Als Ex-Midgärdner, der zur Zeit praktisch nichts anderes als D&D 3E spielt, möchte ich auch mein Scherflein zum diesem Thema beitragen.
Der Grund, warum ich umgestiegen bin, ist derselbe, der mich Ende der Achtziger dazu bewegt hat mit Midgard anzufangen. Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich für das System, das mir die größere Freiheit gibt, meinen Charakter so zu gestalten, wie ich das will.
Das neue D&D erlaubt erlaubt relativ freies Multiclassing, d.h. beim Erreichen einer neuen Stufe ist es z.B. ohne weiteres möglich seinem Waldläufer eine Magier- oder Priesterstufe hinzuzufügen, immer vorausgesetzt natürlich der Spielleiter stimmt zu. Die lästige EP Buchhalterei fällt weg, beim Erreichen einer neuen Stufe erhält man je nach Klasse eine bestimmte Anzahl von Fertigkeitspunkten. Klassenfertigkeiten kosten einen Punkt pro Rang, Nichtklassenskills zwei Punkte pro Rang. Je nach Klasse, gibt es alle paar Stufen eine nette Sonderfähigkeit. Sicher diese Freiheit öffnet Powergamereien Tür und Tor, aber es ist Sache des Spielleiters das zu verhindern.
Nebenbei bemerkt, ist auch ein Charakter mit mittelmäßigen Werten (im Bereich von 10-14) durchaus spielbar, da die Attributsboni gleichmäßig gestaffelt sind. Auf Midgard übersetzt, hätte so ein Charakter nur Werte im 40er bis 60er Bereich. Wenn ich da an die Midgardcons zurückdenke, die ich so besucht habe, lachten mich da immer von Charakterblättern meiner Mitspieler 3-4 80er und 90er Werte an, und eine 100 war auch so gut wie immer dabei.
Die Würfelprozeduren sind denen von Midgard teilweise verdächtig ähnlich. 1W20 + Fertigkeitsbonus + Attributsbonus muß ein bestimmtes Ziel erreichen, das nicht wie bei Midgard standardmäßig bei 20 liegt, sondern je nach Situation variiert. Diese Würfelmechanik gilt für Fertigkeits-, Rettungs-, und Angriffswürfe, sowie Attributsproben. Es gibt dieselben drei Schutzwürfe wie bei Midgard, und die Starwars Variante hat sogar ein LP/AP system. Der Umstieg ist also relativ leicht.
Die Open Gaming Licence hat bewirkt, daß neben einigem Mist doch auch einige reizvolle Sachen erschienen sind, wie z.B. die Kingdoms of Kalamar von Kenzer, die Scarred Lands von White Wolf, das Dragonstar Setting von Flight Fantasy, sowie die demnächst erscheinenden Iron Kingdoms von Privateer Press, einem Mantel und Degen Setting.
Die Tatsache, daß amerikanische Spieleverlage D20 Versionen von ihre bereits etablierten Regelwerken herausbringen, macht es leicht auch mal über den Gartenzaun zu schauen, und was Neues auszuprobieren. Es gibt schon erfolgreiche D20 Versionen von Cthulhu, Deadlands, Fading Suns Legend of the Five Rings, und demnächst auch Traveller.
Die zwei Händler meines Vertrauens machen zur Zeit, obwohl es außer dem Spielerhandbuch kaum etwas auf Deutsch gibt 40-50% ihres Rollenspielumsatzes mit D20 Material. Nun sieht es so aus, als ob Amigo, der deutsche D&D Lizenzinhaber seine Schwierigkeiten mit Hasbro bereinigt hat, und man noch dieses Jahr mit dem deutschen Spielleiter Set und dem Monsterhandbuch rechnen kann. Sobald mit der Sprachbarriere die letzte Hürde gefallen ist, muß sich alles andere, ob es nun DSA oder Midgard heißt warm anziehen.Irgendwelchen Sprünge über den großen Teich dürften sich dann erübrigen.
Denn seien wir mal ehrlich, wo bleibt der Nachwuchs? Ich habe kürzlich einen Versuchsballon gestartet. Auf den Wunsch einer alten Bekannten, habe ich für ihren 13-jährigen Sohn, und seine gleichaltrigen Kumpels eine Rollenspielrunde ins Leben gerufen. Unter den Systemen, die ich zur Auswahl stellte, war natürlich auch Midgard. Nach einem Blick auf die Formel für das Einleiten eines Handgemenges war das Sytem gestorben.
Originalzitat: Das sieht ja genauso aus, wie die Formeln, die unser Mathelehrer an die Tafel schreibt.
Also sind wir mit D&D angefangen. Die Chancen, daß diese Kids irgendwann mal bei Midgard landen ist minimal. Sorry, aber dazu ist das System inzwischen zu bieder geworden.
Wenn ich an die Midgardcons denke, die ich besucht habe, waren dort überwiegend 30er und 40er wie ich anzutreffen. Der Nachwuchs bestand aus 3-4 ob dieser Altherren- und Damenriege doch etwas verschüchterten Teenagern. Jetzt mögen so manche sagen, was kümmert uns das?
Tja, Kein Nachwuchs = kein Umsatz = keine neuen Produkte = Tod des Systems.
Das Ende könnte folgendermaßen aussehen:
Mechanische Roboterstimme: Wir sind D20. Bereiten Sie sich darauf vor, assimiliert zu werden. Widerstand ist zwecklos.