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Enyas Briefe

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6. Brief - Myrkdag, 2. Trideade Schlangenmond


Die Hexe

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Liebste Mutter,

wir sind endlich im Halfdal angekommen und hier scheinen meine Sorgen schon nicht mehr so schlimm. Es ist als seien wir in eine andere Welt abgetaucht.

Nun, um von vorne zu beginnen. Wir setzten unsere Reise mit Begor am Naondag fort. Nachdem wir uns mit Bruna ausgetauscht hatten, wurden mir Fragen bezüglich des Feuervorfalls gestellt. Das einzige was ich dazu sagte, war, dass ich ihnen auf ihre Fragen keine Antwort geben könnte. Ich habe es dir versprochen Mutter und selbst weiß ich auch, dass es besser ein Geheimnis bleibt. Ich hätte ihnen von dem Zauber, der dies möglich macht erzählen können, aber es wäre eine Lüge gewesen.

Ich hatte mich die letzten Tage kaum gewaschen, die Möglichkeit in Twineward ins Badehaus zu gehen, war mir verwehrt geblieben. Mich verlangte es danach, mich endlich einmal wieder richtig sauber zu bekommen. Ich hatte Glück, denn noch an diesem Tag, entdeckten wir einen kleinen Wasserlauf. Doch kaum hatte ich angefangen mir den Schmutz vom Leib zu waschen, als ich einen Ruf hörte und mir vier Gestalten entgegenkamen. Hastig zog ich meine Kleider über und kauerte mich auf den Boden. Den Göttern sei Dank, denn auch die anderen waren aufmerksam geworden und eilten mir zu Hilfe. Der Waldläufer war der Meinung er hatte Maserungen auf meiner Haut entdeckt. Doch sie ließen sich überzeugen, von mir abzulassen und zogen ihres Weges. Wieder einmal war ich dankbar, besonders Gray, der sich schützend vor mich gestellt hatte. Ich nahm den Rat von Dylan an und ließ ihn mich begleiten. Diesmal konnte ich mich mehr oder weniger in Ruhe waschen, auch wenn ich den Barden, der mir den Rücken zugewendet hatte und Mira, die meinte von Weitem zusehen zu müssen, genau im Blick behielt.

Im Verlauf des Tages, als Dylan und ich gemeinsam ein Lied sangen, kam eine Katze mit Flügel zu uns und setzte sich auf Dylans Schoß. Ich war entzückt solch ein Wesen zu sehen. Iros lockte es mit Honig von uns weg und gab es Gray. Etwas später begab ich mich zu ihm und erzählte, dass ich das Tier mit Magie an mich binden könnte, doch dafür müsste es eine bestimmte Zeit bei mir bleiben. Er übergab mir die Katze und dazu ein kleines Töpfchen Honig. Und ein weiteres Mal war ich ihm dankbar.

An diesem Tag habe ich auch das Lied, welches ich dir geschickt hatte gesungen, als ich hinter Dylan auf seinem Pferd saß. Später kam er zu mir und erkundigte sich, ich antwortete ihm, dass es nicht von mir handelte, jedoch von meiner Mutter. Danach ritt er eine Weile schweigend und in Gedanken versunken weiter.

Am Abend schlugen wir unser Lager auf und gemeinsam mit Mira übernahm ich die erste Nachtwache. Die Katze blieb die Zeit über bei mir und ich nahm sie mit ins Zelt, als ich mich schlafen legte.

Am Aonadag setzten wir unsere Reise durch das Hochland fort. Als Dylan und ich zu einem Lied anstimmt hatten, setzte Mira mit schriller Stimme ein. Daraufhin flog die Katze davon und war mit nichts mehr zurück zu holen. Etwas enttäuscht war ich schon, aber ich hatte die Hoffnung, dass sie vielleicht wieder kommen würde, noch hatte ich Zeit bis zur Vollmondnacht. Nach einiger Zeit begegneten wir noch einem Gnom, der seinen Esel suchte und sich über seinen verschwunden Begleiter, ein Druide, den wir am nächsten Tag ebenfalls trafen, beschwerte. Ansonsten verlief der Tag ohne weitere Vorkommnisse und am Abend übernahm ich wieder die erste Nachtwache mit Mira. An Miras Abneigung gegen den Barden hatte sich leider immer noch nichts verändert, ich versuchte zu beschwichtigen, doch bin ich mir nicht sicher ob, mir dies gelungen ist.

Am dritten Tag unserer Reise, am Dosandag, trafen wir am Abend, als wir unser Nachtlager aufschlugen, ein seltsames Wesen. Es stellte sich als ein Faun, ein Naturgeist mit dem Namen Krom vor. Er war ein recht heiterer Geselle und spielte wunderschöne Melodien mit seiner Flöte. Er behauptete auch eine gewisse Art von Magie zu beherrschen, weshalb ich ihm meine Haut zeigte und fragte, ob er irgendeine Möglichkeit hätte, sie wieder in ihrem normalen Zustand zurückzubringen. Er verneinte, jedoch bot er uns an, in die Zukunft zu schauen. Dies konnte er allerdings nur in der Gruppe tun, denn laut seinen Worten waren wir eine Gemeinschaft. Ich hatte von dieser Art von Magie schon gehört, sie nannte sich Orakelkunst. Wir alle durften eine Frage stellen. Mira erkundigte sich nach dem Halfdal, worauf hin der Faun rätselhafte Antworten gab. „Die Gefahr ist kleiner als es scheint, und doch größer als man vermuten mag. Das Süße bringt den Tod.“ lauteten in etwa seine Worte. Nach Iros stellte ich als nächstes meine Frage. Hätte ich nur seine Antwort vorher erahnt, ich hätte meinen Mund nie aufgemacht. Ich wollte wissen, ob es für Gray und mich im Halfdal eine Möglichkeit geben würde, unsere Haut wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen. Die Antwort des Fauns für Gray war folgende: „Die Haut zeigt dein Wesen, doch ich sehe keine Möglichkeit in nächster Zeit, daran etwas zu ändern.“ Mich fragte er, warum ich mein Wesen verleugne. Ich war zu erschrocken, als dass ich etwas auf seine Frage erwidern konnte. Er wollte noch weiter sprechen, doch ich gebot ihm zu schweigen. Gray setzte an seine Frage zu stellen, doch überlegte er es sich anders. Ich kann mir denken, was er den Faun fragen wollte. Bruna erkundigte sich nach dem Wetter, offensichtlich kann sie mit dieser Art von Magie, allgemein mit der arkanen Kunst und den Wundern der Welt, nichts anfangen.

Ich hatte das große Bedürfnis alleine zu sein und so zog ich mich zurück. Ich wollte auch den Fragen der anderen erst einmal entgehen, denen ich mich jedoch früher oder später zu stellen hatte. Dylan folgte mir natürlich und um mich abzulenken, bat ich ihn mir ein paar Geschichten von seinen Reisen zu erzählen. Dabei beobachtete ich ihn genau. Er scheint schon einiges auf sich zu halten, anderseits kann ich es nachvollziehen, wenn er sich vor mir mit Lorbeeren schmückt. Er hat keine anderen Frauen erwähnt, jedoch bin ich mir sicher, dass es sie gegeben hat. Als Barde mit seinem Aussehen ist es wohl nicht verwunderlich, dass er ein Weiberheld ist. Und doch, er hat mich noch nicht aufgegeben, auch wenn ich es ihm nicht gerade einfach mache. Er nimmt mich sogar mit meiner Schuppenhaut an. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht so recht, was ich tun soll. Nun ja, solange er nichts versucht, muss ich mir darüber erst mal keine Gedanken machen. Momentan gibt es andere Dinge, die meine Aufmerksamkeit bedürfen.

Während ich mich mit Dylan unterhielt und auch noch später, als Mira und ich unsere Nachtwache antraten, hatten Gray und Iros die Köpfe zusammen gesteckt. Das Gespräch wurde mit der Zeit immer lauter und heftiger. Als ich hinüber ging und nachfragte, wurde es sofort still. Hatte ich vorher nur den Verdacht, wusste ich nun mit Sicherheit, dass sie über mich redeten. Wie hatte es nur so weit kommen können, in so geringer Zeit? Keine drei Trideaden waren vergangen, seitdem ich Gray, Mira und Bruna getroffen hatte. Ich versuchte ihrem Gespräch zu lauschen, doch mehr als ein paar Wortfetzten konnte ich nicht verstehen. Irgendwann stand Gray sichtlich verärgert auf und beendete das Gespräch mit harschen Worten. Er stapfte zum Zelt, ich ging im hinterher und erkundigte mich, ob alles in Ordnung sei. Doch er wollte nicht mehr darüber reden. Ich ließ von ihm ab, doch als er das Zelt betrat, machte Bruna den Fehler, ihn anzusprechen, woraufhin er schreiend aus dem Zelt gerannt kam und sich vom Lager entfernte. Ich nahm den Topf Honig, den er mir gegeben hatte und folgte ihm. Wenige Meter vor ihm wurde es eisig kalt, so dass ich hastig den Honig vor ihm abstellte und mich dann schlafen legte.

Am nächsten Morgen brachen wir auf und ich gesellte mich sogleich zu Gray und versuchte ein unverfängliches Gespräch mit ihm anzufangen. Als wir gerade dabei waren die Vorhersage des Fauns bezüglich der Süßen Gefahr zu erörtern, kam Iros auf uns zu. Es drohte erneut, eine Diskussion auszubrechen, als auch noch Dylan hinzu kam. Doch es kam nicht dazu und Iros wollte mich für einen Moment unter vier Augen sprechen. Seine Frage erschütterte mich zutiefst, auch wenn ich eigentlich damit hätte rechnen müssen. „Enya, seid Ihr wirklich ein Mensch?“ Erst einmal folgte Schweigen seiner Frage und ich meinte dann, ich könnte ihm keine Antwort geben. Er erwiderte, das sei schon eine Antwort und meinte, etwas Uraltes würde in meinem Blut fließen. Ich war aufgewühlt, bestürzt und wiederholte immer wieder, dass ich ihm nichts Weiteres dazu sagen könnte. Irgendwann ließ er von mir ab. Ich ging zu Dylan, stieg schweigend hinter ihm auf, legte meinen Kopf auf seine Schultern und konnte nicht verhindern, dass Tränen meine Wangen hinab rollten. Ich war ihm dankbar, dass er mich einfach schweigend bei sich sitzen ließ.

Als sich der Tag dem Ende neigte, gelangten wir endlich an unser Ziel. Wir betraten den sagenumwobenen Knicks, die Hecke, die das Halfdal umgibt und augenblicklich kehrte ein innerer Frieden in mir ein. Ich fühlte mich trotz allem, was passiert war, sicher und wohl. Dennoch behielt ich die Prophezeiung des Fauns und Grays Vision in seinem Traum in meinen Gedanken. Wir schlugen unser Nachtlager auf und zur Feier des Tages gab Begor uns von seinem Bier und Wein. Bis auf ein Becher von dem köstlichen Halblingsbier trank ich nichts. Bei Gray, Bruna und Dylan sah das jedoch anders aus. Iros überredete sie auf einen Trinkwettkampf, wobei er selbst nur Wasser trank. Ich versuchte sowohl Gray als auch Dylan davon abzuhalten, zumal ich es recht unhöflich fand, am nächsten Morgen mit einem Kater die Halblinge zu begrüßen, doch der Ruf des Alkohols war wohl stärker. Nach einiger Zeit kam zu meiner Freude die Flugkatze wieder und setzte sich auf meinen Schoß. Irgendwann hatte ich genug von den mittlerweile schon deutlich angetrunkenen Herren und entfernte mich mit der Katze. Da es Vollmond war zauberte ich Binden des Vertrauten auf das Tier und legte mich dann schlafen. Doch noch bevor das große Trinken begonnen hatte, fragte ich Gray bezüglich seines Gesprächs mit Iros. Er weigerte sich mir etwas darüber zu erzählen, sagte jedoch offen in die Runde, dass er so etwas nicht mehr erleben möchte und sollte noch einmal jemand versuchen gegen einen aus der Gruppe zu hetzten, hätte er kein Problem damit, sich dieser Person zu entledigen. Harsche, klare Worte, denen Schweigen folgte.

Es war Myrkdag, 2. Trideade Schlangenmond, als wir den ersten Ort im Halfdal erreichten. In Everbras, im Osten des Halfdals, verließen wir Begor, nachdem er uns ausgezahlt und sich bedankt hatte und begaben uns in ein Gasthaus, wie wir es noch nie gesehen hatten. Ich denke nicht, dass ich dir beschreiben muss, wie es im Halfdal aussieht, du wirst es aus Erzählungen wissen oder warst vielleicht schon einmal selbst dort, du hast mir davon nie erzählt. Wir speisten dort und ich rührte als einzige nichts von dem Nachtisch an. Gray kostete zum ersten Mal Eis und vergaß darüber komplett seine Tischmanieren, wobei er, glaube ich, auch sonst nicht besonders viele hat. Ich sollte ihn eigentlich davon abhalten Süßes zu essen, doch ich sah schon nach dem ersten Essen ein, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit sein würde.

Später machten wir die Bekanntschaft mit einem Halbling namens Fulidoc Neglerôl. Für einen Halbling war er recht ungepflegt und stellte sich als Abenteurer vor. Er erzählte und von den Wettkämpfen, es gab auch einen musikalischen, und vom Briefkasten suchen. Wir verabredeten, nach dem Pfeifenkrautfest im Zehnbrotmoor Briefkästen zu suchen. Dylan fragte mich, ob wir den morgigen Tag zusammen verbringen wollten. Mit Freude stimmte ich zu, in der Hoffnung endlich meine Singkünste etwas zu verbessern. Am Abend legten wir uns schlafen und verbrachten die Nacht seit langen wieder in einem Bett. Ich hatte auch endlich die Möglichkeit mich zu waschen, ohne befürchten zu müssen, entdeckt zu werden.

Das Peifenkrautfest wird in zwei Tagen sein. Wir werden es wahrscheinlich hier in Meliand verbringen. Ich bin gespannt, was wir noch hier in der Heimat der Halblinge erleben werden.

Es betrübt mich sehr, dass ich mich immer noch unter meinen Kleidern verstecken muss. Wie gerne würde ich mich frei bewegen, mit den freundlichen Halblingen mich unterhalten, lachen und singen. So sehr mich dieser Ort mit Frieden füllt, er kann mit jedoch nicht gänzlich meine Sorgen und Befürchtungen nehmen. Was wird passieren? Ich bezweifle dass die Sache für Gray und die anderen erledigt ist. Was ist wenn sie sich mit meinem Schweigen nicht mehr zufrieden geben? Oh Mutter, wie kann ich ihr Vertrauen weiterhin erhalten und bei der Wahrheit bleiben, ohne mein Versprechen zu brechen? Sie sind der Antwort schon so nahe, so beängstigend nahe, besonders Iros. Ich frage mich woher er so viel weiß, wo er mich doch am wenigsten kennt. Und was werden sie tun, wenn sie es erfahren? Ich möchte ihnen vertrauen, besonders Gray, aber wir kennen uns kaum eine Trideade, ist das Vertrauen, der Respekt, die Akzeptanz, die Zuneigung groß genug, dass sie mein wahres Wesen annehmen werden? Wann wurden mir Gray, Mira und Bruna so wichtig? Und was ist mit Dylan? Eigentlich sollte es mich nicht besonders interessieren, doch ich kann nicht anders, als mir zu wünschen, dass er mich akzeptiert und anerkennt.

Und was würde Vater zu all dem sagen? Wird er enttäuscht sein, dass ich so wenig fähig bin mein Wesen zu verbergen? Ganz zu schweigen von den vielen Dummheiten, die mir auf meiner Reise passiert sind, ich kann es immer noch nicht fassen. Nun, es ist geschehen, ich sollte aufhören mich darüber zu grämen und lieber nach vorne blicken. Ich habe viel daraus gelernt, das hoffe ich zumindest.

Ich wünsche mir wirklich sehr Teck zu sehen. Aber wie erkläre ich es den anderen, zumal ich sie ungerne verlassen würde, aber das hieße, dass ich sie mit ins Pengannion und damit zu Vater nehme. Möchte ich, dass sie ihm begegnen und was ist seine Meinung dazu? Nun, wenn er nicht möchte, dass sie ihn sehen, wird er sich wohl einfach nicht zeigen. Viel gilt es die nächsten Tage zu überdenken und zu entscheiden. Möge er mir dabei beistehen und mich leiten. Danke für deine Antwort und dass du dich der Sache mit Bernardo annimmst.

In Liebe

Enya

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