den Gang, außer Reichweiter der Drachenkrallen, die im nächsten Moment den Boden absuchten. Während der Drache vergeblich nach seiner gegarten Mahlzeit suchte, sah ich etwas auf dem verkohlten Boden glitzern. Ein Heranholenzauber später hatte ich Feuermal in der Hand. Die provisorische Halterung musste sich gelöst haben. Ich war unendlich froh, dass ich das Risiko eingegangen war. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was geschehen wäre hätte der Drache das Schwert zuerst bemerkt. Er hätte er nur über seine Leiche herausgegeben. Dieses Schwert darf nicht verloren gehen! Außer Reichweite des Drachen und vorerst in Sicherheit kümmerte ich mich um Grays Verbrennungen. Er würde leben, doch nur ein wenig mehr und ich hätte einen weiteren Gefährten verloren. Der Gedanke daran war unerträglich, weshalb ich meine ganze Aufmerksamkeit der Heilbehandlung widmete. Ja, er würde leben, doch noch war er nicht in der Verfassung aufzustehen. Wir würden warten müssen, bis die Heilwirkung der Salben ihr Werk getan hatte und Gray etwas mehr zu Kräften gekommen war. Diese Erfahrung war eine Erinnerung wie schnell das Leben enden konnte. War nun der richtige Zeitpunkt Gray zu erzählen, was mir auf dem Herzen lag? Nein, es wäre seiner Genesung nur abträglich, ich werde warten bis wir lebend aus dieser Binge gekommen sind. Um zu verhindern, dass ich dieses Geheimnis weiter stillschweigend mit mir herumtragen würde, teilte ich Gray mit, dass ich ihm etwas zu sagen habe. Doch ebenso wie ich war er der Meinung, dies könne warten bis unsere Aufgabe hier erledigt sei. Ich wartete bis Gray eingeschlafen war, bevor ich mich daran machte die Tür zum nächsten Raum zu verbarrikadieren. Ich machte mir keine Hoffnungen, eine Begegnung mit Orcs würden wir nicht überleben, doch zumindest würde ich es ihnen so schwer wie möglich machen.
    Nachdem ich mein Werk beendet hatte, setzte ich mich neben Gray auf den Boden. Ich hätte so gerne die Stille des Ganges mit dem Klang meiner Stimme erfüllt, doch ich wusste es besser. So blieb ich schweigend an Grays Seite bis er erwachte. Die Zeit erschien mir wie eine Ewigkeit. Ich fragte mich wie es den anderen wohl ergangen sein mochte und ob wir sie wieder finden würde. Dunkelheit und bedrückende Stille riefen nur dunkle Gedanken in mir wach, so war ich froh, als Gray die Augen aufschlug und bereit war, den Versuch die anderen zu finden zu wagen.
    Mit Hilfe einer Eiswand kamen wir unbeschadet am Drachen vorbei und eilten unseren Gefährten hinterher. Wir kamen in einem Raum, von dem aus eine Wendeltreppe nach oben und unten führte. Gray ließ ein Pfeifen ertönen und tatsächlich antwortete es von oben. Kurz darauf kam Glannis die Treppe herunter. War ich froh sie zu sehen! Sie erzählte von einem Zwergengeist, welchen Nissyen gebannt hatte und einen Rätsel, welches gelöst sei. Der Bretterverschlag in dem Raum führte zu einem Ausgang. Wir befanden uns mittlerweile in der Felsnadel, welche wir von oberhalb der Steilwand hatten sehen können. Glannis führte uns schließlich nach oben zu Golrek und Nissyen. Sie befanden sich in einem Raum, welches wohl einmal die Zauberwerkstatt eines zwergischen Thaumaturgen oder Beschwörers gewesen war. Bei seinen knochigen Überresten, welche auf dem Boden lagen, fand Gray einen achteckigen Stein, ein Amulett und ein Kupferfläschchen geziert von einem Totenkopfsymbol umrandet von Flammen und gefüllt mit feinem silbrigem Staub. Da seine Robe vom Flammenatem des Drachen vollkommen verbrannt worden war, zog Gray sich die sternenverzierte Robe des Zwerges an, obgleich sie nicht für seine Figur geschnitten war. Unter anderen Umständen wäre dieser Anblick vielleicht komisch gewesen. Zwischen den größtenteils zerbrochenen alchimistischen Werkzeugen fanden wir noch zwei Fläschchen mit der zwergischen Aufschrift für Kraft und eine Flasche Uisge.
    Unser Weg führte uns weiter nach oben und endete schließlich auf einer offenen Plattform. Es war Nacht und am Himmel waren die Sterne zu sehen. Viel mehr war von dort oben nicht zu erkennen, weswegen wir uns wieder nach unten begaben. Die Wendeltreppe führte uns weiter hinunter und endete schließlich in einem Raum. In der Wand war eine Vertiefung, in welche der achteckige Stein hineinpasste. Nachdem ich ihn eingesetzt hatte öffnete sich ein Durchgang welcher uns zu einem weiteren Raum führte. Dieser hielt ein paar böse Überraschungen für uns bereits. Zuerst erwachten drei der zwölf Skelette an den Wänden und griffen uns an. Dank Golreks mächtige Axthiebe und meiner Feuerlanze stellten sie keine große Gefahr da. Doch die nächsten drei erwachten und als Golrek zu Boden ging sah ich mich auf einmal dem Langschwert schwingenden Skelett entgegen. Ich spürte wie die Schwertklinge ihren Weg in meinen Körper fand, bevor Gray mich mit seiner Magie schütze. Völlig erschöpft konnte ich mich der Skelette erwehren und uns blieb eine kurze Pause, in der ich einen der Tränke trank und Golrek die provisorische Scheide von Feuermal wieder an mir befestigte. Mithilfe von Magie, Axt und Schwert gelang es uns schließlich noch mehr der Skelette auszuschalten. Doch als Glannis und Nissyen den Raum durchquerten um sich die nächsten Gegner vorzunehmen, öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Über ihnen schloss sich ein eisernes Gitter, das ihnen ein Entkommen aus der Grube, welche sich langsam mit Wasser füllte unmöglich machte. Doch mit Grays Rostzauber und der Hebelwirkung der Schwerter der Skelette war es uns möglich das Gitter an einer Stelle aufzubrechen und Nissyen und Glannis aus der Grube herauszuhelfen. Der Wasserstand verringerte sich nach einer Weile wieder und das verbogene Gitter verkeilte sich, bevor es wieder im Boden verschwinden konnte. Nachdem ihre Wunden versorgt waren kümmerten wir uns um die restlichen Skelette. Ich hatte Kämpfen immer als ein notwendiges Übel erachtet, welches ich nur zu gerne anderen überließ, doch in dem Moment fühlte es sich gut an meine Freunde zu beschützen, endlich etwas zu vollbringen und damit meine vergangenen Fehler ein wenig gut zu machen.
    Nachdem alle Skelette überwunden und in die Grube geworfen waren zogen wir uns in den Raum aus dem wir gekommen waren zurück. Ich fühlte mich noch so erfüllt von Kraft, dass mir nicht der Sinn nach Ausruhen stand. Ich begab mich ans andere Raumende und ging mit Feuermal durch ein paar Schwertübungen, welche mit Vater gezeigt hatte. Schließlich legte auch ich mich hin und fand noch etwas Schlaf bevor ich von Golrek geweckt wurde und wir unseren Weg fortsetzten.
    Vom Raum, in welchen die Skelette gewacht hatten führten mehrere Türen ab. Ein zwergischer Schriftzug auf einer Kupfertafel an der Wand hätte uns vor den Gefahren des Raumes warnen könne. „Kehre um oder stirbt“ – dafür war es nun zu spät. Nun, noch leben wir, aber wer weiß schon was hinter den Türen noch auf uns wartet… Wir wählten die erste zu unserer Rechten, welche sich als Sackgasse herausstellte und folgten anschließend durch die zweite Tür einem langen Gang. Ein immer lauter werdendes Klopfen stellte sich bald als unser Herzschlag heraus. Die Zwerge haben seltsame Ideen… Der Gang führte uns schließlich an zwei Türen. In einem der Räume entdeckten wir diverse Zwergenschätze, ein Amulett welches ich aus einer bunten Vase herausholte und einen kleinen Hammer, möglicherweise eines der Insignien. Hinter der zweiten Tür befand sich ein heiliger Raum der Zwerge Zwei große sich gegenüberliegende Doppelflügeltüren führten aus dem Raum heraus. Golrek bat uns hinaus. Unsere Anwesenheit sei hier nicht erwünscht. Also begaben wir uns zurück in den Gang und ließen Golrek sein Werk dort alleine vollbringen.
    Es dauerte eine Weile bis er zurückkehrte, sich entschuldigte und meinte, dass wir nun wieder zusammen weitergehen könnten. Ich glaube niemand von uns war ihm gram. Nach seinen Worten waren wir am Ort des Allheiligsten der Binge angekommen und wir als Menschen waren hier einfach fehl am Platz.
    Ich hoffe wir werden bald alle Insignien gefunden und diese Binge verlassen haben, auch wenn dann eine schwere Aufgabe auch mich wartet.
  6. Die Hexe
    Wir sind wieder in Thame angekommen. Unseren Auftrag haben wir erfüllt. Wir konnten alle drei Insignien bergen und nun sind sie wieder in den Händen der Zwerge. Meinen Gefährten, abgesehen von Golrek, dem der Rückweg durchs Gebirge ordentlich zugesetzt hat, geht es gut. Trotz der Schrecken, die wir bei unserer Suche noch erlebt haben. Wir waren nicht die einzigen gewesen, die etwas in der Binge gesucht hatten. Als wir im Inbegriff waren die Binge zu verlassen, kam ein Mann auf einem fliegenden Dämon, um einen weiteren Orcsstamm unter sich zu vereinen. Er war mutig und mächtig genug um sich dem Drachen zu stellen, welcher über die Orcs herrschte.
    Als Golrek den Mann beschrieb, wäre mir um ein Haar sein Name über die Lippen gekommen. Thalion. Er weckte Erinnerungen an Niertalf, an eine Zeit in der Enya noch gemeinsam mit ihren Gefährten gefährliche Abenteuer erlebt hatte. Dieses neuste Ereignis ist zutiefst beunruhigend und macht deutlich, dass die Gefahr durch den Herrn der Nebelberge und seine Schergen – welche Pläne sie auch immer verfolgen – nicht zu verachten ist. Doch Edana sollte vom Herrn der Nebelberge, Thalion und den Geschehnissen in Niertalf nichts wissen. Ich hätte mich damit verraten.
    Mittlerweile muss ich mir darüber keine Sorgen mehr machen, nicht mehr darauf achten was ich sage. Es gibt keine Geheimnisse mehr und das ist gut so.
     
    Ich habe es mir so einfach gemacht und doch so schwer. Jetzt wo die Worte ausgesprochen sind, frage ich mich wie ich sie so lange in mir behalten konnte. Erleichterung erfüllt mich. Der geteilte Schmerz ist so viel erträglicher. Und dann sind da noch Grays Worte. Worte, die mein Kopf nicht fassen kann und mein Herz doch voller Hoffnung glauben möchte.
    Ich hatte Gray in der Zwergenbinge gesagt, dass ich ihm etwas zu erzählen hätte und mir damit jegliche Ausflucht genommen. Ich wusste, wenn ich nachdem wir in Thame angekommen waren nicht zeitnah an ihn herantreten würde, würde er mich von sich aus ansprechen. So wählte ich einen Moment in Rumildas Herberge in dem wir ungestört waren, um mich ihm zu offenbaren. Glannis, Golrek und Nissyen hatten sich bereits zu Bett begeben.
    Ich hatte Angst. Angst vor Grays Reaktion. Wäre er wütend, weil ich ihm etwas verschwiegen hatte. Würde er mein Schweigen als Lügen betrachten? Würde ihn der Verlust von Dylan zu sehr schmerzen? Würde er mich überhaupt noch nach meinem Geständnis an seiner Seite haben wollen? Was war seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten passiert, wo war der Rest unserer Gefährten, Mira, Kirschli und Salomon? Es fiel mir schwer einen Anfang zu finden, doch als ich erst einmal begonnen hatte, flossen die Worte wie Lava aus einem ausbrechenden Vulkan. Es war gut so, Gray musste erfahren was seit unserer Trennung geschehen war, er hatte ein Recht darauf vom Tod seines Freundes zu erfahren. Er sollte nicht länger in dem Irrglauben bleiben, ich könnte mich nicht an ihn erinnern.
    Zuerst begann ich mit Feuermal. Wie es mich zu ihm und den anderen geführt hatte. Dann gab ich zu meine Erinnerungen wiederzuhaben. Alle. Bevor Gray mich unterbrechen konnte und meine Entschlossenheit ins Wanken geriet, sprach ich über die Ereignisse in Glamis. Manches führte ich nicht aus und Gray fragte nicht weiter nach. Dafür war ich ihm dankbar. Selbst wenn der Albtraum durch die Seelenheilung gemildert worden war, blieben es dennoch furchtbare Erinnerungen von denen niemand erfahren musste. Schließlich erzählte ich Gray von Dylans Tod. Da überraschte er mich, als er meinte, er habe anderes gehört. Anscheinend hatte Glannis Dylan an der Bardenschule in Erainn getroffen. Das bedeutet er lebt noch! Aber wie ist das möglich? Sandrina hat ihn doch von seinem Tod gesprochen und dann vor meinen Augen das Gift eingeflößt. Hatte ich mich etwa getäuscht? War mein Geist schon so verwirrt gewesen durch all die Schrecken und Schmerzen?
    Mein erster Gedanke war, dass ich ihn suchen muss. Ich war davon ausgegangen, dass Gray den Wunsch Dylan wiederzusehen und sich zu vergewissern, dass er lebt mit mir teilt, doch ich hatte mich getäuscht. Als er über Dylan sprach wurde mir unmissverständlich klar, dass er ihn für das was geschehen war verantwortlich machte. In seinen Augen hatte Dylan mich nicht beschützt, obwohl sie es beide vor Vater geschworen hatten. Es schmerzte mich Gray so zornig auf seinen ehemals guten Freund zu erleben. In meinen Augen trifft Dylan keine Schuld. Wer auch immer diese Menschen waren, ich war ihr Ziel gewesen. Wie hätte Dylan davon wissen können? Und wenn dieser Mann tatsächlich ein Feind meiner Mutter ist, dann hätten auch Gray und Dylan gemeinsam nichts gegen ihn ausrichten können. Ich möchte mir gar nicht ausmalen wie mächtig er ist und wie viel Glück ich hatte, ihm zu entkommen. Aber so ist Gray nun einmal, ich bin fast froh, dass er mich nicht begleitet hat. Er hätte sich das selbst nie verzeihen können.
    Er war auch zornig, weil Dylan den Kummer über meinen Verlust in Alkohol ertränkte, anstatt mich zu suchen oder zumindest zurück zu kommen, um den anderen von den Geschehnissen zu berichten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dylan ebenso von meinem Tod überzeugt war, wie ich von seinem. Ein Grund mehr ihn zu suchen. Ich muss ihm sagen, dass ich noch am Leben bin. Er soll nicht weiter einen Verlust betrauern, den es nie gegeben hat. Doch warum ist er noch am Leben? Ist er ebenfalls entkommen oder haben sie ihn gehen lassen? Warum ist er nicht zu Gray zurückgekehrt? Vor was hatte er so Angst, dass er nach Erainn geflohen ist?
    Wenn Glannis Geschichte stimmt, hat er das Lied welches wir gemeinsam begonnen hatten zu Ende geschrieben. Wie gerne würde ich es hören und gemeinsam mit ihm singen. Und doch, je mehr ich darüber nachdenke, desto größere Zweifel kommen mir. Wie soll ihn ihm nur begegnen, nach allen was geschehen ist? Ist es für ihn nicht sicherer, er ist nicht an meiner Seite? Vielleicht ist es besser, ihn in dem Glauben zu lassen, ich sei tot, sodass er nachdem er den Verlust verwunden hat neues Glück finden kann. Ich würde es ihm wünschen. Mit uns so lange zu verweilen, an meiner Seite zu bleiben, hat ohnehin nie seinem Wesen und Vorstellungen entsprochen. Und dann ist da noch Grays Zorn auf ihn. Ich kenne Gray gut genug um zu wissen, dass eine Begegnung der beiden keine gute Idee ist, auch wenn mein Herz es sich anders wünscht. Vielleicht kann ich Dylan eine Nachricht zukommen lassen, welche ihn von seinem Schmerz erlöst und dennoch eine Suche nach mir verhindert… Bevor ich jedoch dafür zur Feder greife, muss ich mir darüber in Ruhe Gedanken machen und entscheiden, was ich möchte.
     
    Gray erzählte mir, dass unsere Gefährten sich nach meinem Verschwinden einer nach dem anderen verabschiedet hatten. Zuerst kehrte Kirschli, die wir ohnehin noch nicht lange kannten, zurück in ihre Heimat, das Halfdal. Salomon kehrte ebenfalls alsbald Thame den Rücken und damit dem Warten auf Dylans und meine Rückkehr. Nun, mit ihm war es von Anfang an nicht leicht gewesen, so überrascht es mich wenig. Als letzte verließ, nach ein paar Auseinandersetzungen mir Gray, schließlich Mira die Stadt, über ihren Verbleib weiß er nichts. Dass sie nicht mehr bei ihm ist, nicht bereit war auf unsere Rückkehr zu warten oder sich auf die Suche nach Dylan und mir zu machen schmerzt mich wohl am meisten.
    Seit unserer Trennung in Thame und dem was danach folgte, haben wir uns alle verändert. Ich habe das Gefühl, etwas ist zerbrochen. Unsere Bande, die ich für stark gehalten habe sind einfach zerbrochen. Das Schlimmste daran ist, dass ich mir dafür die Schuld gebe. Ich hätte den Brief als eine Fälschung identifizieren können, hätte seinen Inhalt hinterfragen müssen. Mutter hätte andere Mitteln und Wegen gehabt mich schnell zu sich zu bringen. Ich hätte es besser wissen sollen, dann wäre uns viel Leid erspart geblieben.
    Nun sind es nur noch Gray und ich. Ich bin froh, dass ich ihm endlich die Wahrheit erzählt habe. Und doch mache ich mir hingegen aller Hoffnung nichts vor. So einfach können wir nicht zu dem zurückkehren was war. Ich kann nur hoffen, dass Gray unser Band genauso wichtig ist wie mir. Jetzt wo ich wieder bei ihm bin, weiß ich wie sehr er mir gefehlt hat. Die Erinnerungen an die Momente in denen ich ihn um ein Haar verloren hätte und der Schock darüber sitzen tief. Ich brauche ihn. Ich kann, darf ihn nicht verlieren!
  7. Die Hexe
    Ich habe den Wahnsinn überlebt und gefunden wonach ich gesucht hatte. Sieben Tage bin ich im tiefsten Winter quer durchs Atrossgebirge marschiert. Ich kann es immer noch nicht fassen. Neben dem winterlichen Wetter, machten mir wilde Tiere, steile, vereiste Hänge und Lawinen das Leben und die Reise schwer. Doch wie von einem inneren Feuer angetrieben entkam ich stets mit meinem Leben und ging entschlossen meinen Weg weiter. Viel länger hätte er mich nicht führen dürfen, ich bin am Ende meiner Kräfte. Es ist wahrlich ein Wunder, dass ich es überhaupt bis hierher geschafft habe. Schieres Glück? Ich glaube nicht, eher hat meine Melodie wohl noch etwas länger im Weltenlied zu erklingen. Nun bin ich in Sicherheit. Mehr oder weniger, doch zumindest fühle ich mich so sicher wie schon lange nicht mehr und werde endlich eine Nacht erholsamen Schlaf finden.
    Nachdem ich mich aus der Lawine freigekämpft hatte, setzte ich meinen Weg fort und folgte schließlich einem kleinen, im Schnee kaum erkennbaren Pfad. Von etwas weiter oben konnte ich in der Ferne zu meiner Rechten einen großen zugefrorenen See erkennen, bevor mich der Pfad auf einen Felsen führte. Er schien dort zu enden. Die Klinge spürte ich zu meiner Linken, bereits ein wenig näher als den Tag zuvor. Es dämmerte bereits und ein Blick in den Himmel verriet mir, dass sich ein Unwetter zusammenbraute. In der näheren Umgebung hatte ich keinen geeigneten Unterschlupf entdecken können und so war die Untersuchung der Wand einen Versuch wert. Und siehe da, tatsächlich stieß ich auf eine Illusion. Ich hielt sie für eine starke Variante, da Schnee durchfiel, meine Hände beim Klopfen jedoch auf Widerstand stießen. Auf die Idee, dass jedoch nur im unteren Bereich der Felswand ein Durchgang sein könnte, kam ich nicht. So stieß ich mir bei meinem Versuch die Illusion zu durchbrechen meinen Kopf am harten Stein. Doch ich hatte Glück im Unglück, durch die Wucht des Zusammenpralls und meinen nachfolgenden Sturz rutschten meine Füße in den freien Durchgang. Als ich den wahren Charakter der Illusion entdeckt hatte, krabbelte ich schließlich durch den niedrigen Durchgang und wurde von völliger Dunkelheit empfangen. Nachdem der Gang vom Licht einer Fackel erhellt war, stieß ich bereits nach wenigen Metern auf eine Treppe, die nach unten führte. Hier war ich zwar geschützt vor dem Unwetter, um hier zu rasten pfiff der Wind jedoch viel zu stark durch den Gang. Mit klopfendem Herzen folgte ich der Treppe hinab, in der Hoffnung auf einen windgeschützteren Bereich zu stoßen. Doch stattdessen folgte ein weiterer Gang, welcher nach einer Biegung und wenigen Meter bereits wieder endete. Auch hier gab es einen verborgenen Durchgang nach draußen. Dieses Mal war ich vorgewarnt und machte mich beim Durchschreiten klein. Auf der anderen Seite angekommen, fand ich mich auf einem großen Tor wieder. Rechts von mir waren Gebäude an die Tormauer gebaut. Aus einem davon schlurfte gerade ein Oger und verschwand in der Tür eines anderen Gebäudes. Links führte eine lange Treppe hoch an das Tor. Ich suchte nach der Klinge und spürte, dass sie sich von links näherte. Bald erschien eine Gruppe von fünf Gestalten in meinem Sichtfeld. Aufgrund des immer heftiger werdenden Schneetreibens war kaum zu erkennen ob es sich nun um Menschen, Orcs oder andere humanoide Wesen handelte. Zumindest eine wolfsartige und eine kleine Statur, möglicherweise ein Zwerg, konnte ich ausmachen. Neugierig und angsterfüllt zugleich, erwartete ich ihr Näherkommen. Wie sollte ich jemals an die Klinge kommen, wenn diese Gestalten zu den Verbündeten der Bewohner hier zählten? Alleine gegen Oger, Wölfe und Orcs? Das wäre noch wahnsinniger als mein Gebirgsmarsch. Und doch wusste ich, ich würde nichts unversucht lassen um die Klinge den falschen Händen zu entreißen.
    Doch all meine Sorgen waren unbegründet. Nachdem albische Wortfetzen an mein Ohr gedrungen waren, wurde ich noch neugieriger und näherte mich von oben den Gebäuden. Die Gruppe bat an der Tür des einen Hauses um Einlass, welcher ihnen von einem stark behaarten Mann gewährt wurde. Auf dem Dach des Hauses angekommen, entdeckte ich eine Luke. Für einen Moment überlegte ich über diesen Weg ins Haus zu gelangen, doch ich verwarf den Gedanken wieder. Stattdessen lugte ich vorsichtig über den Rand des Daches. Da sah ich eine der Gestalten herauslaufen, eine Sphäre der Dunkelheit nach sich ziehend. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was geschehen war, doch hielt ich es in dem Moment für eine gute Idee für Licht zu sorgen. Der ersten Gestalt folgten weitere, ein Hund, welchen ich für einen Wolf gehalten hatte und eine schwarzhaarige Person. Gray! Mein Herz begann schneller in meiner Brust zu schlagen. Um mehr zu sehen und folglich mehr ausrichten zu könne, erhob ich mich, um zurück auf die Tormauer zu eilen. Doch nach wenigen Schritten überkam mich Erschöpfung und so kehrte ich zurück, um den Flüchtenden wieder Licht zu gewähren. Wieder auf dem Dach, sah ich nun einen stark blutenden Zwerg und einen weiteren Mann. Und eine Eiswand, die vor der Tür des Hauses erschien. Mein Herzschlag beschleunigte sich noch weiter. Nun war ich sicher, es handelte sich bei dem Mann um Gray. Die erste Gestalt, die das Haus wieder verlassen hatte, allem Anschein nach eine Frau, winkte mir zu. In dem Moment entschied ich mich der Gruppe zu vertrauen, nicht zuletzt da sie mit Gray zusammen unterwegs waren und warf ihnen ein Seil herunter. Die Frau kletterte als ersten hoch. Oben angekommen stellte sie sich als Glannis vor. Ich sah ihre rotblonden Locken, ihre strahlenden Augen und konnte es dennoch nicht glauben. Für einen Moment starrte ich sie fassungslos an, bevor ich ihr um den Hals fiel. Warum war sie hier? Was hatte sie mit Gray, dem Bewahrer der Runenklinge zu tun? Von wem wurden sie noch begleitet? So viel Fragen, die auf einmal in meinem Kopf waren, doch sie mussten warten. Das mussten auch die Antworten auf Glannis Fragen und so konzentrierten wir all unsere Kraft und unser Denken auf das Entkommen von diesem Ort. Als alle oben auf dem Dach angekommen waren, rief ich ihnen zu mir zu folgen. Ich führte die Gruppe zu dem verborgenen Gang und hoffte inständig, dass er den Bewohnern hinter dem Tor unbekannt war. In seinem Inneren angekommen, entfachte ich eine Fackel. Bevor ich Anstalten machen konnte, mich bekannt zu machen, erschien eine weitere Eiswand vor dem Eingang, woraufhin der Wind augenblicklich aufhörte zu pfeifen. Der seltsam aussehende Mann nahm sich den Wunden des Zwerges an. Noch aufgewühlt von den Geschehnissen stand ich wie angewurzelt neben Glannis. Glannis unterhielt sich mit ihren Gefährten. Nachdem einige Worte gefallen waren, bemerkten wir, dass irgendeine Art von Magie die Geräusche dämpfte und wir erhoben unsere Stimmen. Nach kurzer Zeit wandte Glannis sich an mich und erzählte mir, dass sie hier irgendetwas bergen sollten, ein geheimer Auftrag, über den sie mir ohne Erlaubnis nichts Weiteres erzählen könnte. Auf der Suche nach Schutz vor Wetter und Nacht hatten sie die Ansiedlung entdeckt und dort um Einlass gebeten. Sie erkundigte sich auch, nach dem Grund meines Hierseins. Ich wich ihrer Frage aus und nachdem sie mehrmals ohne Erfolg nachgehakt hatte, gab sie auf. Ich kann es ihr nicht sagen. Noch nicht. Der Antwort würden nur weitere Fragen folgen. Es ist nicht leicht die Wahrheit zu sprechen, ohne zu viel zu verraten und doch nicht zu lügen.
    Der Schrei einer gequälten Seele erfüllte den Gang und ließ und alle zusammenfahren. Als jedoch nichts Weiteres geschah, schüttelte ich die Angst wieder ab. Schließlich erschien der Zwerg von seiner Behandlung wieder und Glannis machte mich mit Golrek, ihrem zwergischen Begleiter, bekannt. Gray zeigte mir die kalte Schulter, ganz seinem Element entsprechend und setzte sich von uns weg, um in Meditation zu versinken. Mein Herz schmerzte, als sei es von Kälte ergriffen. Mein Geist war, wie die Luft vor der Höhle, erfüllt von wildem Schneetreiben. Es ist so viel geschehen, worüber mir Kenntnis fehlt.
    Von Nissyen, der Mann mit den schwarz-weißen Haaren, erfuhr ich lediglich den Namen, denn er war bereits eingeschlafen. Glannis meinte, dass sei im Winter normal. Sonderbare Gestalten, die Glannis begleiten. Doch wer bin ich, dass ich über Wesen und Aussehen anderer urteilen könnte.
    Als Golrek und Gray aus ihrer Meditation erwachten, teilte Gray uns seinen Entschluss, sich am nächsten Tag um die Orcs und Oger zu kümmern mit. Von dem Zwerg erfuhr ich mehr über den Grund ihrer Reise: Ein dringender Auftrag des Zwergenkönigs, welcher lautete die Königsinsignien aus der alten Zwergenbinge Tumunzahar zu bergen. Diese befindet sich nicht weiter von hier entfernt und ist mit Sicherheit nicht mehr verlassen. Wahrscheinlich wimmelt es dort von Orcs und anderen Ungetümen. Und doch bin ich froh, dass mir erlaubt wurde Glannis und ihre Gefährten zu begleiten. Jetzt da ich endlich gefunden habe, wonach ich gesucht hatte.
    Wir richteten schließlich unser Nachlager ein und schirmten mit unserem Gepäck den Wind ab. Gray bot an, die erste Wache zu übernehmen. Da sprang er plötzlich auf, nahm sich ein in Leder gewickeltes Paket und begann es panisch noch zusätzlich mit Seil zu verschnüren. Wovor fürchtet es sich so? Ich ahne es und doch kann ich an Feuermals Flammen nichts Schlechtes finden, haben sie mir doch das Lebens gerettet. Ein Teil von mir sehnt sich danach, die Klinge wieder in den Händen zu halten. Doch ich werde wohl noch etwas warten müssen. Zunächst reicht es mir zu wissen, dass sie in guten Händen ist. In den Händen von Gray. Endlich habe ich ihn wieder getroffen, Gray, den Bewahrer von Feuermal. Endlich bin ich ihm wieder begegnet und doch scheint er mir so fremd. Was ist dieser Gray für ein Mensch? Ich hoffe es in der nächsten Zeit zu erfahren.
    Wenn sie nur alle wüssten, wie unendlich glücklich und erleichtert ich bin hier mitten im Gebirge auf sie getroffen zu sein. Wenn da nur nicht diese schwere Last wäre, das schreckliche Geheimnis, welches ich mit mir trage. Allein der Gedanke daran bringt mir Kummer.
    Ich hoffe für diese Nacht kann ich all das vergessen und erholsamen Schlaf finden. Ich bin so müde.
  8. Die Hexe
    Ich habe die letzte Zeit genutzt Teile meines verlorenen Wissens wiederzuerlangen. Darüber hinaus habe ich das ein oder andere Nützliche gelernt und meine Freude am Singen wiedergefunden. Doch nun ist es an der Zeit Fiorinde zu verlassen. Hier gibt es nichts mehr für mich zu tun, zumindest nichts was den Absichten meines Mentors entspräche oder mich meinen Zielen näher bringen würde. So ziehe ich hinaus in die Welt, werde mein Wissen und meine Macht mehren, um den Kräften der Ordnung eine Dienerin zu sein.
    Die Flammenklinge werde ich zurücklassen, Vater wird sie zu sich ins Gebirge mitnehmen. Dieses Schwert hat mir mein Leben gerettet und ich habe das Gefühl, es ist ein Teil von mir. Und doch möchte ich es nicht länger tragen. Seine nicht kontrollierbaren Flammen sind nur ein Grund, es ist mit einer Vergangenheit verbunden, die nicht mehr Teil meines neuen Lebens ist. Es gehört Enya.
    Wo mich mein Weg hinführen wird, das weiß ich noch nicht. Doch ich bin mir sicher, dass er mich eines Tages an die Bardenschule in Erainn führen wird, damit ich dort die Musikküste erlerne, die einst einer der Urdrachen den Drachensängern beibrachte. Auch wenn sein Erbe nicht mehr zu sehen ist, trage ich es doch in mir und bin immer noch die Tochter von Aneteckroth, dem bronzefarbenen Drachen.
  9. Die Hexe
    Ich befinde mich in einem Gasthaus eine Tagesreise von Thame entfernt. Ale und Essen sind genießbar und meine Gesellschaft allemal. Ich habe eine neue Bekanntschaft gemacht. Nachdem ich mit Mutter zum Fayre in Adhelstan gereist bin, zog ich weiter Richtung Norden, um Vater wiederzusehen. Bei Crossing traf ich auf eine Bardin, Glannis ihr Name. Ich mochte ihre Art von Anfang an und so beschloss ich, mit ihr zusammen nach Thame zu reisen, bevor ich zu Vater ins Gebirge ging. Die Zeit mit ihr war erfüllt von interessanten Gesprächen und musikalischen Darbietungen, eine bessere Reisegesellschaft hatte ich mich nicht wünschen können. Ich hatte gehofft mit ihr zusammen dort ein paar Tage zu bleiben, doch irgendetwas Dringendes führt sie wieder Richtung Süden.
  10. Die Hexe
    Ich weiß nicht, wo ich mit dem Schreiben beginnen soll. Es ist der erste Tag, an dem ich überhaupt wieder Feder und Pergament zur Hand nehmen kann. Ich bin mit Rana auf dem Weg nach Fiorinde. Eigentlich hätte ich schon längst bei Vater sein sollen, doch mit der Entscheidung Glannis nach Thame zu begleitet hatte sich alles geändert. Sie schien es wirklich eilig gehabt zu haben und so lieh ich ihr mein Pferd, in der Hoffnung, dass sie so schneller wieder nach Thame kommen würde. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre einfach mitgekommen. So blieb ich jedoch in Thame. Eines Abends half ich einer Frau, welche in den Gassen der Stadt bedrängt wurde. Zum Dank lud sie mich zum Essen ein. Sie geleitete mich in ihr Etablissement „die Rote Rose“. Als ich es betrat beschlich mich ein seltsames Gefühl, doch so recht wusste ich es nicht einzuordnen und schob es auf die Umgebung, in welcher ich mich befand. Handelte es sich bei der Roten Rose doch um ein Bordell. Ich frage mich, ob es anders gekommen wäre, hätte ich auf mein Gefühl des Unbehagens gehört. Letztlich weiß ich es nicht und es bringt nichts sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Geschehenes ist nicht mehr zu verändern.
    Die Frau musste mir etwas ins Essen getan haben, denn als ich wieder erwachte befand ich mich gefesselt und geknebelt auf einer Kutsche wieder. Die Tatsache kam mir auf skurrile Art und Weise vertraut vor, doch ich beschloss dieses Gefühl nicht weiter zu verfolgen. Tagelang verbrachte ich so auf dem hin und her schwankenden Gefährt. Immer verabreichte man mir etwas, was mich benommen machte, so dass ich von den Besuchen in den Gasthäusern oder Bauernhöfen kaum etwas mitbekam. Immer wieder hatte ich mit Panik zu kämpfen. Mein Verstand weigerte sich zu begreifen, was geschehen war. In Tidford wurde ich schließlich von Rana in einem verlassenen Lagerhaus am Hafen gefunden und befreit. Früher hatte sie immer etwas Furchteinflößendes an sich gehabt, doch in diesem Moment war ich einfach nur glücklich und erleichtert ihr Gesicht zu sehen.
    Immer wieder wünsche ich mir, ich wüsste warum man mich entführt hatte. Ich frage mich, ob diese Entführung im Zusammenhang mit meiner ersten Gefangennahme, bei welcher ich meine Erinnerungen verloren habe, steht. Doch ich sehe so anders aus als Enya, warum hatte man mich dennoch erkannt? Oder hat das eine mit dem anderen nichts zu tun? So viele Fragen und keine Antworten. Ich bin mir noch nicht einmal sicher ob mir diese Fragen jemals beantwortet werden oder ob ich dies denn möchte. Es gab Momente, obgleich wenige, da wünschte ich mir Antworten. Doch was würde mich erwarten? Ich bin davon überzeugt, dass ich nicht einfach so vergessen habe, es muss dafür einen Grund geben und ich weiß nicht ob ich ihn jemals erfahren möchte. Momentan zumindest nicht. Zu sehr fürchte ich meine eigenen Erinnerungen, das was Enya erlebt hat. Wenn ich an die Wunden ihres Körpers denke, schaudert es mich. Nein, es ist gut so wie es ist. Während des Schreibens wandert mein Blick immer wieder auf meinen Arm. Keine Schuppen, keine Narben. Wie habe ich nur damit gelebt?
    Nun, meine Fragen und Zweifel werden warten müssen, bis ich bei Mutter in Fiorinde angelangt bin. Vielleicht weiß sie etwas oder kann zumindest mehr darüber herausfinden. Ich hoffe es, doch viel mehr noch hoffe ich, sie wird mich wieder gehen lassen. Denn obgleich das Erlebte schrecklich war und keiner Wiederholung bedarf, ändert dies nichts an meinem Entschluss, wieder in die Welt zu ziehen.
  11. Die Hexe
    Nun bin ich endlich bei Vater. Als ich vor einigen Monden mit Mutter in Fiorinde aufgebrochen bin, hätte ich nicht erwartet, dass es so lange dauert bis ich das Pengannion erreiche. Als ich in Fiorinde ankam, erfuhr ich von Mutter, dass sie im Feuer eine Vision gesehen und daraufhin Rana ausgeschickt hatte, nach mir zu suchen. Kurz darauf verschwand sie mit vagen Andeutungen über das Geschehene und ihre Pläne. Ich glaube sie reist in die Küstenstaaten, da sie der Meinung ist, dort wäre auch ich hingebracht worden. Irgendwann einmal murmelte sie etwas von einem alten Widersacher. Vielleicht hat diese Entführung tatsächlich nichts mit meiner vergessenen Vergangenheit zu tun…
    Wie ich es befürchtet hatte, weigerte sich Mutter mich einfach so gehen zu lassen. So wurde ich von Teck abgeholt und bin nun mit ihm in den Weiten des Gebirges, in Sicherheit. Ich hoffe darauf, dass er leichter davon zu überzeugen ist, mich wieder meines Weges ziehen zu lassen. Doch die nächste Zeit werde ich bei ihm bleiben. Vater besteht darauf, mich den Umgang mit dem Langschwert zu lehren. Ich sehe dazu keinen Grund, er duldet jedoch keinen Widerspruch. Er meint es diene meinem Schutz und ist Teil meiner Melodie im Weltenlied. Selten habe ich Vater so ernst und bestimmend erlebt. Ich bin keine gute Schülerin, doch ich werde mein Bestes versuchen. Was wohl mit der Flammenklinge geschehen ist...? Nun ja, eigentlich spielt es keine Rolle, irgendetwas wird Vater damit schon gemacht haben...
    Einerseits bin ich froh hier im Schutz des Gebirges zu sein, bei Vater, andererseits ist der Dranghinaus in die Welt zu gehen stärker denn je. Es macht mir fast ein wenig Angst. Ich bin mir nicht mehr sicher ob ich mein altes Leben wirklich so hinter mir lassen, kann wie ich mir das vorgestellt habe. Irgendetwas scheint immer wieder nach mir zu rufen. Irgendetwas scheint mir zu fehlen. Ich glaube noch nicht einmal, dass es meine Erinnerungen sind, dennoch etwas was mit der Vergangenheit in Verbindung steht. Ich weiß nicht ob ich wissen möchte, was mich erwartet und dennoch habe ich das Gefühl mir bleibt keine Wahl als wieder hinaus in die Welt zu ziehen und meiner vom Weltenlied vorgesehenen Melodie zu folgen. Ich frage mich, ob ich sie wohl durch meine Entscheidungen und Taten beeinflussen kann. Ich will es glauben.
  12. Die Hexe
    Hier setzt sich die Geschichte welche mit Enyas Briefen begonnen in den Tagebucheinträgen von Edana fort.
     
    Die erste Seite im Buch meines Lebens ist aufgeschlagen worden. Heute ist der erste Tag, der Tag meiner Geburt, obwohl ich bereits 21 Sommer zähle.
    Mein Name ist Edana. Ich wurde nach dem Feuer benannt, der Macht, welcher ich diene, dem Element, dessen Erbe in meinem Blut fließt. Doch mein Name ist auch ein Erbe aus meinem vergangenen Leben, in dem ich einen ähnlichen trug. Von der Feurigen wurde ich zum kleinen Feuer, welches nach Größe, Sinn und Wahrheit sucht. Meine Erinnerungen gleichen Bildern ohne Gefühl und sind mit meinem Leben verbunden und doch kein Teil davon. Ich stehe an einer Weggabelung, der Weg hinter mir ist in Nebenschleier gehüllt, der Weg zu meiner Linken in vollkommene Finsternis getaucht. Auf dem rechten Pfad weiß ich nicht, was mich erwartet und doch ist es der einzige Weg, den ich gehen kann um zu leben und zu erfahren.
    Ich habe mich vergessen, mich verloren und mein altes Ich nie wiedergefunden. Ich wandelte am Rande des Wahnsinns und drohte immer wieder gänzlich in seinen Abgrund zu stürzen. Doch ich wurde gerettet. Ich weiß nicht wie, doch mein Vater fand mich und brachte mich zu Mutter. Ich wusste jedoch nicht wer sie waren. Ich hatte das Gesicht meiner Mutter in meinen Träumen gesehen und doch konnte ich mich nicht an ihren Namen erinnern. Der sich in ihrem Gesicht wiederspiegelnde Schmerz, brach mir das Herz, welches im Gegensatz zu meinem Kopf nie vergessen hatte. Sie gaben mir meine Erinnerungen wieder. Doch ich konnte mich lediglich bis zu dem Tag, an dem ich das Haus meiner Mutter verlassen hatte, erinnern. Ich wusste nun wer ich war, doch spüren konnte ich mich nicht. Ich verstand das Wesen, welches sie mir offenbart hatten nicht. Mich quälte die Frage, was in dem Jahr, welches ich fern ab von Fiorinde verbracht hatte, geschehen war. Woher waren all die schrecklichen Wunden gekommen, die mein Körper trug, als mein Vater mich zurück nach Hause brachte? Immer wieder wurde ich von schrecklichen Träumen heimgesucht, die meinen verwirrten Geist noch mehr ins Chaos stürzten. Sehnsucht war ein ständiger Begleiter geworden und doch wusste ich nicht nach was mein Herz sich sehnte. Das Gefühl von Verlust wurde mit jedem weiteren Tag stärker.
    Eines Tages führte mich Mutter in den Wald, errichtete dort ein großes Feuer und rief ihren Mentor, den Fürst der Flammen. Auch ich war eine seiner Schülerinnen gewesen, doch sein Anblick, wenn gleich merkwürdig vertraut, erfüllte mich mit Schrecken. Er konnte mich weder in seine Dienste nehmen noch mir mein verlorenes Wissen zurückgeben. Ich glaube, ich wäre gänzlich verrückt geworden, hätten Vater und Mutter nicht ein Wunder vollbracht. Für ewig werde ich ihnen dafür dankbar sein.
    Ich schlief für mehrere Tage bis zum heutigen Tag und als ich erwachte, erwachte ich zu einem neuen Leben. Das kleine Feuer hatte begonnen zu brennen. Edana war erwacht.
    Mit der Wandlung meines Äußeren, schien eine Veränderung im Inneren stattgefunden zu haben. Seele, Geist und Körper hatten Heilung erfahren. Noch ist mir mein Anblick im Spiegel fremd und doch vertrauter als die Frau mit bronzefarbenen Haaren und den vor Wahnsinn glühenden Augen. Keine Narbe ist mehr sichtbar, keine Schuppen, welche meinen rechten Arm überzogen. Das Vermächtnis meines Vaters. Doch nun gehören sie, ebenso wie meine Erinnerungen, der Vergangenheit an. Ich habe nichts mehr zu verbergen.
    In mir spüre ich Klarheit und Ruhe. Die Sehnsucht und das Gefühl von Verlust sind nur noch eine schwache Erinnerung. Es spielt keine Rolle mehr, was im vergangenen Jahr passiert ist. Ich möchte meine Vergangenheit, mein anderes Ich hinter mir lassen und einen Neubeginn wagen.
    Auch wenn ich es mir nicht wünsche, schließe ich es dennoch nicht vollkommen aus. Eines Tages werde ich meine Erinnerungen vielleicht gänzlich wiedererlangen. Wenn es dazu kommen sollte, hoffe ich stark genug zu sein, denn ich habe – davon bin ich überzeugt – aus gutem Grund vergessen.
  13. Die Hexe
    In diesem Blog finden sich die Briefe meiner Hexe an ihre Mutter, welche ich ca. ein Jahr (2012/13) in einer Gruppe, welche sich dann aufgelöst hat, gespielt habe. Dazu gibt es ein paar Antwortbriefe ihrer Mutter (prinzipiell ebenfalls von mir geschrieben, bis auf eine Ausnahme, die kam von unserem SL)
     
    Zur Gruppe
    Die Gruppe bestand aus einem Eismagier, einer Spitzbuben-Halblingsdame, einer Zwergenkriegerin und (m)einer Hexe. Später stieß noch ein chryseischer Kundschafter dazu, welcher mit der Zeit durch einen Hexenjäger ersetzt wurde.
     
    Meine Hexe Enya (Bedeutung: kleines Feuer, Wasser des Lebens) wurde als Tochter von Chelinda in Fiorinde geboren. Sie ist sozusagen auf einem Con enstanden, als ihre Mutter einen besonderen Mann kennengelernt hat... Ich fand die Idee, ein Kind eines Charakters zu spielen spannend. Von unsem SL hat sie dann noch ein paar "Extras" bekommen. Der Epicfaktor in unserer Gruppe war etwas höher, aber eher weniger so nach dem Motto "wir sind alles Superhelden", sondern vielmehr haben die epischen Faktoren zum Rollenspiel beigetragen oder enstanden erst dadurch.
    Sie war als weiße Hexe, Schülerin des Fürsten der Flamme unterwegs und stieß mit oben genannten Gesellen auf herausfordernde Gefährten, mit denen sie einiges erlebt hat. Wohin das alles geführt hat, ist hier aus ihrer Sicht nach zu lesen. (Achtung, hoher Immersionsfaktor das Rollenspiel hat einfach in der Gruppe furchtbar viel Spaß gemacht)
     
    Spoilerwarnung
    Folgende Abenteuer haben wir (mehr oder weniger erfolgreich) bestritten:
     
    - Rotbarts Heimgang
    - DSA Abenteuer (Irgendwas mit einer Maske, leider weiß ich den Titel nicht mehr)
    - Spinnenliebe
    - Schreckensgespenst
    - Unbekannte Schmerzen
    - Orkspuren
    - Die Frau ohne Schatten
    - Runenklingen 1
    - Anfang RK 2
    - Der Pfeil des Jägers
  14. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    ich frage mich, wo du bist, in Fiorinde oder bei Vater im Pengannion, wenn ich diese Zeilen schreibe und ob ich bald eine Antwort erhalten werde.
    Ich habe viel erlebt, seitdem ich Beornanburg in Richtung Norden verlassen habe. Der Stadt hatte ich nur einen kurzen Besuch abgestattet. Auf meiner Reise hörte ich Gerüchte über den Roten Ritter, welcher sein Unwesen in dieser Gegend trieb. Sie führten mich in MacArans Rasthaus an der Königstraße. Dort befand sich der im Land bekannte Ritter Riodbart MacSeal, genannt Rotbart, welcher auf einem Turnier in Maris nur knapp einen Mordanschlag entging und nun um sein Leben rang. Der Rote Ritter, der diesen Anschlag verübt hatte wurde daraufhin von einer Gruppe mutiger Abenteurer verhaftet und dem Henker übergeben, der ihm den Kopf abschlug. Nach albischen Recht wurde dem Gesetz genüge getan, aber der kopflose Ritter stand kurz darauf auf, sprang auf sein Pferd und galoppierte davon.
    In dem Gasthaus traf ich auf eben jene Abenteurer, die den Roten Ritter gefangen und übergeben hatten. Diese Gruppe bestand aus einen frechen Halbling, Mirabell, einer kriegerischen Zwergin, Bruna und einen leichtbekleideten Magus Kryaru, Gray. Sie, sowie Sandor, Priester des Thurion und Bernardo, ein Mann aus den Küstenstaaten waren ebenfalls auf der der Suche nach dem Roten Ritter.
    Zusammen suchten wir Rotbart auf, der uns einen Schatz versprach, sollten wir seinen Leichnam nach Muranmuir bringen. Zuvor erzählte er uns noch etwas über sein Leben, das mir von Gier und Wahnsinn geprägt schien. Wir schworen einen Eid und Curathan, sein Diener würde uns den Ort des Schatzes verraten, sobald wir in der Erzabtei ankämen.
    Als Riodbart seinen letzten Atemzug tat, hörten wir von unten einen Schrei: „Endlich“. Als wir die Treppe herunter eilten, sahen wir eine alte Frau auf dem Tisch, zuvor war sie als junge, hübsche Maid nicht weiteraufgefallen. Doch bevor wir etwas sagen oder tun konnten, verschwand sie vor unseren Augen.
    Meister Cleobolus, ein altes Männlein aus Chryseia, war ebenfalls in MacArans Rasthaus untergekommen und wir erbaten uns seine Hilfe, denn er verfügte über einen Wagen, in dem wir den Sarg transportieren konnten. So brachen wir in Richtung Muranmuir auf.
    Die Reise verlief mit einigen Ereignissen. Als wir die Brücke über dem Morne überquerten, wurden wir von einfachen, in Lumpen gekleideten Menschen, sogar Kinder angegriffen. Der Rote Ritter stellte sich uns in den Weg und forderte die Herausgabe des Leichnams, doch mit vereinten Kräften und Glück schafften wir es zu entkommen. Für einen kurzen Moment stand ich dem Ritter entgegen und konnte seinen wuchtigen Schlag abwehren, jedoch kostete mich dies all meine Kraft. Mit einem wahrlich gefährlichen Gegner hatten wir es zu tun. Curathan, der junge Knappe fand fast den Tod, nur mit meinen bescheidenen Fähigkeiten als Wundheilerin und Meister Cleobolus Tränken konnte ich sein Leben retten. Da vertraute er sich mir an und offenbarte mir, dass es keinen Schatz gab. Ich entschied mich auf sein Bitten hin, den anderen nichts davon zu erzählen, bis wir in Muranmuir angekommen waren. Ich entschloss mich, trotz meiner Zweifel an der Moral und Ethik der Gruppe, sie noch weiter zu begleiten und vor allem mein Versprechen einzulösen. Meine anfänglichen Zweifel verstärkten sich während der Reise. Ihre Vorstellungen, was richtig und wichtig ist im Leben entsprechen nicht meinen, anderseits brauchen sie jemanden, der sie immer wieder an das Gesetzt und gute Sitten erinnert. Viel von der albischen Kultur und deren Gebräuche scheinen sie jedenfalls nicht zu verstehen. Zumindest haben sie mir bisher noch keine Fragen bezüglich meiner Haare gestellt, darüber bin ich sehr erleichtert.
    Eine Einladung dubioser Ritter hielt uns weiter auf. Später stellte sich heraus, dass es sich um Raubritter handelte, denn sie verfolgten uns und griffen uns an. Wir hätten wahrscheinlich den Tod gefunden, wäre uns nicht die Frau aus dem Gasthaus zu Hilfe gekommen. Gesehen hatten wir sie nicht, doch ihr Gelächter erklang aus dem Wald und Blitze kamen hervor, die die Männer trafen. Ihre Motive sind mir schleierhaft, beschützten wir doch den Leichnam des Mannes, dessen Tod sie gewünscht, vielleicht auch herbeigeführt hatte. Geschwächt, doch am Leben kamen wir im nächsten Gasthaus an. Dort verabschiedeten sich Bernardo und Sandor.
    Es handelt sich um die Taverne "Zur alten Tränke", in der wir Zeuge eines unmenschlichen Verbrechens wurden. Der Wirt Rianmar hatte über Wochen den Menschen Wolfsfleisch zum Verzehr gegeben. Er wollte in der folgenden Nacht fliehen, doch durch unser Tun gelang es ihm nicht und die rasenden Dorfbewohner schlugen ihn zu Tode. Ich konnte sie nicht aufhalten, es war grauenvoll mit anzusehen, niemand hatte solch einen Tod verdient. Bedrückt verließen wir den Ort des Schreckens.
    Der Priester hatte uns einen Zettel mit dem Wort „Mandriconon“ hinterlassen. Auf dem Weg erfuhren wir, dass es sich dabei um Wesen handelte, deren Kopf nicht auf dem Hals sondern in der Brust saß. Der Rote Ritter könnte so ein Wesen sein, viel mehr fanden wir leider nicht heraus. Die letzten Tage unserer Reise verliefen ruhig und endlich kamen wir in Muranmuir an. Dort enthüllten Curathan und ich, dass uns kein Schatz in Crossing erwartet und ich machte den Fehler meine Zweifel an der Ehrenhaftigkeit der Gruppe auszusprechen. Um ehrlich zu sein, war mit nie in den Sinn gekommen, dass sie wütend auf mich sein würden, viel mehr hatte ich Sorge um Curathan. Wenn ich nun darüber nachdenke, wäre es besser gewesen, ich hätte es nicht für mich behalten. Sie hatten ihr Versprechen gegeben und wären trotzdem nach Muranmuir gezogen. Ich entschuldigte mich, jedoch minderte dies kaum den Zorn Brunas. Auch Schweigen kann eine Lüge sein.
    Nun bin ich in Muranmuir und morgen soll Riodbart bestattet werden. Ich habe das Gefühl, wir wiegen uns zu sehr in Sicherheit, deshalb werde ich noch einmal nach seinem Leichnam sehen, bevor ich mich zu Bett begebe.
    In Liebe
    Enya
  15. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    mein Gefühl des Unbehagens war berechtigt gewesen. In der Nacht wurde der Leichnam Riodbarts MacSeals aus der Erzabtei entwendet. Es verstimmt mich immer noch, dass ich nicht besser auf meine Intuition gehört habe.
    Am Morgen erfuhren wir davon, doch ihn und seine Entführer wiederzufinden war eine schier unmögliche Aufgabe und so verließen wir niedergeschlagen Muranmuir, um uns auf den Weg nach Crossing zu machen und dort Curathan abzusetzen. Der Abt war so freundlich gewesen und hatte uns nach den Strapazen unserer Reise ein paar Tage Unterkunft im Gasthaus „Zum tanzenden Ordensritter“ in Crossing gewährt.
    Schon auf dem Weg dorthin fühlte ich mich nicht wohl. Meine Periode stand bevor und die ganze Anspannung der Reise, mein Fehler und der Groll der anderen lasteten auf mir. In Crossing verabschiedete ich mich noch von Curathan und war dann froh um ein Bett in einem Einzelzimmer in der Taverne. Ich hatte auch noch ein anderes Problem, was mir etwas Sorgen bereitete. Mein Gold neigte sich dem Ende, so dass mir nicht mal mehr das Geld für drei Tage leben gereicht hätte.
    Während ich erschöpft und unwohl die Tage im Bett verbrachte, trafen Gray, Mira und Bruna auf Guomondur, der Meister des Eismagiers. Er hatte Fuardain, ein Land im hohen Norden verlassen um einem Freund einen Gefallen zu erweisen. Dieser Freund, Henry, war auf einer Expedition mit einem gewissen Zordan unterwegs gewesen und dort hatten sie eine Maske gefunden. Henry hatte um Guomondurs Hilfe gebeten, doch war er in Crossing nicht aufgetaucht.
    Zusammen mit dem Meister suchten sie Zordan auf. Dieser jedoch erklärte, dass Henry an einem Schlangenbiss auf der Expedition gestorben war und er noch nie etwas von so einer Maske gehört habe. Guomondur und Zordan gerieten in einen Streit, doch konnten die anderen eingreifen und brachten den Meister fort.
    Am nächsten Morgen wurden wir von schweren Schritten und Rufen geweckt. Grays Meister war von der Stadtwache verhaftet worden und wurde des Mordes an Zordan angeklagt. Dieser war am Morgen tot aufgefunden worden, gezeichnet von brutalen Schlägen. Selbst sein Gesicht war kaum noch erkennbar gewesen. Die anderen sowie Muktar, ein Mann aus dem südlichen Eschar und Diener des Toten, wurden verhört. Sie versuchten die Situation aufzuklären, doch der Streit der beiden, die Aussage des Nachbarn, er hätte in der Nacht eine kleine Gestalt am Haus gesehen und die Tatsache, dass Guomondur kein Albai war, überzeugten die Stadtwachen von der Schuld des Meisters. Auch die letzte Hoffnung, der Brief von Henry an Guomondur wurde uns genommen, denn er war in der Zwischenzeit entwendet worden.
    Am nächsten Tag ging es mir schon besser und ich schloss mich den anderen an, bei dem Versuch die Unschuld des Meisters zu beweisen. Ich erkundigte mich im Gildenhaus der Lichtsucher nach dem Dienst eines Sorellor, der mit dem Zauber Seelenkompass eine Person wiederfinden sollte, denn Mira hatte nach der Entwendung des Briefes ein paar Haare im Zimmer gefunden. Doch der Preis ließ uns etwas zögern. Gray war währenddessen Muktar in das Armenviertel gefolgt, hatte ihn jedoch verloren und stand vor fünf zwielichtigen Männern. Er konnte sie überzeugen für ihn zu arbeiten. Eine Stunde vor Sonnenaufgang sollten wir Nelson, einer der Männer, auf dem „Drogenplatz“ treffen. Ich ließ den Wirt mich wecken und klopfte dann bei den anderen an. Dabei wurde ich wieder einmal von der Sonderlichkeit Grays überrascht, als er mir splitternackt die Tür aufmachte. Nun, er ist kein hässlicher Mann, aber er könnte sich im Allgemeinen mehr bekleiden. Er hat eine seltsame Angewohnheit sich seiner Kleider immer wieder zu entledigen.
    Gemeinsam brachen wir auf. Dass ich im Leben an solche Orte gelangen würde…Vergeblich versuchte ich Mira davon abzuhalten, von einem Mann etwas von den Drogen anzunehmen. Nelson gab uns die Information, dass sich Muktar in letzter Zeit oft im Armenviertel herumgetrieben und sich nach der Kanalisation erkundigt hatte. Vielleicht wollte er etwas verstecken oder ungesehen aus der Stadt entkommen, so wie Bruna und Mira das geplant hatten, sollten wir nicht die Unschuld des Meisters beweisen können und ihn befreien müssen. Ein Unterfangen von dem ich nicht viel hielt, doch dies behielt ich für mich.
    Mira, die, wie ich aus Gesprächen herausgehört hatte, schon einmal versucht hatte in das Haus Zordans einzubrechen, wollte sich das Gebäude noch einmal genauer betrachten, in der Hoffnung etwas zu finden, was uns weiterhelfen würde. Nicht ganz begeistert von dem Plan, bot ich jedoch meine Hilfe an. Ich würde vor dem Haus warten und sie warnen, sollte Muktar wiederkommen.
    Oh Mutter, manchmal erscheinen mir die Wege des Lebens sonderbar, gar befremdlich. Bei diesem Versuch tat ich Dinge, die ich nicht tun wollte, doch war ich unfähig in der jeweils gegeben Situation einen anderen Weg zu sehen. So ging ich ihn mit Zögern und Widerwillen, doch ich ging ihn.
    Als ich dort auf der Straße wartete, kam Bruna und zusammen planten wir unser Handeln sollte der Diener auftauchen. Ich hoffte, dass dadurch ihr Zorn auf mich etwas gemildert würde. Bald darauf kam Muktar die Straße entlang. Bruna fing an mich zu beschimpfen. Als er nah genug war, schubste sie mich vor seine Füße. Ich rief um Hilfe, stand auf und klammerte mich an den großen, dunkelhäutigen Mann.
    Ja Mutter, ich nutzte die Schönheit meines Körpers. Und dabei kamen mir deine Worte in den Sinn, die ich damals bestritten hatte. „Glaube mir, mein Kind, eines Tages wirst du davon Gebrauch machen und es genießen.“ Und du hattest recht, auch wenn ich es in keinster Weise genossen habe, mein einziges Ziel war es Mira helfen. Doch trotz meines Versuchs, gelang es mir nicht, ihn länger als ein paar Augenblicke aufzuhalten. Das, was er zu erledigen hatte, schien sehr wichtig zu sein. Panisch lief ich um das Haus und schrie laut Miras Namen. Kurz darauf sah ich eine kleine Gestalt aus dem Fenster klettern. Doch der Nachbar hatte sie gesehen und fing an zu rufen. Schnell lenkte ich ihn mit Hilfe der arkanen Kunst für einen Moment ab, so dass Mira entkommen konnte. Erleichtert zog ich mich zurück und begab mich ins Gasthaus.
    Dort besprachen wir unser weiteres Vorgehen. Am Abend würde Mira noch einmal in das Haus gehen und ich sollte die Ablenkung für Muktar sein. Du kannst dir vorstellen, dass ich nicht glücklich über die Entwicklung der Dinge war, doch ich hatte das Gefühl in der Schuld der anderen zu stehen. Und wenn ich auf diese Weise behilflich sein könnte, würde ich auch etwas tun, was ich ungern tue. Ich nahm eines der Färbersalze, schütte es auf mein Haar und verließ mein Zimmer, um mir in der Stadt die Haare färben zu lassen. Ich hatte etwas Geld von dem Eismagier bekommen, doch reichte dies nicht aus, so dass ich noch einmal zurückkehrte. Gray gab mir das Geld sofort und verwundert nahm ich es an. Erst später bemerkte ich, dass es an den Haaren, die ich das erste Mal offen trug und die jetzt eine Farbe von dunklem Braun hatten, gelegen hatte. Es ist gut, dass ich sie sonst unter dem Tuch versteckt habe.
    Ich beeilte mich, denn das Salz hielt nur eine Stunde und ließ mir meine Haare ebenfalls in einem dunklen Braunton färben. So machte ich mich am Nachmittag zu Zordans Haus auf um Muktar als „Dank“ zum Abendessen einzuladen. Doch wieder schlug er meine Einladung ab, worüber ich auch ein wenig froh war, denn das Verführen der Männer liegt mir nicht so sehr wie dir Mutter. Und da kam mir eine Lüge über die Lippen. Ich war erschüttert, wie leicht dies geschehen war. Ich hoffe, dass mir dies vergeben wird. Ich behauptete, ich würde morgen die Stadt verlassen und es wäre die letzte Gelegenheit mich zu bedanken. Doch der Termin, den er hatte, schien äußert wichtig, so dass er meinte, er käme danach, wenn es nicht zu spät werden würde, zu meinem Gasthaus. Ich kehrte dorthin zurück und berichtete den anderen davon. Während sich Bruna und Mira in Richtung Zordans Haus aufmachten, nahm ich mit Gray eine Kleinigkeit zu mir. Dabei starrte er mich unentwegt an. Später ließ er mich alleine und noch etwas später tauchten Bruna und Mira wieder auf. Von Muktar war keine Spur.
    Der Halbling hatte nichts Bedeutendes gefunden, außer dem Testament Zordans. Etwas ratlos saßen wir oben in Grays Zimmer, als Nelson uns aufsuchte. Er erzählte uns, dass er Muktar hatte beschatten lassen und dass dieser sich zusammen mit einem Mann, dessen Beschreibung auf die von Zordan passte, mit einem dritten in der Kanalisation getroffen und etwas ausgetauscht hatte. Wir vermutenden, dass es sich dabei um die Maske handelte.
    Eilig machten wir uns fertig und folgten Nelson ins Armenviertel. Dort suchte er einen kleinen Jungen auf, der uns den Ausgang der Kanalisation zeigen sollte. Es war bereits seit einiger Zeit dunkel und die Stadttore verschlossen, so dass es die einzige Möglichkeit war aus der Stadt herauszukommen. Die Vorstellung durch die Kanalisation, die auch noch Territorium der Diebesgilde von Crossing war, zu laufen, glich einem Alptraum. Doch ich zwang mich den anderen zu folgen. Dort unten konzentrierte ich mich auf ein Lied, dass ich immer wieder in meinem Kopf sang, um mich von dem Gestank, der dort unten herrschte, abzulenken. Wir waren angewiesen worden, nicht zu sprechen und dem Jungen zu folgen, solange er uns nichts anderes befahl. Wir hatten wenig Glück, nach kurzer Zeit wurden wir von fünf Kreaturen angegriffen. Trotz Grays Heldenmut, er hatte sich schützend vor mich gestellt um einen Angriff abzuwehren, kostete mich dieser Kampf einiges an Kraft und Blut. Doch Schließlich flüchteten die verbliebenen Wesen und wir wurden für den Rest unseres Weges in Ruhe gelassen.
    Am Ausgang angekommen, mussten wir an zwei Wachen vorbei, danach verließ uns der Junge Jimmy und wir stiegen nach oben. Draußen entdeckte Mira sofort zwei Spuren von Männern. Irgendein Gefühl hatte mir gesagt, dass Zordan noch nicht den Tod gefunden hatte, doch aufgrund von mangelnden Hinweisen hatte ich nichts gesagt. Wir folgten den Spuren und ich versuchte mich mit dem Wasser aus meinem Wasserschlauch sauber zu machen. Gray gab mir auch noch seinen, doch es gelang mir nicht mehr, als mich nass zu machen. Nun nicht nur zitternd vor Ekel, sondern auch noch vor Kälte, folgte ich den anderen.
    Zu meiner Erleichterung entdeckten wir bald ein Lagerfeuer, an das wir uns heranschlichen. Jedoch hatte man uns gehört, denn Zordan und Muktar erwarteten uns mit gezückten Waffen. Der Kampf dauerte nur wenige Augenblicke. Zuvor hatte ich die Pferde befreit, damit sie uns nicht entkommen würde. Bruna brach Muktar das Bein, worauf dieser ihr einen Hieb mit seinem großen Krummsäbel gab. Sie brach zusammen und stand nicht wieder auf. Als er zu einem weiteren Schlag ausholte, warf ich mich auf Bruna und ein heftiger Schmerz durchfuhr mich, kurz wurde mir schwarz vor Augen, doch ich blieb bei Sinnen. Muktar überlebte diesen Kampf nicht, und Zordan lag bewusstlos auf dem Boden. Gray nahm ihn auf seine Schultern und ich stütze Bruna, die kaum mehr laufen konnte. Ihr Leben gerettet zu haben war den Schmerz wert. Ich dankte, dass mir diese Möglichkeit gegeben wurde, meinen Fehler zu begleichen.
    Völlig erschöpft, verwundet, stinkend und dreckig kamen wir an die Stadttore von Crossing, die noch verschlossen waren. Jedoch wurden wir hindurch gelassen, nachdem wir erzählt hatten, was uns widerfahren war. Wir lieferten Zordan der Stadtwache aus und begaben uns zusammen mit Guomondur, der freigelassen wurde, zurück ins Gasthaus. Dort fragte ich den Wirt sofort nach einer Schüssel Wasser, zog mich zurück und versuchte den Dreck, das Blut und den schwindelerregenden Gestank loszuwerden. Danach legte ich mich erschöpft ins Bett.
    Mein Geldproblem hat sich gelöst, denn Mira hatte Zordan das Geld, welches er wahrscheinlich für die Maske bekommen hatte, abgenommen und unter uns aufgeteilt. Ich wollte bei Gray meine Schuld begleichen, doch dieser winkte nur ab. Nach diesen Erlebnissen haben sich meine Zweifel zerstreut und mein Beschluss bei Gray, Mira und Bruna zu bleiben bestärkt. Ich hoffe dass sich der Groll der Zwergin gelegt hat und wieder Harmonie in der Gruppe herrscht. Ich bin gespannt, wo mich die weitere Reise mit dieser seltsamen, aber irgendwie auch liebenswerten Gruppe hinführt. Ich hoffe ich werde bald etwas Zeit haben um meine Fähigkeiten zu verbessern, ich komme mir noch so nutzlos vor.
    So wie es aussieht ist unser nächstes Ziel das Halfdal, Heimat der Halblinge. Wenn wir dort oben im Gebirge sind, könnte ich Vater besuchen. Was meinst du? Vielleicht hat er mich auch vergessen, es ist schon ein paar Jahre her, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Obwohl er mein Vater ist, ist er mir das wahrscheinlich größte Rätsel auf ganz Midgard.
    Letzte Nacht hat uns Gray aufgeweckt. Er erschien sehr aufgewühlt, fast schon panisch. Er erzählte uns von seinem Traum, in dem ein Schatten über das Halfdal gekommen war, und alle Pflanzen verdorrt waren. Da erwachte ein Drache und bekämpfte das Dunkle. Mira erzählte uns, dass es sich bei diesem Drachen um Schmauch, wie ihn die Halblinge nennen, handelt. Sein richtiger Name ist Yonvalker Ashan und wird bei ihnen als Gott verehrt. So lange er schläft, ist das Halfdal fruchtbar. Mit seinem Schlaf scheint er der Heimat der Halblinge also einen großen Gefallen zu tun, folglich wäre es schlecht, wenn er aufwachen würde. Mir erscheint Grays Traum eher wie eine Version. Aber was ist das Dunkle, welches das Halfdal bedroht? Und was hat es mit dem Drachen, der gegen diesen Schatten kämpft, jedoch besser weiterschlafen sollte, auf sich?
    Der Drache alleine wäre Grund genug für mich gewesen ins Halfdal zu reisen, aber wenn wir dabei auch noch gegen dunkle Wesen oder Magie vorgehen, und damit der Drache nicht in seinem Schlaf gestört und die Fruchtbarkeit des Halfdals bewahrt wird, dann gibt es keinen Zweifel mehr, ich werde den anderen in Miras Heimat folgen. Nun werde ich mich jedoch erst einmal zum Frühstück begeben. Ich versuche dir sobald wie möglich wieder zu schreiben.
     
    In Liebe
    Enya
  16. Die Hexe
    An Enya, meine liebste Tochter,
    ich bin in Fiorinde. Vor wenigen Tagen war Teck hier. […] Er hat sich gefreut von dir zu hören. Wie kannst du sagen, dass er dich vergessen hat, Kind? Er hat dich aufgezogen, auch wenn die Jahre für ihn nur ein Augenblick in seiner Ewigkeit sind, bist du für ihn nicht ohne Bedeutung. Soweit ich weiß, bist du seine einzige Tochter. Auch deine Mutter hat dich lange nicht gesehen, ich würde mich freuen, wenn dich dein Weg nach Fiorinde führt. Jedoch kann ich dich verstehen, mir ist er nach all den Jahren ebenso ein Rätsel wie dir. Ich werde sein Wesen wohl nie verstehen.
    Deine Erzählungen erinnern mich an früher, als ich selbst in der Kanalisation von Corrinis war, zusammen mit Ikarus, diesem Weiberheld. Die Erinnerungen sind immer noch schmerzhaft, was für ein dummes Mädchen ich damals gewesen war. […]
    Als ich die Zeilen mit diesem Diener lass, musste ich jedoch schmunzeln. Endlich entdeckt meine Tochter ihre Weiblichkeit. Ich wusste der Moment wird kommen, du wirst davor nicht weglaufen können. Deine Schönheit ist genauso ein Teil von dir, wie deine Arme. Nimm sie an und lerne ihre Vorteile zu schätzen. Enya, wenn du willst liegen dir die Männer zu Füßen. Aus deinen Erzählungen schließe ich, dass dir einer deiner Begleiter, der Sorellor auch nicht ganz abgeneigt ist. Jedoch scheint er mir recht merkwürdig. Ist er zumindest ein staatlicher Mann? Ich hoffe er benimmt sich nicht so, wie man es von den Barbaren aus dem Norden behauptet.
    Pass auf deine Haare auf, bald wird der Ansatz wieder herauswachsen. Entschuldige Liebes, ich höre mich an wie eine Mutter, die ihr kleines Kind ermahnt. Ich weiß, dass du sehr vorsichtig und bedacht bist.
    Die Geschichte von dem Traum des Magus Kryaru und dem Drachengott im Halfdal klingen äußerst interessant. Du musst mir auf jeden Fall, sofern es dir möglich ist, mehr davon berichten.
    Ich bin froh, dass du trotz aller Gefahren die dir begegnet sind, wohl auf bist. Ich mache mir um deine Psyche fast mehr Sorgen, als um dein körperliches Wohlbefinden.
    Enya, wer glaubst du soll dir vergeben? Die Götter? Ich bezweifle, dass sie sich so sehr für die Menschen und ihre Lügen interessieren. Er? Du weißt, dass ihm anderes wichtig ist, sicher nicht, ob du nun einen Mann anschwindelst um einer Freundin zu helfen. Kind, du bist es, der dir vergeben sollte, niemand anderes, Denn auch nur du gibst dir Schuld an irgendetwas. Sei nicht so streng mit dir.
    Mir geht es hier gut, auch wenn ich deinen Vater und dich vermisse.
    Ich hoffe bald wieder von dir zu hören.
    Er wacht über dich
    Ich liebe dich
    Chelinda
  17. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    ich bin schon auf dem Weg ins Halfdal. Doch am besten fange ich von vorne an. Wir sind nicht sofort aufgebrochen, sondern blieben noch etwa eine halbe Trideade in Crossing. Wir waren noch teilweise schwerverwundet vom letzten Kampf und nutzen die Zeit, um uns zu erholen, unsere Fähigkeiten zu verbessern und wichtige Dinge einzukaufen. Ich beherrsche nun zwei weitere Zauber, mit denen ich Dinge zu mir herholen und einen Schutz gegen untote Wesen wirken kann.
    Eigentlich dachte ich nicht, dass ich eine Rüstung tragen würde, doch nachdem ich zwei Mal schwer verwundet wurde und nur dank der anderen, besonders Gray, noch am Leben bin, ließ ich mir eine Lederrüstung anfertigen. Selbst wenn ich wähle nicht zur Waffe zu greifen, heißt das nicht, dass mein Gegenüber die gleiche Wahl trifft.
    Neben neuen Kleidern, den alten hatten der Gang durch die Kanalisation und die Kämpfe nicht besonders gut getan, kaufte ich noch einen Spiegel und ein Tuch für meine Haare. Du hast recht, ich bin vorsichtig, du musst dir keine Sorgen machen, Mutter.
    Zusammen mit Gray kaufte ich noch ein Pferd für uns und ein Pony für Bruna, damit die Reise in den Norden schneller vorangehen würde. Mira würde auf Herbert, dem ehemaligen Schlachtross von Riodbart MacSeal, reiten. Ich gab der braunen Stute, welche Gray ausgesucht hatte, den Namen Briana.
    Am siebten Tag kam Bruna in Begleitung eines Halblings in den „Tanzenden Ordensritter“. Dieser stellte sich als Begor Balodin vor. Anscheinend ist er der bekannteste Pfeifenkrauthändler des Halfdals und hat schon die verschiedensten Länder bereist. Ich fand ihn einen sehr fröhlichen und angenehmen Gesellen. Ich fragte ihn auch nach dem Drachen, doch wirklich etwas Neues erzählte er mir nicht.
    Der Grund weshalb Begor unsere Zwergin begleitet hatte war, dass er Schutz für seine Ware auf dem Weg zurück in seine Heimat suchte. Da dies ebenfalls unserer Ziel war, bot ich ihm gerne meine Begleitung an. Er wollte uns zwei Syring am Tag zahlen und die Kosten für Essen und Unterkunft würde er auf der Reise ebenfalls übernehmen. Er schien erleichtert, jemanden für die Reise gefunden zu haben und auch ich freute mich auf den gemeinsamen Weg und noch mehr auf das Halfdal, trotz der dunklen Vorahnung Grays. Wir vereinbarten, dass wir uns am nächsten Morgen bei Sonnaufgang am Nordtor treffen würden und so geschah es auch.
    In Liebe
    Enya
     
    PS: Zu Gray, weil du es unbedingt wissen möchtest. Wir verstehen uns mittlerweile gut, ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er mir ausgeholfen hat, als ich kaum mehr Gold besaß und noch viel mehr, dass er mich dort unten in der Kanalisation vor den Krallen dieser Wesen beschützt hat. Besonders stattlich ist er nicht, schließlich ist er kein Krieger, jedoch sieht er nicht schlecht aus. Er ist beizeiten, wie soll ich sagen, etwas rau – längst nicht so roh, wie Bruna, die mit ihrem Kopf nicht nur durch Wände, sondern auch durch Stadtmauern will – und seine Manieren bezüglich Kleidung lassen sehr zu wünschen übrig. Er scheint sich nicht besonders wohl in seinen Kleidern zu fühlen, er zieht sie sich ständig aus. Ich bin mir noch nicht sicher warum er dies tut, oder ob es ihm überhaupt bewusst ist. Äußerst seltsam. Aber ich sollte mich nicht so sehr wundern, es gibt so viel Merkwürdiges und Unbegreifbares auf dieser Welt.
    Jedenfalls, um auf deine Neugier zurückzukommen, ich sehe ihn nicht auf diese Weise. Ich schätze ihn als Begleiter und unterhalte mich gerne mit ihm über die arkanen Künste, sein Wissen ist etwas umfangreicher und vor allem anders als das meine. Über Weiteres manche ich mir keine Gedanken.
    Mutter, du weißt genau so gut wie ich, dass es nicht möglich ist, zumindest nicht einfach so. Wer würde mich annehmen wie ich bin? Und falls ich Gray oder den anderen jemals meine wahre Gestalt zeige, ist der Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen. Ich kenne die drei kaum, ich wüsste nicht wie sie reagieren würden. Besser ist es so, wenn sie nichts wissen und ich meine Ruhe habe.
     
     
    PPS: Dein Brief hat mich zu einem Lied inspiriert, ich werde es beifügen.
     
     
     
     

    ---------------- Anhang ----------------


    A poor heart trembling
     
    There was a maid
    It is said
    Fair and beautiful
    And cunning as well
    She was small in height
    But lo!
    Fiends fled her in fright
     
    A bard courted her
    Praising her striking beauty
    With charming words
    On his lips
    He fairly won her heart
    Singing her a lovely lay
    With a mandolin
    In his hands
     
    She’d happily have stayed
    With her ardent love
    But he denied her silent prayer
    Her lips grew pale and wan
    It made a poor heart tremble
    To think she loved a one
    And he proved deceitful
     
    May the Gods reward him well
    For the slighting of her
     
    There was a maid
    It is said
    Merry and cordial
    And artless as well
    She was small in height
    But lo!
    Fiends fled her in fright
     
     
    A bard courted her
    Handsome as he was
    With skin kissed
    By the southern sun
    He fairly won her heart
    Giving her a gallant glance
    A bunch of red roses
    In his hands
     
    She’d gladly have married
    With her truelove tarried
    But he refused her eager wish
    Her womb grew vital and wide
    It made a poor heart tremble
    To think she abandoned the one
    Who’d have been her little child
     
    There was a maid
    It is said
    Keen and capable
    A Sorceress as well
    She was small in height
    But lo!
    Fiends feared her might
     
    May the Gods reward him well
    For the humbling of her
     
    May the Gods reward him well
    And never forget what he did
    To a poor heart trembling
  18. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    es ist der neunte Tag unserer Reise ins Halfdal und wir sind in Twineward angekommen. Die Reise war, entgegen meiner Erwartungen, nicht angenehm. Die ersten zwei Tage verliefen ohne nennenswerte Vorkommnisse. Bruna ging es nicht besonders gut, weswegen sie auf einen der Wägen gelegt wurde. Ich ritt auf ihrem Pony, welchem ich den Namen Bernesse gab. Am dritten Tag fanden wir eine Menschenmenge, die eine seltsame Art von Raufball mitten auf der Straße spielten und uns damit den Weg versperrten. Sie schienen von zwei unterschiedlichen Dörfern zu kommen, Radoc und Alden und spielten nicht auf einem festen Feld und nicht nur mit einem Ball, sondern in der gesamten Gegend mit neun Bällen. Jedenfalls mussten wir anhalten und ich bemerkte wie Gray anfing zu zaubern. In diesem Moment beging ich den größten Fehler meines bisherigen Lebens. Ich, die Gray stets ermahnt hatte mit dem Gebrauch von Magie in Alba vorsichtig zu sein, war so leichtfertig und holte den Ball mit Magie zu mir, um ihn zur Seite zu werfen. Ich wollte dass die Dorfbewohner bei Seite traten und uns den Weg frei machten, doch warum ich mich entschieden hatte dafür Magie einzusetzen, ist mir ein Rätsel.
    Mutter, du kennst Alba und die einfache Bevölkerung. In ihren Augen war ich eine Wycca und mit dieser Anschuldigung gingen sie auf mich los. Auch drei der fünf Söldner, die Begor angeheuert hatte, stellten sich gegen mich und somit gegen Begors Befehl, den Track und seine Begleiter zu schützen.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Worte konnten die aufgebrachten Dorfbewohner nicht überzeugen. Es wurde noch schlimmer, als auch Gray anfing zu zaubern. Er tat es so, dass ihn niemand beachtete, weshalb man dachte, ich sei es die Magie wirke. Sie rissen mich von meinem Pferd, einer der Männer schlug auf mich ein und brach mir damit meinen linken Arm. Mutter, als ich mich dort auf dem Boden vor Schmerzen wand und immer mehr wütende Menschen um mich herum erschienen, war ich schon dabei, mich auf mein Ende vorzubereiten. Ich war fassungslos, Tränen des Entsetzens liefen meine Wangen herab. Sollte dies mein Ende sein, als Wycca beschuldigt durch die Hand dieser Männer zu sterben? Doch Mira stand mir zu Seite und verteidigte mich. Das gab mir die Kraft wieder aufzustehen und mich so gut es ging zu verteidigen. Gray versuchte weiterhin, die Männer zum schlafen zu bringen, doch es gelang nicht so recht, durch den Lärm wurden sie immer wieder wach. Mira schaffte es durch Waffengewalt die Dorfbewohner, die um uns herum standen zu überzeugen, von uns abzulassen. Einer von ihnen fand den Tod, andere wurden verletzt. Dann standen die drei Söldner den anderen zwei, Rodric und Reager entgegen. Einer von ihnen fügte Rodric eine schwere Wunde zu, bevor Gray sie alle einschlafen ließ.
    Vor Schrecken über die Ereignisse und mein eigenes Tun konnte ich kaum Erleichterung empfinden. Ich versuchte so gut es ging, meinen Arm zu schienen und gab dann meinen Heiltrank an Rodric. So viele Menschen, die an diesem Tag, wegen meiner Dummheit, mit ihrem Blut, sogar mit ihrem Leben bezahlen mussten…und ich konnte nichts tun, um meinen Fehler wiedergutzumachen.
    Die verletzten Männer nahmen wir bis zum nächsten Gasthaus mit, die Söldner ließ Gray gefesselt dort liegen. Ich setzte mich neben Begor auf den Kutschbock, da ich nicht mehr weiterreiten konnte und entschuldigte mich bei ihm. Natürlich war er wenig begeistert und sichtlich überfordert von den Ereignissen, das Wetter machte die Stimmung nicht besser. So reisten wir weiter, doch mussten wir die nächsten Nächte im Freien verbringen, da die Geschichte über die Wycca uns vorausgeeilt war. Da die Dörfer direkt an der Königsstraße lagen, machten Gray und ich einen Bogen um sie und trafen später wieder auf die anderen.
    Mutter, was habe ich nur getan? Ich kann es mir nicht erklären und bin immer noch fassungslos über meine eigene Dummheit. Diesen Fehler kann ich mir nicht verzeihen, ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich habe für den Rest meines Lebens gelernt, nie wieder soll mir so etwas passieren.
    Bis auf einen nächtlichen Angriff von Fledermäusen, verlief die Reise bis zum sechsten Tag ruhig. An diesem Tag wurde das Wetter und somit die Stimmung etwas besser. Ein Imker kam uns entgegen und verkaufte seinen Honig. Gray schien noch nie davon probiert zu haben und ließ sich einiges davon verkaufen. Er gab mir sogar seinen Heiltrunk, damit er das Gefäß mit Honig füllen konnte. Dadurch war mein Arm wieder geheilt. Ich konnte es nicht glauben und war ihm wieder einmal überaus dankbar.
    Nachdem wir am siebten Tag noch von drei sehr dummen Orcs aufgehalten wurden, kamen wir am Deachdag an die Stadttore von Twineward. Ich erinnerte mich an die Geschichte, die du mir erzählt hast, wie du damals den Herzog von Twineward gerettet und dabei Vater kennengelernt hast. Vielleicht kann ich ihn bald wiedersehen, ich wünsche es mir.
    Begor führte uns ins Chet Halbytla, wo wir im „Hort der Gemütlichkeit“, der seinem Namen alle Ehre macht, unterkamen. Bevor ich von dem köstlichen Buffet zu mir nahm, machte ich mich auf den Weg in ein Badehaus. Dort ließ ich auch meinen Ansatz nachfärben. Es tat gut, wieder sauber zu sein und wenigstens etwas die Strapazen der Reise von mir gewaschen zu haben. Es war schon sehr spät, als ich mich auf den Rückweg zum Gasthaus machte. Es wäre besser gewesen, ich hätte auf Gray gewartet, anstatt alleine um die Uhrzeit durch die Straßen zu laufen, doch ich konnte den fünf betrunkenen Männern entkommen und nachdem ich etwas gegessen hatte, legte ich mich schlafen.
    Am nächsten Morgen traf ich die anderen beim Frühstück, Bruna ging es immer noch nicht besser. Mira überredete Gray und mich etwas von dem Blauwasserrebenwein zu trinken. Er schmeckte köstlich und ich weiß nicht, weshalb, ob vielleicht die Ereignisse der Reise der Grund waren, aber ich trank noch einen zweiten Becher. Und ohne ich mich versah, hatten Gray und ich beide vier Becher von diesem Wein getrunken. Es war das erste Mal, dass ich solch eine Menge Alkohol getrunken hatte und es war erst Morgen! Doch das war mir alles egal, es drehte sich, die Welt war lustig und Gray schien mir auf einmal ein sehr reizender Mann. Ich sang, oder eher lallte noch ein Lied bevor ich ihn von den Köstlichkeiten weglockte. Zusammen gingen wir in die Stadt und suchten den Marktplatz. Dort angekommen sahen wir einen Barden, der mit seiner Laute für die Menge Lieder sang. Er hatte eine wundervolle Stimme, so dass ich Gray zu dem Pulk hin zerrte und mich frech in die erste Reihe drängelte. Ich verhielt mich nicht gerade nett, aber das war mir nicht wichtig, ich wollte den Barden sehen und seiner Stimme lauschen. Als er mit seinem Hut herumging, schenkte ich ihm ein Lächeln. Er stellte sich als Dylan MacBeorn vor und dann nahm er seine Laute und sang ein Lied, nur für mich. Auf einmal bemerkte ich eine Bewegung von Gray und etwas Unsichtbares griff in die Laute des Barden. Halb verärgert, halb belustigt, ermahnte ich ihn, er solle dies lassen. Ich wendete mich wieder dem Gesang zu, doch als dieser endete und Dylan einen Schritt nach vorne mache, stolperte er über seine zugebunden Schuhe und landete auf dem Boden. Die Menge lachte und ich konnte mir das Lachen ebenfalls kaum verkneifen. Er tat mir leid, doch war ich viel zu angeheitert, um die Situation auch nur mit einem Fünkchen Ernst zu betrachte. So nahm ich Gray bei der Hand, zog ihn aus der Menge und verließ den Marktplatz. Es war gut, dass ich in der Vergangenheit meine Finger von Alkohol gelassen habe, ich sollte dies auch in Zukunft tun, wer weiß was sonst noch passiert.
    Bevor wir ins Chet Halbytla zurückkehrten, kaufte Gray noch einige Zauberkomponenten. Wieder dort, ich war immer noch benebelt, verkündete uns Begor, dass wir für unsere weitere Reise musikalische Begleitung bekämen. Wahrscheinlich kannst du dir schon denken, wer damit gemeint war. Mutter, es verspricht eine…interessante Reise zu werden, ich mache mir ein bisschen Sorgen…
    Ich werde dir von den weiteren Ereignissen in meinem nächsten Brief berichten.
     
    In Liebe
    Enya
  19. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    ich dachte, die letzten Tage unserer Reise seien besonders ereignisreich gewesen und die restliche Reise würde sicher ruhiger verlaufen. Wie sehr hatte ich mich mit diesem Gedanken getäuscht. Wie ich schon erzählt hatte, eröffnete uns Begor am nächsten Morgen, dass er für musikalische Begleitung gesorgt hatte. Außerdem hatte er einen weiteren Söldner angeheuert, da die anderen alle den Wagentrack verlassen hatten. Es tut mir sehr leid, ihm wegen meiner Dummheit solche Umstände bereitet zu haben. Es ist ein Mann aus Chryseia, Iros sein Name. Ein mürrischer Zwerg mit dem Namen Krund Pöttenschmeißer begleitete uns ebenfalls.
    Als Gray und ich gerade einen fragenden Blick austauschten, bog Dylan MacBeorn, der Barde um die Ecke. Er hatte seinen Hut mit der Feder an und ein Lächeln auf dem Gesicht, welches sofort erstarb, als er Gray erblickte. Ich konnte es nicht glauben, warum musste gerade dieser Barde uns begleiten? Er war sehr erfreut mich wiederzusehen, ich hingegen hatte einfach nur das Bedürfnis, mich bei ihm zu entschuldigen, da ich mein Verhalten, welches ich auf dem Marktplatz gezeigt hatte, ihm gegenüber ziemlich unverschämt fand. Das tat ich auch, doch er winkte ab und meinte, ich sei nicht diejenige, die sich entschuldigen müsste, sondern Gray.
    Wir hatten uns kaum vorgestellt, als wir eine vertraute Stimme hörten. Bernardo kam uns winkend entgegen. Er bot Begor seine Begleitung an und so brachen wir schließlich in Richtung Süden auf, da der Händler noch einen kleinen Umweg machen wollte, um mehr Pfeifenkraut für seinen Handel zu bekommen. Unser Ziel hieß Leaslund, ein größeres Dorf, nicht unweit von Twineward. Bernardo hatte kein Pferd weshalb ich ihm anbot, mit mir gemeinsam Bernesse zu reiten. Bruna lag immer noch darnieder. Ich erzählte ihm, wie es uns auf unserer Reise ergangen war und er berichtete, was er inzwischen erlebt hatte. Ich versuchte auch mit Gray zu reden und bat ihn, sich bei dem Barden zu entschuldigen, doch er weigerte sich. Ich hatte eine böse Vorahnung und wünschte mir, dass es jemand anderes gewesen wäre, der unsere Reise musikalisch unterstützt hätte. Auch wenn man sein Talent kaum leugnen kann. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Dylan habe, ich schätze ihn sowohl als Musikant als auch als Weggefährten, doch ich machte mir Sorgen um die Feindschaft zwischen Gray und ihm und ihren Einfluss auf die Harmonie unserer Gruppe.
    Nachdem Dylan und ich ein Duett gesungen hatten, stimmte er ein weiteres Lied an, welches uns alle in äußerst gute Stimmung versetzte. Ich weiß nicht, ob er seine Bardenmagie angewandt hat, jedenfalls war es ein Spottlied über Gray. Er nannte seinen Namen nicht, doch es war offensichtlich. Es war wirkliche in hervorragendes Lied, aber von seinem Inhalt war ich wenig begeistert.
    Am Abend kamen wir an eine Taverne. Dort saßen wir noch gemeinsam und redeten über das eine und andere. Hier schnappte ich Gerüchte über eine weiße Frau auf und befragte die Männer, die davon gesprochen hatten. Sie berichtet mir von eben dieser Frau und einem Ungeheuer, wobei sie sich nicht so ganz einigen konnten, was dieses Ungeheuer war und ob es nicht die Frau selbst sei, die irgendwo im Wald von Tureliand zu finden sei. Ich kehrte zum Tisch zurück und berichtete Mira von den Gerüchten. Danach fragte ich Dylan, ob er noch einmal mit mir singen würde, er war begeistert. Er schlug vor, das Lied über Gray zu singen, jedoch weigerte ich mich und bat ihn, ein anderes zu wählen. Auch Mira gab ihre Singkünste zum Besten. Wieder bei Tisch bemerkte ich eine komische Stimmung und hier und da Getuschel. Irgendjemand hatte das Gerücht in die Welt gesetzt Dylan stehe auf Männer. Mein Verdacht viel sofort auf Bernardo, der schon vorher von einem anderen Mann, den er getroffen hatte, solche Geschichten erzählt hatte. Auch bei Iros und Mira spürte ich eine Abneigung gegen den Barden. Bei den Göttern, für Grays Missmut hatte ich Verständnis, aber bei den anderen konnte ich es nicht nachvollziehen. Was hatten sie gegen diesen Mann, den sie noch nicht einmal kannten? Als dann Mira und Bernardo auch noch eine gute Partie für ihn finden wollten – natürlich meinten sie ein Mann – hatte ich genug. Ich lief zu Dylan, der etwas abseits an der Wand gelehnt saß und sprach ihn an. Ich fühlte mich verantwortlich, dafür, dass die Gruppe gegen ihn gestimmt war und suchte nach einer Möglichkeit, dies gut zu machen. Ich erzählte ihm von den Gerüchten und sagte ihm, er solle sich überlegen, was er dagegen tun würde. Als Mira zu uns kam und neben uns lauthals anfing zu grölen, verließen wir das Gasthaus. Die Möglichkeit, mich als Beweis gegen das Gerücht zu benutzen, hing unausgesprochen in der Luft. Er meinte jedoch, er mache sich keine Sorgen, ihm sei es egal was die Leute reden. Und ja, Mutter er sprach auch von seinen Gefühlen mir gegenüber. Warum musste das alles so kompliziert werden? Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, also bat ich ihn um Bedenkzeit. Diese ließ er mir freilich. So begaben wir uns wieder zurück in die Taverne, in der Bernardo gerade dabei war, einen Streit mit einem Mann anzufangen. Ich ging dazwischen und er beruhigte sich wieder. So hatte ich ihn noch nicht erlebt. Ich war ohnehin schon misstrauisch und das verstärke mein Misstrauen noch. Bernardo…Ich war mir sicher, dass er uns nie sein wahres Gesicht zeigt und sich mehr hinter dem freundlichen, einfältigen Küstenstaatler verbirgt.
    Ich fasste einen Entschluss. Ich wollte Dylan auf jeden Fall vor der Gruppe schützen – was auch immer sie gegen ihn hatten – bis sich die Lage wieder beruhigt und ich den anderen diesen Unsinn und ihre unangebrachte Abneigung ausgeredet hatte. Ich hielt die Stimmung kaum aus und wünschte nichts sehnlichster, als dass wieder Ruhe und Einigkeit in die Gruppe einkehrte.
    Ich ging zum Wirt und fragte nach einem Doppelzimmer. Ich bezahlte und er gab mir den Schlüssel. Damit ging ich zu Dylan und zusammen begaben wir uns in unser Zimmer. Kurz darauf klopfte Mira an die Tür und als ich öffnete, erzählte sie mir unter Tränen von irgendwelchen Männern im Gemeinschaftsschlafraum, die sie lüstern anstarrten. Ihre schauspielerischen Künste waren nicht besonders gut und ich durchschaute augenblicklich ihr Spiel. Hinzu kam die Tatsache, dass sie ein Halblingsmaid war und Männer, sofern keine Halblinge, nicht an ihr interessiert waren. Ich war irritiert und konnte ihr Verhalten nicht verstehen. Als sie weiterhin auf ihrer Aussage beharrte, reagierte ich ziemlich ungehalten. Sie stapfte beleidigt davon und ich machte die Türe mit einem Seufzer zu. Ohne weitere Unterbrechungen unterhielten wir uns bis spät in die Nacht hinein. Ich erfuhr über sein Leben, das bereits 26 Sommer zählte und seinen Reisen, die ihn schon durch viele Teile Albas geführt hatten. Dylan machte keine Anstalten, sich mir zu nähern und ich konnte beruhigt neben ihm schlafen. Zuvor hatte er mich jedoch gefragt, ob ich wünschte, dass er den Wagentrack verlässt, damit der Gruppenzusammenhalt nicht unter seiner Anwesenheit leidet. Es wäre eine leichte Lösung gewesen, doch irgendwie war ich damit nicht zufrieden und meinte, er solle das tun, was er für richtig halte. Er betonte, dass er von den anderen keine Angst habe, sondern, dass es ihm um mich ginge. Ich schlug vor, dass wir bis Leaslund abwarten und dann noch einmal schauten, wie es mit der Stimmung in der Gruppe aussehe.
    Am nächsten Morgen, der letzte im Hirschmond, begaben wir uns zum Frühstück. Gray und die anderen hatten ebenfalls von den Gerüchten über die weiße Frau gehört und wollten diesen nachgehen. Begor meinte wir hätten in Leaslund drei Tage zur Verfügung, in denen er uns aus seinem Dienst entließe. Wir beschlossen uns der Sache anzunehmen. Auch Dylan wollte uns begleiten, ich bat ihn zurückzubleiben. Doch er beharrte auf sein Geleit, der Grund dafür war mein Wohlergehen, um das er sich sorgte. Ich konnte ihn mit keinem Argument umstimmen, schließlich bot er an, seinen Stolz herunterzuschlucken und sich bei Gray zu entschuldigen. Diese Aussprache hielt ich für eine gute Idee und hoffte auf Grays Einsicht. Etwas überrascht war ich schon, als die beiden zurückkehrten und Gray meinte, dass sie sich ausgesprochen und geeinigt hatten. Nachdem die Fässer wieder auf den Wägen waren, brachen wir auf. Nach einiger Zeit kam Mira zu mir geritten und fragte mich, wann ich Dylan heiraten würde. Verwundert, erklärte ich ihr, dass ich nicht wüsste, von was sie rede. Daraufhin meinte sie, Dylan hätte ihr gesagt, er würde mich heiraten. Ich antwortete, dass ich da auch noch ein Wort mitzureden hätte. Da kam der Barde zu uns geritten und warf mir einen erklärenden Blick zu. Ich nickte ihm zu und er versuchte es noch einmal Mira zu erklären, doch diese meinte er hätte sie angelogen und ritt beleidigt davon. Da ich dies vor ihr schon kannte, schenkte ich ihr keine weitere Beachtung.
    Gegen Mittag kam uns ein Wagen entgegen, ähnlich wie der von Meister Cleobolus. Der Mann stellte sich als Merstonix, ein fahrender Alchimist vor. Ich fragte ihn nach den Gerüchten über die weiße Frau und er willigte ein uns zu davon zu erzählen, wenn wir dafür seine Tränke probierten. Er beschrieb uns die verschiedenen Wirkungen der Tränke. Erst zögerte ich, doch ich war neugierig, sowohl auf die Geschichten der Frau, als auch auf die Wirkung der Tränke. Zudem fand ich nichts Bösartiges an dem Mann. Ich wählte den Trank, der mich schnell laufen lassen würde und vereinbarte mit dem Alchimist, dass ich ein Fläschchen davon bekäme, wenn die Wirkung tatsächlich eintreten würde. Er willigte ein und gab mir den Trank. Ich stieg vom Pferd und rannte ein Stück, dabei bemerkte ich, dass ich viel schneller war als sonst. Begeistert gab Merstonix mir ein Fläschchen von dem Beschleunigungstrank. Gray trank ebenfalls einen, woraufhin Eislanzen aus seinen Händen schossen und er begeistert jubelte. Überzeugt, dass die Wirkung der Tränke tatsächlich so war, wie es der Alchimist behauptete, nahm ich einem zweiten, diesmal den Heiltrank. Zuvor schnitt ich mir leicht in den Finger, trank die Flüssigkeit und schaute gespannt auf meine Hand. Hatte ich den Vorfall mit Magie und den Dorfbewohnern bisher als meine größte Dummheit gesehen, beging ich in dem Moment einen noch größeren Fehler. Der Schnitt verheilte nicht, dafür spürte und sah ich, wie sich auf meiner Haut langsam bronzefarbene Schuppen abbildeten. Ein entsetzter Schrei entfuhr mir, dann packte ich den Alchimist und schrie ihn an, verlangte nach einem Gegenmittel, woraufhin er mir noch einen weiteren Trank entgegenstreckte. Ohne zu zögern trank ich ihn und merkte, wie sich etwas in meinen Körper veränderte, ich fühlte mich besser, irgendwie stärker. Doch angesichts meines Entsetzens beachtete ich dieses neue Gefühl kaum, denn die Schuppen waren immer noch da. Ich konnte nicht klar denken, die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, Tränen füllten meine Augen und ich sank verzweifelt zu Boden. Doch der Alchimist schien im Gegensatz zu mir begeistert und wollte mich untersuchen. Ich konnte es nicht glauben, das war zu viel, ich sprang auf und rannte in Richtung Leaslund. Der erste Trank wirkte immer noch, weswegen ich ziemlich schnell lief. Nach einiger Zeit wurde ich langsamer und blieb stehen. Ich konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen, die Tränen hörten nicht auf. Warum von allen Dingen war gerade dies geschehen? Ich versuchte auch noch meine restliche Haut zu verdecken, als Dylan auf seinem Pferd neben mich geritten kam. Er stieg ab und trat schweigend an meine Seite. Ich ließ zu, dass er mich umarmte und weinte in seinen Armen, bis meine Tränen versiegt waren. Es verging einige Zeit, doch der Track tauchte nicht auf. Ich hatte mich mittlerweile völlig bedeckt und mir die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Mit Entsetzten malte ich mir aus, wie auch die anderen von den Tränken probiert hatten und meinte, dass wir lieber nachschauen und unsere Kameraden davon abhalten sollten, noch mehr zu trinken. Auf unserem Weg kam uns der Tross entgegen. Besorgt schaute ich nach den anderen und sah, dass Gray völlig vermummt auf seinem Pferd saß. Er hatte sich nicht beherrschen können und hatte noch einen Trank getrunken, woraufhin seine Haut sich eisblau gefärbt hatte. Ansonsten schien nichts weiter passiert zu sein.
    Den Rest des Weges nach Leaslund verbrachte ich schweigend. Dylan hatte so viel Feingefühl und ließ mir Zeit für mich. Ich versuchte zu fassen, was mir widerfahren war und suchte verzweifelt nach einer Lösung. Vielleicht half mir ein Bannzauber, vielleicht auch nicht. Ich hatte keine Ahnung, was ich da zu mir genommen hatte und ich glaube, der Alchimist wusste es ebenso wenig. Gegen Abend kamen wir an das Dorf. Dylan lenkte die Gäste mit seiner Musik ab und wir konnten unbemerkt in unsere Zimmer gehen. Mira besorgte mir ein Einzelzimmer und Gray teilte sich eines mit Bernardo. Etwas später kam Dylan zu mir, brachte mir etwas zu essen und redete mit mir. Doch ich war nicht besonders gesprächig und so verließ er mein Zimmer bald wieder.
    Am Ljosdag, 1. Trideade Schlangenmond verließ ich früh das Gasthaus und begab mich an die Stelle, von der aus wir unsere Suche beginnen würden. Bald kamen auch die anderen und wir begaben uns in den Wald. Es war nebelig und düster, das Wetter passte zu meiner Stimmung. Ich sprach kaum ein Wort während unseres Weges durch den Wald. Mira war so nett und aufmerksam gewesen, mir etwas zu Essen mitzubringen, ich verzieh ihr Verhalten der letzten Tage und war einfach nur dankbar. Gen Abend kamen wir an eine Lichtung mit einem kleinen Teich. Ich freute mich schon auf eine Möglichkeit mich zu waschen, jedoch war das Wasser trüb und als Gray es probierte, brannte es ihn seinem Mund. Ich hatte ein ungutes Gefühl, doch bei der ersten Wache, die Mira und ich übernahmen, sah oder spürte ich nichts Besorgniserregendes. Erst in den frühen Morgenstunden wurden wir von Gray geweckt, der einem furchtbaren Tier gegenüberstand. Es hatte Ähnlichkeit mit einem Salamander, doch war es wesentlich größer und seine rußige Haut mit seltsamen, sternförmigen Warzen bedeckt. Als wir es mehrmals getroffen hatten, explodierte es plötzlich. Gray und Dylan wurden verwundet, die anderen, auch ich, konnten der Explosion entgehen. Nachdem wir noch ein paar Stunden geschlafen hatten, setzten wir unseren Weg am ersten Tag im zweiten Schlangenmond fort. Regen setzte ein und wir fanden auf unserem Weg zwei Skelette, eines davon im Sumpf. Es hatte einen Rucksack an, aus dem ein Buch, ein Stab und ein Fläschchen zum Vorschein kamen. Gray holte mit Magie den Stab zu sich und ich das Buch. Einige Passagen waren noch zu entziffern und ich erfuhr, dass wir das Fläschchen, welches im Sumpf versunken war, brauchen würden. Gray tauchte danach im Sumpf und fand es tatsächlich. In dem Buch war von einer Frau die Rede und einem Ungeheuer, welches ihr Geliebter sein sollte. Das Fläschchen nahm Bernardo an sich. Ich war mir nicht sicher, ob er wirklich verstand oder verstehen wollte, was er damit machen sollte – das Ungeheuer mit der Flüssigkeit benetzen – aber er weigerte sich es wiederherzugeben.
    Bis wir am nächsten Tag, Daradag, 2. Trideade Schlangenmond zu einer Lichtung kamen, auf der Silberfäden in der Luft flogen, entdeckten wir noch ein anderes Skelett in einem Kokon, der oben in den Bäumen hing. Uns wurde klar, um was für ein Ungeheuer es sich wahrscheinlich handelte. Auf der Lichtung entdeckten wir eine Spur aus Silberfäden die uns zu einem seltsamen Labyrinth aus Spinnwebenwänden führte. Auf unserem Weg durch das Labyrinth entdecken wir verschiedene Dinge, unter anderem auch ein Abendkleid, welches ich anzog, für den Fall dass die Spinne uns angreifen würde. Man hatte die Hoffnung, dass sie mich für die Frau halten würde, doch ich war wenig überzeugt von dieser Annahme. Bernardo fand auch einen goldenen Spiegel, den er mir geben sollte, damit ich noch mehr der Geliebte der Spinne glich, doch er weigerte sich ein weiteres Mal. In einem Raum hörten wir Getrappel und kurz darauf wurden wir von einem Schwarm Spinnen angegriffen. Sie waren überall, unter den Kleidern, in den Schuhen. Ihnen war kaum beizukommen, ich geriet in Panik, packte meine Fackel und schlug mit ihr nach den Spinnen. Das Kleid fing augenblicklich Feuer und verbrannte zusammen mit den Spinnen. Natürlich konnte ich nicht verhindern, dass die anderen das sahen. Schnell versuchte ich aus dem Licht der Fackeln herauszutreten. Ich holte meine Kleider aus dem Rucksack und riss mir die Überreste des Kleides vom Leib. Entsetzt sahen mich die anderen an. Ich sagte nichts und verfluchte ein weiteres Mal meine Reaktion. Ich hatte panisch und instinktiv gehandelt und nicht wie ein normaler Mensch es getan hätte. Kurz darauf spürte ich etwas Warmes an meinem Arm, ich zuckte zurück und sah Gray, der mir eine Fackel an die Haut gehalten hatte. Ich versuchte wütend zu klingen als ich ihn anfuhr, jedoch zitterte ich am ganzen Körper vor Schreck. Schließlich gelangten wir in dem Labyrinth in einen Raum, in dem ein Himmelbett stand. Als wir uns näherten, verwandelte sich dieses in eine große Spinne, die Frau, die vorher auf dem Bett gelegen hatte, war nun mit Spinnweben am Bauch befestigt. Nach mehreren Versuchen von Mira auf die Spinne zu klettern, gelang es ihr schließlich. Ich stellte mich währenddessen vor die Spinne und versuchte sie abzulenken. Als Iros einen seiner Wurfspeere in das Auge der Spinne warf, versuchte ich ihn aufzuhalten, die Spinne noch weiter zu verletzten. Ich konnte nicht verstehen, warum er das Tier so angriff, handelte es sich doch wahrscheinlich um einen Menschen. Endlich hatte Mira es geschafft mit dem Fläschchen, das ihr Bernardo nun doch gegeben hatte, die Spinne hoch zu klettern und es über ihr auszuleeren. Sogleich verwandelte sie sich und ich konnte gerade noch den Speer aus dem Auge ziehen, bevor das Tier als nackter Mann zu Boden fiel. Doch er war nicht bei Sinnen und griff uns weiter an. Da spielte Dylan auf seiner Laute und Bernardo und der Mann sanken zu Boden. Ich stürzte zu dem Mann und fing an seine Wunden zu verbinden. Doch ich hatte kaum angefangen, als das Lautenspiel plötzlich endete, er erwachte und aufsprang. Bernardo wachte ebenfalls auf und versuchte den Mann zu schlagen. Einen Moment saß ich da, erschrocken und verwirrt, dann suchte ich notdürftig meine Verbände und Salben zusammen. Währenddessen schlugen Dylan und Iros auf einander ein und Bernardo versuchte mit Miras Hilfe den Mann bewusstlos zu schlagen. Ich wandte mich an die zwei kämpfenden Männer, um sie aufzuhalten, als Dylan zu Boden ging. Wut stieg in mir auf und ich verlor die Beherrschung. Mit einem Schrei stürzte ich mich auf den Söldner. Er hielt mich an den Armen fest und versuchte mich zu beruhigen, doch ich war so außer mir, dass ich nicht auf ihn hörte. Schließlich ließ ich doch von ihm ab und wendete mich an Dylan, um ihn zu verarzten. In der Zwischenzeit hatte Bernardo es endlich geschafft, den Mann zu „beruhigen“. Auch die Frau kam langsam wieder zu Sinnen und rief nach Aldwyn. Dieser rief nach Melodyn. Schließlich erkannten die beiden sich, krochen aufeinander zu und lagen einfach nur still auf den Waldboden. Dylans Wunde überstieg meine Fähigkeiten, doch tat ich das Nötigste. Während ich mich um ihn kümmerte, trat Iros an uns heran und versuchte sich zu erklären. Ich war immer noch wütend und fauchte ihn an, wie er Dylan einfach hatte angreifen können, obwohl er uns helfen wollte. Der Söldner zeigte kein Verständnis und ich zischte ihm zu, er solle einfach gehen. Als alle sich wieder gesammelt hatten und so gut es ging verarztet waren, machten wir uns auf den Rückweg. Es war schon dunkel und so suchten wir uns bald einen Schlafplatz.
    Der nächste Tag verlief ereignislos. Wir kamen nur sehr langsam voran. Gray stütze Dylan, der nicht wirklich laufen konnte. Nach einiger Zeit hatten auch Melodyn und Aldwyn sich wieder an das Mensch-Sein bzw. Wach-Sein gewöhnt und am Abend, als wir am Feuer saßen, erzählten sie uns ihre Geschichte. Melodyn war die Tochter eines Grafen und in Aldwyn verliebt. Doch ihr Vater war gegen die Verbindung, den Aldwyn war nicht von adeligem Blut. Der Hofmagus des Grafen hatte auch ein Auge auf Melodyn geworfen und so verwandelte er Aldwyn im Wald von Tureliand in eine Spinne. Melodyn erfuhr davon und machte sich zusammen mit zwei Kriegern und einem Zauberlehrling auf, um ihren Geliebten mit Hilfe des Trankes zurück zu verwandeln. Doch es gelang ihnen nicht, sie wurden von der Spinne aufgehalten. Im letzten Moment erkannte Aldwyn seine Geliebte und erbaute ihr ein Heim im Wald. Sie war in einen tiefen Schlaf gefallen. Als wir die Jahreszahlen verglichen, stellten wir fest, dass die beiden sieben Jahre im Wald verbracht hatten.
    Sie dankten uns, dass wir sie erlöst hatten und fragten uns um Rat, ob sie zu Melodyns Vater zurückkehren sollten, denn sie besaßen nichts mehr. Wir rieten ihnen davon ab und erwähnten, die Schätze die wir gefunden hatten und die den beiden gehörten.
    Ich forderte Iros und Bernardo auf den Schmuck an Aldwyn und Melodyn zu geben. Die beiden schienen davon wenig begeistert und wollten sich zurück ziehen, um sich zu besprechen. Ich fragte mich, was es da zu besprechen gab und forderte auf Bernardo den Schmuck hier zu lassen. Er weigerte sich und stand auf. Gray signalisierte mir sitzen zu bleiben und zauberte kurz darauf Schlaf auf die beiden. Iros unterlag seinem Zauber, doch auf Bernardo wirke er nicht. Daraufhin wollte er im Wald verschwinden und ich murmelte einen Verwirrenzauber. Gray versuchte es noch einmal mit einem Schlafzauber. Doch wieder schlief nur Iros, der gerade wieder aufgewacht war, ein. Mira und ich setzten dem Küstenstaatler hinterher, doch konnten wir ihn im dunklen Wald nicht mehr einholen. In der Zwischenzeit weckte Gray den Söldner und erklärte ihm, dass Bernardo mit dem Schmuck auf und davon sei. Wütend folgte der Söldner ihm in den Wald und rief seinen Namen, doch es kam keine Reaktion. Wir kehrten ans Feuer zurück und warteten. Eigentlich dachte ich, dass auch Iros mit seinem Teil des Hab und Guts flüchten würde, aber er kam zurück und gab, ich weiß nicht ob alles, aber zumindest das meiste, an Melodyn und Aldwyn. Sie dankten uns noch einmal und trennten sich am nächsten Tag von uns, um sich in den Süden aufzumachen. Iros begann eine Diskussion mit Dylan über das Geschehene, nach einem kleinen Ausbruch meinerseits, hatte ich genug und ging zu Bett. Es grämte mich, dass es zu so einem Ausgang gekommen war. Die Strapazen und Ereignissen der letzten Tage hatten uns alle mitgenommen und erschöpft, trotzdem bereute ich es so schnell meine Hand gegen den Küstenstaatler erhoben zu haben.
    Wir gingen in Richtung Norden, da wir vermuteten, dass Begor bereits aufgebrochen war. Wir gelangten nach vier Tagen aus dem Wald und nach acht an die Stadttore von Twineward.
    Iros, Gray und ich machten einen Bogen um die Stadt und warteten am Nordtor, während Mira und Dylan Twineward betraten, in der Hoffnung Begor zu treffen und Heilung für Dylans Verletzungen zu finden. Beides geschah und so kam uns der Wagentross aus dem Tor entgegen.
    Auch Bruna schien es wieder besser zu gehen. Ich bemerkte jedoch augenblicklich, dass Briana, unsere Stute fehlte. Als ich mich erkundigte erzählte sie mir, dass Bernardo das Tier mitgenommen hatte. Er hatte Bruna erzählt, er bräuchte schnell ein Reittier, da einer von uns verletzt war. Sie hatte ihm diese Geschichte abgenommen umso mehr, da er einen Teil von dem Schmuck hinterlassen hatte. Den Schmuck, der weder ihm, noch uns rechtmäßig gehörte. Wie Verhöhnung kam es mir vor und ich bin mir sicher, dass er das beabsichtigt hatte.
    Begor war sichtlich verstimmt, aufgrund von unserer Verspätung. Ich konnte ihn verstehen. Bisher hatten wir, besonders ich, ihm eigentlich nur Unannehmlichkeiten bereitet. Ich sprach mit ihm und meinte ich wäre zufrieden, er würde mir nur Essen und Unterkunft bezahlen, doch als gütiger und großzügiger Halbling, winkte er ab. Noch größer waren meine Dankbarkeit und meine Achtung nach diesem Gespräch.
    Nun sind wir wieder auf dem Weg ins Halfdal, doch einiges hat sich verändert. Bernardo ist nicht mehr bei uns, uns fehlt ein Pferd, Gray muss sich verstecken, da seine Haut eisblau ist, ich muss mich bedecken, da meine Haut mit Schuppen übersät ist. Auf Iros sind wir ziemlich schlecht zu sprechen. Wenigstens dem Barden und Bruna geht es wieder gut, darüber bin ich sehr erleichtert.
    Oh Mutter, was ist mir schon alles wiederfahren seitdem ich auf Gray, Mira und Bruna gestoßen bin. Ich kann es nicht fassen. Die momentane Situation stellt mich vor große Herausforderungen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Noch frage ich mich, wie das geschehen konnte und wie es ich erklären soll, wenn mich jemand fragt. Ich bin mir sicher, dass man mich wegen des verbrannten Kleids ansprechen wird. Was soll ich ihnen nur sagen? Ich kann ihnen nichts enthüllen, aber wenn ich es nicht tue, bliebt mir nichts anderes als Lügen. Und was ist mit meiner Haut, wie werde ich diese Schuppen wieder los? Ein rechter Arm voller Schuppen, damit kann man leben, aber sie am ganzen Körper zu haben, sogar im Gesicht…letztendlich würde man mich doch als Hexe verbrennen und da das nicht geht, auf eine andere Art hinrichten.
    Möge Er mir Kraft geben, dies durchzustehen. Auch wenn mir in den letzten Tagen eher nach Tränen und Verzweiflung zu Mute ist, habe ich meine Zuversicht und meine Hoffnung nicht verloren. Ich habe Gefährten an meiner Seite und gemeinsam werden wir eine Lösung finden.
    Es tut mir leid, dass ich nicht eher geschrieben habe. Fühle dich umarmt, Mutter. Ich habe ein weiteres Lied für dich. Es ist ein Lied, was ich vielleicht eines Tages meinen Kindern vorsingen werde, was meinst du Mutter? Ich werde es beifügen.
    Ich muss mich erst einmal wieder sortieren und abwartet, was die nächsten Tage bringen werden. Du wirst bald wieder von mir hören.
    Aber bevor ich den Brief beende habe ich eine Bitte an dich. Der Vorfall mit Bernardo, wie soll ich es sagen, beschäftigt mich. Könntest du diesen Mann ausfindig machen und ihm den Brief geben, den ich beifüge? Wie du ansonsten mit ihm widerfährst, sei dir überlassen, ich vertraue auf dich, Mutter. Viele Dank und ich hoffe von dir zu hören, ich möchte wissen, was du zu sagen hast.
    In Liebe
    Enya
     
     
     
     

    ---------------- Anhang ----------------


    Lullaby
     
    The day is passing by
    The moon lights the nightly sky
    Close your eyes, little one
    The night has just begun
     
    Huddled against my arm
    I will keep you from any harm
    There is no need to be wary
    Tonight you will meet the fairy
    The Fairy with golden hair
    Her gown of sparkling stars so fair
    Now sleep, let go of your fears
    The night will gently dry your tears
     
    The day is passing by
    The moon lights the nightly sky
    Close your eyes, little one
    The night has just begun
     
     
     
    Rest your weary head
    My lap will serve as your bed
    There is no need to be afraid
    As to the gods I have prayed
    For your safety in the night
    For a dream full of delight
    Now sleep, let go of your worries
    And listen to the dreamland’s stories
     
    The day is passing by
    The moon lights the nightly sky
    Close your eyes, little one
    The night has just begun
     
    The day passed by
    The moon lights the nightly sky
    Close your eyes, little one
    The night has yet begun
     
    Shush, the night will soon pass by
    And then the sun will light the sky
     
     
    Brief an Bernardo:
     
    Seid gegrüßt, ich hoffe Ihr habt euch gut um Grays und meine Stute Briana gekümmert.
    Erst einmal möchte ich mich bei Euch entschuldigen. Dafür, dass ich impulsiv gehandelt habe, ohne wirklich nachzudenken und meine Magie gegen Euch verwendet habe.
    Es grämt mich, dass es letztlich zu so einem Ende gekommen ist. Wir waren alle müde, angespannt und gereizt nach den Ereignissen der vergangenen Tage, was wahrscheinlich zu diesem Ausgang beigetragen hat. Ich wünschte es wäre anders verlaufen, ich denke es hätte sich eine andere, friedlichere Lösung finden können. So bleibt mir nichts anderes, als zu hoffen, dass Euch meine Nachricht erreicht und Ihr meine Entschuldigung annehmen könnt.
    Ich habe Euch als Reisegefährten geschätzt, auch wenn ich Euch eure Einfältigkeit nicht abgenommen habe. Doch ich habe Euch als freundlichen Menschen kennengelernt, weshalb ich es umso bedauernswerter finde, dass sich unsere Wege auf diese Weise trennten.
    Ich kann es nicht verstehen, warum Ihr nicht einfach das, was euch nicht gehörte, zurück gegeben habt. Diesen beiden Menschen war nichts mehr geblieben und nach diesen Ereignissen, war es das Mindeste was wir hätten tun können. Ist euch das Gold so wichtig? Dass Ihr meine Bitte, den Schmuck Aldwyn und Melodyn zu überreichen, ausgeschlagen, Euch damit auf und davon gemacht und dann auch noch Bruna angelogen und unser Pferd mitgenommen habt, kann ich Euch erst einmal nicht verzeihen. Umso mehr, da ich Eure Gründe und Denkweise nicht nachvollziehen kann.
    Ihr wusstet, in welchen Konflikt Ihr mich bringen würdet, als ihr den Schmuck bei Bruna zurück ließt, ist es nicht so? Wenig erregt meinen Zorn, doch Ihr habt es geschafft. Diese Verhöhnung ist Euch gelungen.
    Unsere Wege werden sich wohl nicht mehr kreuzen, zumindest ist das in nächster Zeit nicht anzunehmen. Sollten wir uns doch jemals wiedersehen, hoffe ich, dass Vergangenes vergeben wurde und es möglich ist, dass wir uns ohne Groll begegnen.
    Alles Gute auf Eurer weiteren Reise, wohin sie Euch auch immer führen wird.
     
    ~Enya
  20. Die Hexe
    Liebste Tochter,
    verzeih mir, dass ich erst jetzt antworte, es gab in Fiorinde viel zu tun. Dein Vater war in letzter Zeit nicht hier. […]
    Ich habe deine Briefe viele Male gelesen. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Erst einmal, ich bin froh, dass du überhaupt noch lebst und nicht als Hexe verbrannt worden bist oder bei der Begegnung mit dem Riesensalamander den Tod gefunden hast. Es handelte sich bei diesem Tier nämlich um einen Schlammteufel. Die Berührung dieser Warzen wirkt wie der Zauber Pestklaue, an dem man nach wenigen Tagen stirbt, wenn man nicht mit heilender Magie behandelt wird.
    So, nun beginne ich aber von vorne. Von Begor Balodin habe ich auch schon gehört, klingt nach einer äußerst spannenden Reise, die ihr mit ihm angetreten habt. Um ehrlich zu sein, bin ich entsetzt angesichts der von dir erzählten Geschehnisse. Ich kann nicht anders, als dir zu sagen, dass es wirklich dumm war vor den Dorfbewohnern zu zaubern, jedoch werde ich dazu nichts Weiteres sagen, du hast selbst gesagt, dass du deine Lektion gelernt hast. Da habe ich dich Jahre gelehrt, dich zu verstecken, auf der Hut und stets auf deine Worte und Taten bedacht zu sein und du enthüllst in kurzer Zeit so viel von dir, was andere nie erfahren sollten. Nun, es ist geschehen und nicht mehr zu ändern. Vielleicht ist es auch einfach nicht möglich dein wahres Selbst für die Ewigkeit zu verbergen, erst recht nicht wenn du mit anderen über längere Zeit zusammen bist.
    Deine Haut stellt da tatsächlich ein großes Problem dar. Natürlich werde ich mich informieren, aber vertraue nicht darauf, dass ich eine Lösung finde. Am besten wäre es, wenn du deinen Vater aufsuchst. Wenn jemand etwas dagegen weiß, dann er. Kind, was machst du nur? Du weißt, dass du jeder Zeit nach Fiorinde zu mir kommen kannst, ja?
    Ich denke ich verstehe deine Gefühle gegenüber dem Eismagier, ich werde nicht weiter fragen, aber du wirst mir berichten, sollte sich etwas Neues ergeben. Du hast also auf deiner Reise einen Barden getroffen…Enya, ich weiß, nicht alle Männer und auch nicht alle Barden sind gleich, aber ich bitte dich trotzdem vorsichtig zu sein und gut zu überlegen auf was du dich einlässt. Lass dich nicht von süßen Worten und Versprechen täuschen. Ich möchte nicht, dass dir das Gleiche wie mir passiert.
    Wegen dem Mann aus den Küstenstaaten, ich werde mich darum kümmern. Du kannst mir die Sache getrost überlassen und dir sicher sein, dass ich ihn finden werde. Ja, es gibt nicht nur ehrenhafte Menschen auf dieser Welt und es wird nicht die letzte Begegnung dieser Art bleiben. […]
    Ich danke dir sehr für deine lieben Gedanken und für die wundervollen Lieder, die du mir geschrieben hast. Bei dem ersten hatte ich Tränen in den Augen, es ist wundervoll, auch wenn die Erinnerung immer noch schmerzt. Ich hoffe doch sehr, dass du das andere eines Tages deinen Kindern vorsingen wirst.
    Danke, Enya.
    Möge Er über dich wachen
    Chelinda
  21. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    wir sind endlich im Halfdal angekommen und hier scheinen meine Sorgen schon nicht mehr so schlimm. Es ist als seien wir in eine andere Welt abgetaucht.
    Nun, um von vorne zu beginnen. Wir setzten unsere Reise mit Begor am Naondag fort. Nachdem wir uns mit Bruna ausgetauscht hatten, wurden mir Fragen bezüglich des Feuervorfalls gestellt. Das einzige was ich dazu sagte, war, dass ich ihnen auf ihre Fragen keine Antwort geben könnte. Ich habe es dir versprochen Mutter und selbst weiß ich auch, dass es besser ein Geheimnis bleibt. Ich hätte ihnen von dem Zauber, der dies möglich macht erzählen können, aber es wäre eine Lüge gewesen.
    Ich hatte mich die letzten Tage kaum gewaschen, die Möglichkeit in Twineward ins Badehaus zu gehen, war mir verwehrt geblieben. Mich verlangte es danach, mich endlich einmal wieder richtig sauber zu bekommen. Ich hatte Glück, denn noch an diesem Tag, entdeckten wir einen kleinen Wasserlauf. Doch kaum hatte ich angefangen mir den Schmutz vom Leib zu waschen, als ich einen Ruf hörte und mir vier Gestalten entgegenkamen. Hastig zog ich meine Kleider über und kauerte mich auf den Boden. Den Göttern sei Dank, denn auch die anderen waren aufmerksam geworden und eilten mir zu Hilfe. Der Waldläufer war der Meinung er hatte Maserungen auf meiner Haut entdeckt. Doch sie ließen sich überzeugen, von mir abzulassen und zogen ihres Weges. Wieder einmal war ich dankbar, besonders Gray, der sich schützend vor mich gestellt hatte. Ich nahm den Rat von Dylan an und ließ ihn mich begleiten. Diesmal konnte ich mich mehr oder weniger in Ruhe waschen, auch wenn ich den Barden, der mir den Rücken zugewendet hatte und Mira, die meinte von Weitem zusehen zu müssen, genau im Blick behielt.
    Im Verlauf des Tages, als Dylan und ich gemeinsam ein Lied sangen, kam eine Katze mit Flügel zu uns und setzte sich auf Dylans Schoß. Ich war entzückt solch ein Wesen zu sehen. Iros lockte es mit Honig von uns weg und gab es Gray. Etwas später begab ich mich zu ihm und erzählte, dass ich das Tier mit Magie an mich binden könnte, doch dafür müsste es eine bestimmte Zeit bei mir bleiben. Er übergab mir die Katze und dazu ein kleines Töpfchen Honig. Und ein weiteres Mal war ich ihm dankbar.
    An diesem Tag habe ich auch das Lied, welches ich dir geschickt hatte gesungen, als ich hinter Dylan auf seinem Pferd saß. Später kam er zu mir und erkundigte sich, ich antwortete ihm, dass es nicht von mir handelte, jedoch von meiner Mutter. Danach ritt er eine Weile schweigend und in Gedanken versunken weiter.
    Am Abend schlugen wir unser Lager auf und gemeinsam mit Mira übernahm ich die erste Nachtwache. Die Katze blieb die Zeit über bei mir und ich nahm sie mit ins Zelt, als ich mich schlafen legte.
    Am Aonadag setzten wir unsere Reise durch das Hochland fort. Als Dylan und ich zu einem Lied anstimmt hatten, setzte Mira mit schriller Stimme ein. Daraufhin flog die Katze davon und war mit nichts mehr zurück zu holen. Etwas enttäuscht war ich schon, aber ich hatte die Hoffnung, dass sie vielleicht wieder kommen würde, noch hatte ich Zeit bis zur Vollmondnacht. Nach einiger Zeit begegneten wir noch einem Gnom, der seinen Esel suchte und sich über seinen verschwunden Begleiter, ein Druide, den wir am nächsten Tag ebenfalls trafen, beschwerte. Ansonsten verlief der Tag ohne weitere Vorkommnisse und am Abend übernahm ich wieder die erste Nachtwache mit Mira. An Miras Abneigung gegen den Barden hatte sich leider immer noch nichts verändert, ich versuchte zu beschwichtigen, doch bin ich mir nicht sicher ob, mir dies gelungen ist.
    Am dritten Tag unserer Reise, am Dosandag, trafen wir am Abend, als wir unser Nachtlager aufschlugen, ein seltsames Wesen. Es stellte sich als ein Faun, ein Naturgeist mit dem Namen Krom vor. Er war ein recht heiterer Geselle und spielte wunderschöne Melodien mit seiner Flöte. Er behauptete auch eine gewisse Art von Magie zu beherrschen, weshalb ich ihm meine Haut zeigte und fragte, ob er irgendeine Möglichkeit hätte, sie wieder in ihrem normalen Zustand zurückzubringen. Er verneinte, jedoch bot er uns an, in die Zukunft zu schauen. Dies konnte er allerdings nur in der Gruppe tun, denn laut seinen Worten waren wir eine Gemeinschaft. Ich hatte von dieser Art von Magie schon gehört, sie nannte sich Orakelkunst. Wir alle durften eine Frage stellen. Mira erkundigte sich nach dem Halfdal, worauf hin der Faun rätselhafte Antworten gab. „Die Gefahr ist kleiner als es scheint, und doch größer als man vermuten mag. Das Süße bringt den Tod.“ lauteten in etwa seine Worte. Nach Iros stellte ich als nächstes meine Frage. Hätte ich nur seine Antwort vorher erahnt, ich hätte meinen Mund nie aufgemacht. Ich wollte wissen, ob es für Gray und mich im Halfdal eine Möglichkeit geben würde, unsere Haut wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen. Die Antwort des Fauns für Gray war folgende: „Die Haut zeigt dein Wesen, doch ich sehe keine Möglichkeit in nächster Zeit, daran etwas zu ändern.“ Mich fragte er, warum ich mein Wesen verleugne. Ich war zu erschrocken, als dass ich etwas auf seine Frage erwidern konnte. Er wollte noch weiter sprechen, doch ich gebot ihm zu schweigen. Gray setzte an seine Frage zu stellen, doch überlegte er es sich anders. Ich kann mir denken, was er den Faun fragen wollte. Bruna erkundigte sich nach dem Wetter, offensichtlich kann sie mit dieser Art von Magie, allgemein mit der arkanen Kunst und den Wundern der Welt, nichts anfangen.
    Ich hatte das große Bedürfnis alleine zu sein und so zog ich mich zurück. Ich wollte auch den Fragen der anderen erst einmal entgehen, denen ich mich jedoch früher oder später zu stellen hatte. Dylan folgte mir natürlich und um mich abzulenken, bat ich ihn mir ein paar Geschichten von seinen Reisen zu erzählen. Dabei beobachtete ich ihn genau. Er scheint schon einiges auf sich zu halten, anderseits kann ich es nachvollziehen, wenn er sich vor mir mit Lorbeeren schmückt. Er hat keine anderen Frauen erwähnt, jedoch bin ich mir sicher, dass es sie gegeben hat. Als Barde mit seinem Aussehen ist es wohl nicht verwunderlich, dass er ein Weiberheld ist. Und doch, er hat mich noch nicht aufgegeben, auch wenn ich es ihm nicht gerade einfach mache. Er nimmt mich sogar mit meiner Schuppenhaut an. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht so recht, was ich tun soll. Nun ja, solange er nichts versucht, muss ich mir darüber erst mal keine Gedanken machen. Momentan gibt es andere Dinge, die meine Aufmerksamkeit bedürfen.
    Während ich mich mit Dylan unterhielt und auch noch später, als Mira und ich unsere Nachtwache antraten, hatten Gray und Iros die Köpfe zusammen gesteckt. Das Gespräch wurde mit der Zeit immer lauter und heftiger. Als ich hinüber ging und nachfragte, wurde es sofort still. Hatte ich vorher nur den Verdacht, wusste ich nun mit Sicherheit, dass sie über mich redeten. Wie hatte es nur so weit kommen können, in so geringer Zeit? Keine drei Trideaden waren vergangen, seitdem ich Gray, Mira und Bruna getroffen hatte. Ich versuchte ihrem Gespräch zu lauschen, doch mehr als ein paar Wortfetzten konnte ich nicht verstehen. Irgendwann stand Gray sichtlich verärgert auf und beendete das Gespräch mit harschen Worten. Er stapfte zum Zelt, ich ging im hinterher und erkundigte mich, ob alles in Ordnung sei. Doch er wollte nicht mehr darüber reden. Ich ließ von ihm ab, doch als er das Zelt betrat, machte Bruna den Fehler, ihn anzusprechen, woraufhin er schreiend aus dem Zelt gerannt kam und sich vom Lager entfernte. Ich nahm den Topf Honig, den er mir gegeben hatte und folgte ihm. Wenige Meter vor ihm wurde es eisig kalt, so dass ich hastig den Honig vor ihm abstellte und mich dann schlafen legte.
    Am nächsten Morgen brachen wir auf und ich gesellte mich sogleich zu Gray und versuchte ein unverfängliches Gespräch mit ihm anzufangen. Als wir gerade dabei waren die Vorhersage des Fauns bezüglich der Süßen Gefahr zu erörtern, kam Iros auf uns zu. Es drohte erneut, eine Diskussion auszubrechen, als auch noch Dylan hinzu kam. Doch es kam nicht dazu und Iros wollte mich für einen Moment unter vier Augen sprechen. Seine Frage erschütterte mich zutiefst, auch wenn ich eigentlich damit hätte rechnen müssen. „Enya, seid Ihr wirklich ein Mensch?“ Erst einmal folgte Schweigen seiner Frage und ich meinte dann, ich könnte ihm keine Antwort geben. Er erwiderte, das sei schon eine Antwort und meinte, etwas Uraltes würde in meinem Blut fließen. Ich war aufgewühlt, bestürzt und wiederholte immer wieder, dass ich ihm nichts Weiteres dazu sagen könnte. Irgendwann ließ er von mir ab. Ich ging zu Dylan, stieg schweigend hinter ihm auf, legte meinen Kopf auf seine Schultern und konnte nicht verhindern, dass Tränen meine Wangen hinab rollten. Ich war ihm dankbar, dass er mich einfach schweigend bei sich sitzen ließ.
    Als sich der Tag dem Ende neigte, gelangten wir endlich an unser Ziel. Wir betraten den sagenumwobenen Knicks, die Hecke, die das Halfdal umgibt und augenblicklich kehrte ein innerer Frieden in mir ein. Ich fühlte mich trotz allem, was passiert war, sicher und wohl. Dennoch behielt ich die Prophezeiung des Fauns und Grays Vision in seinem Traum in meinen Gedanken. Wir schlugen unser Nachtlager auf und zur Feier des Tages gab Begor uns von seinem Bier und Wein. Bis auf ein Becher von dem köstlichen Halblingsbier trank ich nichts. Bei Gray, Bruna und Dylan sah das jedoch anders aus. Iros überredete sie auf einen Trinkwettkampf, wobei er selbst nur Wasser trank. Ich versuchte sowohl Gray als auch Dylan davon abzuhalten, zumal ich es recht unhöflich fand, am nächsten Morgen mit einem Kater die Halblinge zu begrüßen, doch der Ruf des Alkohols war wohl stärker. Nach einiger Zeit kam zu meiner Freude die Flugkatze wieder und setzte sich auf meinen Schoß. Irgendwann hatte ich genug von den mittlerweile schon deutlich angetrunkenen Herren und entfernte mich mit der Katze. Da es Vollmond war zauberte ich Binden des Vertrauten auf das Tier und legte mich dann schlafen. Doch noch bevor das große Trinken begonnen hatte, fragte ich Gray bezüglich seines Gesprächs mit Iros. Er weigerte sich mir etwas darüber zu erzählen, sagte jedoch offen in die Runde, dass er so etwas nicht mehr erleben möchte und sollte noch einmal jemand versuchen gegen einen aus der Gruppe zu hetzten, hätte er kein Problem damit, sich dieser Person zu entledigen. Harsche, klare Worte, denen Schweigen folgte.
    Es war Myrkdag, 2. Trideade Schlangenmond, als wir den ersten Ort im Halfdal erreichten. In Everbras, im Osten des Halfdals, verließen wir Begor, nachdem er uns ausgezahlt und sich bedankt hatte und begaben uns in ein Gasthaus, wie wir es noch nie gesehen hatten. Ich denke nicht, dass ich dir beschreiben muss, wie es im Halfdal aussieht, du wirst es aus Erzählungen wissen oder warst vielleicht schon einmal selbst dort, du hast mir davon nie erzählt. Wir speisten dort und ich rührte als einzige nichts von dem Nachtisch an. Gray kostete zum ersten Mal Eis und vergaß darüber komplett seine Tischmanieren, wobei er, glaube ich, auch sonst nicht besonders viele hat. Ich sollte ihn eigentlich davon abhalten Süßes zu essen, doch ich sah schon nach dem ersten Essen ein, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit sein würde.
    Später machten wir die Bekanntschaft mit einem Halbling namens Fulidoc Neglerôl. Für einen Halbling war er recht ungepflegt und stellte sich als Abenteurer vor. Er erzählte und von den Wettkämpfen, es gab auch einen musikalischen, und vom Briefkasten suchen. Wir verabredeten, nach dem Pfeifenkrautfest im Zehnbrotmoor Briefkästen zu suchen. Dylan fragte mich, ob wir den morgigen Tag zusammen verbringen wollten. Mit Freude stimmte ich zu, in der Hoffnung endlich meine Singkünste etwas zu verbessern. Am Abend legten wir uns schlafen und verbrachten die Nacht seit langen wieder in einem Bett. Ich hatte auch endlich die Möglichkeit mich zu waschen, ohne befürchten zu müssen, entdeckt zu werden.
    Das Peifenkrautfest wird in zwei Tagen sein. Wir werden es wahrscheinlich hier in Meliand verbringen. Ich bin gespannt, was wir noch hier in der Heimat der Halblinge erleben werden.
    Es betrübt mich sehr, dass ich mich immer noch unter meinen Kleidern verstecken muss. Wie gerne würde ich mich frei bewegen, mit den freundlichen Halblingen mich unterhalten, lachen und singen. So sehr mich dieser Ort mit Frieden füllt, er kann mit jedoch nicht gänzlich meine Sorgen und Befürchtungen nehmen. Was wird passieren? Ich bezweifle dass die Sache für Gray und die anderen erledigt ist. Was ist wenn sie sich mit meinem Schweigen nicht mehr zufrieden geben? Oh Mutter, wie kann ich ihr Vertrauen weiterhin erhalten und bei der Wahrheit bleiben, ohne mein Versprechen zu brechen? Sie sind der Antwort schon so nahe, so beängstigend nahe, besonders Iros. Ich frage mich woher er so viel weiß, wo er mich doch am wenigsten kennt. Und was werden sie tun, wenn sie es erfahren? Ich möchte ihnen vertrauen, besonders Gray, aber wir kennen uns kaum eine Trideade, ist das Vertrauen, der Respekt, die Akzeptanz, die Zuneigung groß genug, dass sie mein wahres Wesen annehmen werden? Wann wurden mir Gray, Mira und Bruna so wichtig? Und was ist mit Dylan? Eigentlich sollte es mich nicht besonders interessieren, doch ich kann nicht anders, als mir zu wünschen, dass er mich akzeptiert und anerkennt.
    Und was würde Vater zu all dem sagen? Wird er enttäuscht sein, dass ich so wenig fähig bin mein Wesen zu verbergen? Ganz zu schweigen von den vielen Dummheiten, die mir auf meiner Reise passiert sind, ich kann es immer noch nicht fassen. Nun, es ist geschehen, ich sollte aufhören mich darüber zu grämen und lieber nach vorne blicken. Ich habe viel daraus gelernt, das hoffe ich zumindest.
    Ich wünsche mir wirklich sehr Teck zu sehen. Aber wie erkläre ich es den anderen, zumal ich sie ungerne verlassen würde, aber das hieße, dass ich sie mit ins Pengannion und damit zu Vater nehme. Möchte ich, dass sie ihm begegnen und was ist seine Meinung dazu? Nun, wenn er nicht möchte, dass sie ihn sehen, wird er sich wohl einfach nicht zeigen. Viel gilt es die nächsten Tage zu überdenken und zu entscheiden. Möge er mir dabei beistehen und mich leiten. Danke für deine Antwort und dass du dich der Sache mit Bernardo annimmst.
    In Liebe
    Enya
  22. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    beim Frühstück kam Fulidoc wieder zu uns. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr über die Baumhirtinnen, die Mütter der Bäume. Nach dem Essen suchten wir einen Priester des Peleandrin, Laudunic Habustin sein Name, auf und baten ihn um Hilfe. Er erzählte er hätte eine Haut wie meine schon einmal gesehen, bei den Echsenmenschen in Rawindra. Ich hätte mir am liebsten schon wieder die Zunge abgebissen. Erst eine Wycca und jetzt auch noch ein Echsenmensch, was wird als nächstes kommen? Grays Hautfarbe war ihm natürlich noch nicht untergekommen. Der Priester meinte, wir müssten den Göttern ein Dienst erweisen, dann würden sie es eventuell in Erwägung ziehen, uns zu helfen. Obwohl ich damit gerechnet hatte, war ich doch etwas enttäuscht. Ich wünschte mir so sehr von diesen Schuppen befreit zu sein, umso mehr, da das Fest bevor stand und die Aussicht es vermummt zu feiern, machte mich nicht gerade glücklich. Er bot uns an eine Pfeife zu rauchen und dabei zu beten. Ich hatte in meinem Leben noch nie Pfeife geraucht, aber es schien mir unhöflich abzulehnen. Zu Beginn war es sehr unangenehm, zum Schluss wurde es besser und ich konnte sogar ein bisschen verstehen, warum die Halblinge das Rauchen so sehr mögen. Nach dem Gebet redeten Mira, Bruna und der Priester miteinander und erzählten von Wüsten, Aran, den Küstenstaaten, Eschar und einem sonderbaren Kraut, dass sie dem Halfdal bringen sollten. Ich hatte das Gefühl, etwas Ablenkung würde mir gut tun und so suchte ich Dylan auf. Ich fand ihn auch und zusammen sangen wir ein Duett vor einer Menge von Hundert Halblingen, ein paar Menschen befanden sich auch unter ihnen. Ach Mutter, immer muss er mich und meine Stimme vor anderen so loben, dabei sind meine Künste eher bescheiden. Und du kannst dir denken, was für ein Lied wir sagen, doch um ehrlich zu sein, fand ich es recht amüsant. Die Menge schien auch begeistert, was mich sehr erfreute. Nach dieser Vorstellung begaben wir uns etwas außerhalb des Dorfes und übten gemeinsam. Ich machte erstaunlich gute Fortschritte. Das regelmäßige Singen der letzten Tage und Dylans Anleitung waren mir eine große Hilfe. Nun, schon die ganze Zeit während wir dort gesessen hatten, war er mir sehr zugewandt gewesen. Irgendwann stellte er mir die Fragen, auf die ich schon gewartet hatte. Ich konnte ihm nicht viel antworten. Stattdessen fragte ich ihn, warum er so sehr an mir interessiert sei, besonders jetzt, da ich Schuppen an mir habe. Er meinte, das würde keine Rolle spielen, ich hätte ihn verzaubert, als er mich das erste Mal erblickt hatte und die Schuppen hätten dem kein Abbruch getan. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht von seiner Antwort. Dann nahm er meine Hand und kurz darauf gab er mir einen Kuss…Oh, Mutter ich werde schon rot, wenn ich nur davon schreibe. Es war…ich kann es nicht sagen, das Gefühl lässt sich schwer in Worten ausdrücken. Ich kenne diesen Teil von mir so wenig, ich habe ihn nicht erlaubt und nun weiß ich nicht was ich tun soll. Wohin sind all meine Vorsätze, lasse ich mich so leicht verführen? Nie hätte ich damit gerechnet, hatte ich mich doch von Männern in dieser Hinsicht immer ferngehalten. Wenn ich an deine Worte denke, beschleichen mich Zweifel und ich habe Angst, dass ich wie du den süßen Worten eines Barden erlegen bin und bald verletzt zurück gelassen werde. Was soll ich tun, wohin führt das alles? Ich habe das Gefühl mein Herz und das Geschehen sind meinen Gedanken und Antworten immer schon zwei Schritte voraus.
    Als es begann zu dämmern, liefen wir gemeinsam zurück zum Gasthaus. Dort sahen wir Bruna, die vor der Tür mit ihrem Hammer saß. Verdutzt fragte ich nach dem Grund. Sie antwortete, dass sie auf Gray wartete. Mir war sofort klar, dass Gray irgendetwas getan hatte um Bruna zu verärgern. Wir erfuhren, dass Gray sie, auf ihr Einverständnis hin, geschlagen hatte, sie dann zusammengebrochen und er davongelaufen war. Wir konnten Bruna nicht umstimmen und so blieb sie sitzen während wir uns zu Bett begaben.
    Am nächsten Tag, Daradag, 1. Trideade Feenmond wurde ich von Musik und Lärm geweckt. Nach dem Frühstück begab ich mich auf die Suche nach Gray, doch hatte ich kein Glück und kehrte zum Gasthaus zurück. Dort saßen schon Bruna und Mira. Kurz darauf kam auch Gray und entschuldigte sich bei Bruna. Ihr Gespräch wurde etwas zu laut, doch als die Wirtin sie ermahnte, kamen sie zur Vernunft. Da betrat Dylan die Taverne und teilte mir mit, dass ich zusammen mit ihm am Musikwettbewerb teilnehmen würde. Ziemlich überrascht wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder ärgern sollte. Die erste Runde war recht gut, doch in der zweiten verschluckte ich mich und brach die Töne nicht mehr wirklich aus meinem Mund. Beschämt ließ ich mich von Dylan von der Bühne führen und war das erste Mal froh, darüber, dass mich niemand unter meinen Kleidern sehen konnte. Ich entschuldigte mich bei ihm, doch er nahm es locker, so dass wir schon kurz darauf wieder lachend zur Taverne zurückkehrten. Dort trafen wir auf die anderen und Iros, dem es wieder besser ging. Doch lange hielt die gerade wiederhergestellte Eintracht nicht, als Iros den Blumenschmuck von Herbert riss. Mira hatte die Pferde für das Fest schmücken lassen und war sehr zufrieden. Iros anscheinend nicht und er ließ sich mit Worten nicht davon abhalten. Als Mira anfing zu weinen, hatte ich genug und versuchte ihn daran zu hindern noch mehr Blumen abzureißen. Er wich meiner Berührung aus, hörte jedoch endlich auf, als ich mich zwischen ihn und Herbert stellte. Mal wieder rief sein Verhalten nur Kopfschütteln in uns hervor. Miras Tränen schienen ihn endlich umzustimmen. Wir versuchten Herbert wieder etwas herzurichten. Dabei kam es zu Streit mir Iros, es war ganz offensichtlich, dass er meine Berührung mied. Gray meinte, wir müssten noch einmal reden und das Thema klären. So gingen wir etwas abseits und setzten uns dort ins Gras. Da Iros nicht das einzige Problem war, fingen Gray und Bruna an ihre Unstimmigkeit zu klären. Danach waren Mira und Dylan an der Reihe. Obwohl Mira den Barden offensichtlich nicht leiden konnte, versicherte sie ihm, dass er sich im Ernstfall auf sie verlassen könnte. Dankbarkeit erfüllte mich und ich konnte nicht anders als Mira in den Arm zu nehmen. Worauf hin ich erstaunte Blicke von Gray und Bruna erntete. Ich war überrascht, war ich ihnen so unnahbar erschienen? Dann kamen wir zu Iros und mir. So unangenehm mir das Thema war, ich gab Gray recht, es musste geklärt werden. Doch solange wir auch redeten, wir drehten uns im Kreis. Schon fing es wieder an zwischen Iros und Dylan Ärger zu geben, als sich Dylan für mich einsetzte und der Chryseia dreist behauptete, er würde nur mit seiner Männlichkeit denken. Iros war nicht bereit, sich für mich einzusetzen, sollte mein Leben auf dem Spiel stehen. Ich konnte ihn teilweise verstehen und für mich wäre es in Ordnung gewesen, man kann nicht damit rechnen, dass einen jemand rettet. Was er mir gegenüber empfindet ist auch keine Feindseligkeit, sondern Vorsicht. Er verglich mich mit einem Mörder und sagte, es wäre ihm lieber, wenn er wüsste, mit was er es zu tun hatte. Ich konnte ihn verstehen, doch wenn er mir so misstraute, müsste er jedem misstrauen, denn so gesehen kann alles und jeder gefährlich sein. Schließlich sprach er aus, was er von dem Faun erfahren hatte, als er noch einmal mit ihm gesprochen hatte. Was mir dabei neu war, dass ich eine große Rolle spielen würde bei unserer weiteren Reise. Nun, das konnte alles bedeuten. Die anderen stellten sich alle hinter mich und Gray meinte, das Uralte was in mir fließen würde, wäre Magie und damit unterscheide ich mich nicht von ihm. Doch Iros beharrte darauf, dass wir nicht gleich wären, womit er ja auch Recht hatte. Er forderte mich auf zu reden und ich erklärte mehrmals, dass ich es nicht könnte und schließlich sagte ich, dass ich ein Versprechen gegeben hatte. Gray machte deutlich was er von allen Gruppenmitgliedern erwartete, jeder sollte das Möglichste tun, so dass niemand verletzt oder gefährdet wird. Damit stand Gray auf und ging zurück. Wir folgten ihm und Bruna warf mir einen fragenden Blick zu, wobei sie ein breites Lächeln auf dem Gesicht hatte. Dieser Ausdruck war ungewöhnlich und ich antwortete ebenfalls mit einem fragenden Blick, da hob sie ihre Hände. Sie spielte darauf an, dass ich während des Gesprächs Dylans Hand ergriffen hatte. Sie war neugierig und wollte wissen, was dort geschehen sei. Ich konnte es nicht glauben… nun Bruna ist wohl trotz alledem eine Frau.
    Als wir alle zurück im Gasthaus waren bedankte ich mich bei den anderen, Gray winkte ab. Doch mein Herz quoll über vor Dankbarkeit. Ich hoffe so sehr, dass ich mich eines Tages erkenntlich zeigen kann. Die Stimmung war gedrückt nach diesem Gespräch und Mira sichtlich verstimmt. Dylan verschwand für einige Zeit, in der Bruna und ich den Plan fassten, sollte er zurückkommen, zum Tanz aufzuspielen und Mira einen Tanzpartner zu suchen. Bruna ging zu Mira zurück und ich begab mich auf die Suche. Nach einiger Zeit wurde ich auch fündig und wartete auf Dylan. Dieser kam und überreichte Mira ein Geschenk. Eine Pfeife mit einer Pferdeschnitzerei. Kurz darauf wurde Mira nach draußen gerufen. Dort stand Herbert, noch schöner geschmückt. Daneben ein grinsender Gray. Miras Stimmung hob sich sichtlich. Da kam Iros und ließ Mira wieder nach drinnen rufen. Dort stand er auf der Bühne und versuchte Mira mit Worten einzunehmen. Die Menge war angewiesen für sie zu applaudieren. Er gab ihr ebenfalls ein Geschenk, eine größere und schönere Pfeife als Dylan. Mit einer Augenbraue erhoben, sah ich mir das Spektakel an. Dann zog ich Dylan auf die Bühne und wir begannen mit unserer Musik. Nach einiger Zeit übernahmen andere Barden die musikalische Darbietung und ich forderte Dylan zum Tanz auf. Ich tanzte auch mit Gray, bis mich Dylan wieder zu sich holte. Die Tatsache, dass ich nicht wie alle anderen, herausgeputzt und ausgelassen, sondern stattdessen vermummt und vorsichtig, feiern konnte, bekümmerte mich sehr. Doch ich versuchte so gut es ging mich von der heiteren Stimmung tragen zu lassen. Es gab auch immer wieder Gruppentänze, wo ich es fast noch mehr bedauerte meine Haare nicht offen zu haben. Umso mehr, da ich irgendwann eine sehr hübsche, junge Frau mit blonden Locken und blauen Augen entdeckte, die sich ungeniert an Dylan heranmachte. Eine Weile schaute ich mir das Geschehen an, dann war mir auf einmal nicht mehr nach Feiern zu Mute, als sich eine unbekannte Gefühlsregung in mir meldete. Ich ging ohne ein Wort in Richtung meines Schlafgemachs. Gerade als ich die Treppe verließ, fasste mich Dylan an der Hand. Er wollte wissen, was los sei, ob ich sauer bin. Eine Antwort auf diese Frage hätte ich auch gerne gehabt. Ich ging wieder mit ihm hinunter und wir tanzten noch etwas weiter. Bei den Gruppentänzen fädelte es die Frau so ein, dass sie immer wieder mit ihm tanzte. Danach unterhielten sich die beiden. Ich wartete einen Moment, und ging dann auf sie zu. Sie fragte nach einem Tanz, da nahm ich seine Hand und er entschuldigte sich. Sie erkundigte sich nach dem nächsten Tanz, doch ich erwiderte, beim nächsten seien wir schon nicht mehr hier, damit zog ich den Barden fort. Mutter, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, ich war von mir selbst so überrascht. Und dann verließen wir das Fest, um nach oben zu gehen. An meiner Tür verweilten wir einen Moment, dann küsste ich ihn und flüstere ihm einen Gute-Nacht-Gruß ins Ohr. Mein Herz klopfte und ich war froh, dass es dunkel war, damit er meine roten Wangen nicht sehen konnte. Er antwortete mit heißerer Stimme und ging dann zu seinem Gemach. Ich schloss die Tür hinter mir und begann mich immer noch mit klopfendem Herzen umzuziehen. Da klopfte es an der Tür. Es war Mira, die sich bei mir bedankte. Auch ihr wünschte ich eine gute Nacht. Mir wurde sie nicht gegönnt. Als ich gerade dabei war einzuschlafen, klopfte es ein weiteres Mal. Ich öffnete die Tür und erblickte Dylan. Ich war überrascht und augenblicklich hellwach, mein Herz versuchte davon zu galoppieren. Er stammelte ein paar Worte vor sich hin und meinte, er wüsste nicht was er tun sollte, er könnte nicht schlafen. Doch dann ging er wieder. Ein Teil in mir wollte ihn aufhalten, jedoch konnte ich mich nicht bewegen. Verwirrt schloss ich dir Tür hinter mir. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken, ich fragte mich die ganze Nacht, ob ich nun an seiner Tür klopfen sollte und was dann passieren würde. Doch ich blieb wo ich war.
    Am nächsten Morgen stand ich erschöpft auf und begab mich zum Frühstück, wo auch schon die anderen saßen. Dylan war nicht zu sehen und er tauchte auch nicht auf. Mira forderte mich auf in seinem Zimmer nach zu sehen. Doch auch dort war er nicht. Sofort überkamen mich Fragen und Schuldgefühle und ich malte mir alles Mögliche aus. Gray erklärte sich bereit Dylan zu suchen, bevor wir in Richtung Moor aufbrechen würde. Und ein weiteres Mal war ich ihm dankbar. Jedoch fand er den Barden nicht und so brachen wir ohne ihn auf. Doch als wir gerade aus dem Dorf kamen, ritt er uns entgegen. Er meinte er hätte seinen Kopf frei bekommen müssen und auf nächtlichen Spaziergängen würden ihm neue Liederideen kommen. Er schenkte mir kaum ein Blick und sprach kein Wort mit mir. Ich konnte ihm ebenfalls nicht in die Augen schauen und verspürte wie sein Verhalten mir einen Stich versetzte. Wir setzten unseren Weg fort, als Iros zu mir kam und sein Misstrauen Dylan gegenüber aussprach. Ich wies ihn ab und erklärte ihm, dass ich es lächerlich fände, wegen so etwas misstrauisch zu sein. Ich hatte nicht besonders viel Lust mich mit ihm zu unterhalten oder gar wieder zu streiten. Wir erreichten das Zehnbrotmoor, welches anders war als, die die ich bisher gesehen hatte. Auf dem weichen Moos zu laufen war herrlich. Wir trafen sogar auf eine kleine Fee, die sich als Kliri Glockenflug vorstellte. Sie erzählte uns von einem Geist, der ihm Moor sein Unwesen treiben würde. Nach der Fee hatten wir eine Begegnung, die fast zwei Gruppenmitgliedern das Leben gekostet hätte. Iros, der vorne lief, entdeckte ein kleines Tier im Gras. Als wir näher traten stürzte sich die Katze, die auf meiner Schulter saß auf den kleinen Nager, worauf hin dieser zu einem vier Meter hohen Tier anwuchs. Schrill kreischend flog die Katze davon. Bruna und Iros stürzten sich sogleich in den Kampf. Wir anderen versuchten, die beiden davon abzuhalten und sie zu überzeugen, dass es besser wäre das Tier in Ruhe zu lassen. Mira meinte, es würde auch wieder kleiner werden. Doch es war vergebens. Gray musste sie erst einschläfern. In kürzester Zeit schrumpft das Tier auf seine ursprüngliche Größe und verschwand im Gras. Ich kümmerte mich um Bruna, die jedoch dank ihrer Rüstung nicht schwer verletzt war, anders sah es bei Iros aus. Doch Iros ließ sich nicht überzeugen, dass es klüger und weniger blutig gewesen wäre, hätten sie das Tier einfach in Ruhe gelassen. Er beschuldigte uns sogar, unsere Kameraden im Stich gelassen zu haben. Da hörten wir eine tiefe Stimme: „Was ist das für ein Geschrei in meinem Sumpf?“ Als wir uns umdrehten standen wir einer Baumhirtin gegenüber. Sie stellte sich als Frau Fliederbeere vor und ließ uns sogar von ihren köstlichen Früchten kosten. Es war eine Ehre dieses Geschöpf zu treffen, Fremden gegenüber zeigen sie nicht normalerweise nicht. Nach dieser Begegnung machten wir eine Rast. Da es Iros und Bruna nicht besonders gut ging, kehrten sie zurück und ich suchte die davongeflogene Katze. Es dauerte nicht lange, da fand ich sie und wir begaben uns wieder auf die Suche nach Briefkästen.
    Auf einer kleinen Lichtung sahen wir, wie sich eine Rauchsäule bildete und etwas erschien. Es handelte sich um den Geist von Heliadis Blioblerics. Er erzählte uns von einem Thursen, den er am Rande des Halfdals südwestlich der Quellweiden gesehen hatte. Er hatte niemanden davon erzählt und stattdessen ein Gift entwickelt. Dieses hatte er in einen Hefeteig verarbeitet, den er dem Wesen geben wollte. Doch stattdessen hatte seine Frau damit einen Zwetschgenkuchen gebacken und ihn für ein Picknick mitgenommen. Beide starben an dem Gift. Von dem Teig war jedoch noch etwas übrig und damit sollten wir dem Wesen beikommen. Ich sehe keinen Grund warum uns der alte Halbling hätte anlügen sollen, jedoch habe ich meine Zweifel ob es sich tatsächlich um einen Thursen handelt. Sollte er wirklich recht haben, sehe ich keine Möglichkeit für uns das Halfdal zu retten. Das letzte was wir von ihm erfuhren, war dass er in Meliand gelebt hatte, danach löste er sich auf. Wir kehrten ins Gasthaus ein. Dort beschlossen wir, dass Iros nachdem Wesen schauen sollte. Ich zog mich zurück um etwas zu meditieren. Von den weiteren Ereignissen werde ich dir im nächsten Brief erzählen. Eines noch, ich habe endlich für den Kater einen Namen gefunden: Fingal, kurz Fin.
     
    In Liebe
    Enya
  23. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    nachdem Mira den Tongartenzwerg namens Bromel, Heliadis angeblicher Sohn, zerschlagen hatte und deshalb von der Dorfältesten Rosianne ermahnt wurde, fanden wir besagten Kuchen im Haus von Heliadis. Ein besonderer Zauber schien auf ihm zu liegen, denn er war nach so langer Zeit immer noch frisch und hatte eine besondere Anziehung auf Wesen, die dem Essen sehr zugeneigt waren. So mussten Mira, die dem Drang den Kuchen zu essen standgehalten hatte, und ich ihn vor Gray und Fulidoc verteidigen. Endlich wurde auch die Bedeutung der Worte „das Süße bringt den Tod“ klar. Bevor wir uns zurück zum Gasthaus begaben, deckte ich die gläserne Käseglocke, welche vermutlich etwas Magisches an sich hatte, mit einem Tuch ab, damit die Halblinge den Kuchen nicht zu Gesicht bekommen würden. Als wir in der Taverne saßen, kam Iros zur Tür herein. Gemeinsam gingen wir auf ein Zimmer und er ließ aus einem Sack einen Totenschädel fallen. Er erzählte uns von einem großen Wesen, mit Schuppen, Kralle und Hauern, das in einer Höhle lebte. Gray und Dylan meinten, dass dies Wesen ein Troll und am besten mit Feuer zu bekämpfen sei. Wir suchten den Priester auf und erzählten ihm davon. Er gab uns einen guten Rat. Wir sollten uns dem Troll annehmen, sonst würden wir keine Freunde finden. Für mich gab es nie Zweifel daran, andere jedoch wollten eine Belohnung dafür. War die Gastfreundschaft und Dankbarkeit der Halblinge nicht schon genug? Mira erklärte uns, dass der Rat eines Halblingpriesters besonders sei und dass man gut daran tat ihn zu befolgen. Bevor wir an den südlichen Rand des Halfdals zogen, schloss ich Fin in mein Zimmer ein. Es tat mir leid dies zu tun, doch wollte ich ihn nicht dieser Gefahr aussetzten. Wir konnten Fulidoc nicht davon abhalten uns zu begleiten und so kam der Halbling ebenfalls mit. Wir ritten zu Pferd, während Iros nebenherlief. Mira bot mir an, mich hinter sie auf Herbert zu setzten. Dankend nahm ich ihr Angebot an, bemerkte jedoch einen verletzten Blick von Dylan. Ich war irritiert. Die ganzen Ereignisse der letzten Tage verunsicherten mich. Ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, weshalb ich es einfach schweigend hinnahm. Was erwartete er auch, nachdem er sich den Tag über so distanziert gezeigt hatte? Es gelang uns, dem Troll den Kuchen zu essen zu geben, jedoch mussten wir uns ihm trotzdem im Kampf stellen. Ich kam mir mit der Fackel in der Hand recht nutzlos vor, während die anderen auf den Troll einstachen. Dylan wurde schwer getroffen und einen weiteren Angriff des Trolls hätte er nicht überlebt. Zu allem Übel stach ihm auch noch Fulidoc in die Seite, als er vergeblich versuchte den Troll zu treffen. Auch wenn Dylan davon wenig begeistert war, schob ich mich zwischen ihn und den Troll. Es gelang ihm nicht an mir vorbeizukommen und ich konnte seinen Ärger förmlich hinter mir spüren. Doch ich würde ihn sicher nicht sterben lassen, nur weil er sich in den Kopf gesetzt hatte, mich um jeden Preis zu beschützen. Als nächstes erwischte der Troll jedoch mich und zerfetzte mir mit einem Schlag den Oberschenkel. Dadurch konnte ich Dylan nicht mehr davon abhalten, sich vor mich zu stellen. Als der Troll abermals seine Kralle erhob, durchfuhr mich panische Angst, doch Dylan schaffte es mit letzter Kraft den Schlag abzuwehren. Dann kam Iros uns zu Hilfe und schließlich gab Mira dem Wesen den Todesstoß. Erleichtert richtete ich mich wieder auf und begann sofort Dylans Wunden zu versorgen. Dann wendete ich mich meiner eigenen Verletzung zu, denn Mira konnte ich nicht helfen. Sie hatte ein Auge durch die Krallen des Trolls verloren. Als ich fertig war warf mir der Barde einen vorwurfsvollen Blick zu und ich antwortete mit ebensolchem Blick. Dylan und Gray holten die Pferde und wir ritten zurück. Dylan nahm mich vor sich auf sein Pferd und duldete kein Widerspruch.
    Im Halfdal angekommen verbreitete sich die Geschichte schnell und bald waren wir umringt von Halblingen. Fulidoc rühmte sich mit unseren Taten, woraufhin Gray ziemlich verstimmt wurde. Dylan konnte ihn jedoch wieder beruhigen. Erst einmal begaben wir uns zu Laudunic Habustin, der sich um Mira kümmerte. Er schaute sich ebenfalls mein Bein an, danach konnte ich wieder laufen. Im Gasthaus wurde ein Fest zu unseren Ehren gefeiert. Jedoch hatte ich nach diesem Kampf und dem Schrecken, beinahe eine wichtige Person verloren zu haben, das Bedürfnis nach Rückzug. Ich schob mich durch die Menge und fragte nach einer Schüssel Wasser, dann ging ich auf mein Zimmer. Ich kümmerte mich um Fin und öffnete ihm das Fenster, in der Hoffnung, dass er mir verzeihen und zurückkehren würde. Kurz darauf klopfte es und Dylan brachte mir eine Schüssel Wasser. Er meinte ich sollte so etwas nie wieder tun, er hatte Angst um mein Leben gehabt. Ich antwortete, dass es mir nicht anders ginge, und dass er dem Tod näher gewesen wäre als ich. Ich hatte kaum meinen Satz beendet, als ich seine Lippen auf meinen spürte. Mein Ärger verflog und ich gab mich dem Kuss hin. Mein Herz klopfte, ein Teil in mir war überglücklich, dass es ihn immer noch nach mir verlangte. Doch so viel Unausgesprochenes, Unsicherheit kam in mir hoch, als sein Kuss leidenschaftlicher wurde. Da waren immer noch meine Haut, mein Arm und meine ungeklärten Gefühle. Mein letzter Versuch mich von ihm zu lösen scheiterte, als ich sah, wie ich ihn ein weiteres Mal damit verletzte. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich erst die Schuppen loshaben wollte. Ich konnte nicht mehr von meinen Gefühlen, meiner Unsicherheit sprechen. Alles drehte sich, den Göttern sei Dank, ich dachte noch daran die Kräuter zu mir zu nehmen, bevor ich in seinen Armen versank...Wir lagen noch eine Weile da, bevor er fragte, wie es nun weitergehen würde. Ich antwortete ihm ehrlich, dass ich wir wünschte, dass er an meiner Seite blieb. Ich testete ihn, in dem ich ihn fragte, was er tun würde, wenn aus dieser Verbindung neues Leben entstehen würde. Darüber hatte er sich natürlich keine Gedanken gemacht. Ich schätze er ist trotzallem ein Mann, wie jeder andere. Doch ich ließ das Thema schnell fallen, schließlich wollte ich nicht die gerade wieder eingekehrte Harmonie und das was zwischen uns entstanden war stören. Schließlich kam die Frage, auf die ich schon gewartet hatte. Dylan fragte nach den Schuppen an meinen Arm. Jedoch zeigte er Verständnis für mein Schweigen und ließ mich dann alleine, damit ich mich waschen konnte.
    Mutter, wie sehr wünschte ich mir nun bei dir zu sein und zu erfahren was du denkst! Wirfst du mir Leichtsinn vor, weil ich mich auf einen Barden eingelassen habe? Freust du dich? Was rätst du mir? Ich hoffe du antwortest mir bald. Nun, ich denke du willst vor allem wissen, wie ich mich fühle. Um ehrlich zu sein, hätte ich mir vor wenigen Tagen nicht im Traum gedacht, dass es so weit kommen würde. Ich hatte mich doch immer in dieser Hinsicht von Männern ferngehalten. Wie hat es Dylan geschafft diese Mauer zu überwinden? Wie und wann hat er es geschafft, sich in mein Herz einzuschleichen? Ich bin glücklich, auch wenn ich mir viel zu viele Gedanken und Sorgen mache. Ich frage mich, was dies nun bedeutet. So viele Fragen, so viele verwirrende, neue Gefühle. Und wieder komme ich mit meinen Gedanken den Geschehnissen nicht hinterher. Ich entdecke Seiten an mir, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Ich bin erstaunt, manchmal erschrocken über mich selbst. Ich empfinde meine Gefühle und Wünsche bezüglich Dylan als egoistisch und tue mich damit schwer. Ich kann es noch nicht wirklich in Worte fassen, was in mir vorgeht. Vielleicht bringen die nächsten Tage, Wochen etwas Klarheit. Du kannst dir sicher sein, dass du es erfahren wirst.
    Jetzt werde ich mich erst einmal hinunter zum festlichen Treiben gesellen, schließlich muss die Rettung des Halfdals noch gefeiert werden.
     
    In Liebe
    Enya
  24. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    nach einem wundervollen Fest begab ich mich zu Bett. Dylan verabschiedete sich an meiner Tür und ließ mich alleine. Am nächsten Morgen gingen Gray und ich nach dem Frühstück zu Laudunic Habustin, um ihn noch einmal wegen unserer Haut zu fragen. Er zog sich zurück zum Gebet, doch als er wiederkam, meinte er, dass Peleandrin verärgert sei. Einer aus unserer Gruppe hatte etwas getan, was ihm missfiel. Mehr konnte er uns nicht sagen. Fassungslosigkeit machte sich in uns breit. Meine Hoffnung, endlich die Schuppen loszuwerden, zerfiel und hinterließ ein Gefühl des Entsetzens. Enttäuscht kehrten wir zurück und berichteten Mira und Iros von den Worten des Priesters. Natürlich bekannte sich keiner der beiden zu einer Tat. Stattdessen schlug Mira vor, noch einmal in das Zehnbrotmoor zu gehen, vielleicht könnte uns der Geist von Heliadis helfen. Iros ging seinerseits zu dem Priester, als er zurück kam sagte er, dass dieser auch ihm mit seinen Augen nicht helfen hatte können. Auch er hatte damals einen Trank getrunken, wodurch sein Augenlicht schwächer geworden war. Wir diskutierten eine Weile, ob wir nun in das Moor gehen sollten oder nicht. Gray und ich hielten es für ein erfolgloses Unterfangen, aber Mira bestand darauf. Als wir uns dann doch entschieden, war Mira beleidigt und blieb im Gasthaus, so auch Iros. Ich wusste nicht, ob ich ihnen misstrauen sollte, sie benahmen sich seltsam, aber hatten sie, vor allem Mira, es wirklich gewagt Peleandrin zu verärgern? Auf unserem Weg begegneten wir dem Halbling Aarol Neglerôl, der uns erzählte, dass jemand in sein Haus eingebrochen war. Der Trollschädel, den er am Tag zuvor erstanden hatte, war verschwunden. Er bat uns um Hilfe, Schädel und Unhold zu finden Nach dieser Begegnung begaben wir uns ein weiteres Mal zu Laudunic und fragten ihn, ob dies tatsächlich den Zorn Peleandrins erregen würde. Der Priester erklärte uns, dass es im Halfdal so gut wie keinen Diebstahl gab und es deshalb durchaus sein könnte. Gray und ich kehrten zur Taverne zurück, um Mira und Iros davon zu erzählen. Iros schlug sogleich vor, bei den Ermittlungen zu helfen und holte Mira, die immer noch beleidigt auf ihrem Zimmer saß. Als sie beide wieder bei uns waren, schlugen sie vor, die Kosten für die Ermittlung zu tragen, denn sie hätten schließlich den Schädel und die Krallen verkauft. Gray schien wenig begeistert davon, dass sie dies getan hatten, ohne uns davon etwas zu erzählen, doch mir schien das angesichts anderer Umstände nicht relevant. So begaben wir uns zur Dorfältesten und mussten feststellen, dass wir im Halfdal keinen fähigen Ermittler finden würden. So konnten wir es genauso gut selbst in die Hand nehmen. Wir begannen jedes Haus, jeden Ort in Meliand zu untersuchen und bald halfen uns viele der Halblinge. Schließlich schauten wir im Stall der Taverne und Gray fand den Trollschädel in einem Gefäß, randvoll mit Alkohol, in Dylans Satteltasche. Der Barde stritt die Tat ab. Ich wusste für einen Moment nicht was ich sagen sollte, dann unterbrach ich die Anschuldigungen der anderen und erklärte ihnen, warum Dylan nicht der Schuldige sein konnte. Zum Zeitpunkt, an dem Mira und Iros den Schädel verkauft hatten, war Dylan bei mir gewesen. Deshalb hatte er davon nichts wissen können. Da bot Gray ihm an, die Wahrheit mit Hilfe von Magie ans Licht zu bringen. Wiederwillig willigte Dylan ein. Ich war für einen Moment erstaunt, dass Gray so weit gehen und Macht über die Menschen anwenden würde, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit, sich ganz sicher zu sein. Natürlich verneinte Dylan meine Frage und sofort entließ ihn Gray. Dylan verließ ohne Wort den Stall und nach kurzem Zögern folgte ich ihm. Schweigend gingen wir eine Weile nebeneinander, dann bat ich ihn um Verzeihung und nicht zornig auf Gray zu sein. Das war er nicht, jedoch war eine Grenze überschritten worden. Er würde sich aber wieder fangen. Als wir zurück an das Gasthaus kamen, war niemand da. Kurze Zeit später trafen wir auf Mira und Iros, die uns erzählten, dass Gray betrunken durch die Straßen lief. Nachdem wir ihn gesucht und eingesammelt hatten, gingen wir zu Bett. Zuvor hatte Mira uns Hoffnung machen wollen, in dem sie uns riet einen anderen Priester zu Rate zu ziehen, vielleicht könnte jemand anders uns helfen. Ich hielt davon wenig, denn egal welcher Priester, die Götter bleiben dieselben.
    Es war der Morgen des Catrudag, 1. Trideade Feenmond, als Mira das Gasthaus mit einem Halbling mittleren Alters betrat. Es handelte sich um einen weiteren Priester des Peleandrin. Mira war bis nach Dalesend geritten um ihn zu holen. Er kniete sich zuerst vor Gray und schaute sich seine Haut an. Und tatsächlich sie veränderte sich und nahm wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Gray war überglücklich und riss sich sogleich die Kleider vom Leib. Ich freute mich sehr und war voller Hoffnung. Doch ich wurde bitter enttäuscht. Der Priester konnte keine Veränderung meiner schuppigen Haut vollbringen. Erschüttert wendete ich mich ab und entfernte mich von den anderen. Tränen füllten meine Augen. Ich konnte es nicht glauben. So viel Hoffnung, die in den letzten Tagen immer wieder zunichte gemacht wurde. Ich hatte mich so gefreut, endlich wieder meine normale, menschliche Haut zu haben und mich nicht mehr verstecken zu müssen. Dylan wollte mir folgen, doch ich wies ihn zurück. Irgendwann setzte ich mich hin und ließ den Gefühlen der letzten Tage, Trideaden freien Lauf. Nach einiger Zeit spürte ich die Arme von Dylan, die sich um mich schlossen. Dankbar vergrub ich mein Gesicht in seiner Brust. Als ich mich beruhigt hatte und die Tränen versiegt waren, gingen wir zu den anderen zurück. Als Gray mich sah, nahm er mich in den Arm. Dankbar erwiderte ich seine Umarmung. Ich bat um einen Moment mit ihm alleine und erzählte ihm, was ich schon eine Weile in mir bewegt hatte. Mir bleibt nun keine andere Möglichkeit mehr als ins Pengannion zu reisen. Zurück nach Alba kommt nicht in Frage und ich will nicht den Rest meines Lebens im Halfdal verbringen. Ich weiß niemanden, der mir noch helfen könnte. Ich erzählte ihm, dass ich vorhatte ins Gebirge zu reisen, denn dort sähe ich meine letzte Möglichkeit, mich endlich von den Schuppen zu befreien. Gray war sehr neugierig, doch er hielt sich mit seinen Fragen zurück. Er willigte ein mich zu begleiten. Ebenso Dylan, ihn hätte ich wahrscheinlich ohnehin nicht davon abhalten können. Ich hätte auch noch Bruna und Mira mitgenommen, doch da war noch Iros. Diese Wahl war für mich sehr schwierig, denn eigentlich hatte ich mir vorgestellt, dass wir gemeinsam nach der Rettung des Halfdals ins Pengannion reisen würden. Doch nun war es anders gekommen. Ich hatte noch immer schuppige Haut und Iros war zu unserer Gruppe hinzugestoßen. Ihn wollte ich nicht mitnehmen. Ich denke du kannst meine Gründe dafür verstehen, nicht zuletzt, wäre es für ihn gefährlich. Ich weiß nicht wie Vater auf ihn reagieren würde. Er ist nicht gerade ein Mensch, der Ehre und viel Sympathie mir gegenüber besitzt. Ich vertraue Gray und Dylan mit meinem Leben und sie sind beide zu Fuß schneller als der Zwerg und der Halbling. Ich will so schnell wie möglich wieder zurück sein und niemanden mit dieser Reise zu viel aufhalten. Darüber hinaus fühle ich mich mit den beiden auf besondere Weise verbunden. Gray teilte das gleiche Schicksal wie ich und Dylan…nun dazu muss ich nichts sagen. Darüber hinaus sind sie die beiden Menschen, denen ich große Dankbarkeit gegenüber empfinde
    Als ich Mira und Iros eröffnete, dass ich mit Dylan und Gray ins Gebirge reisen würde, waren sie kaum erfreut. Es kam zu einer Diskussion, in der Iros von Vertrauensvorschuss sprach, Gray mehrmals beteuerte, dass er genauso wenig wissen würde und Mira sich beleidigt in ihr Zimmer verzog. So schwer es für mich war und so sehr ich Mira verstehen konnte, hatte ich nicht vor an meinem Plan etwas zu ändern. Doch du kennst mich, die Situation so zu belassen und einfach zu gehen, konnte ich nicht. Ich habe Briefe für Mira und Iros hinterlassen. Ich schrieb sie, bevor wir uns aufmachten, um in den Nordwesten zu reisen. Ich habe eine Abschrift für dich beigefügt. Auf unserem Weg durch das Halfdal ließ ich noch für Mira ein Holzbecher und eine Holzschüssel mit einem Mirabellenbaum und eine Holzgabel und ein Holzlöffel mit einer Mirabelle verziert anfertigen. Ich trug dem Halbling auf, das Geschenk Mira zu überreichen, sobald es fertig war.
     
    In Liebe
    Enya
  25. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    ich bin von meiner Reise ins Pengannion zurückgekehrt. Mira, Bruna, Gray, Dylan und ich sind wieder vereint.
    Gray, Dylan und ich brachen am Catrudag, 1. Trideade Feenmond auf. Die fünf Tage bis zu Vater verliefen ereignislos. Die beiden stellten keine Fragen, ich konnte jedoch ihre fragenden Blicke spüren. Ich muss mich für sie ungewöhnlich vertraut im Gebirge verhalten haben. Sobald ich Vater in meinen Gedanken erreichen konnte, teilte ich ihm unser Kommen mit. Kurz darauf kam er uns entgegen. Dylan und Gray griffen zu ihren Waffen als sich die Gestalt von Vater näherte, doch ich beruhigte sie. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht und den Worten „Meine Tochter“ schloss er mich in seine Arme. Freude und Erleichterung erfüllten mich und ich erwiderte die Umarmung. In Gedanken sandte ich ihm meine Gefühle und er antwortete ebenfalls mit Freude. Dann wendete er sich an Gray und Dylan. Ich war gespannt, wie er sie empfangen würde. Er begrüßte zuerst Gray, der bei Vaters Worten und seiner Berührung merklich kleiner wurde, seine Augen stattdessen wurden groß. Dann wendete er sich an Dylan. Dieser schien, wie Gray, neben Vater zu schrumpfen und war sprachlos. Ich war sehr glücklich und hatte das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung gewesen war mit den beiden hier her zu kommen. Gemeinsam begaben wir uns in die kleine Holzhütte und Erinnerungen stiegen in mir empor. Vater meinte, dass ich schon lange nicht mehr bei ihm gewesen und nun scheinbar aus einem bestimmten Grund hergekommen wäre. Ich antwortete, dass es so scheinen möge, doch dass ich schon lange den Wunsch hatte ihn wiederzusehen. Er schaute sich meine Haut an und strich mit dann mit den Worten „Das sollten wir beheben“ über mein Gesicht. Augenblicklich begannen die Schuppen sich aufzulösen und ich fiel ihm überglücklich um den Hals. Tränen der Freude, Erleichterung und Dankbarkeit füllten meine Augen. Grays und Dylans Erstaunen wuchs noch mehr und sie saßen nur schweigend, mit offenen Mündern da. Glücklich setzte ich mich zu Dylan und nahm seine Hand, als Gray und Teck begannen, sich über Magie zu unterhalten.
    Die nächsten vier Tage verbachten wir noch im Pengannion und Vater lehrte mich einen neuen Zauber. Am Abend saßen wir zusammen und erzählten von unseren Reisen. Ich berichtete ihm auch von dem Vorfall mit Bernardo und seine Worte waren deinen sehr ähnlich. Darüber musste ich schmunzeln. Dylan wagte es kein einziges Mal sich mir zu nähern und wurde von Tag zu Tag stiller. Am letzten Tag konnte ich meine Neugier nicht unterdrücken und fragte Vater nach den Gefühlen des Barden. Er antwortete, dass er durchaus tiefe Gefühle für mich empfinden, jedoch nicht über die Zukunft nachdenken würde. Er war letztlich eben ein Lebemensch. Nichts anderes hatte ich erwartet und mehr wollte ich auch nicht erfahren.
    Dann verabschiedeten wir uns. Ich wäre gerne länger geblieben, doch ich hatte Mira gesagt, dass wir bald wieder zurück sein würden. Zuvor bat ich Vater noch um ein Geschenk für Bruna und er gab mir einen goldenen Armreif, der mit einem Rubin geschmückt war.
    Zum Abschied überreichte er Gray einen eisblauen Magierstab aus Alchimistenmetall mit den vier Himmelsrichtungen in seiner Spitze. Mit Vaters Namen würde Gray den Stab aktivieren können. Vaters Worte an ihn waren: „Ich danke Euch, dass ihr meine Tochter beschützt habt. Gebt weiter auf sie Acht, sonst werde ich Euch in Stücke reißen.“ Dann wendete er sich an Dylan und gab ihm ein Schwert mit goldenem Griff und bronzefarbener Klinge. „Auch Euch danke ich, dass Ihr meine Tochter beschützt habt, doch für Euch gilt dasselbe. Ihr hegt starke Gefühle für meine Tochter und werdet Euch über ihre Tiefe noch klar werden.“ Ich verabschiedete mich schweren Herzens von ihm und ließ ihn meine tiefe Dankbarkeit und Liebe spüren. Gray und Dylan gesellten sich augenblicklich an meine Seite, als wir ins Halfdal aufbrachen.
    Wahrscheinlich wird dir mein Bericht nicht ausreichen Mutter. Die Zeit mit Vater war sehr kurz und doch intensiv. Mein Kopf ist voll von Erinnerungen, Gedanken und Fragen und es fällt mir schwer diese in Worte zu fassen. Es ist am besten zu fragst Vater, er wird dir bestimmt mit Freuden berichten. Er kennt meine Gedanken und Gefühle, vielleicht besser als ich selbst…
    Am Abend des vierzehnten Tages kamen wir in Meliand im Gasthaus an. Dort wurden wir von Mira und Bruna begrüßt. Mira gab mir meinen Ring zurück und bedankte sich für das Geschenk. Gray und ich nahmen die beiden in den Arm und ich war froh und erleichtert, sie wiederzusehen. Doch Iros, wie man uns erzählte, war vor einigen Tagen ohne ein Wort verschwunden. Wir saßen noch eine Weile am Tisch und erzählten von unserer Reise, wobei ich eher Gray und Dylan sprechen ließ. Sie berichteten von der Begegnung mit meinem Vater und beschrieben ihn als sehr beeindruckende Persönlichkeit. Mira hätte ihn auch gerne getroffen und ich meinte, dass wir vielleicht eines Tages gemeinsam dort hinreisen könnten. Gray erwiderte, dass er sich nicht sicher ist, ob Mira ihn kennenlernen wollen würde. Hatte er solch einen Eindruck hinterlassen? Innerlich musste ich lachen, denn das hatte er sicher beabsichtigt. Mira fragte nach Dylan und mir und wann wir endlich heiraten würden, jetzt da ich ihn meinem Vater vorgestellt hatte. Das war zu viel für den Barden und er trank noch etwas mehr von seinem Wein. Ich schwieg zu dem Thema und hatte etwas Mitleid mit Dylan. Noch kannten wir uns kaum und er war kein Mensch, der sich schnell binden würde. Die Begegnung mit Vater, der doch recht bestimmende Worte zu ihm gesprochen hatte und jetzt auch noch Miras Forderung nach einer Heirat, mussten ihn überfordern.
    Wir sprachen auch über unsere weiteren Pläne und beschlossen den Winter über im Halfdal zu bleiben. Ich äußerte den Wunsch Miras Familie zu besuchen, doch sie meinte, dazu sei sie noch nicht bereit. Ihre Schwester hätte noch immer das größere Haus. Was auch immer sie damit meinte, aber ich wäre der letzte Mensch, der sie dazu drängen würde.
    Ich freue mich, dass wir wieder vereint sind und die nächsten Trideaden hier an diesem wundervollen Ort verbringen können. Nun nachdem ich Vater wiedergesehen habe, ist der Wunsch dich zu treffen noch größer geworden. Vielleicht führt uns unsere Reise irgendwann nach Fiorinde, doch wer weiß, wann das sein wird. Ich wünsche mir, dass es bald eine Möglichkeit geben wird, dich zu sehen, Mutter.
     
    In Liebe
    Enya
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