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Enyas Briefe

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12. Brief - Ceaddag, 1. Trideade Trollmond


Die Hexe

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Liebste Mutter,

nachdem wir das Halfdal schließlich verlassen hatten und in Richtung Thame aufgebrochen waren, hörten wir nach langer Zeit wieder Gerüchte über den Roten Ritter. Er schien wieder oder immer noch sein Unwesen zu treiben. Am Aonadag, 2. Trideade Rabenmond erreichten wir die ersten Ausläufer des Pengannions und kamen an ein größeres Dorf. Dort kehrten wir in das einzige Gasthaus „Zum Vielfraß“ ein. Dylan wurde von dem Wirt erkannt und da wir für musikalische Unterhaltung sorgten, bekamen wir ein Zimmer kostenlos. Während sich die Taverne mit Musik und Menschen füllte und Mira nach unserer Darbietung Dylans Hut rumgehen ließ, machte Dylan den Vorschlag uns einen Namen zu geben, denn er fand es unpassend uns als seine Begleitung vorzustellen. Ein Gedanke, der mir nicht in den Sinn gekommen wäre, doch die Vorstellung, so gemeinsam durch Alba zu reisen, zauberte mir ein Lächeln auf das Gesicht. Ich werde mir einen Namen überlegen, vielleicht habe ich eine passende Idee. Später kam Dylan mit einem weiteren Schlüssel zu mir und ich war froh, mit ihm alleine in einem Zimmer zu sein

Als der Abend weitervorangeschritten war, öffnete sich die Tür und ein Mann in Begleitung einer blass aussehenden Frau betrat das Gasthaus. Es handelte sich um Aelfrod MacBeorn, ein Mann der Wache und seine Schwester Hiladis. Sie erbaten unsere Hilfe. Sie war von Vanaspring hier her gekommen, denn die Göttin Vana hatte ihr in einer Vision aufgetragen zu dem kleinen Dorf Gileburne zu gehen. Ihr Bruder konnte sie jedoch nicht begleiten und so bat er uns, sie sicher dort hin und wieder zurück zu begleiten. Obgleich uns die Reise in Richtung Südosten und den Sumpf führen würde, beschlossen wir den beiden zu helfen. Aufgrund eines Fests brachen wir erst am Criochdag auf nach Gileburne. Dort angekommen sollten wir nach Royden, einem alten Waffengefährten von Aelfrod fragen. Am Abend teilten wir die Wache ein, doch es war eine ruhige Nacht. Am nächsten Tag gelangten wir in das Moor. Hiladis saß auf dem Wagen, doch nach einiger Zeit konnten wir nicht mehr weiter, denn sie hatte unerklärliche Schmerzen. In der Nähe stand eine kleine Schilfhütte, in die wir die Frau trugen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und sie begann zu bluten. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, sie würde ein Kind gebären. Bruna und ich kümmerten uns so gut es ging um die Frau, als wir auf einmal ein Fauchen hörten. Draußen waren drei Echsenmenschen, die uns eine Wurzel gaben, die der Frau helfen würde. Dafür wollten sie etwas Glitzerndes und bekamen die Maske, die wir damals in Crossing gefunden hatten, von Gray. Ich hatte schon befürchtet, es würde zum Kampf kommen, doch Iros beherrschte sich (erstaunlicherweise). Die Wurzel half Hiladis tatsächlich und schon bald schlief sie ein. Schließlich bauten wir eine Trage und setzten damit unseren Weg fort. Am Abend des Ljosdag kamen wir an das kleine Dorf Gileburne, das nur aus neun Hütten bestand.

Etwas stimmte dort nicht, eine seltsame Lethargie schien sich der Dorfbewohner bemächtigt zu haben. Auch Royden zeigte dieses merkwürdige Verhalten und wir erfuhren, dass seine Frau gerade erst ein Kind bekommen hatte. Sofort kamen uns Hiladis Schmerzen in den Sinn und wir fragten nach dem Zeitpunkt, welcher genau mit dem Datum übereinstimmte. Wir verließen die Hütte wieder, denn wir hatten nicht das Gefühl Hiladis unter seiner Aufsicht lassen zu können, solange wir nicht geklärt hatten, was in diesem Dorf vor sich ging. Als nächstes suchten wir den Dorfvorsteher Brannel auf. Wir erkundigten uns nach ungewöhnlichen Ereignissen, doch alles was er erwähnte waren ein paar Orte wie ein Schiffswrack im Moor und die Moortrolle. Als Hiladis am Schrein zum Gebet kniete, versammelt sich alle Dorfbewohner, doch verloren sie schnell das Interesse. Gray nahm sich einen Mann beiseite und schnitt ihn, bevor jemand etwas tun konnte, mit dem Dolch. Der Mann zeigte wenig Reaktion, noch erschien eine Wunde, jedoch blutete Hiladis an der Stelle, an der der Mann hätte bluten sollen. Damit wurde unser Verdacht endgültig bestätigt. Es war schon spät, weshalb wir uns etwas abseits im Dorf unser Lager aufschlugen. In der Nacht wachten alle durch Hiladis Schmerzensschreie auf, als sich acht Schnitte, einer nachdem anderen, auf ihren Fußsohlen abzeichneten.

Vom Dorfvorsteher erfuhren wird am nächsten Morgen von Jofrid, der Vanapriesterin die dem Dorf viel Gutes gebracht hatte, jedoch seit einem Jahr verstorben war. Sie hatte in einer kleinen Hütte außerhalb des Dorfes zusammen mit ihrem Gehilfen Woldren gelebt. Niemand außer ihm wusste, wo die Hütte sich befand. Wir beschlossen den alten Mann aufzusuchen. Doch aufgrund mangelndem Wissen und Neugierde mancher Gruppenmitglieder begaben wir uns zuerst zum Schiffswrack. Mira blieb zurück, um auf Hiladis aufzupassen. Während wir im Sumpf herum stapften ging Iros etwas voraus um nach Spuren zu suchen. Er verschwand aus unserem Sichtfeld und kurz darauf hörten wir einen Schrei. Als wir zu dem Chryseia hineilten, sahen wir wie er von den Armen eines Riesenkranken in Richtung Wasser gezogen wurde. Wir versuchten das Wesen aufzuhalten, doch es gelang uns nicht. Gray sprang Iros ins Wasser hinterher und verzweifelt versuchten Bruna, Dylan und ich die beiden zu retten. Am Ende blieb mir nichts anderes als das Tier für kurze Zeit zu verwirren, doch dadurch schwand meine Kraft in wenigen Augenblicken. Endlich tauchte Iros aus dem Wasser, doch von Gray keine Spur. Grauen überkam mich, ich trank den Krafttrunk den mir Mira gegeben hatte und warf dem Wesen mit letzter Kraft noch einen Zauber entgegen. Doch Gray tauchte immer noch nicht auf. Ich kniete mich auf den Boden und bete verzweifelt zu den Göttern, als Iros um etwas bat, was ihn schneller oder stärker machen würde. Ich gab ihn den Trank von Merstonix und betete, dass es auch tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigen würde. Iros trank ihn, nahm seine Wurfspeer, rannte auf das Wasser zu und sprang ab. In dem Moment, als er seinen Speer warf, tauchte das Wesen auf und die Waffe bohrte sich in sein Maul. Ein gellender Schrei ertönte und das Wesen versank wieder unter Wasser. Iros schwamm ans Ufer zurück und auch Gray tauchte endlich auf. Unbeschreibliche Erleichterung erfüllte mich und ich warf mich um seinen Hals. Die Tatsache, dass er über und über mit Schlamm bedeckt war, bemerkte ich erst hinterher. In dem Moment war ich einfach nur überglücklich, dass Gray überlebt hatte. Wir entschlossen zurückzugehen und uns zu erholen. Auf dem Rückweg wurde Iros von einer Schlange gebissen, doch vom Dorfvorsteher erfuhren wir, dass es sich nicht um tödliches Gift handelte. Zurück bei Mira, versuchten wir unsere Kleider zu trocknen und ich bekam eine Schüssel Wasser aus dem Dorf, sodass ich zumindest den größten Teil des Schmutzes loswurde. Nachdem einige Zeit verstrichen war, brachen wir wieder auf, doch diesmal blieb Dylan bei der Priesterin. Etwas unwohl fühlte ich mich, getrennt von ihm. Ich hätte ebenfalls bleiben können, doch ich wollte nach der Begegnung mit dem Kraken an Gray Seite sein. Auch diesmal kamen wir nicht gleich an das Schiffswrack. Vorher wurden wir von einem kleinen Wesen mit dunklen Mottenflügeln aufgehalten. Es brauchte nur ein Speerwurf von Iros und das Wesen fand den Tod, doch davor setzte es uns schwer zu. Besonders Bruna, die durch die entstehende Dunkelheit fast im Sumpf versunken und dort von Blutegeln ausgesaugt worden war. Ich werde den Zauber Bannen von Dunkelheit lernen, so etwas soll uns nicht noch einmal passieren. Endlich kamen wir an das Schiff, welches jedoch meterweit im Sumpf lag. Ich konnte Gray und somit den Rest der Gruppe davon überzeugen, vom dem Wrack abzulassen und zum Lager zurückzukehren. Dort hörten wir uns noch einmal wegen der Hütte um, doch niemand konnte uns etwas sagen. Bruna musste sich von den Ereignissen erholen und blieb beim Zelt. Als wir gerade dabei waren nach Spuren im Wald zu suchen, kam uns ein alter Mann entgegen. Wir vermuteten, dass es sich um den Gehilfen handelte und sprachen ihn an. Er fragte uns, was wir hier wollten und bat uns zu gehen. Er war der erste, der dies getan hatte und so verstärke sich unser Misstrauen ihm gegenüber. Er weigerte sich uns zu seiner Hütte zu führen, doch schließlich willigte er ein. Auf unserem Weg kamen wir an eine Schlucht. Woldren wollte uns dort an einem Seil herunterlassen. Wir vermuteten eine Falle und Gray versetzte den alten Mann in Schlaf. Er wurde gefesselt und geknebelt. Gray weckte den Mann auf und begann ihm Fragen zu stellen, doch er konnte ihm noch nicht einmal antworten. Ich hatte mir das Geschehen lang genug angeschaut. Auch wenn wir den Mann verdächtigten, ging diese Behandlung zu weit. Ich nahm ihm den Knebel ab. Ein großer Fehler, wie sich kurz darauf herausstelle. Wir ließen uns an einem Seil in die Senke hin ab und begannen sie zu durchqueren. Woldren führte uns, doch nach einer Weile gellte der Pfiff des Mannes durch die Stille und der Boden vor uns brach auf. Aus dem Loch sprang ein Wesen, wie wir ihm schon einmal begegnet sind. Ein Schlammteufel. Ich schrie den anderen eine Warnung zu und begann zurück zu eilen. Ich hatte nur deine Worte im Kopf, sodass ich nicht nachdachte, was ich tat. Dann waren alle am Ende der Senke, nur Gray nicht. Er stand noch dort mit Woldren und der Schlammteufel wendet sich ihnen zu. Schon wieder fürchtete ich um Grays Leben, doch er warf den alten Mann dem Tier entgegen und rannte zu uns. Das Schauspiel was folgte, war grauenvoll, der Mann wurde von dem Tier in tausend Stücke zerfetzt. Hätten ich gewusst, was sei Tod bedeutete, ich hätte mich trotz der Gefahr ohne zu zögern auf den Schlammteufel gestürzt. Es grämte mich, dass der alte Mann so einen Tod gefunden hatte. Noch wussten wir kaum etwas über ihn, auch er mochte seine Gründe für sein Handeln gehabt haben. Als wir nach oben geklettert waren, standen wir vor zehn Echsenmenschen, die begannen uns zu umkreisen und anzufauchen. Wir konnten sie beruhigen und fragten ob sie uns zur Hütte von Joyfrid bringen könnten. Im Gegenzug wollten sie etwas Glitzerndes habe, doch niemand schien derartiges bei sich zu haben. Ich löste meinen rechten Ohrring und gab ihn schweren Herzens an den Echsenmenschen. Ich konnte die Tränen nicht verhindern, als ich Vaters Geschenk für immer aus meinen Händen gab. Die Wesen führten uns sicher durch den Wald und das Moor, bis wir schließlich an eine Hütte kamen. Drinnen entdeckten wir einen Raum mit einem Steinalter, auf dem ein Skelett lag, daneben ein Buch und eine mit Dornen besetzte Peitsche. Plötzlich erklang Dylans Stimme hinter uns und der Geist Joyfrids materialisierte sich über dem Skelett. Wir erfuhren, dass sie, nachdem sie ins das Dorf gekommen war, ihr ganzen Leben für die Dorfbewohner aufgeopfert hatte. Sie hatte die Menschen von ihrem Unglück befreit und das Paradies geschaffen, indem sie ihren Schmerz auf sich genommen hatte. Obgleich Dylan sich nicht mehr bewegen konnte, sah ich an seinen Augen, dass er alles mitbekam. Ich war erschüttert über die Taten der Priesterin und versuchte sie vom Gegenteil zu überzeugen. Denn wo kein Schmerz war konnte auch keine Freude, kein Glück sein. Gray nahm die Peitsche und hieb damit auf den Geist. Die Peitsche fuhr durch sie hindurch, stattdessen hatte Gray sich selbst die Wunde zugefügt. Außer mir vor Wut und Entsetzten nahm ich Dylans Schwert und hieb damit auf die Peitsche. Doch alles was ich damit erreichte, war ein verärgerter Geist, der mich angriff. Ich schaffte es dieses entsetzliche Werkzeug zu zerstören, doch es ändere nichts. Sie ließ dann von mir ab und ich hatte Zeit Gray zu verbinden. Ich versuchte den Geist weiter zu überzeugen, doch es war aussichtslos.

Wenn wir versuchten ihr zu schaden, erlitten wir die Schmerzen. Wenn wir jedoch den Angriff jedoch gegen uns selbst richteten, schien der Geist leicht zu verblassen. Dennoch widerstrebte es uns, uns selbst zu verletzten, umso mehr, da sie uns dazu aufforderte. Gray hatte Zweifel, ob nicht Hiladis ebenfalls unsere Schmerzen spüren würde und so ließen wir von dem Geist ab. Es war schon spät, wir waren erschöpft und verwundet und zogen uns zurück. Wir suchten uns ein Zimmer und verbrachten dort die Nacht. Am nächsten Morgen bot Dylan an, nach der Priesterin zu schauen. Ich wollte ihn begleiten, denn es war wahnsinnig durch dieses Moor alleine zu gehen. Doch Dylan hielt mich zurück. Er war wieder einmal besorgt um mein Wohlergehen und sah mich lieber in Sicherheit bei den anderen. Wut und Panik mischten sich in meinen Inneren, warum sah er nicht auch meine Sorge? Warum wurde mir nicht erlaubt, aus Sorge um das Wohlergehen eines geliebten Menschen, zu handeln. Als Dylan aus der Hütte trat, wollte ich ihm folgen, doch Mira hielt mich fest und aus den Augenwinkeln sah ich Gray mit einem Säckchen spielen. Zähneknirschend gab ich auf und begab mich in tiefe Meditation. Ich flehte die Götter an Dylan zu beschützen. Danach versuchte ich etwas zu ruhen, doch ich konnte nicht in den Schlaf finden.

Nun sitze ich hier und habe das Gefühl, die Zeit ist stehengeblieben. Tage sind schon vergangen, seitdem ich auf Dylans Rückkehr warte. Die Angst greift mit ihren kalten Fingern nach meinem Herzen. Meine Gedanken sind ein Chaos aus Sorgen, Furcht, Fragen und Müdigkeit. Ich wünsche, dass endlich morgen wird. Er wird zurückkommen.

Ich werde noch einmal versuchen zu schlafen.

Gute Nacht, Mutter.

 

In Liebe

Enya

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