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Die Hexe

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Blogbeiträge von Die Hexe

  1. Die Hexe
    Wir sind wieder in Thame angekommen. Unseren Auftrag haben wir erfüllt. Wir konnten alle drei Insignien bergen und nun sind sie wieder in den Händen der Zwerge. Meinen Gefährten, abgesehen von Golrek, dem der Rückweg durchs Gebirge ordentlich zugesetzt hat, geht es gut. Trotz der Schrecken, die wir bei unserer Suche noch erlebt haben. Wir waren nicht die einzigen gewesen, die etwas in der Binge gesucht hatten. Als wir im Inbegriff waren die Binge zu verlassen, kam ein Mann auf einem fliegenden Dämon, um einen weiteren Orcsstamm unter sich zu vereinen. Er war mutig und mächtig genug um sich dem Drachen zu stellen, welcher über die Orcs herrschte.
    Als Golrek den Mann beschrieb, wäre mir um ein Haar sein Name über die Lippen gekommen. Thalion. Er weckte Erinnerungen an Niertalf, an eine Zeit in der Enya noch gemeinsam mit ihren Gefährten gefährliche Abenteuer erlebt hatte. Dieses neuste Ereignis ist zutiefst beunruhigend und macht deutlich, dass die Gefahr durch den Herrn der Nebelberge und seine Schergen – welche Pläne sie auch immer verfolgen – nicht zu verachten ist. Doch Edana sollte vom Herrn der Nebelberge, Thalion und den Geschehnissen in Niertalf nichts wissen. Ich hätte mich damit verraten.
    Mittlerweile muss ich mir darüber keine Sorgen mehr machen, nicht mehr darauf achten was ich sage. Es gibt keine Geheimnisse mehr und das ist gut so.
     
    Ich habe es mir so einfach gemacht und doch so schwer. Jetzt wo die Worte ausgesprochen sind, frage ich mich wie ich sie so lange in mir behalten konnte. Erleichterung erfüllt mich. Der geteilte Schmerz ist so viel erträglicher. Und dann sind da noch Grays Worte. Worte, die mein Kopf nicht fassen kann und mein Herz doch voller Hoffnung glauben möchte.
    Ich hatte Gray in der Zwergenbinge gesagt, dass ich ihm etwas zu erzählen hätte und mir damit jegliche Ausflucht genommen. Ich wusste, wenn ich nachdem wir in Thame angekommen waren nicht zeitnah an ihn herantreten würde, würde er mich von sich aus ansprechen. So wählte ich einen Moment in Rumildas Herberge in dem wir ungestört waren, um mich ihm zu offenbaren. Glannis, Golrek und Nissyen hatten sich bereits zu Bett begeben.
    Ich hatte Angst. Angst vor Grays Reaktion. Wäre er wütend, weil ich ihm etwas verschwiegen hatte. Würde er mein Schweigen als Lügen betrachten? Würde ihn der Verlust von Dylan zu sehr schmerzen? Würde er mich überhaupt noch nach meinem Geständnis an seiner Seite haben wollen? Was war seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten passiert, wo war der Rest unserer Gefährten, Mira, Kirschli und Salomon? Es fiel mir schwer einen Anfang zu finden, doch als ich erst einmal begonnen hatte, flossen die Worte wie Lava aus einem ausbrechenden Vulkan. Es war gut so, Gray musste erfahren was seit unserer Trennung geschehen war, er hatte ein Recht darauf vom Tod seines Freundes zu erfahren. Er sollte nicht länger in dem Irrglauben bleiben, ich könnte mich nicht an ihn erinnern.
    Zuerst begann ich mit Feuermal. Wie es mich zu ihm und den anderen geführt hatte. Dann gab ich zu meine Erinnerungen wiederzuhaben. Alle. Bevor Gray mich unterbrechen konnte und meine Entschlossenheit ins Wanken geriet, sprach ich über die Ereignisse in Glamis. Manches führte ich nicht aus und Gray fragte nicht weiter nach. Dafür war ich ihm dankbar. Selbst wenn der Albtraum durch die Seelenheilung gemildert worden war, blieben es dennoch furchtbare Erinnerungen von denen niemand erfahren musste. Schließlich erzählte ich Gray von Dylans Tod. Da überraschte er mich, als er meinte, er habe anderes gehört. Anscheinend hatte Glannis Dylan an der Bardenschule in Erainn getroffen. Das bedeutet er lebt noch! Aber wie ist das möglich? Sandrina hat ihn doch von seinem Tod gesprochen und dann vor meinen Augen das Gift eingeflößt. Hatte ich mich etwa getäuscht? War mein Geist schon so verwirrt gewesen durch all die Schrecken und Schmerzen?
    Mein erster Gedanke war, dass ich ihn suchen muss. Ich war davon ausgegangen, dass Gray den Wunsch Dylan wiederzusehen und sich zu vergewissern, dass er lebt mit mir teilt, doch ich hatte mich getäuscht. Als er über Dylan sprach wurde mir unmissverständlich klar, dass er ihn für das was geschehen war verantwortlich machte. In seinen Augen hatte Dylan mich nicht beschützt, obwohl sie es beide vor Vater geschworen hatten. Es schmerzte mich Gray so zornig auf seinen ehemals guten Freund zu erleben. In meinen Augen trifft Dylan keine Schuld. Wer auch immer diese Menschen waren, ich war ihr Ziel gewesen. Wie hätte Dylan davon wissen können? Und wenn dieser Mann tatsächlich ein Feind meiner Mutter ist, dann hätten auch Gray und Dylan gemeinsam nichts gegen ihn ausrichten können. Ich möchte mir gar nicht ausmalen wie mächtig er ist und wie viel Glück ich hatte, ihm zu entkommen. Aber so ist Gray nun einmal, ich bin fast froh, dass er mich nicht begleitet hat. Er hätte sich das selbst nie verzeihen können.
    Er war auch zornig, weil Dylan den Kummer über meinen Verlust in Alkohol ertränkte, anstatt mich zu suchen oder zumindest zurück zu kommen, um den anderen von den Geschehnissen zu berichten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dylan ebenso von meinem Tod überzeugt war, wie ich von seinem. Ein Grund mehr ihn zu suchen. Ich muss ihm sagen, dass ich noch am Leben bin. Er soll nicht weiter einen Verlust betrauern, den es nie gegeben hat. Doch warum ist er noch am Leben? Ist er ebenfalls entkommen oder haben sie ihn gehen lassen? Warum ist er nicht zu Gray zurückgekehrt? Vor was hatte er so Angst, dass er nach Erainn geflohen ist?
    Wenn Glannis Geschichte stimmt, hat er das Lied welches wir gemeinsam begonnen hatten zu Ende geschrieben. Wie gerne würde ich es hören und gemeinsam mit ihm singen. Und doch, je mehr ich darüber nachdenke, desto größere Zweifel kommen mir. Wie soll ihn ihm nur begegnen, nach allen was geschehen ist? Ist es für ihn nicht sicherer, er ist nicht an meiner Seite? Vielleicht ist es besser, ihn in dem Glauben zu lassen, ich sei tot, sodass er nachdem er den Verlust verwunden hat neues Glück finden kann. Ich würde es ihm wünschen. Mit uns so lange zu verweilen, an meiner Seite zu bleiben, hat ohnehin nie seinem Wesen und Vorstellungen entsprochen. Und dann ist da noch Grays Zorn auf ihn. Ich kenne Gray gut genug um zu wissen, dass eine Begegnung der beiden keine gute Idee ist, auch wenn mein Herz es sich anders wünscht. Vielleicht kann ich Dylan eine Nachricht zukommen lassen, welche ihn von seinem Schmerz erlöst und dennoch eine Suche nach mir verhindert… Bevor ich jedoch dafür zur Feder greife, muss ich mir darüber in Ruhe Gedanken machen und entscheiden, was ich möchte.
     
    Gray erzählte mir, dass unsere Gefährten sich nach meinem Verschwinden einer nach dem anderen verabschiedet hatten. Zuerst kehrte Kirschli, die wir ohnehin noch nicht lange kannten, zurück in ihre Heimat, das Halfdal. Salomon kehrte ebenfalls alsbald Thame den Rücken und damit dem Warten auf Dylans und meine Rückkehr. Nun, mit ihm war es von Anfang an nicht leicht gewesen, so überrascht es mich wenig. Als letzte verließ, nach ein paar Auseinandersetzungen mir Gray, schließlich Mira die Stadt, über ihren Verbleib weiß er nichts. Dass sie nicht mehr bei ihm ist, nicht bereit war auf unsere Rückkehr zu warten oder sich auf die Suche nach Dylan und mir zu machen schmerzt mich wohl am meisten.
    Seit unserer Trennung in Thame und dem was danach folgte, haben wir uns alle verändert. Ich habe das Gefühl, etwas ist zerbrochen. Unsere Bande, die ich für stark gehalten habe sind einfach zerbrochen. Das Schlimmste daran ist, dass ich mir dafür die Schuld gebe. Ich hätte den Brief als eine Fälschung identifizieren können, hätte seinen Inhalt hinterfragen müssen. Mutter hätte andere Mitteln und Wegen gehabt mich schnell zu sich zu bringen. Ich hätte es besser wissen sollen, dann wäre uns viel Leid erspart geblieben.
    Nun sind es nur noch Gray und ich. Ich bin froh, dass ich ihm endlich die Wahrheit erzählt habe. Und doch mache ich mir hingegen aller Hoffnung nichts vor. So einfach können wir nicht zu dem zurückkehren was war. Ich kann nur hoffen, dass Gray unser Band genauso wichtig ist wie mir. Jetzt wo ich wieder bei ihm bin, weiß ich wie sehr er mir gefehlt hat. Die Erinnerungen an die Momente in denen ich ihn um ein Haar verloren hätte und der Schock darüber sitzen tief. Ich brauche ihn. Ich kann, darf ihn nicht verlieren!
  2. Die Hexe
    Nachdem wir uns ausgeruht hatten ging es mir etwas besser. Ich befürchtete, dass Glannis das von sich nicht behaupten konnte. Sie saß da und zupfte an den Seiten ihrer kaputten Fidel. Ich begab mich zu ihr und umarmte sie. Anschließend wendete ich mich dem schlafenden Nissyen zu und versuchte ihn aufzuwecken. Ich erreichte jedoch lediglich, dass er nach mir schlug. Nicht einmal das konnte ich.
    Bevor wir uns daran machten die restlichen Gänge und Räume zu erkunden, entschuldigte ich mich bei Gray, doch er winkte ab. Ich verstehe ihn nicht, in einem Moment scheint er außer sich vor Zorn und im nächsten ist alles wieder gut. Ist es das jedoch wirklich? Nun, es hinterlässt kein gutes Gefühl. Es lässt mich vorsichtig um ihn herum werden, noch vorsichtiger als zuvor. Und es tut weh.
    Als wir aufbrachen kam das Gespräch auf das Thema des nicht mehr vorhandenen Auswegs aus der Binge. Also war es meine Gefährten ebenfalls aufgefallen. Ich war erstaunt wie ruhig darüber gesprochen wurde.
    In Suche nach den verbleibenden Insignien und einem Ausgang zogen wir von Tür zu Tür und hatten bald einen besseren Überblick über das Gang- und Raumsystem der Binge. Es gab einige Türen die zum Thronsaal und damit zu dem Drachen führten. Wir bemerkten dies bei allen Türen, bevor wie sie öffneten. Bei allen, bis auf einer, welche ausgerechnet ich öffnete. Der Drache bemerkte mich und ich hatte kaum Zeit die anderen zu warnen und mich in Sicherheit zu bringen, bevor der Drache mit einer seiner Pranken durch Tür und Wand fuhr, um nach uns zu greifen. Gray und ich sprangen zurück in den Gang, aus dem wir gekommen waren, die anderen dagegen rannten vor in die ungewisse Dunkelheit des Raumes und waren verschwunden. Eine Weile tobte der Drache noch, dann wurde es still. Gray und ich berieten wie wir wieder zu den anderen gelangen könnten. Doch die außerordentlichen Sinne des Drachen machten dieses Unterfangen selbst mit Unsichtbarkeit nicht einfach. Gray schlich sich vor zur Tür und wollte nach dem Drachen sehen. Da wurde der Gang auf einmal mit dem Feuerhauchs des Untiers gefüllt und Gray ging zu Boden. In letzter Sekunde unterdrücke ich einen Schrei und rannte zu Gray. So schnell wie möglich zog ich ihn zurück in den Gang, außer Reichweiter der Drachenkrallen, die im nächsten Moment den Boden absuchten. Während der Drache vergeblich nach seiner gegarten Mahlzeit suchte, sah ich etwas auf dem verkohlten Boden glitzern. Ein Heranholenzauber später hatte ich Feuermal in der Hand. Die provisorische Halterung musste sich gelöst haben. Ich war unendlich froh, dass ich das Risiko eingegangen war. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was geschehen wäre hätte der Drache das Schwert zuerst bemerkt. Er hätte er nur über seine Leiche herausgegeben. Dieses Schwert darf nicht verloren gehen! Außer Reichweite des Drachen und vorerst in Sicherheit kümmerte ich mich um Grays Verbrennungen. Er würde leben, doch nur ein wenig mehr und ich hätte einen weiteren Gefährten verloren. Der Gedanke daran war unerträglich, weshalb ich meine ganze Aufmerksamkeit der Heilbehandlung widmete. Ja, er würde leben, doch noch war er nicht in der Verfassung aufzustehen. Wir würden warten müssen, bis die Heilwirkung der Salben ihr Werk getan hatte und Gray etwas mehr zu Kräften gekommen war. Diese Erfahrung war eine Erinnerung wie schnell das Leben enden konnte. War nun der richtige Zeitpunkt Gray zu erzählen, was mir auf dem Herzen lag? Nein, es wäre seiner Genesung nur abträglich, ich werde warten bis wir lebend aus dieser Binge gekommen sind. Um zu verhindern, dass ich dieses Geheimnis weiter stillschweigend mit mir herumtragen würde, teilte ich Gray mit, dass ich ihm etwas zu sagen habe. Doch ebenso wie ich war er der Meinung, dies könne warten bis unsere Aufgabe hier erledigt sei. Ich wartete bis Gray eingeschlafen war, bevor ich mich daran machte die Tür zum nächsten Raum zu verbarrikadieren. Ich machte mir keine Hoffnungen, eine Begegnung mit Orcs würden wir nicht überleben, doch zumindest würde ich es ihnen so schwer wie möglich machen.
    Nachdem ich mein Werk beendet hatte, setzte ich mich neben Gray auf den Boden. Ich hätte so gerne die Stille des Ganges mit dem Klang meiner Stimme erfüllt, doch ich wusste es besser. So blieb ich schweigend an Grays Seite bis er erwachte. Die Zeit erschien mir wie eine Ewigkeit. Ich fragte mich wie es den anderen wohl ergangen sein mochte und ob wir sie wieder finden würde. Dunkelheit und bedrückende Stille riefen nur dunkle Gedanken in mir wach, so war ich froh, als Gray die Augen aufschlug und bereit war, den Versuch die anderen zu finden zu wagen.
    Mit Hilfe einer Eiswand kamen wir unbeschadet am Drachen vorbei und eilten unseren Gefährten hinterher. Wir kamen in einem Raum, von dem aus eine Wendeltreppe nach oben und unten führte. Gray ließ ein Pfeifen ertönen und tatsächlich antwortete es von oben. Kurz darauf kam Glannis die Treppe herunter. War ich froh sie zu sehen! Sie erzählte von einem Zwergengeist, welchen Nissyen gebannt hatte und einen Rätsel, welches gelöst sei. Der Bretterverschlag in dem Raum führte zu einem Ausgang. Wir befanden uns mittlerweile in der Felsnadel, welche wir von oberhalb der Steilwand hatten sehen können. Glannis führte uns schließlich nach oben zu Golrek und Nissyen. Sie befanden sich in einem Raum, welches wohl einmal die Zauberwerkstatt eines zwergischen Thaumaturgen oder Beschwörers gewesen war. Bei seinen knochigen Überresten, welche auf dem Boden lagen, fand Gray einen achteckigen Stein, ein Amulett und ein Kupferfläschchen geziert von einem Totenkopfsymbol umrandet von Flammen und gefüllt mit feinem silbrigem Staub. Da seine Robe vom Flammenatem des Drachen vollkommen verbrannt worden war, zog Gray sich die sternenverzierte Robe des Zwerges an, obgleich sie nicht für seine Figur geschnitten war. Unter anderen Umständen wäre dieser Anblick vielleicht komisch gewesen. Zwischen den größtenteils zerbrochenen alchimistischen Werkzeugen fanden wir noch zwei Fläschchen mit der zwergischen Aufschrift für Kraft und eine Flasche Uisge.
    Unser Weg führte uns weiter nach oben und endete schließlich auf einer offenen Plattform. Es war Nacht und am Himmel waren die Sterne zu sehen. Viel mehr war von dort oben nicht zu erkennen, weswegen wir uns wieder nach unten begaben. Die Wendeltreppe führte uns weiter hinunter und endete schließlich in einem Raum. In der Wand war eine Vertiefung, in welche der achteckige Stein hineinpasste. Nachdem ich ihn eingesetzt hatte öffnete sich ein Durchgang welcher uns zu einem weiteren Raum führte. Dieser hielt ein paar böse Überraschungen für uns bereits. Zuerst erwachten drei der zwölf Skelette an den Wänden und griffen uns an. Dank Golreks mächtige Axthiebe und meiner Feuerlanze stellten sie keine große Gefahr da. Doch die nächsten drei erwachten und als Golrek zu Boden ging sah ich mich auf einmal dem Langschwert schwingenden Skelett entgegen. Ich spürte wie die Schwertklinge ihren Weg in meinen Körper fand, bevor Gray mich mit seiner Magie schütze. Völlig erschöpft konnte ich mich der Skelette erwehren und uns blieb eine kurze Pause, in der ich einen der Tränke trank und Golrek die provisorische Scheide von Feuermal wieder an mir befestigte. Mithilfe von Magie, Axt und Schwert gelang es uns schließlich noch mehr der Skelette auszuschalten. Doch als Glannis und Nissyen den Raum durchquerten um sich die nächsten Gegner vorzunehmen, öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Über ihnen schloss sich ein eisernes Gitter, das ihnen ein Entkommen aus der Grube, welche sich langsam mit Wasser füllte unmöglich machte. Doch mit Grays Rostzauber und der Hebelwirkung der Schwerter der Skelette war es uns möglich das Gitter an einer Stelle aufzubrechen und Nissyen und Glannis aus der Grube herauszuhelfen. Der Wasserstand verringerte sich nach einer Weile wieder und das verbogene Gitter verkeilte sich, bevor es wieder im Boden verschwinden konnte. Nachdem ihre Wunden versorgt waren kümmerten wir uns um die restlichen Skelette. Ich hatte Kämpfen immer als ein notwendiges Übel erachtet, welches ich nur zu gerne anderen überließ, doch in dem Moment fühlte es sich gut an meine Freunde zu beschützen, endlich etwas zu vollbringen und damit meine vergangenen Fehler ein wenig gut zu machen.
    Nachdem alle Skelette überwunden und in die Grube geworfen waren zogen wir uns in den Raum aus dem wir gekommen waren zurück. Ich fühlte mich noch so erfüllt von Kraft, dass mir nicht der Sinn nach Ausruhen stand. Ich begab mich ans andere Raumende und ging mit Feuermal durch ein paar Schwertübungen, welche mit Vater gezeigt hatte. Schließlich legte auch ich mich hin und fand noch etwas Schlaf bevor ich von Golrek geweckt wurde und wir unseren Weg fortsetzten.
    Vom Raum, in welchen die Skelette gewacht hatten führten mehrere Türen ab. Ein zwergischer Schriftzug auf einer Kupfertafel an der Wand hätte uns vor den Gefahren des Raumes warnen könne. „Kehre um oder stirbt“ – dafür war es nun zu spät. Nun, noch leben wir, aber wer weiß schon was hinter den Türen noch auf uns wartet… Wir wählten die erste zu unserer Rechten, welche sich als Sackgasse herausstellte und folgten anschließend durch die zweite Tür einem langen Gang. Ein immer lauter werdendes Klopfen stellte sich bald als unser Herzschlag heraus. Die Zwerge haben seltsame Ideen… Der Gang führte uns schließlich an zwei Türen. In einem der Räume entdeckten wir diverse Zwergenschätze, ein Amulett welches ich aus einer bunten Vase herausholte und einen kleinen Hammer, möglicherweise eines der Insignien. Hinter der zweiten Tür befand sich ein heiliger Raum der Zwerge Zwei große sich gegenüberliegende Doppelflügeltüren führten aus dem Raum heraus. Golrek bat uns hinaus. Unsere Anwesenheit sei hier nicht erwünscht. Also begaben wir uns zurück in den Gang und ließen Golrek sein Werk dort alleine vollbringen.
    Es dauerte eine Weile bis er zurückkehrte, sich entschuldigte und meinte, dass wir nun wieder zusammen weitergehen könnten. Ich glaube niemand von uns war ihm gram. Nach seinen Worten waren wir am Ort des Allheiligsten der Binge angekommen und wir als Menschen waren hier einfach fehl am Platz.
    Ich hoffe wir werden bald alle Insignien gefunden und diese Binge verlassen haben, auch wenn dann eine schwere Aufgabe auch mich wartet.
  3. Die Hexe
    Die erste Nacht in der von Orcs besetzten Zwergenbinge Tumunzahar war vergangen. Ich erwachte neben den anderen in einem stinkenden Raum voller Unrat. Wieder einmal war ich froh, dass mein extremes Reinlichkeitsbedürfnis und krankhafter Ekel vor unangenehmen Gerüchen sich aufgelöst hatten. Ich richtete mich auf und schüttelte den Kopf, um damit die Erinnerung an meinem Traum loszuwerden. Ich hatte von Feuermal und seinen Flammen, riesigen Eislawinen, einer kichernden Glannis und einem zornigen Gray geträumt. Feuermal hing nun wieder an meiner Seite, doch ich wünschte es wäre auf andere Art und Weise zu mir gekommen. Noch immer brennen das Bild von der riesen Feuersäule, sein vorwurfsvoller Blick und seine harten Worte in meinem Geist. Dabei wollte ich nur unser Gepäck aus unserem Nachtlager räumen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass die in Stoff eingewickelte Runenklinge auf meine Berührung derart heftig reagieren würde. Ich hatte vor gehabt zu warten, bis Gray mir das Schwert von sich aus gibt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Doch ich sollte nicht klagen, immerhin habe ich sie gefunden, es hätte auch sonst was passiert sein können.
    Nachdem alle aufbruchsbereit waren, erschien der Zwerg ratlos ob des einzuschlagenden Weges. Nach einigem hin und her wählte Golrek den einen, nur um sich dann nach ein paar Schritten doch für den anderen zu entscheiden. Da wir auf diesem jedoch alsbald Orcs sichteten, kehrten wir um und folgten Golreks erster Wahl. Unser Weg führte uns in zerstörte zwergische Wohnstätten. Dem einstigen Prunk nach zu urteilen, handelte es sich dabei um königliche Räumlichkeiten.
    Die ersten Räume passierten wir unbehelligt, die Orcs schienen hier bereits ihr Unwesen vor langer Zeit getrieben zu haben und nun hatten sie das Interesse daran verloren. Dennoch bedeutete dies nicht, dass dieser Ort unbewohnt war. Als Golrek gerade eine Tür zu einem neuen Raum öffnete, kam ihm ein riesiger Käfer entgegen gesprungen. Nachdem die erste Überraschung verklungen war, zerteilte er das Vieh mit einem gekonnten Hieb seiner Axt.
    Der Käfer hatte Golrek jedoch am Bein verletzt, weshalb ich ihm anbot seine Wunde zu verarzten. Während ich mich um ihn kümmerte, kehrten die Erlebnisse aus meinen Traum in meine Gedanken zurück. Sie lenkten mich derart ab, dass ich den Zustand der Verletzung verschlimmerte. Mit Schrecken starrte ich auf das Ergebnis meiner Wundversorgung. Mit einem zurechtweisenden Kommentar nahm Nissyen sich dem Zwerg an. Ich biss mir auf die Unterlippe. Mit Müh und Not unterdrücke ich die Tränen, welche drohten sich in meinen Augen zu sammeln. Wie konnte mir nur so etwas passieren?
    Noch während ich um meine Fassung rang, rief Gray um Hilfe. Ich eilte in den nächsten Raum. Etwas Teppichartiges war von der Wand gesprungen und hatte sich um Glannis gewickelt. Wie vom Donner gerührt ich da und brauchte einen Moment um zu reagieren. Währenddessen versuchte dieses Ding, was auch immer es war, Glannis zu erdrücken. Aus Sorge wir könnten sie verletzten, griffen Gray und ich zunächst auf unsere Zauber zurück. Doch wieder störten Traumbilder meine Konzentration und statt des Wesens taff mein Verwirren-Zauber Gray. Dieser Fehler kostete mich all meine Kraft und mir blieb nichts außer dem Versuch Glannis mit meinem Dolch zu befreien. Gray versuchte es währenddessen mit Eislanzen und schließlich gelang es uns das Ding zu vernichten und damit von Glannis zu trennen. Warum hatte es von uns ausgerechnet Glannis treffen müssen?
    Nach der erste Schock verklungen war und Glannis entdeckt hatte, dass ihre Fidel durch den Angriff bis zur Unbrauchbarkeit gelitten hatte, sprang sie auf, zog ihre Waffen und brüllte, dass sie alles vernichten würde. All meine beruhigenden Worte hatten nichts gebracht und so gab ich das Vorhaben auf. Vielleicht war es auch besser so. Beim Nichts tun kann man zumindest nichts falsch machen, so lange das Nichtstun als solches nicht schon das Falsche ist.
    Von Gray hatte ich für mein Versehen einen zornigen Blick und ein Kopfschütteln geerntet, bevor er das Teppichähnliche Wesen – laut Gray hat es Augen - genommen und es außerhalb von Glannis Sichtweite gebracht hatte.
    Nachdem Nissyen die Wundbehandlung abgeschlossen und Golrek eine Zwergenkriegermaske in den Trümmern gefunden hatte, setzten wir unseren Weg fort. Er endete alsbald auf einer Art Balustrade, von welcher aus man Blick auf den ehemaligen Thronsaal des Zwergenkönigs hatte. Nun war jedoch von einem Drachen auf einem riesen Haufen Gold und Schmuck bewohnt. Golrek war der erste der gebückt zur Balustrade lief und den Drachen entdeckte. Nachdem der Zwerg und Gray sich bereits vorgewagt hatten, begab ich mich ebenfalls zum Geländer der Balustrade und ließ die Szenerie auf mich wirken. Welch majestätischer Anblick und doch wusste ich, dass dieser Drache durch und durch böse war. Das hatte ich von Vater gelernt. So wie es gute und schlechte Menschen gab, verhielt sich es auch mit Drachen. Nur dass hier der Großteil von Gier und Macht getrieben wurde. Nun könnte man sich darüber streiten, ob es bei den Menschen nicht auch so ist.
    „Die Könung des Gekrönten verlassen am Ort der Krönung gekrönt vom ungekrönten König des Bösen.“ Das waren die ersten Worte der Prophezeiung des königlichen Zwergenmagiers gewesen. Ein Teil des Rätsels schien gelöst. Doch noch fehlte die Krone. Um mehr sehen zu können richtete ich mich vorsichtig auf und beugte mich über das Geländer. Mit einem Auge behielt ich den Drachen im Blick, während ich nach einer Krone oder etwas ähnlichem Ausschau hielt. Auf einem steinernen Thron, welcher sich unterhalt der Balustrade befand lag ein silbrig schimmernder Helm. Ich nahm an, dass es sich dabei um eines der drei Königsinsignien handelte, passte doch der erste Teil des Rätsels darauf. Mit einem Blick zum Drachen versicherte ich mich, dass er immer noch tief und fest schlief und setzte dann zu einem Heranholen-Zauber an. Doch Gray, der nicht wusste was ich vorhatte, unterbrach meinen Zauber und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu den anderen zurückzukehren. Warum hat er mir nicht einfach vertraut? Ich weiß, dass der Drache nicht aufgewacht wäre, ansonsten hätte ich so nicht gehandelt!
    Wir zogen uns erst einmal zurück. Dann begab sich Gray noch einmal zurück zum Thronsaal. Er lehnte jegliche Hilfe ab. Um ein Haar wäre ich ihm dennoch gefolgt, doch ich besann mich eines besseren, ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern.
    Plötzlich brüllte es vom Thronsaal auf. Ich eilte in den Gang und sah wie Gray mit dem Sternensilberhelm in der Hand die Treppe herunter sprang und dann auf mich zu gerannt kam. Hinter ihm spie der aufgebrachte Drache Feuer in den Gang. Wir rannten bis zum Ausgang zurück, während der Drache vor Wut in seinem Hort tobte. Ich begann mit Gray über das Geschehene zu diskutieren. So recht wollte ich den Schock darüber nicht verwinden und wählte Worte, die Gray zu Recht als unangemessen abtat. Er wollte mir nicht glauben, dass der Drache bei mir nicht aufgewacht wäre und letztlich kann ich es nicht mit absoluter Sicherheit wissen.
    Als wir im Gang, welcher zum Wasser führt, angekommen waren, sorgten Nissyens rätselhafte Worte wieder einmal für Verwirrung, diesmal jedoch auch zu Sorge und Angst. Erst brüllte er vor Schmerz auf und hielt sich den Kopf, dann blickte er uns an und meinte: „Der Hase stirbt.“ Glannis war voller Sorge, denn für sie war Nissyen der Hase selbst, Gray meinte es bezöge sich eher auf seinen Totemgeist. Auf jeden Fall bedeuteten Nissyens Worte nichts Gutes, darüber waren wir uns einige. Er weigerte sich jedoch weitere Worte mit uns zu teilen.
    Nach einer kurzen Verschnaufpause, begab sich Golrek in den nächsten Raum um zu schauen, wie die Orcs den Ausbruch des Drachen aufgenommen hatten. Er berichtete uns, dass sieben Orcs drei Menschen in Richtung des Thronsaals gebracht hatten und dann wieder zurückgekommen waren. Kurz darauf hörte der Drache auf zu toben und der Ahnung über das Schicksal der Menschen folgte Schweigen. Ein Blick zu Gray verriet mir, dass er am liebsten auf der Stelle sich aller Orcs in der Binge entledigen wollte. Ich konnte ihn verstehen und doch glaube ich, es würde nur unseren Tod bedeuten. Vorsichtig näherten wir uns den Orcs, Gray zauberte sich unsichtbar und wagte sich so ein wenig weiter vor. Als er zurück kam berichtete er uns von zwei Orcs, die in einem Gang, der noch weiter führte, Wache hielten. Der Gang, in den die Orcs mit den Menschen gegangen waren hatte war auffallend anders, prunkvoller gefliest. Wie wir richtig geschlussfolgert hatten, waren die Menschen wohl als Drachenfutter zum Thronsaal gebracht worden.
    Zunächst beschlossen wir zurück zu gehen und uns auszuruhen, was mir sehr entgegen kam, ich war am Ende meiner Kräfte. Nach der Meditation, in der ich Ruhe und Kraft finden konnte, fühlte ich mich besser. Da Golrek nicht so recht weiter wusste, beschlossen wir zunächst die restlichen Räume zu untersuchen bevor wir den Orcs weitere Gedanken widmeten. Eine weise Entscheidung, möglicherweise ist es gar nicht notwendig die Orcs auf uns aufmerksam zu machen…
     
    Eine Frage beschäftigt mich seitdem wir die Binge betreten haben, doch ich traue mich, aufgrund der geistigen Verfassung in der sich meine Gefährten befinden, nicht sie zu stellen: Wie kommen wir wieder heraus? Das provisorische Floss ist beim Aufprall endgültig zerstört worden, zumal die Strömung für einen Rückweg wohl ohnehin zu stark gewesen wäre. Das bedeutet wir müssen einen anderen Weg hinaus finden. Ich hoffe nur er führt uns nicht an den Orcs vorbei. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass wir eine Begegnung mit ihnen überleben würden. Auch wenn Gray meint für den Tod der drei Gefangenen verantwortlich zu sein und es sei seine Aufgabe die verbleibenden Menschen vor den Orcs zu retten. Und Glannis alle Orcs vernichten möchte. Ich mache mir Sorgen um sie. Erst hat sie, seit dem wir die vielen Orcs vor der Binge entdeckt haben, immer wieder leise vor sich hin gekichert und nun gleicht sie einer Furie. Ich habe das Gefühl, ich komme nicht mehr an sie heran. Wie kann ich ihr nur helfen? Wenn ich sie so sehe, denke ich an das, was ich erlebt habe und frage mich, wie ich das überstehen konnte. Ohne Mutters und Vaters Hilfe wohl kaum.
    Golrek, der uns in der Zwergenbinge führen soll, aber wie mir scheint, nicht so richtig über den Auftrag Bescheid weiß, Gray, der von Schuldgefühlen geplagt wird und zugleich zurecht zornig auf und enttäuscht von mir ist und Glannis, die immer mehr ihren Verstand zu verlieren scheint. Und dann noch ich, die alles verkehrt zu machen scheint. Wo soll das noch enden?
    Ich fühle mich so nutzlos, nein schlimmer, ein Teil von mir ist überzeugt, dass sie ohne mich besser dran wären. Und doch werde ich bleiben. Mein Herz will es.
    Davon einmal abgesehen, ganz rational betrachtet, wäre es wohl auch einfach mein Tod sie nun zu verlassen und todessehnsüchtig bin ich nicht. Nein, ich muss leben. Für alle Menschen, denen ich am Herzen liege. Für ihn.
     
    Ich habe Angst vor dem was noch vor mir liegt. Im Vergleich zu dieser Angst scheinen die Orcs unbedeutend und der Drache klein wie eine Maus.
  4. Die Hexe
    Ich habe den Wahnsinn überlebt und gefunden wonach ich gesucht hatte. Sieben Tage bin ich im tiefsten Winter quer durchs Atrossgebirge marschiert. Ich kann es immer noch nicht fassen. Neben dem winterlichen Wetter, machten mir wilde Tiere, steile, vereiste Hänge und Lawinen das Leben und die Reise schwer. Doch wie von einem inneren Feuer angetrieben entkam ich stets mit meinem Leben und ging entschlossen meinen Weg weiter. Viel länger hätte er mich nicht führen dürfen, ich bin am Ende meiner Kräfte. Es ist wahrlich ein Wunder, dass ich es überhaupt bis hierher geschafft habe. Schieres Glück? Ich glaube nicht, eher hat meine Melodie wohl noch etwas länger im Weltenlied zu erklingen. Nun bin ich in Sicherheit. Mehr oder weniger, doch zumindest fühle ich mich so sicher wie schon lange nicht mehr und werde endlich eine Nacht erholsamen Schlaf finden.
    Nachdem ich mich aus der Lawine freigekämpft hatte, setzte ich meinen Weg fort und folgte schließlich einem kleinen, im Schnee kaum erkennbaren Pfad. Von etwas weiter oben konnte ich in der Ferne zu meiner Rechten einen großen zugefrorenen See erkennen, bevor mich der Pfad auf einen Felsen führte. Er schien dort zu enden. Die Klinge spürte ich zu meiner Linken, bereits ein wenig näher als den Tag zuvor. Es dämmerte bereits und ein Blick in den Himmel verriet mir, dass sich ein Unwetter zusammenbraute. In der näheren Umgebung hatte ich keinen geeigneten Unterschlupf entdecken können und so war die Untersuchung der Wand einen Versuch wert. Und siehe da, tatsächlich stieß ich auf eine Illusion. Ich hielt sie für eine starke Variante, da Schnee durchfiel, meine Hände beim Klopfen jedoch auf Widerstand stießen. Auf die Idee, dass jedoch nur im unteren Bereich der Felswand ein Durchgang sein könnte, kam ich nicht. So stieß ich mir bei meinem Versuch die Illusion zu durchbrechen meinen Kopf am harten Stein. Doch ich hatte Glück im Unglück, durch die Wucht des Zusammenpralls und meinen nachfolgenden Sturz rutschten meine Füße in den freien Durchgang. Als ich den wahren Charakter der Illusion entdeckt hatte, krabbelte ich schließlich durch den niedrigen Durchgang und wurde von völliger Dunkelheit empfangen. Nachdem der Gang vom Licht einer Fackel erhellt war, stieß ich bereits nach wenigen Metern auf eine Treppe, die nach unten führte. Hier war ich zwar geschützt vor dem Unwetter, um hier zu rasten pfiff der Wind jedoch viel zu stark durch den Gang. Mit klopfendem Herzen folgte ich der Treppe hinab, in der Hoffnung auf einen windgeschützteren Bereich zu stoßen. Doch stattdessen folgte ein weiterer Gang, welcher nach einer Biegung und wenigen Meter bereits wieder endete. Auch hier gab es einen verborgenen Durchgang nach draußen. Dieses Mal war ich vorgewarnt und machte mich beim Durchschreiten klein. Auf der anderen Seite angekommen, fand ich mich auf einem großen Tor wieder. Rechts von mir waren Gebäude an die Tormauer gebaut. Aus einem davon schlurfte gerade ein Oger und verschwand in der Tür eines anderen Gebäudes. Links führte eine lange Treppe hoch an das Tor. Ich suchte nach der Klinge und spürte, dass sie sich von links näherte. Bald erschien eine Gruppe von fünf Gestalten in meinem Sichtfeld. Aufgrund des immer heftiger werdenden Schneetreibens war kaum zu erkennen ob es sich nun um Menschen, Orcs oder andere humanoide Wesen handelte. Zumindest eine wolfsartige und eine kleine Statur, möglicherweise ein Zwerg, konnte ich ausmachen. Neugierig und angsterfüllt zugleich, erwartete ich ihr Näherkommen. Wie sollte ich jemals an die Klinge kommen, wenn diese Gestalten zu den Verbündeten der Bewohner hier zählten? Alleine gegen Oger, Wölfe und Orcs? Das wäre noch wahnsinniger als mein Gebirgsmarsch. Und doch wusste ich, ich würde nichts unversucht lassen um die Klinge den falschen Händen zu entreißen.
    Doch all meine Sorgen waren unbegründet. Nachdem albische Wortfetzen an mein Ohr gedrungen waren, wurde ich noch neugieriger und näherte mich von oben den Gebäuden. Die Gruppe bat an der Tür des einen Hauses um Einlass, welcher ihnen von einem stark behaarten Mann gewährt wurde. Auf dem Dach des Hauses angekommen, entdeckte ich eine Luke. Für einen Moment überlegte ich über diesen Weg ins Haus zu gelangen, doch ich verwarf den Gedanken wieder. Stattdessen lugte ich vorsichtig über den Rand des Daches. Da sah ich eine der Gestalten herauslaufen, eine Sphäre der Dunkelheit nach sich ziehend. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was geschehen war, doch hielt ich es in dem Moment für eine gute Idee für Licht zu sorgen. Der ersten Gestalt folgten weitere, ein Hund, welchen ich für einen Wolf gehalten hatte und eine schwarzhaarige Person. Gray! Mein Herz begann schneller in meiner Brust zu schlagen. Um mehr zu sehen und folglich mehr ausrichten zu könne, erhob ich mich, um zurück auf die Tormauer zu eilen. Doch nach wenigen Schritten überkam mich Erschöpfung und so kehrte ich zurück, um den Flüchtenden wieder Licht zu gewähren. Wieder auf dem Dach, sah ich nun einen stark blutenden Zwerg und einen weiteren Mann. Und eine Eiswand, die vor der Tür des Hauses erschien. Mein Herzschlag beschleunigte sich noch weiter. Nun war ich sicher, es handelte sich bei dem Mann um Gray. Die erste Gestalt, die das Haus wieder verlassen hatte, allem Anschein nach eine Frau, winkte mir zu. In dem Moment entschied ich mich der Gruppe zu vertrauen, nicht zuletzt da sie mit Gray zusammen unterwegs waren und warf ihnen ein Seil herunter. Die Frau kletterte als ersten hoch. Oben angekommen stellte sie sich als Glannis vor. Ich sah ihre rotblonden Locken, ihre strahlenden Augen und konnte es dennoch nicht glauben. Für einen Moment starrte ich sie fassungslos an, bevor ich ihr um den Hals fiel. Warum war sie hier? Was hatte sie mit Gray, dem Bewahrer der Runenklinge zu tun? Von wem wurden sie noch begleitet? So viel Fragen, die auf einmal in meinem Kopf waren, doch sie mussten warten. Das mussten auch die Antworten auf Glannis Fragen und so konzentrierten wir all unsere Kraft und unser Denken auf das Entkommen von diesem Ort. Als alle oben auf dem Dach angekommen waren, rief ich ihnen zu mir zu folgen. Ich führte die Gruppe zu dem verborgenen Gang und hoffte inständig, dass er den Bewohnern hinter dem Tor unbekannt war. In seinem Inneren angekommen, entfachte ich eine Fackel. Bevor ich Anstalten machen konnte, mich bekannt zu machen, erschien eine weitere Eiswand vor dem Eingang, woraufhin der Wind augenblicklich aufhörte zu pfeifen. Der seltsam aussehende Mann nahm sich den Wunden des Zwerges an. Noch aufgewühlt von den Geschehnissen stand ich wie angewurzelt neben Glannis. Glannis unterhielt sich mit ihren Gefährten. Nachdem einige Worte gefallen waren, bemerkten wir, dass irgendeine Art von Magie die Geräusche dämpfte und wir erhoben unsere Stimmen. Nach kurzer Zeit wandte Glannis sich an mich und erzählte mir, dass sie hier irgendetwas bergen sollten, ein geheimer Auftrag, über den sie mir ohne Erlaubnis nichts Weiteres erzählen könnte. Auf der Suche nach Schutz vor Wetter und Nacht hatten sie die Ansiedlung entdeckt und dort um Einlass gebeten. Sie erkundigte sich auch, nach dem Grund meines Hierseins. Ich wich ihrer Frage aus und nachdem sie mehrmals ohne Erfolg nachgehakt hatte, gab sie auf. Ich kann es ihr nicht sagen. Noch nicht. Der Antwort würden nur weitere Fragen folgen. Es ist nicht leicht die Wahrheit zu sprechen, ohne zu viel zu verraten und doch nicht zu lügen.
    Der Schrei einer gequälten Seele erfüllte den Gang und ließ und alle zusammenfahren. Als jedoch nichts Weiteres geschah, schüttelte ich die Angst wieder ab. Schließlich erschien der Zwerg von seiner Behandlung wieder und Glannis machte mich mit Golrek, ihrem zwergischen Begleiter, bekannt. Gray zeigte mir die kalte Schulter, ganz seinem Element entsprechend und setzte sich von uns weg, um in Meditation zu versinken. Mein Herz schmerzte, als sei es von Kälte ergriffen. Mein Geist war, wie die Luft vor der Höhle, erfüllt von wildem Schneetreiben. Es ist so viel geschehen, worüber mir Kenntnis fehlt.
    Von Nissyen, der Mann mit den schwarz-weißen Haaren, erfuhr ich lediglich den Namen, denn er war bereits eingeschlafen. Glannis meinte, dass sei im Winter normal. Sonderbare Gestalten, die Glannis begleiten. Doch wer bin ich, dass ich über Wesen und Aussehen anderer urteilen könnte.
    Als Golrek und Gray aus ihrer Meditation erwachten, teilte Gray uns seinen Entschluss, sich am nächsten Tag um die Orcs und Oger zu kümmern mit. Von dem Zwerg erfuhr ich mehr über den Grund ihrer Reise: Ein dringender Auftrag des Zwergenkönigs, welcher lautete die Königsinsignien aus der alten Zwergenbinge Tumunzahar zu bergen. Diese befindet sich nicht weiter von hier entfernt und ist mit Sicherheit nicht mehr verlassen. Wahrscheinlich wimmelt es dort von Orcs und anderen Ungetümen. Und doch bin ich froh, dass mir erlaubt wurde Glannis und ihre Gefährten zu begleiten. Jetzt da ich endlich gefunden habe, wonach ich gesucht hatte.
    Wir richteten schließlich unser Nachlager ein und schirmten mit unserem Gepäck den Wind ab. Gray bot an, die erste Wache zu übernehmen. Da sprang er plötzlich auf, nahm sich ein in Leder gewickeltes Paket und begann es panisch noch zusätzlich mit Seil zu verschnüren. Wovor fürchtet es sich so? Ich ahne es und doch kann ich an Feuermals Flammen nichts Schlechtes finden, haben sie mir doch das Lebens gerettet. Ein Teil von mir sehnt sich danach, die Klinge wieder in den Händen zu halten. Doch ich werde wohl noch etwas warten müssen. Zunächst reicht es mir zu wissen, dass sie in guten Händen ist. In den Händen von Gray. Endlich habe ich ihn wieder getroffen, Gray, den Bewahrer von Feuermal. Endlich bin ich ihm wieder begegnet und doch scheint er mir so fremd. Was ist dieser Gray für ein Mensch? Ich hoffe es in der nächsten Zeit zu erfahren.
    Wenn sie nur alle wüssten, wie unendlich glücklich und erleichtert ich bin hier mitten im Gebirge auf sie getroffen zu sein. Wenn da nur nicht diese schwere Last wäre, das schreckliche Geheimnis, welches ich mit mir trage. Allein der Gedanke daran bringt mir Kummer.
    Ich hoffe für diese Nacht kann ich all das vergessen und erholsamen Schlaf finden. Ich bin so müde.
  5. Die Hexe
    Ich hatte mich entschieden. Ich würde meiner Melodie im Weltenlied folgen und nicht länger die Ohren für sie verschließen. Ich konnte den Ruf der Klinge, das Gefühl, dass etwas fehlte, nicht länger ignorieren. Ich musste meine Vorstellung, das alles hinter mir lassen zu können, aufgeben und meinen Weg im großen Weltenrad weiter beschreiten. Selbst wenn ich nicht weiß, wie ich diese Aufgabe meistern soll, sie kommt mir so groß vor und ich so klein…
    Meine Künste mit dem Schwert umzugehen haben sich in den letzten Tage, die ich bei Vater verbrachte, kaum merklich verbessert, ich war froh, wenn es mir nicht aus den Händen fiel. Dieser Körper ist so schwach und meine Begabung für die Schwertkunst nicht sonderlich stark ausgeprägt. Und doch weiß ich nun endlich mit Gewissheit warum Vater in dieser Angelegenheit keinen Widerspruch meinerseits geduldet hat.
    Bevor ich das Gebirge verließ, hatte Vater mir noch einmal die Bedeutung der Klingen vor Augen geführt. Es ist nicht bedeutsam, dass ich einer ihrer Träger bin, doch es ist von großer Wichtigkeit, dass sie nicht in die falschen Hände geraten. „Die Träger der Klingen werden Helden sein oder dem Land zu Plage gereichen.“ Die Prophezeiung an die mich Vater erinnerte, kommt mir immer wieder in den Sinn. Ich hoffe, dass die Klinge in meinen Händen kein Unheil bringen wird. Bevor dies geschieht, gebe ich sie lieber in andere, fähigere Hände.
    Als ich meine Entscheidung getroffen hatte, suchte ich das erste Mal nach der Klinge. Ich spürte sie südlich des Gebirges, möglicherweise in Thame. Die Stadt als Überwinterungsort ihres Trägers konnte ich mir gut vorstellen. Mein Pferd scheint ebenfalls dort zu sein. Auch das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich hatten Glannis und ich uns dort verabredet, auch wenn seitdem bereits einiges an Zeit vergangen ist. Ich hoffe es geht ihr gut und meine Stute Finna ist wohlbehalten. Ich frage mich, was mit meinem kleinen Freund Fion geschehen ist, vielleicht hat er bereits selbst ein neues zu Hause gefunden. Die Ungewissheit über seinen Verbleib grämt mich.
    Als ich alles wusste, nach dem es Herz und Verstand begehrt hatte, verabschiedete ich mich von Vater und verließ das Pengannion-Gebirge. Das Gefühl, endlich wieder vollständig zu sein, war überwältigend. Doch ebenso überwältigend sind Schmerz und Trauer, welche die Erinnerungen mit sich brachten...
    Nun befinde ich mich in Eadsholm. Hier habe ich die letzten Notwendigkeiten für mein Unterfangen besorgt. Bald werde ich die Königsstraße verlassen. Mein Weg führt mich geradewegs nach Südwesten, mitten durch das Atrossgebirge. Der Aufenthaltsort der Klinge hat sich die letzten Tage stetig verändert. Sie scheint sich Richtung Atrossmassiv zu bewegen. Mitten in ein Gebiet, welches die Menschen und sogar die Zwerge meiden. Orcgebiet. Irgendetwas geht nicht mit rechten Dingen zu. Vielleicht ist die Klinge bereits in den falschen Händen oder jemand ist ebenso verzweifelt wie ich… Ich kann nur hoffen, dass die Klinge noch bei Gray ist. Gray... Möglicherweise werde ich ihn wiedersehen. Doch wie soll ich ihm begegnen, nach allem was vorgefallen ist? Wie soll ich ihm von dem schrecklichen Verlust erzählen? Und was ist mit all den anderen passiert? Von Vater weiß ich, dass Gray immer noch glaubt, ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht ist es besser ihn erst einmal in diesem Glauben zu lassen. Und dennoch, es wäre nichts anderes als ihn zu belügen... Oh, warum musste das alles so passieren. Ich vermisse ihn so sehr...
    Morgen werde ich aufbrechen. Mir graut es vor der kommenden Reise, doch mir bleibt keine Wahl, die Gefahr die Klinge zu verlieren ist zu groß. So bleibt die Hoffnung, rechtzeitig ihren Weg zu kreuzen, bevor natürliche Gegebenheiten oder Zauber sie vor mir verbergen. Mein Pferd und Glannis, so denn sie noch in Thame, müssen wohl noch ein wenig länger warten…
    Quer durch das Atrossmassiv, im tiefsten Winter, alleine, ich muss wahnsinnig sein…
  6. Die Hexe
    Ich weiß nicht, wo ich mit dem Schreiben beginnen soll. Es ist der erste Tag, an dem ich überhaupt wieder Feder und Pergament zur Hand nehmen kann. Ich bin mit Rana auf dem Weg nach Fiorinde. Eigentlich hätte ich schon längst bei Vater sein sollen, doch mit der Entscheidung Glannis nach Thame zu begleitet hatte sich alles geändert. Sie schien es wirklich eilig gehabt zu haben und so lieh ich ihr mein Pferd, in der Hoffnung, dass sie so schneller wieder nach Thame kommen würde. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre einfach mitgekommen. So blieb ich jedoch in Thame. Eines Abends half ich einer Frau, welche in den Gassen der Stadt bedrängt wurde. Zum Dank lud sie mich zum Essen ein. Sie geleitete mich in ihr Etablissement „die Rote Rose“. Als ich es betrat beschlich mich ein seltsames Gefühl, doch so recht wusste ich es nicht einzuordnen und schob es auf die Umgebung, in welcher ich mich befand. Handelte es sich bei der Roten Rose doch um ein Bordell. Ich frage mich, ob es anders gekommen wäre, hätte ich auf mein Gefühl des Unbehagens gehört. Letztlich weiß ich es nicht und es bringt nichts sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Geschehenes ist nicht mehr zu verändern.
    Die Frau musste mir etwas ins Essen getan haben, denn als ich wieder erwachte befand ich mich gefesselt und geknebelt auf einer Kutsche wieder. Die Tatsache kam mir auf skurrile Art und Weise vertraut vor, doch ich beschloss dieses Gefühl nicht weiter zu verfolgen. Tagelang verbrachte ich so auf dem hin und her schwankenden Gefährt. Immer verabreichte man mir etwas, was mich benommen machte, so dass ich von den Besuchen in den Gasthäusern oder Bauernhöfen kaum etwas mitbekam. Immer wieder hatte ich mit Panik zu kämpfen. Mein Verstand weigerte sich zu begreifen, was geschehen war. In Tidford wurde ich schließlich von Rana in einem verlassenen Lagerhaus am Hafen gefunden und befreit. Früher hatte sie immer etwas Furchteinflößendes an sich gehabt, doch in diesem Moment war ich einfach nur glücklich und erleichtert ihr Gesicht zu sehen.
    Immer wieder wünsche ich mir, ich wüsste warum man mich entführt hatte. Ich frage mich, ob diese Entführung im Zusammenhang mit meiner ersten Gefangennahme, bei welcher ich meine Erinnerungen verloren habe, steht. Doch ich sehe so anders aus als Enya, warum hatte man mich dennoch erkannt? Oder hat das eine mit dem anderen nichts zu tun? So viele Fragen und keine Antworten. Ich bin mir noch nicht einmal sicher ob mir diese Fragen jemals beantwortet werden oder ob ich dies denn möchte. Es gab Momente, obgleich wenige, da wünschte ich mir Antworten. Doch was würde mich erwarten? Ich bin davon überzeugt, dass ich nicht einfach so vergessen habe, es muss dafür einen Grund geben und ich weiß nicht ob ich ihn jemals erfahren möchte. Momentan zumindest nicht. Zu sehr fürchte ich meine eigenen Erinnerungen, das was Enya erlebt hat. Wenn ich an die Wunden ihres Körpers denke, schaudert es mich. Nein, es ist gut so wie es ist. Während des Schreibens wandert mein Blick immer wieder auf meinen Arm. Keine Schuppen, keine Narben. Wie habe ich nur damit gelebt?
    Nun, meine Fragen und Zweifel werden warten müssen, bis ich bei Mutter in Fiorinde angelangt bin. Vielleicht weiß sie etwas oder kann zumindest mehr darüber herausfinden. Ich hoffe es, doch viel mehr noch hoffe ich, sie wird mich wieder gehen lassen. Denn obgleich das Erlebte schrecklich war und keiner Wiederholung bedarf, ändert dies nichts an meinem Entschluss, wieder in die Welt zu ziehen.
  7. Die Hexe
    Nun bin ich endlich bei Vater. Als ich vor einigen Monden mit Mutter in Fiorinde aufgebrochen bin, hätte ich nicht erwartet, dass es so lange dauert bis ich das Pengannion erreiche. Als ich in Fiorinde ankam, erfuhr ich von Mutter, dass sie im Feuer eine Vision gesehen und daraufhin Rana ausgeschickt hatte, nach mir zu suchen. Kurz darauf verschwand sie mit vagen Andeutungen über das Geschehene und ihre Pläne. Ich glaube sie reist in die Küstenstaaten, da sie der Meinung ist, dort wäre auch ich hingebracht worden. Irgendwann einmal murmelte sie etwas von einem alten Widersacher. Vielleicht hat diese Entführung tatsächlich nichts mit meiner vergessenen Vergangenheit zu tun…
    Wie ich es befürchtet hatte, weigerte sich Mutter mich einfach so gehen zu lassen. So wurde ich von Teck abgeholt und bin nun mit ihm in den Weiten des Gebirges, in Sicherheit. Ich hoffe darauf, dass er leichter davon zu überzeugen ist, mich wieder meines Weges ziehen zu lassen. Doch die nächste Zeit werde ich bei ihm bleiben. Vater besteht darauf, mich den Umgang mit dem Langschwert zu lehren. Ich sehe dazu keinen Grund, er duldet jedoch keinen Widerspruch. Er meint es diene meinem Schutz und ist Teil meiner Melodie im Weltenlied. Selten habe ich Vater so ernst und bestimmend erlebt. Ich bin keine gute Schülerin, doch ich werde mein Bestes versuchen. Was wohl mit der Flammenklinge geschehen ist...? Nun ja, eigentlich spielt es keine Rolle, irgendetwas wird Vater damit schon gemacht haben...
    Einerseits bin ich froh hier im Schutz des Gebirges zu sein, bei Vater, andererseits ist der Dranghinaus in die Welt zu gehen stärker denn je. Es macht mir fast ein wenig Angst. Ich bin mir nicht mehr sicher ob ich mein altes Leben wirklich so hinter mir lassen, kann wie ich mir das vorgestellt habe. Irgendetwas scheint immer wieder nach mir zu rufen. Irgendetwas scheint mir zu fehlen. Ich glaube noch nicht einmal, dass es meine Erinnerungen sind, dennoch etwas was mit der Vergangenheit in Verbindung steht. Ich weiß nicht ob ich wissen möchte, was mich erwartet und dennoch habe ich das Gefühl mir bleibt keine Wahl als wieder hinaus in die Welt zu ziehen und meiner vom Weltenlied vorgesehenen Melodie zu folgen. Ich frage mich, ob ich sie wohl durch meine Entscheidungen und Taten beeinflussen kann. Ich will es glauben.
  8. Die Hexe
    Ich befinde mich in einem Gasthaus eine Tagesreise von Thame entfernt. Ale und Essen sind genießbar und meine Gesellschaft allemal. Ich habe eine neue Bekanntschaft gemacht. Nachdem ich mit Mutter zum Fayre in Adhelstan gereist bin, zog ich weiter Richtung Norden, um Vater wiederzusehen. Bei Crossing traf ich auf eine Bardin, Glannis ihr Name. Ich mochte ihre Art von Anfang an und so beschloss ich, mit ihr zusammen nach Thame zu reisen, bevor ich zu Vater ins Gebirge ging. Die Zeit mit ihr war erfüllt von interessanten Gesprächen und musikalischen Darbietungen, eine bessere Reisegesellschaft hatte ich mich nicht wünschen können. Ich hatte gehofft mit ihr zusammen dort ein paar Tage zu bleiben, doch irgendetwas Dringendes führt sie wieder Richtung Süden.
  9. Die Hexe
    Ich habe die letzte Zeit genutzt Teile meines verlorenen Wissens wiederzuerlangen. Darüber hinaus habe ich das ein oder andere Nützliche gelernt und meine Freude am Singen wiedergefunden. Doch nun ist es an der Zeit Fiorinde zu verlassen. Hier gibt es nichts mehr für mich zu tun, zumindest nichts was den Absichten meines Mentors entspräche oder mich meinen Zielen näher bringen würde. So ziehe ich hinaus in die Welt, werde mein Wissen und meine Macht mehren, um den Kräften der Ordnung eine Dienerin zu sein.
    Die Flammenklinge werde ich zurücklassen, Vater wird sie zu sich ins Gebirge mitnehmen. Dieses Schwert hat mir mein Leben gerettet und ich habe das Gefühl, es ist ein Teil von mir. Und doch möchte ich es nicht länger tragen. Seine nicht kontrollierbaren Flammen sind nur ein Grund, es ist mit einer Vergangenheit verbunden, die nicht mehr Teil meines neuen Lebens ist. Es gehört Enya.
    Wo mich mein Weg hinführen wird, das weiß ich noch nicht. Doch ich bin mir sicher, dass er mich eines Tages an die Bardenschule in Erainn führen wird, damit ich dort die Musikküste erlerne, die einst einer der Urdrachen den Drachensängern beibrachte. Auch wenn sein Erbe nicht mehr zu sehen ist, trage ich es doch in mir und bin immer noch die Tochter von Aneteckroth, dem bronzefarbenen Drachen.
  10. Die Hexe
    Hier setzt sich die Geschichte welche mit Enyas Briefen begonnen in den Tagebucheinträgen von Edana fort.
     
    Die erste Seite im Buch meines Lebens ist aufgeschlagen worden. Heute ist der erste Tag, der Tag meiner Geburt, obwohl ich bereits 21 Sommer zähle.
    Mein Name ist Edana. Ich wurde nach dem Feuer benannt, der Macht, welcher ich diene, dem Element, dessen Erbe in meinem Blut fließt. Doch mein Name ist auch ein Erbe aus meinem vergangenen Leben, in dem ich einen ähnlichen trug. Von der Feurigen wurde ich zum kleinen Feuer, welches nach Größe, Sinn und Wahrheit sucht. Meine Erinnerungen gleichen Bildern ohne Gefühl und sind mit meinem Leben verbunden und doch kein Teil davon. Ich stehe an einer Weggabelung, der Weg hinter mir ist in Nebenschleier gehüllt, der Weg zu meiner Linken in vollkommene Finsternis getaucht. Auf dem rechten Pfad weiß ich nicht, was mich erwartet und doch ist es der einzige Weg, den ich gehen kann um zu leben und zu erfahren.
    Ich habe mich vergessen, mich verloren und mein altes Ich nie wiedergefunden. Ich wandelte am Rande des Wahnsinns und drohte immer wieder gänzlich in seinen Abgrund zu stürzen. Doch ich wurde gerettet. Ich weiß nicht wie, doch mein Vater fand mich und brachte mich zu Mutter. Ich wusste jedoch nicht wer sie waren. Ich hatte das Gesicht meiner Mutter in meinen Träumen gesehen und doch konnte ich mich nicht an ihren Namen erinnern. Der sich in ihrem Gesicht wiederspiegelnde Schmerz, brach mir das Herz, welches im Gegensatz zu meinem Kopf nie vergessen hatte. Sie gaben mir meine Erinnerungen wieder. Doch ich konnte mich lediglich bis zu dem Tag, an dem ich das Haus meiner Mutter verlassen hatte, erinnern. Ich wusste nun wer ich war, doch spüren konnte ich mich nicht. Ich verstand das Wesen, welches sie mir offenbart hatten nicht. Mich quälte die Frage, was in dem Jahr, welches ich fern ab von Fiorinde verbracht hatte, geschehen war. Woher waren all die schrecklichen Wunden gekommen, die mein Körper trug, als mein Vater mich zurück nach Hause brachte? Immer wieder wurde ich von schrecklichen Träumen heimgesucht, die meinen verwirrten Geist noch mehr ins Chaos stürzten. Sehnsucht war ein ständiger Begleiter geworden und doch wusste ich nicht nach was mein Herz sich sehnte. Das Gefühl von Verlust wurde mit jedem weiteren Tag stärker.
    Eines Tages führte mich Mutter in den Wald, errichtete dort ein großes Feuer und rief ihren Mentor, den Fürst der Flammen. Auch ich war eine seiner Schülerinnen gewesen, doch sein Anblick, wenn gleich merkwürdig vertraut, erfüllte mich mit Schrecken. Er konnte mich weder in seine Dienste nehmen noch mir mein verlorenes Wissen zurückgeben. Ich glaube, ich wäre gänzlich verrückt geworden, hätten Vater und Mutter nicht ein Wunder vollbracht. Für ewig werde ich ihnen dafür dankbar sein.
    Ich schlief für mehrere Tage bis zum heutigen Tag und als ich erwachte, erwachte ich zu einem neuen Leben. Das kleine Feuer hatte begonnen zu brennen. Edana war erwacht.
    Mit der Wandlung meines Äußeren, schien eine Veränderung im Inneren stattgefunden zu haben. Seele, Geist und Körper hatten Heilung erfahren. Noch ist mir mein Anblick im Spiegel fremd und doch vertrauter als die Frau mit bronzefarbenen Haaren und den vor Wahnsinn glühenden Augen. Keine Narbe ist mehr sichtbar, keine Schuppen, welche meinen rechten Arm überzogen. Das Vermächtnis meines Vaters. Doch nun gehören sie, ebenso wie meine Erinnerungen, der Vergangenheit an. Ich habe nichts mehr zu verbergen.
    In mir spüre ich Klarheit und Ruhe. Die Sehnsucht und das Gefühl von Verlust sind nur noch eine schwache Erinnerung. Es spielt keine Rolle mehr, was im vergangenen Jahr passiert ist. Ich möchte meine Vergangenheit, mein anderes Ich hinter mir lassen und einen Neubeginn wagen.
    Auch wenn ich es mir nicht wünsche, schließe ich es dennoch nicht vollkommen aus. Eines Tages werde ich meine Erinnerungen vielleicht gänzlich wiedererlangen. Wenn es dazu kommen sollte, hoffe ich stark genug zu sein, denn ich habe – davon bin ich überzeugt – aus gutem Grund vergessen.
  11. Die Hexe
    Hier enden die Briefe von Enya an ihre Mutter. Ihre letzten Worte, bevor sie ihr Gedächtnis verlor, erreichten Chelinda nie.
     
    Wie es Enya weiterhin ergangen ist, kann in Edanas Tagebuch nachgelesen werden:
    http://www.midgard-forum.de/forum/index.php?/blog/2295-edanas-tagebuch/
     
    Liebste Mutter,
    in den frühen Morgenstunden des Dosandag, 1.Trideade Bärenmond sattelten wir die Pferde des Lairds und ritten los. Auf dem Weg überlegten wir, wie wir vorgehen würden. Mehrere Möglichkeiten waren uns gegeben. Ich war der Meinung sechs Pfeile würden das Ziel ihres Schützen treffen, sehr wahrscheinlich die Zielscheibe, einer von den sieben würde nach Samiels Willen fliegen und sein Ziel war ein MacBeorn. „Sechs werden treffen, einer wird äffen.“ Das waren Samiels Worte gewesen. Gray war anderer Meinung, jedoch änderte dies nichts an unserem Vorgehen. Das wichtigste und dringendste war, die Pfeile ausfindig zu machen und die Schützen daran zu hindern, sie am Fest zum Einsatz zu bringen. Salomon und mir war es ebenfalls wichtig die Schützen zu stellen, was eine Diskussion mit Gray auslöste. Trotz der unterschiedlichen Ansichten waren wir alle der Meinung, dass die Überprüfung der Pfeile vor dem Fest stattfinden musste. Schließlich wollte der Laird kein Aufsehen erregen und die Chance, dass wir einem der Pfeile übersehen würden, war zu groß. Wir hatten drei Zauber, die uns eventuell bei unserer Suche weiterhelfen würden. Zwei davon beherrschte Salomon, jemanden der des Erkennen der Zauberei mächtig war, würden wir nur in der Magiergilde finden. Deshalb beschloss Gray noch einmal mit Arlena NiConuilh zu reden und sie um Unterstützung zu bitten.
    Am späten Nachmittag kamen wir in Thame an und kehrten in Romildas Herberge ein. Dort erfuhren wir über die Schützenschaft des heiligen Maltrier, welche ein Teil der Bürgerwehr war. Gray und ich begaben uns zur Magiergilde, während Dylan und Mira Glarn Rabenbart von unserer Situation berichten wollten und Salomon die Schützengilde ausfindig machen sollte. Bei keinem von uns gelang das eigentliche Vorhaben. Gray und ich fanden eine Frau vor, die dem Schnupftuch des Lairds und unserer Geschichte wenig Bedeutung beimaß. Gray verlor beinahe die Beherrschung und mein Herz stand für einen Moment vor Schreck still. Den Göttern sei Dank konnte er sich zurückhalten und eilig verließen wir die Gilde. Glarn Rabenbart war derzeit nicht in Thame, sondern ins Atrossgebirge aufgebrochen. Salomon begab sich nicht zu Schützengilde sondern in den Einbeinigen Kobold, die heruntergekommenste Taverne in Thame. Doch davon erfuhren wir erst, als wir uns alle, bis auf Salomon wieder in Romildas Herberge versammelt hatten. Wir folgten dem Mann, der uns zu ihm führen würde. Ich entschuldigte mich für den Hexenjäger und wir nahmen ihn wieder mit. Als er sich eine Pfeife anzünden wollte, brach ein Streit aus, denn was er rauchte war eine Droge, nach der er süchtig war. In der Taverne fanden wir drei der Bogenschützen und nahmen die Pfeile an uns. Nach einem Besuch im Tempel, äußerte ich den Verdacht, das Colbran de Soel, ehemaliger MacBeorn und Oberhaupt der Ordensritter, das Ziel von Samiels Pfeil war. Wir begaben uns in die Ordensritterburg und informierten seinen Vertreter Dugal de Soel von unserem Verdacht.
    Bruna stieß die Tage zu uns und verabschiedete sich endgültig von uns. Ich sang ihr das Lied welches ich eigentlich für ihren Geburtstag gedacht hatte vor, dann verließ sie uns. Ihre Schulden wird sie begleichen.
    Mutter, nun gilt es den morgigen Tag abzuwarten, ich hoffe dass es uns gelingen wird, die restlichen Pfeile zu finden und den dunklen Machenschaften in Thame ein Ende zu bereiten.
    Oh, ich merke dass es spät ist und ich sehr müde bin. Ich kann nicht mehr klar denken, ich werde dir in den nächsten Tagen noch einmal ausführlich von unseren Untersuchungen berichten.
     
    In Liebe
    Enya
  12. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    Und wieder einmal ist so einiges geschehen in den wenigen Tagen, die wir auf dem Jagdfest verbrachten. Nun ist es vorbei und morgen werden uns nach Thame begeben. Es eilt, weshalb wir schon in den frühen Morgenstunden aufbrechen werden. Und du wirst es kaum glauben, wir werden im Auftrag des Lairds dorthin reiten, auf Pferden, die er uns zur Verfügung stellt.
    Am Morgen des Seachdag wachte ich auf, als Gray gerade dabei war sich zu richten und das Zelt zu verlassen. Mira hatte ihm seine Beutel mit den Zauberkomponenten abgenommen, damit er uns nicht einfach verlassen würde. Wir wollten ihn alle aufhalten, doch er forderte wütend seine Beutel. Ich war froh, dass Mira sie ihm zurück gab, es war, glaube ich, nicht mit ihm zu scherzen. Wir wussten nicht wohin er ging, aber ich nahm an, er begab sich ebenfalls in den Wald, nur brauchte er seine Ruhe, das war sicher. Wir verbrachten den ganzen Tag im Wald und konnten sogar einen Wolf erlegen, welchen wir zurück ins Lager brachten und dafür den Rang eines Bestiers bekamen. Bis auf eine kleine Unstimmigkeit mit den Gauklern, da Mira und Salomon ihnen ihr Gewerbe streitig machten, verlief der restliche Abend ereignislos und am nächsten Morgen brachen wir wieder früh auf. Gray war am Abend nicht wieder aufgetaucht. Die nächsten Tage verliefen ohne weitere Jagderfolge, jedoch fingen wir Gerüchte über die Freischützen auf, die sich angeblich mit Samiel einlassen und dafür seine Pfeile, die ihr Ziel immer finden, erhalten würden.
    Am Abend des zweiten Festtages kam eine junge Frau ins Zeltlager und sprach mit dem Laird. Sie entschuldigte ihre Schwester, die aufgrund eines Fiebers nicht kommen konnte und wollte dem Laird Gold überreichen, um ihre Schuld zu begleichen. Der Laird machte sich über sie lustig und forderte sie zum Tanz auf. Das arme Ding. Als er ihr nach dem Tanz auch noch einen Kuss gab, schmiss sie dem Laird den Beutel an die Brust und verließ hastig das Lager. Einen Moment senkte sich Stille über die Menge, dann begann Donuilh MacConuilh zu lachen und die Spannung verflog wieder. Je mehr ich von diesem Man erfahre, desto weniger halte von ihm. Wir gaben noch unsere musikalischen Künste zum Besten bevor wir uns zu Bett begaben. Mira erzählte mir die Geschichte mit den Gaukler und Dylan meinte, es wäre gut, sich nicht mit ihnen anzulegen. Doch Salomon weigerte sich zu entschuldigen, weshalb ich mit Mira alleine ging.
    Am Morgen des Oachdag brachten wir früh in den Wald auf, doch auch an diesem Tag hatten wir kein Glück. Als wir zurück ins Lager kehrten herrschte dort schon Aufregung. Der Laird hatte Jagd auf einen Hirsch gemacht, doch das Tier war ihm entkommen. Auf den verletzten Hirsch wurde ein Preisgeld von 10 Oring ausgesetzt. Am Nachmittag des Naondag fand Salomon die Spur des verwundeten Hirschs. Als wir ihr folgten stießen wir überraschender Weise auf Gray, welcher gerade mit zwei Wildschweinen unterwegs zum Lager war. Dylan sollte ihn dorthin begleiten, damit er nicht alleine die Schweine zurück schleppen musste. Mira, Salomon und ich verfolgten die Spur des Hirsches. Hätten wir nur gewusst was uns erwarten würde. Nun, selbst in Begleitung von Dylan und Gray, hätten wir wenig tun können. Die Spur führte uns in eine Schlucht, die mit Farn, Gestrüpp und seltsamen Pilzen bewachsen war. Die Sonne verschwand hinter den Bäumen und ein dichter Nebel zog auf. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, ein Schatten legte sich über meinen Geist, meine Seele und meinen Körper. Nachdem wir noch einige Schritte weitergegangen waren, entdeckten wir den Grund für unser Unbehagen. Vor uns in der Schlucht befand sich ein großer Kessel über einen Feuer, umgeben von einem Kreis aus Totenschädeln. Die grünleuchtenden Flammen erhellten die zwei Gestalten, welche um den Kessel standen. Es waren zwei Frauen, eine war uns unbekannt, doch das Gesicht der anderen war uns wohl bekannt, Udele NiRathgar. Daneben standen zwei massige Gestalten, Oger, wie wir richtig vermuteten. Wir schlichen uns noch ein wenig näher heran und versteckten uns dann hinter Büschen. Udele murmelte Worte und rührte dabei immer wieder in dem Kessel herum. Dann erhob sie ihre Hand und ein Pfeil erschien darin, welcher erst grünlich leuchtete und dann erlosch. Da trat aus dem Schatten eine vermummte Gestalt und nahm den Pfeil entgegen. Ein weiteres Mal erhob sie ihre Hand, als plötzlich ein Gong durch die Nacht hallte. Mira hatte auf den Kessel geschossen. Die Wycca schickte einen ihrer Oger um nachzusehen woher der Bolzen gekommen war und dann setzte sie ihr Ritual fort. Der zweite Mann trat aus dem Schatten, dann der dritte. Der Oger war inzwischen auf Salomons und meiner Höhle, blieb stehen und wandte sich dann in unserer Richtung. Mira war in den Wald hinein gerannt. Ich versuchte den Oger mit Magie ins Reich der Träume zu schicken, doch es gelang mir erst beim zweiten Versuch, Salomon versetzte ihn dazwischen in Angst, so dass er stehen blieb. Inzwischen war bereits der nächste Schütze aus dem Schatten getreten, bis schließlich der letzte seinen Pfeil empfing. Insgesamt hatte Udele sieben Pfeile aus dem Kessel geholt. Da hallte eine Stimme durch die Schlucht „Brav meine Herzallerliebsten“ und ein Mann in grüner Gewandung eines Jägers erschien, Samiel. Er sprach von den Pfeilen, die nun ein weiteres Mal für Thame verteilt worden waren, an Menschen die nicht einmal wussten dass sie ihm dienlich waren. Alle Pfeile würden das Ziel ihres Schützen treffen, doch der siebte war Samiels Pfeil, welcher seinem Willen unterliegt. Sein Plan und der seiner Wyccas war es keinen MacBeorn am Leben zu lassen. Doch dann meinte Samiel, dass sie alles Weitere in der Hexenstube besprechen würden, woraufhin die Hexen dem grünen Sigill Treue schworen und sie alle verschwanden. Verwirrt und bestürzt versuchte ich zu begreifen, was wir soeben mit erlebt hatten. Flammender Zorn ergriff mich, welcher einerseits diesen abscheulichen Wyccas und ihrem Meister galt, anderseits sich gegen mich richtete, denn ich war so machtlos gewesen und hatte nichts getan um diese Übeltat zu verhindern. Schließlich töteten wir den Oger, welcher noch immer schlafend am Boden lag und untersuchten den Ort dieses schrecklichen Ereignisses. Neben den Überresten des finsteren Rituals fanden wir ein Schnupftuch, welches mit einer Zielscheiben und einem Bogen bestickt war. War dies ein Zeichen des grünen Jägers?
    Wir gingen die Schlucht noch ein Stück weiter und fanden, neben einer Quelle, schließlich den Hirsch, der bereits in den Tod gefunden hatte. Wir kehrten zum Lager zurück, wo uns Gray und Dylan schon erwarteten. Nachdem wir von den Ereignissen berichtet hatten, erfuhren wir von Gray was ihnen auf dem Rückweg ins Lager widerfahren war. Dylan und Gray hatten eine Kapelle mitten im Wald entdeckt, waren darauf zu gelaufen und hatten sie betreten. Von außen hatten sie durch das gleißende Licht welches aus dem Innern strahlte nicht hinein sehen können. In der Kapelle hatten sie einen toten Mann vorgefunden, in dem ein schwarzer Pfeil steckte. Als sie näher traten, wurde das Licht heller, bis sie schließlich nichts mehr sahen. Dann befanden sie sich wieder Wald, die Kapelle war verschwunden, zurück blieben nur ihre Fußspuren auf dem Boden. Höchst sonderbar erschien mir ihre Erzählung, was mochte es zu bedeuten haben?
    Ich fasste einen Entschluss und teilte den anderen mit, dass ich einige Momente für mich wünschte. Niemand schien von diesem Wunsch begeistert, was ich durch aus verstehen konnte, doch ich beharrte darauf, dass ich keine Begleitung wünschte. Konnten sie es nicht einfach verstehen und mir vertrauen? Ich versicherte ihnen dass ich in sicheren Händen sein würde. „Gehst du zum Laird?“ Für einen Moment konnte ich nicht fassen, dass Dylan mich dies tatsächlich gefragt hatte. Wütend und verletzt blickte ich ihn an. Allgemein stieß seine wohl als Scherz gemeinte Frage auf Missbilligung und so entschuldigte er sich. Sie würden mich nicht alleine gehen lassen, ich musste jedoch alleine sein. Deshalb meinte ich, Gray solle mit mir mitkommen, woraufhin Dylan sich verstimmt abwandte. Genau das hatte uns jetzt noch gefehlt, es gab ja nicht schon genug um was wir uns zu kümmern hatten. Seufzen begab ich mich mit Gray in den Wald. Nach ein paar Schritten machte ich Andeutungen zu meinem Mentor. Er verstand mich, begleitete mich noch ein Stück weiter und blieb schließlich zurück. Ich hatte es gewusst, Gray würde mich und die Bedeutung meines Vorhabens verstehen. Dankbar ging ich noch ein Stück tiefer in den dunklen Wald und entzündete dann ein Feuer. Sobald die Flammen loderten und ich das Feuer gespeist hatte, warf ich einen der Rubine ins Feuer und rief Ihn an. Aus dem Feuer erhob sich eine männliche Gestalt, umhüllt von Feuer und sprach mit tiefer, durchdringender Stimme zu mir. Schon lange hatte ich ihn nicht mehr gerufen und so war ich einen Moment überwältig von seiner Präsenz und Macht. Als ich mich gesammelten hatte, berichtete ich ihm, was ich in den letzten Trideaden bezüglich der finsteren Mächte gesehen und erfahren hatte. Zum Herrn der Nebenberge sagte er nichts, mit der Vernichtung der Wycca in Norrenshold war er zufrieden. Als ich das grüne Sigill erwähnte, meinte er, dass Samiel eine Vorliebe für Hexenbünde hätte. Vielleicht handelte es sich bei dem Sigill um einen solchen. Er trug mir auf, mich nicht vorrangig um Udele zu kümmern, sondern die Pfeilschützen ausfindig zu machen. Sollte ich Erfolg haben, hatte ich Ihn davon zu unterrichten. Zum Schluss zeigte ich ihm noch Feuermal, welches er mir abnahm und betrachtete. Er gab mir die Runenklinge zurück, mit den Worten, dass dies eine mächtiges Schwert sei, dessen Kraft ich für das Richtige einsetzten solle. Ich dankte Ihm und verbeugte mich, dann war Er verschwunden. Ich ließ das Feuer brennen und ging zurück zu Gray. Als wir wieder am Lager waren suchte ich nach Dylan. Ich fand ihn mit einigen anderen Männern an einem Tisch sitzen. Kaum ließ man ihn mal alleine fing er wieder mit dem Trinken an. Mir schenkte er kaum Beachtung und so drehte ich mich um und begab mich zu Bett. Wir hielten Wache, denn wir wollten nicht, dass der Hirsch abhandenkam. Dylan kehrte in dieser Nacht nicht zurück zum Zelt. Am nächsten Morgen fand ich ihn unter einer der Bänke liegen und sein Geruch schlug mir schon von weitem in die Nase. Angewidert weckte ich ihn und teilte ihm mit, dass wir den Hirsch gleich zum Laird bringen würden, dann kehrte ich zu den anderen zurück. Nach kurzer Zeit erschien auch Dylan dort, doch sein Anblick sprach Bände. Am meisten ärgerte mich, dass wir so vor den Laird treten würden. Er kann von Glück reden, dass mich andere, wichtigere, ernstere und dringender Sorgen beschäftigten. Als wir vor dem Zelt des Lairds standen, hörten wir noch das klatschen von Haut auf Haut, dann ein Quietschen und kurze Zeit später trat Donuilh MacConuilh aus seinem Zelt. Ihm war anzusehen, dass wir die letzten waren, die er sich als Jäger seines Hirsches gewünscht hatte, doch er lobte und überreichte uns die 10 Oring Belohnung. Als wir uns abwendeten, meinte Salomon, er würde uns erst mögen, wenn ich mit ihm das Bett teile und Gray gab ihm Recht. Was sie sagten entsprach wohl der Wahrheit und wahrscheinlich meinten sie dies auch nicht böse, trotzdem trafen mich ihre Worte tief. Und als ob es nicht bereits genug Unruhe und Sorgen gab, verhielt sich Dylan sehr distanziert und ihn umgab eine mürrische Aura.
    Wir kehrten noch einmal zum Kessel zurück und mussten feststellen, dass er verschwunden war. Salomon drängte, dass man dem Fluss folgen würde, doch wir sahen darin wenig Sinn und so kehrten wir ohne ihn zum Lager zurück. Dort fragte ich Dylan und Gray ob wir nicht ein bisschen für musikalische Unterhaltung sorgen sollten. Ich hatte gehofft, dies würde die Stimmung heben, doch ich hatte mich geirrt. So beendete ich meinen Gesang nach wenigen Worten und setzte mich auf eine der Bänke während Gray und Dylan weiterspielten. Ich bemerkte wie mir die Tränen in die Augen drängten und versuchte sie wütend zurück zu halten. Ich konnte die Disharmonie einfach nicht ertragen und war wütend auf Dylan, den Laird, Gray, Salomon und ganz besonders auf mich. Doch dann besann ich mich und ging wieder zurück zu den beiden musizierenden Männern. Ich holte tief Luft und begann mit einem Liebelied, welches man zusammen im Duett singen konnte. Nach kurzem Zögern stimme Dylan mit ein. Ich wandte meine Aufmerksamkeit ihm zu und nach einiger Zeit merkte ich, wie er weicher wurde und nachdem die Musik verklungen war, nahm er mich in den Arm und küsste mich.
    Da Salomon noch immer nicht zurückgekehrt war, beschlossen wir bis zur vierten Stunde zu ruhen und ihn dann zu suchen. Doch während Gray Wache hielt, kam der Hexenjäger zurück und erzählte uns wie er dem Fluss gefolgt war und eine Insel in der Mitte des Sees gefunden hatte. Auf der Insel hatte er den Oger wiedergesehen. Es war mitten in der Nacht und noch hatten wir kaum geschlafen, weshalb wir bevor wir uns zu der Insel begeben würden, noch etwas ruhen wollten. Da fragte mich Gray auf einmal ob ich Feuer tatsächlich nicht spüren, oder ob es mir einfach nicht weh tun würde. Für einen Moment wusste ich nicht was ich antworten sollte. Salomon schaute mich verwirrt an und fragte, was Gray damit meine. Innerlich fluchte ich und bedankte mich bei Gray mit einem wütenden Blick. Und wieder einmal tat ich etwas, ohne darüber wirklich nachzudenken. Es war bereits spät und die letzten Tage hatten wir so viel zum Nachdenken gegeben, dass mein Kopf in diesem Moment nicht wirklich funktionierte. Ich erhob die brennende Fackel und hielt meine Hand in das Feuer. Augenblicklich zeichneten sich Schuppen auf meiner Haut ab. Erschrocken und mich selbst verfluchend zog ich meine Hand aus dem Feuer und ließ den Ärmel meiner Bluse darüber fallen. Doch es war bereits zu spät. Salomon starrte mich und fragte, was dieses zu bedeuten hätte. Und wieder einmal gab ich keine Antwort, denn wie sollte ich ihm es erklären ohne zu lügen? Er fragte ob ich eine Wycca sei, worauf ich sehr empört reagierte. Ich versicherte ihm, dass ich vollkommen auf der Seite der ordnenden Mächte stand und er nichts vor mir zu fürchten hätte. Er verließ das Zelt, denn er wollte darüber in Ruhe nachdenken. Schmerzlich erinnerte mich seine Reaktion an die von Iros. Ich hatte nur die Hoffnung, dass Salomon ein anderer Mensch war. Nach kaum einer Stunde Schlaf wurden wir von Salomon geweckt und brachen auf in Richtung See. Nach einigen Stunden kamen wir schließlich dort an. Mira und Dylan konnten nicht schwimmen und sich auch nicht mit Magie behelfen, weswegen nur Gray, Salomon und ich die Insel betraten. Auf unserem Weg wurden wir von einem Schwarm zum Leben erweckter, seltsamer Stofftiere angegriffen. Schließlich entdeckten wir eine Höhle, die wir betraten. Neben den Kessel fanden wir dort ein paar Kräuter und andere Dinge, die die Wycca benutz hatte. Als wir die Höhle wieder verließen, hörten wir ein Lachen und Augenblicke später wurden von einer Rauchwolke umgeben. Als ich aus dem Rauch hinaustrat, stand ich direkt vor dem Oger, der mich mit seiner mächtigen Keule angriff und den Pforten von Ylathors um einiges näher brachte. Letztlich konnten wie die Wycca und ihren Oger jedoch mit Hilfe von Mira und Dylan, die es mit einem improvisierten Floß über den See geschafft hatten, überwinden. Als wir die Hexe untersuchten entdeckten wir einen grünen Dolch, welcher auf ihre Brust gemalt war. Bevor wir reagieren konnten, hatte Salomon schon seinen Dolch angesetzt und ihn hinaus geschnitten. Neben Zauberkomponenten fanden wir noch einen Heiltrank bei der Hexe. Ich hatte mich mit Hilfe eines besonders Starken Trunks im Kampf gegen den Oger retten können, doch nun hatten wir nichts mehr um Grays verletztes Bein zu heilen. Er nahm den Trank der Wycca zu sich, doch seine Wirkung reichte nicht aus und so machten wir uns, Gray stützend, auf den Rückweg. Als wir über den See waren äußerte ich den Wünsch uns aufzuteilen, in der Hoffnung noch rechtzeitig zur Preisverleihung zu kommen. Die anderen waren dagegen, doch schließlich brach ich mit Dylan alleine auf, während wir Mira und Salomon zum Schutz von Gray, der weder schnell laufen, noch sich verteidigen konnte, zurück. So ungern ich es zugebe, doch ich hätte besser auf sie gehört. Nach etwa zwei Stunden hörten wir auf einmal ein Knurren und sahen einen großen Bären auf uns zu laufen. Tagelang hatten wir nach einem Bären Ausschau gehalten und waren keinem begegnet und in dem Moment, in dem wir es am wenigsten wünschten, standen wir einem gegenüber. Ich versuchte auf den nächsten Baum zu klettern fiel jedoch nach wenigen Metern wieder herunter. Völlig erschöpft stand ich Dylan beim Kampf mit dem Bären bei. Für einen Moment dachte ich, unser Ende wäre nun gekommen. Doch irgendetwas in mir sagte mir, dass die Klauen des Bären uns nicht den Tod bringen würden. Und tatsächlich schafften wir es aller letzter Kraft das Tier zu besiegen. Notdürftig versorgte ich Dylans Wunden und wir brachten den restlichen Weg zum Lager unbehelligt hinter uns. Doch wir waren zu spät. Das Lager wurde bereits geräumt und die Ehrung war vorüber. Trotzdem begaben wir uns zum Laird und entschuldigten unser Zuspätkommen. Eine Weile später trafen auch Gray, Mira und Salomon ein und gemeinsam begaben wir uns noch einmal zum Laird. Wir berichteten ihm von dem Hexenunterschlupf den wir im Wald gefunden hatten, der Grund für unser verspätetes Kommen. Schließlich erachteten wir es als sinnvoll dem Laird auch den Rest zu berichten. Also erfuhr er auch von Samiel, Udele und dem Pfeilritual. Er schien unseren Worten Glauben zu schenken und beauftragte uns darüber mehr herauszufinden. Für diesen Zweck überreichte er uns ein Taschentuch, welches mit seinem Zeichen bestickt war. Da fiel mir das Tuch ein, welches wir gefunden hatten und zeigte es ihm. Doch es war nicht das Zeichen Samiels, sondern das der Bogenschützengilde von Thame. Vom Laird erfuhren wir, dass es am Fest Irindarsted einen Bogenschützenwettbewerb geben würde und langsam fügte sich alles zusammen. An Irindarsted würden Samiels Pfeile ihre Ziele finden und das hatten wir zu verhindern. Der Laird bat uns darum, kein Aufsehen zu erregen und sollten wir etwas herausgefunden haben, uns bei Fiona MacConuilh, der Stadthalterin zu melden. Wir besprachen noch eine Weile wie wir am besten vorzugehen hatten, dann begaben wir uns zu Bett.
    In Thame werden wir die Pfeile und Schützen der Bogenschützengilde überprüfen, vielleicht werden wir die Kirgh miteinbeziehen, ein Priester könnte hilfreich sein. Wir vermuten, dass Udele ebenfalls ein Zeichen an sich trägt, welches sie als Mitglied des grünen Sigills auszeichnet, doch darum werden wir uns wahrscheinlich erst nach dem Fest kümmern könne, die Zeit eilt und der Laird möchte, dass das Fest ohne Aufruhr von statten geht. Endlich ist es mir möglich gegen diese dunkle Brut vorzugehen, ich werde alles tun um im Namen meines Herrn für die Vernichtung der dunklen Mächte zu sorgen. Das Feuer der Ordnung wird aufleuchten und das finstere Chaos verbrennen!
     
    In Liebe
    Enya
  13. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    eigentlich wollte ich dir erst nach dem Fest schreiben, wenn wir wieder bei Nervan sind. Doch ich muss dir die Ereignisse der letzten Tage berichten. Noch immer sitzt mir das Grauen in den Gliedern und mich plagen Zweifel und Schuldgefühle.
    Am Morgen des Sedag wurden wir von Sheldon MacRathgar, einem Freund von Nervan abgeholt und begaben uns gemeinsam mit ihm auf das Jagdfest. Bruna begleitete uns nicht, ihr geht es in letzter Zeit nicht so gut, immer wieder muss sie das Bett hüten. Aber vielleicht ist sie auch nicht die richtige für eine Pirschjagd im Wald. Nicht dass ich es bin, aber ich werde mein Bestes tun.
    Am Abend kamen wir dort an und stellten uns, wie sich das gehört, beim Laird vor. Wie naiv, wie unbekümmert, wie unvorsichtig ich gewesen war. Ich hätte dies alles leicht verhindert können, doch wie konnte ich wissen, dass es so kommen würde? So überraschend, so plötzlich, dass ich gar nicht wusste was geschah. Wir betraten sein Zelt, verbeugten uns und nannten unsere Namen. Er meinte, dass wir ihm bekannt vorkämen und wollte wissen, woher. Ich merkte wie die anderen zögerten, doch es war besser der Laird erfuhr es gleich von uns, als wenn er es später herausfinden würde. So erwähnte ich die Gerichtsverhandlung um den Tod von Rubin NiRathgar. Warum hatte ich gesprochen, warum die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt? Warum hatte ich meine Haare offen getragen? Warum habe ich mich nicht einfach an Dylans Seite gestellt und warum bin ich dort nicht geblieben? Er trat auf mich zu und machte mir Komplimente. Ich erschauderte, als ich bemerkte, wie er mich mit seinen Blicken auszog. Doch noch fühlte ich mich sicher, denn alle waren bei mir und er würde nicht…Da machte Mira eine Bemerkung zu den gelben Zelten der Huren. Ich schluckte erschrocken, doch der Laird lachte und meinte, würde ich dort arbeiten, wäre ich die reichste Frau Albas. Eine leichte Übelkeit machte sich in mir breit, die sich verschlimmerte, als er Gray, Mira und Dylan aus dem Zelt bat. Ich konnte nicht begreifen was geschah. Warum ließen mich die anderen alleine? Hilfesuchend wandte ich mich um und blickte Dylan an. Was ich in seinem Blick las, schnürte mir die Kehle zu. Es fiel ihm schwer, doch er würde nicht gegen den Befehl des Lairds gehen. Wie schrecklich dieser Moment für ihn gewesen sein musste, nicht zu wissen was passieren würde, sich so hilflos und ohnmächtig zu fühlen. Es tut mir so leid. Als die anderen das Zelt verlassen hatten, stellte Donuilh MacConuilh mir seinen Sohn und noch weitere Personen vor. Kurz darauf betrat Salomon das Zelt. Er war zuvor bei den Damen der gelben Zelte hängen geblieben und stellte sich nun ebenfalls dem Laird vor. Ein Funken Hoffnung glühte in mir auf, doch erstarb wieder, als Salomon meinen flehenden Blick ignorierte und mit ein paar Worten an Donuilh MacConuilh, lächelnd das Zelt verließ. Dann war ich mit dem Laird alleine. Er schenkte mir Wein ein, doch ich nippte nur daran. Auf keinen Fall durfte ich meinen Verstand vernebeln. Ich ließ mir die Regeln der Jagd erklären und berichtete dann von dem Auftrag Nervans. Doch schon schnell bemerkte ich, dass sein Interesse an meinen Erzählungen nur gespielt war und sich sein wahres Interesse zwischen meinen Beinen befand. Eigentlich hatte ich gehofft, er schenke mir Gehör und unternähme etwas gegen die noch verliebenden Orcs in der Binge, die die Umgebung unsicher machen und wer weiß, ob sie nicht doch noch dem Herrn der Nebelberge von Nutzen sein können. So beendete ich meinen Bericht. Als er begann meine Bluse aufzuknöpfen, wurde mir erst wirklich bewusst, in welcher Lage ich mich befand. Ich konnte mich unmöglich diesem Mann verwehren. Selbst ohne dass ich mich mit ihm hätte gutstellen und unser Ansehen wiederherstellen wollen, war es anmaßend den Wunsch des Lairds auszuschlagen. Und doch, ich wollte nicht, alles in mir schrie. Ich saß Dylans Blick, als er das Zelt verlassen musste und malte mir seine Qual aus. Wie würde ich ihm jemals wieder in die Augen schauen können? Meine Augen füllten sich mir Tränen, welche langsam ihren Weg meine Wangen hinab fanden. Verwundert hielt der Laird inne und fragte nach dem Grund für meine Tränen. Ich sprach von meiner Liebe zu dem Mann, der mich vor dem Zelt erwartete, von dem mir Wichtigsten in meinem Leben, was er drohte zu zerstören. doch dies interessierte ihn alles nicht und küsste mich. Meinen Widerstand und Unwillen überging er. Doch ich konnte mich nicht wirklich wehren. Ich war gefangen zwischen Entsetzten, Schuldgefühlen und dem Glauben, ich müsse diese Nötigung für unseren Ruf, für die andern über mich ergehen lassen. Von draußen war Miras Schrei zu hören, doch der Laird ließ sich von nichts abhalten. Ich hoffte, sie würde nichts Dummes anstellen. Da tauchte wieder Dylans Gesicht vor meinem inneren Auge auf, ich spürte seine Berührungen auf meiner Haut, hörte seine Worte in meinem Ohr und entzog mich den Händen des Lairds. Ich ging auf die Knie und flehte ihn an, mir zu verzeihen und mir dies nicht anzutun. Da bemerkte ich eine Bewegung an der Zeltwand und sah durch einen Riss Gray dort stehen. Die Wut war deutlich in seinem Gesicht zu sehen und Panik packte mich. Verzweifelt signalisierte ich ihm das Zelt nicht zu betreten. Ich schickte ein Stoßgebet zu den Göttern, dass er seinen Zorn nur dieses eine Mal im Zaum halten konnte. Was dies für uns bedeuten würde, ließ mir mein ohnehin schon rasendes Herz bis zum Hals klopfen. Der Laird schien, den Göttern sei Dank, von dem allen noch nichts bemerkt zu haben und schaute mich weiterhin mit seinen lüsternen Augen an. Er meinte, ich wünsche doch, dass er sich um die Orcs in Nierthalf kümmere. Nun benutze er auch noch meine eigenen Worte gegen mich. Wie konnte er nur so etwas von mir verlangen? Da verließ mich nur für einen Moment meine Beherrschung und mir rutschte über die Lippen, dass ich für diesen Wunsch nicht meinen Körper hergeben würde. Donuilh fasste es anders auf, als ich es gemeint und erwartet hatte. Er schrie mich an und bezeichnete mich als Hure. Er ließ mir die Wahl entweder das Zelt nun als Hure zu verlassen oder ihm das zu geben wonach es ihn verlangte. Was war das für eine Wahl? Entweder ich ließ mich zu Hure machen, weil ich das Zelt verließ und dem Laird seinen Wunsch verwehrte oder gab mich ihm hin und wäre damit nicht anders als eine der leichten Damen der gelben Zelte. Nur war meine Belohnung kein Geld. Am liebsten hätte ich den Mann geschlagen, doch ich schluckte meinen Zorn und meine Abscheu hinunter und erwiderte ruhig, dass ich Enya, Tochter von Chelinda und Aneteckroth mich nicht als Hure beschimpfen lasse, auch nicht von einem Laird und verließ das Zelt. Kaum war ich ein paar Schritte draußen, brach ich zusammen und nichts konnte die Tränen aufhalten. Tränen der Angst, der Scham, der Wut und des Entsetzens. Doch es dauerte nicht lange, da spürte ich vertraue Hände und hörte vertraue Stimmen. Mira und Dylan waren bei mir und begleiten mich zum Zelt. Die ganze Zeit über weinte ich hysterisch, ich konnte mich nicht beruhigen, wollte so viel sagen, mich entschuldigen. Endlich hatte ich mich beruhigt und trug den beiden auf Gray zu holen. Sie verließen das Zelt, doch es dauerte mir zu lange, eine innere Unruhe hatte von mir Besitz ergriffen und so ging ich hinter ihnen her. Bevor ich jedoch das Zelt verließ verband ich mir meine Haare. Als ich sie schließlich entdeckte, erfuhr ich, dass Gray vorhatte zu gehen. Er hatte versucht in das Zelt des Lairds zu gehen und hatte mit ihm gesprochen, ihm sogar gewagt zu drohen. Der unbändige Zorn, der ihn noch immer umgab, war deutlich zu spüren. Doch ich wollte nicht, dass er geht. Wir konnten ihr überreden zu bleiben. Irgendwie würden wir es schaffen. Dazu musste er sich erst einmal beim Laird entschuldigen, doch er weigerte sich dies zu tun. Vielleicht war es auch besser so, eine weitere Begegnung würde uns um Kopf und Kragen bringen. Mir ist bewusst, welches Risiko wir eingehen, in dem wir bleiben, doch ich möchte nicht so einfach aufgeben. Nachdem ich einen Tee für Gray zubereitet hatte, kehrte ich an Dylans Seite zurück und erzählte ihm, was im Zelt von Donuilh MacConuilh geschehen war. Schmerzlich wurde ich mir meiner Liebe zu diesem Menschen bewusst, als ich ihn anblickte und seine Nähe spürte. Ich bin so froh, dass ich mich den gierigen Armen des Lairds entzogen hatte. Auch wenn Dylan meinte, er hätte mir verziehen, ich hätte mir selbst nie vergeben können. Ich versicherte ihm, dass ich seine Hilfe nicht erwartet hatte, denn es hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Doch musste er mir versprechen, dass er von nun an für den Rest des Jagdfestes stets an meiner Seite bleiben würde.
    Einen kleinen Teil in mir gibt es jedoch, der tief verletzt ist und mit Vorwürfen um sich wirft. Noch habe ich das Gefühl in dem Moment als ich begriff, dass ich alleine war und mir niemand helfen würde, noch nicht ganz abgeschüttelt. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass ich mich nicht immer auf die Hilfe und den Beistand anderer verlassen kann. Doch noch wehrt sich mein Inneres gegen die Erkenntnis, dieses Gefühl der Einsamkeit. Ich weiß jedoch, dass solche Situationen wieder kommen werde, weshalb ich lernen muss sie zu akzeptieren.
    Die nächsten Tage werden wir im Wald verbringen, ich hoffe wir haben bei unserer Jagd Glück. So verrückt es klingen mag, aber die Ereignisse haben mich neben all dem Schrecken auch mit viel Kraft und Entschlossenheit erfüllt, so dass ich den nächsten Tagen mit Erwartung und Eifer entgegen sehe.
     
    In Liebe
    Enya
  14. Die Hexe
    Liebste Tochter,
    entschuldige, dass du so lange auf eine Antwort von mir warten musstest. Du hattest Recht, ich war auf Reisen. Zusammen mit einem anderen Sorellor aus der Gilde bin ich nach Valian gereist […]
    Erst einmal wünsche ich dir alles Gute zu deinem Geburtstag. Von deinem Vater soll ich dich auch ganz herzlich grüßen. Ich freue mich, dass du einen so schönen Tag verbracht hast. Ich hab auch noch ein Geschenk für dich, aber du wirst es erst bekommen, wenn wir uns sehen, denn ich möchte es dir persönlich überreichen. Ich warte auch schon lange auf meines, doch ich nehme an du hast weder den Kopf noch das Geld, dich um ein Geschenk für mich zu bemühen. Das größte Geschenk bist du, sorge einfach gut für dich und dann ist deine Mutter schon glücklich.
    So viel ist geschehen, ich habe deine Briefe mit Spannung gelesen. Es scheinen sich tatsächlich finstere Wolken am Himmel zusammenzubrauen, aber ich bin mir sicher, die Sonne wird ihren Weg durch die Wolken finden und sie vertreiben. In Glarn Rabenbart und Nervan habt ihr wirklich wertvolle Freunde gefunden. Ich muss immer wieder schlucken und den Kopf schütteln, wenn du von euren Erlebnissen erzählst. Eine Binge mit 200 Orcs, ich bin froh, dass du noch am Leben bist, Tochter. Der Bericht über Iros hat mich wenig überrascht, das was ich von ihm über deine Briefe mitbekommen habe, ließ mich schon vermuten, dass er nicht lange bei euch bleiben würde. Um ehrlich zu sein, bin ich erleichter. Du musst dich schon mit genug gegen Gefahren von außen wehren, es bedarf nicht auch noch der Feinde im Inneren. Ich hoffe ihr werdet mit Salomon mehr Glück haben.
    Über die Runenklingen sind mir auch schon Geschichten zu Ohren gekommen, aber mehr als du weiß ich über diese mysteriösen Schwerter nicht. Du musst mich über weitere Vorkommnisse unbedingt unterrichten. Ein wahrlich passende Waffe für meine Tochter, wen hätte sie anderes erwählen können als dich, kleines Feuer.
    Diesem Barden scheinst du ja wirklich wichtig zu sein. Ich werde wohl meine Meinung über ihn ändern müssen, ich hätte nicht gedacht, dass es ihm so ernst ist. Ich freue mich für dich. Ach, wie gerne würde ich dich sehen und deine Gefährten kennenlernen, aber ich werde wohl warten müssen bis ihr nach Fiorinde kommt, denn im Moment gibt es hier so viel zu tun, dass ich die Stadt außer auf Geheiß der Gilde nicht verlassen kann.
    Ich bin gespannt was du von dem Jadgfest zu erzählen hast und wohin es euch danach ziehen wird. Ich wünsche euch viel Erfolg und macht mir bloß keinen Ärger, Donuilh MacConuilh ist ein wahrlich mächtiger Mann. Nimm dich vor ihm in Acht.
     
    Chelinda
  15. Die Hexe
    An Chelinda,
    die letzten Tage waren erfüllt mit Studieren, Musik und Gesprächen, so dass ich dir erst jetzt schreibe. Mir geht es gut. Ich bin dabei mein Wissen über die arkane Kunst zu erweitern. Ausgerechnet einen Priester der Dheis Albi habe ich dabei als Lehrmeister. Doch Vater Limric ist ein guter Mann, der mich das Bannen von Dunkelheit und das Erschaffen einer Feuerkugel lehrt und mich in der Sprache der Priesterschaft unterweist. Gleich am ersten Tag, als Gray, Salomon und ich eigentlich auf dem Weg zu Tharyn, der Kräuterfrau waren, bat er uns um Hilfe, wir sollten uns um einen Spuk kümmern, der beim Friedhof sein Unwesen trieb. In einem Loch befand sich ein grauenvolles Gespenst, welches uns in Angst und Schrecken versetzte. Sein Blick allein genügte, um einem das Herz vor Angst erstarren zu lassen. Doch was mich noch mit größeren Entsetzten erfüllte, war der Moment, als Gray mit der Todesangst kämpfte und sein Herz drohte zu versagen. Ich hätte ihn beinahe verloren. Ein weiteres Mal. Mit aller Macht versuchte ich ihm Mut zu zusprechen, um ihn nicht vor meinen Augen sterben zu sehen. Mit vereinten Kräften und der Hilfe des Priesters gelang es uns schließlich den Geist zu bezwingen und zu bannen. Der Schock sitzt noch immer in meinen Gliedern. Wie oft werde ihn noch erleben? Wie lange bis sich die Pforten zu Ylathors Reich doch einmal öffnen? Ich hoffe der Tag wird nie kommen. Ich tue mein Bestes um stärker zu werden.
    Die Kräuterfrau empfing uns unwirsch und schickte uns sogleich wieder fort, ohne auf unsere Fragen und Bitten Antwort zu geben. Von Myriel erfuhr ich, dass sie sich aufgrund eines Streits mit einem Druiden zurückgezogen hatte. Doch auch dieses Problem konnten wir lösen, indem wir Haern, den Sohn des Druiden, dazu brachten, sich bei Tharyn im Namen seines Vaters zu entschuldigen. Danach bot auch sie sich als Lehrmeisterin an und ich bekam endlich die Kräuter, die mir schon eine Weile ausgegangen waren. Ich sollte anfangen, sie selbst zu suchen.
    Als wir Morvill einen Besuch abstatteten trafen wir auf ein Mädchen namens Elanor, Anführerin der Wildlinge, einer Gruppe von Kindern. Elanor ist die Tochter von Aethelsbaen, ein Müller und ehemaliger Hexenjäger, den wir, neben dem Wirt Warwick, ebenfalls im Gasthaus kennenlernten. Von ihm erfuhren wir, von den dunklen Gestalten, die im Dorf nach uns gefragt, dem Müller gedroht und sich als Schergen von Thalion ausgeben hatten. Auch er bot sich als Lehrmeister an.
    Im Dorf geschah etwas mit der Runenklinge. Ich trug sie wie immer bei mir, in der Scheide, die ich hatte anfertigen lassen, als sie plötzlich in Flammen aufging und das Leder zu Asche verbrannte.
    Gray, der neben mir gelaufen war, verbrannte das Feuer der Klinge ebenfalls. Erschrocken nahm ich das Schwert in die Hand und spürte die Macht, die ihm innewohnte. Für einen kurzen Moment war es zu einer Flammenklinge geworden, doch die Kraft erschien mir so unkontrollierbar. Ich kümmerte mich um Grays Wunden und entschuldigte mich. Danach hielt er Abstand von mir und auch ich erachtete es für sinnvoll, den anderen nicht mehr zu nahe zu kommen, solange ich die Runenklinge bei mir trug. Es wäre sehr hilfreich, würde Nervan den Bann der auf dem Buch über die Runenklingen liegt, lösen. Vielleicht würde ich dort einige Antworten finden und eine Möglichkeit die Macht der Klinge zu kontrollieren.
    Wie alle anderen sah ich Salomon in der Zeit des Lernens wenig. Doch er überraschte uns, als er eines Tages von den 25 Oring berichtete, die er in Norrenshold gefunden hatte. Er hatte es vergessen und wollte sie nun jedoch aufteilen. Er entschuldigte sich und damit war die Sache für uns erledigt. Bisher ist er nicht negativ aufgefallen, doch ich kann ihn nicht wirklich einschätzen. Nun gut, lange ist er noch nicht bei uns, ich sollte dem noch etwas Zeit geben.
    Ich nutze die Zeit um endlich mit Dylan zu sprechen. Ich teilte ihm mit, was ich von dem Versprechen an Iros hielt und bat ihn in Zukunft solche Versprechen niemandem mehr zu geben. Das Verhältnis der Versprechen war von solch Unstimmigkeit gewesen, Dylan hatte nur verlieren können, Iros hingegen nur gewinnen. Und seine Worte waren letztlich für uns alle von Nachteil gewesen. Er stimmte mir zu, dass es von ihm unüberlegt gewesen war, jedoch würde er es jederzeit wieder tun, wenn sich die Chance dadurch erhöhe, dass ich zu ihm zurückkehren würde. Dazu wusste ich nichts mehr zu erwidern und konnte nur hoffen, dass er das nächste Mal weiser entscheiden würde oder dass es ein nächstes Mal einfach nicht geben würde. Ich machte ihn auch auf sein Verhalten Gray gegenüber aufmerksam und meinte, dass eine Entschuldigung und Dankbarkeit ihm gegenüber angebracht wären.
    Die Tage verstrichen und schließlich brach der Morgen des ersten Tags im Bärenmond an. Beim Frühstück stand Dylan auf und beglückwünschte mich, woraufhin alle anderen folgten. Nein, das stimmt nicht, Gray verließ wortlos den Raum, ebenso Salomon. Dylan überreichte mir eine Schatulle, in welcher sich zwei Ohrringe befanden. Sie glichen dem Paar, von dem ich einen an die Echsenmenschen verloren und den anderen Dylan geschenkt hatte. Gerührt und glücklich bedankte ich mich bei ihm. Nervan wollte am Abend ein Fest feiern, doch ich meinte, dass es besser wäre eine große Feier nach der Jagd zu veranstalten, denn Brunas Geburtstag müsste auch noch gefeiert werden. Als ich mich in unser Gemach begab, um mich für den Tag zu richten, entdeckte ich auf meinen Nachtlager einen Handspiegel, Seife und ein Tuch aus gröberem Stoff. Daneben ein Tuch, in dem die acht Rubine eingewickelt waren.
    Den Tag verbrachte ich bei Vater Limmric. Beim Abendessen war Gray immer noch nicht da, Jaris saß ebenfalls nicht am Tisch. Salomon überreichte mir ein Kästchen, in dem sich ein silbernes Kreuz an einer Kette befand. Auf seiner Rückseite befand sich eine Inschrift auf Neu-Vallinga „Wie Feuer und Flamme“ Salomon meinte, das würde zu mir passen. Überrascht, bedankte ich mich und zog die Kette sogleich an. Dies hatte ich nicht erwartet, freute mich dafür jedoch umso mehr. Gerade als ich das Kreuz angezogen hatte, kamen die Bediensteten herein und brachten einen Kuchen, den Mira gebacken hatte. Ihr Geschenk würde sie mir später überreichen. Es war ein schöner Abend, die Stimmung war ausgelassen und Miras Kuchen sehr gut. Doch einer fehlte: Gray. Nach einiger Zeit begab ich mich auf die Suche und fand ihn schließlich in der Bibliothek. Dort saß er im Schein einer einsamen Kerze. Sein Anblick versetzt mir einen Stich. Ich bedankte mich für sein Geschenk und fragte ihn, ob er uns Gesellschaft leisten würde, doch er weigerte sich, mich zu begleiten. Ich weiß nicht, was geschehen ist, dass er den Tag seiner Geburt mit solch bitteren Erinnerungen verbindet. Als ich ihn ein paar Tage später darauf ansprach, wurde ich um keine Erkenntnis bereichert. Es schmerzt mich, dass er mir dieses Vertrauen nicht entgegenbringt und seine dunklen Seiten nicht teilt, obgleich ich ihn verstehen kann.
    Die Schätze und das Gold lagerte ich bei Nervan, darunter befand sich auch der Helm, von dem wir noch immer nicht wussten, was er konnte oder ob es einfach nur ein einfacher Helm war. Am einem Morgen ging Gray in unser Zimmer und zog ihn auf. Woraufhin er runter auf den Hof stapfte und den Hauptmann Rensgar nach seinem stärksten Mann fragte. Im folgenden Kampf verlor Gray die Kontrolle und hieb auf Rupert, seinen Gegner blindlings ein. Wir versuchten ihn aufzuhalten und nach mehreren Versuchen gelang es mir ihn einzuschläfern, doch der Helm ließ sich nicht von seinem Kopf lösen. Von Salomon erfuhren wir, dass der Helm verflucht war und ich schickte ihn los, um den Priester zu holen. Vater Jaris bannte die finstere Magie, die sich des Helmes bemächtigt hatte und er zerbrach. Zu meinem Entsetzten lagen nicht nur die Stücke des Helmes neben Grays Kopf, sondern auch das zerbrochene Diadem, welches er darunter getragen hatte. Und wieder einmal war durch Grays Neugier etwas geschehen… So viel Wirbel um dieses Diadem und nun ist es unbrauchbar. Ich hoffe, dass der Moment in dem wir seine Zerstörung bitter bereuen, niemals kommen wird. Für die Zukunft wird derjenige, der ein magisches Artefakt ausprobiert, nur dieses bei sich tragen. Bei dem Kampf hatte Rupert Gray einen Arm gebrochen und er würde nun mehrere Tage nicht mehr zu gebrauchen sein. Es waren noch sechs Tage bis zum Jadgfest. Den Göttern sei Dank wusste ich von einem Kraut welches die Heilung des Bruchs beschleunigen würde und fand es auch, so dass Grays Arm nach fünf Tagen, dank meiner täglichen Fürsorge, wieder verheilt war.
    Doch außer Gray galt meine Aufmerksamkeit noch einem anderen Menschen, Jaris, der Tochter von Nervan. Je länger ich sie beobachtete, desto sicherer war ich mir, dass sie schwanger war. Ich sprach ihre Zofe Betty an und sie bestätigte meinen Verdacht. Ich erfuhr das Tachwallon der Vater des Kindes war und dass die zwei ehrliche Gefühle für einander empfanden. Jaris hatte Angst es ihrem Vater zu sagen, denn der Barde war kein Mann von Stand und diese Verbindung wäre Nervans Ruf nicht zuträglich. Doch ich redete mit ihr und überzeugte sie, dass es besser sei, denn irgendwann würde er es ohnehin erfahren. Ich versicherte ihr meine Unterstützung und versprach ihr, dass ich mit ihren Vater nach dem Jadgfest reden würde.
    Bald ist es soweit. Auf das Fest und den Laird bin ich schon sehr gespannt. Ich weiß von ihm nur, dass er einen gewissen Ruf als Wüstling genießt. Ich hoffe wirklich, dass es uns gelingt uns mit ihm gutzustellen, er ist schließlich einer der mächtigsten Männer des Landes.
    Ich bin froh ein paar ruhige, mehr oder weniger sorgenfreie Tage gehabt zu haben, wobei sie nicht wirklich ruhig waren, aber zumindest befanden wir uns mal nicht im Gefängnis, eine verlassenen Zwergenbinge mit 200 Orcs oder einer verlassenen Hochmotte mir Hexen, Dämonen und Ogern.
    So langsam frage ich mich wirklich, in welche fernen Gefilde meine Mutter gereist ist und wann ich eine Antwort erhalten werde.
     
    In Liebe
    Enya
  16. Die Hexe
    An Chelinda,
    als wir in am Deachdag in Clydach ankamen, begaben wir uns in den Apfelkeller, dem einzigen Gasthaus in dem kleinen Dorf. Dort begegneten wir neben zwei könig-albischen Waldläufern, zwei Ordensritter, ein ältere und ein jüngerer. Der Junge hatte seltsame Anwandlungen und rief völlig zusammenhangslos heilige Wörter, Orte und Namen. Ansonsten geschah nichts Außergewöhnliches und das Treffen der Ordensritter verlief ohne weitere Schwierigkeiten. Nach einem Gespräch mit Gwyddon, er konnte mir leider nicht mehr über die Hexe erzählen, gingen wir zu Bett. Am nächsten Morgen gab uns der Druide als Dank einen Heiltrunk mit auf den Weg. Am Mittag des Myrkdag gelangten wir an die Stadttore von Thame. Sogleich begaben wir uns zu Glarn Rabenbart, der uns empfing und unserer Geschichte lauscht. Wir überreichten das verlorengegangene Schriftstück und ich zeigte ihm den Mantel aus Zwergenbärten. Baldur war sehr erleichtert und fragte uns nach seinem Maultier. Salomon hatte jedoch gemeint, er müsse es verkaufen und so stand er wortlos auf, verließ den Raum und kehrte nach einiger Zeit ebenfalls wortlos mit dem Tier zurück.
    Am Ceaddag der zweiten Trideade im Wolfmond kamen wir spät abends in Dun Irensrod an und erklärten Nervan unser spätes Kommen. Er berichtete uns, dass er die Magie, welche auf dem Zwergenbuch lag, noch nicht bannen konnte. Er würde es als nächstes mit einer Kombination aus Magie und Alchemie versuchen. Als wir über unsere weiteren Pläne sprachen, erzählte der Gelehrte uns von dem Jadgfest, welches der Laird Donuilh MacConuilh veranstalten würde. Dort hätten wir die Möglichkeit unseren Ruf und unser Ansehen zu verbessern. Außer bei den Zwergen waren wir nicht gern gesehen in Thame und es wäre gut, wenn sich dies wieder ändern würde. Das Fest beginnt am Sedag der 1. Trideade im Bärenmond. Wir entschlossen die Zeit bis dahin mit Studieren und Kennenlernen der Gegend und ihrer Bewohner zu verbringen. Um die Chance bei unserem Aufenthalt in Dun Irensrod bösen Überraschungen zu erleben zu verringern, erzählte ich Nervan von Sandrina und er versprach den Hauptmann Rensgar davon zu unterrichten. Da fiel mir der Stein ein, den mir Meister Cleobolus mitgegeben hatte und reichte ihn Nervan, woraufhin er ein Spiel hervor holte, mit dem wir uns noch eine Weile beschäftigten. Ich stellte mich gar nicht so schlecht an und gewann gegen Gray und Salomon. Gegen Nervan hatte ich natürlich keine Chance.
    Ich schaue den kommenden Tagen mit Freude entgegen. Es gibt sicher viel zu lernen und zu erfahren. Um einige Dinge werde ich mich noch kümmern müssen, auch wenn sie nicht nur angenehm sind. Das Fest von Bruna steht immer noch offen und bald habe auch ich Geburtstag. Aber ich befürchte die Zeit bis zum Fest wird viel zu kurz sein, um alles zu tun, was ich mir vorgenommen habe.
    Ich freue mich wieder von dir zu hören, es ist schon eine Weile her, dass ich einen Brief von dir erhalten habe. Wahrscheinlich bist du unterwegs und liest diese Zeilen erst, wenn du zurückkehrst. Ich bin gespannt, was du zu erzählen hast.
     
    In Liebe
    Enya
  17. Die Hexe
    An Chelinda,
    am Morgen verabschiedeten wir uns von Cleobolus und machten uns auf den Weg zur verlassenen Hochmotte Norrenshold. Es wäre ein Leichtes gewesen sie zu finden, doch wir wurden durch Hexenkunst in die Irre geführt. Als wir dies begriffen, konnten wir uns von dem Zauber befreien und fanden schließlich an unser Ziel. Wir betraten die Motte durch das Nebengebäude und kamen im ersten Stockwerk in einen Flur. Am Ende des Flures stand ein Tisch mit einem silbernen Kreuz darauf. Augenblicklich kam mir in den Sinn, um was es sich hier handeln musste. Ein Ankoral, an dem etwas gebunden war. Da begannen Salomons Augen in einem weißen Licht zu glühen und er teilte uns mit, dass zwei Dämonen an das Kreuz gebunden waren. Von solch einem Zauber habe ich noch nie gehört, er scheint mir aber durchaus nützlich. Als wir den Gang betraten, erschienen die zwei Dämonen und wir nahmen den Kampf mit ihnen auf. Während wir gegen diese finsteren Kreaturen kämpften, erschien ein Oger aus einer der Türen, doch auch dieses Wesen konnten wir abwehren. Schließlich durchsuchten wir die restlichen Räume, doch von dem Brief fehlte jegliche Spur. Im Erdgeschoss fanden wir jedoch eine Falltür, die wir öffneten. Im Raum darunter befand sich die Hexe, die uns mit ihrem Hexenwerk und einem beschworenen Dämon erwartete. Erschöpft vom letzten Kampf zogen wir uns erst einmal zurück. Während Gray versuchte seine Kräfte durch Meditation wiederzuerlangen, begaben Salomon und ich uns nach oben, um die Umgebung im Auge zu behalten. Nach kurzer Zeit sahen wir eine Ogris auf den Eingang der Motte zu laufen. Wir warnten die anderen und verstellten die Tür. Nach einiger Zeit tauchte jedoch eine Axt aus dem Holz hervor. Schnell packten wir diese, entrissen sie den Händen der Ogris und Dylan schoss mit seiner Armbrust durch das entstandene Loch. Nach zwei Pfeilen floh sie und Salomon und ich nahmen die Verfolgung auf. Nachdem die Kreatur ihr Ende gefunden hatte, entdeckten wir bei ihr einen Mantel aus Zwergenbärten geknüpft. Mit Entsetzten betrachtete ich ihn, denn in den Händen hielt in den Mantel des Ogers von Thame oder vielmehr ein zweites Gewand dieser Art. Wir kehrten zurück und nach einiger Zeit öffneten wir die Falltür, diesmal leise, fanden im Keller jedoch nur den Dämon vor, den wir vernichteten. Um ein Haar wäre uns die Hexe entkommen, denn sie hatte sich hatte sich mit Magie unsichtbar gemacht. Doch wir hörten ihre Schritte auf der Treppe und folgten ihr. Als sie durch Grays Magie schlafend darnieder lag, fesselten und knebelten wir sie. Während Gray und Mira die verbliebenen Räume untersuchten, verhörten Salomon und ich das Hexenweib. Doch als ich nach ihrem Herrn fragte, spürte ich einen Windhauch, als ihre Brust aufriss und sie starb. Ihr finsterer Herr hatte erfolgreich verhindert, dass wir von ihm erfahren. Gray und Mira hatten im Keller neben dem Brief einen verletzten Mann gefunden, um den ich mich sogleich kümmerte. Er stellte sich als Gwyddon ap An vor. Er ist ein Druide aus Clanngadarn und wurde von der Hexe Edris gefangen und ausgefragt. Sein Ziel ist Clydach, ein kleines Dorf nördlich von Norrenshold. Wir boten ihm an, ihn dorthin zu begleiten, denn er war schwer verwundet und konnte sich nicht verteidigen, sollte etwas auf dem Weg passieren. Für unsere Hilfe versprach er uns eine Belohnung. Wir zerstörten das Pentagramm, mit welchem die Wycca den Dämon beschworen hatte und brachen dann auf. Die erste Nacht werden wir wohl im Freien verbringen, denn Salomon weigert sich in der Motte, wo die Hexe ihr Unwesen getrieben hat, zu nächtigen. Auch ich war wenig begeistert von dieser Idee.
    Ich bin froh der Wycca ihr Handwerk gelegt zu haben, doch es erzürnt mich, dass ich nicht den Namen ihres Herrn erfahren habe. In diesem Moment kam ich mir so machtlos gegen die Mächte der Finsternis vor. Noch viel habe ich zu lernen, Mutter. Noch sehr viel.
     
    In Liebe
    Enya
  18. Die Hexe
    An Chelinda,
    nachdem ich mit dem Brief an dich fertig war, begab ich mich zum Haus der Wunder in dem die Berggnomin Kelda Glitzerfels, eine Thaumaturgin, Talismane, Amulette und andere magische Artefakte verkauft und fragte nach einem Artefakt, welches die Haare dauerhaft färben könne, doch ihr war nichts dergleichen bekannt. So kehrte ich wieder in die Gilde ein und kaufte dort Zauberkomponenten, während ich auf Gray wartete. Bald kam er mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck zurück. Die Gildenvorsteherin hatte ihm deutlich gemacht, was passieren wird, sollte er noch einmal in der Öffentlichkeit zaubern ohne einer Gilde beigetreten zu sein. Allerdings erfüllte er die Voraussetzungen für einen Beitritt in der Gilde des Weißen Steins nicht. Es wurden zwei Fürsprecher innerhalb der Gilde benötigt, zusätzlich würden sie selbstverständlich die Gesinnung überprüfen. Diese Anforderungen werden wir in jeder Magiergilde in Alba erfüllen müssen. Wir sollten in naher Zukunft um uns eine Mitgliedschaft bemühen, doch ich halte Thame für keine gute Wahl, zu viel ist in dieser Stadt schon passiert und unser Ruf zu schlecht. Ich würde sehr gerne nach Fiorinde reisen und dort der Gilde beitreten. Vielleicht wird uns unser Weg irgendwann dorthin führen. Ich hoffe es wird nicht mehr allzu lange dauern.
    Schließlich begaben wir uns ans Tor und bald tauchte Mira auf. Sie erzählte uns, sie hätte Meister Cleobolus getroffen. Er würde uns gerne zu Nervan begleiten. Ich wunderte mich, denn es war schon Abend und wer würde des Nachts reisen, außer ihn zwingen die Umstände dazu? Doch der Grund, weshalb er uns am Tor treffen wollte, wurde sogleich aufgeklärt, als er in Begleitung eines jungen Mannes auftauchte. Wir wunderten uns über seinen fehlelenden Wagen, doch er winkte ab und meinte nicht er würde uns begleiten. Er stellte uns den Mann als seinen Enkel Salomon vor. Der Mann war in einen schwarzen, zerfetzten Ledermantel gekleidete, hatte einen ebenfalls schwarzen Schlapphut auf und trug ein Langschwert bei sich. Er war etwa in meinem Alter, von durchschnittlicher Statur und Aussehen. Gray fragte Cleobolus, ob er für uns noch einmal die Sterne gedeutet hat. Und tatsächlich prophezeite uns der alte Mann, dass finstere Mächte sich sammeln und ihr Netzt um uns spannen würden. Das ist auch der Grund, warum er Salomon an unserer Seite wissen möchte. Er ist ein Jäger der finsteren Mächte. Cleobolus war der Meinung, nachdem der junge Mann eine schwierige Zeit durchgemacht hätte, wäre er nun bei uns gut aufgehoben. Nun, da mag er recht haben, trotzdem konnten wir uns eines gewissen Misstrauens nicht erwehren, welches sich noch steigerte als Cleobolus die Heimat Salomons erwähnte: Die Küstenstaaten. Wenig erfreuliche Erinnerungen verbinden wir mit Küstenstaatlern. Doch ich hatte mir vorgenommen, offen zu sein und mich nicht zu verschließen und sollte er tatsächlich ein Gegner finsterer Mächte sein, hatten wir immerhin schon ein gemeinsames Ziel. Gleich zu Beginn erzählten wir Salomon, warum wir ihm mit Misstrauen und Vorsicht begegneten, unterrichteten ihn über die „Regeln“ in unserer Gruppe und alles und jeden, der uns verfolgte und Schaden wollte. Die meiste Zeit über blieb er still und hörte sich an, was wir zu berichten hatten. Da niemand von uns etwas gegen seine Begleitung einzuwenden hatte, verabschiedeten wir uns von Cleobolus und machten uns auf den Weg nach Dun Irensrod.
    Es wurde bereits dunkel und wir kamen nur langsam voran. Dylan und Salomon waren dafür in ein Gasthaus einzukehren, Gray erinnerte sie daran, was letztes Mal passiert war, doch schließlich entschieden wir uns doch, die Nacht nicht im Freien zu verbringen. Doch bevor wir an ein Gasthaus kamen, trafen wir auf Bruna, die uns hinterher geritten war. Es war schon sehr spät, doch wir wurden dank Dylans Bekanntheit noch eingelassen. Am Tisch nahm ich meinen Becher und füllte das Ale vor mir hinein, um auf den Boden des Bechers zu schauen. Zu meiner Erleichterung fand ich dort kein eingeritztes S. Doch nach wie vor war ich vorsichtig und nahm erst einmal nur einen Schluck. Wir erzählten Bruna von den Ereignissen mit Iros und erklärten ihr, wie wir die Aufteilung der Gegenstände dieses Mal gehandhabt hatten. Es folgte eine kurze Diskussion über den Zwergenhammer, den wir in der Binge gefunden hatten, doch schließlich waren wir uns einig, er würde an Vater gehen, um unsere Schulden zu begleichen. Er wird ihm sicher gefallen, ein magischer Steilhammer, besonders effektiv gegen Orcs. Im Verlauf des Gesprächs packte Bruna einen Helm aus, den wir völlig vergessen hatten. Auch dieser würde an Vater gehen. Dafür nahm Bruna das Amulett, welches ihre Wunden schneller heilen ließ, an sich. Zu unserer Erleichterung verbrachten wir eine ruhige Nacht.
    Am nächsten Morgen brachen wir auf. Salomon hatte ich mein Pferd überlassen und ritt zusammen mit Dylan. Ich fragte den jungen Mann nach seinen Gründen für die Jagd der finsteren Mächte, doch er zog es vor zu schweigen und so fragte ich nicht weiter nach, konnte ich ihn doch am besten verstehen. Vielleicht würden wir es eines Tages erfahren. Ich hatte ebenfalls meine Zeit gebraucht, mich der Gruppe anzuvertrauen und noch immer wissen sie nicht alles.
    Nach dem wir eine Weile geritten waren, hörten wir ein Stöhnen aus dem Gebüsch am Waldrand. Umgehend stieg ich vom Pferd und eilte dorthin. Ein Zwerg in schwarzer Kleidung mit einem flammenden Zeichen auf der Brust lag dort, übelzugerichtet, kaum mehr bei Bewusstsein. Ich rief Bruna zur Hilfe und gemeinsam kümmerten wir uns um ihn. Als er wieder bei Sinnen war, stellte er sich an Baldur Schattenbann vor und erzählte uns, dass er ein Bote des Zwergenkönigs von Dvarnaut im Penganniongebirge sei und einen wichtigen Brief für Dvarin Doppelaxt, dem König des Atrossgebirges, bei sich gehabt hatte. Doch er war von zwei Wesen, er war der Meinung Oger, überfallen und niedergeschlagen worden. Nun fehlte das Schreiben, welches er zu Glarn Rabenbart hatte bringen sollen. Das Schriftstück enthält Informationen über eine Hexe, die ihr Unwesen in der Gegend treibt. Normalerweise jagt er Schattenzwerge, doch diesmal hatte er die Wycca, eine menschliche Kreatur der Finsternis, verfolgt, sie jedoch verloren.
    Die Stadt schien und nicht aus ihren Fängen entkommen zu lassen und so bauten wir eine Trage, auf die wir den Zwerg legten, kehrten um und machten uns ein weiteres Mal auf den Weg nach Thame. Am Abend erreichten wir das Tor, betraten die Stadt und begaben uns zum Zwergenviertel. Glarn war verwundert uns so schnell wieder zusehen und wir erklärten ihm den Grund unseres Kommens. Er rief augenblicklich nach jemandem, der sich um den Zwerg kümmern würde und lauschte dann Baldurs Geschichte. Der Besuch auf Nervans Burg würde wohl noch eine Weile warten müssen, denn wir machten es uns natürlich zur Aufgabe, das Schreiben zurückzubringen. Die Oger hatten sich, wenn man den Worten Baldurs Glauben schenkte, in eine verlassene Hochmotte zurückgezogen. Glarn holte eine Karte der Gegend und breitete sie auf dem Tisch aus. Schnell fanden wir den Ort, an den das Schriftstück wahrscheinlich gebracht worden war. Wir verabschiedeten uns und begaben uns in Romildas Herberge, wo wir auf Meister Cleobolus trafen.
    Eine Nacht werden wir in Thame zu verbringen, morgen werden wir uns auf den Weg Richtung Amberford machen, von dort aus, ist es nicht mehr weit zu der verlassenen Hochmotte Norrenshold. Schon wieder wird uns keine Rast gegönnt. Wie sehr wünsche ich mir einfach mal ein paar Tage Ruhe. Die Zeit im Halfdal scheint schon so lange her, so viel ist seitdem passiert. Vielleicht haben wir nach dieser Aufgabe die Möglichkeit auf Nervans Burg etwas zur Ruhe zu kommen, uns zu sammeln und das ein oder andere zu lernen, doch viel Hoffnung habe ich nicht.
    Schon lange wollte ich die Geburtstage der anderen wissen, doch erst jetzt bin ich dazu gekommen, sie zu fragen. Außer Mira war jedoch niemand begeistert von der Idee diese Tage zu feiern. Besonders Gray zeigte wenig Freude, den Tag an dem er geboren wurde, wollte er uns nicht nennen, wir sollten ihm einen beliebigen aussuchen. Welche bitteren Erinnerungen er damit wohl verbindet? Doch bei allem was wir erleben, uns schon wiederfahren ist, sind Momente der Freude und des Glücks umso wichtiger und kostbarer. Und diese Tage sollen von Glück, Freude und Unbeschwertheit erfüllt sein. Gemeinsam mit Mira werde ich mir Mühe geben! Für Bruna werden wir auf Dun Irensrod ein Fest feiern, denn ihr Geburtstag ist heute, am Seachdag, 1. Trideade Wolfsmond.
    Ich habe darüber nachgedacht, wie ich dir oder Vater die Abzahlung unserer Schulden zukommen lasse und bin zu der Entscheidung gekommen, dass ich sie in Dun Irensrod lagern und sobald der Betrag die nötige Höhe erreicht hat, ins Pengannion zu Vater reisen werde. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, werde ich dich davon unterrichten, damit du Teck unser Kommen ankündigen kannst.
     
    In Liebe
    Enya
  19. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    nur wenige Tage sind vergangen und doch hat sich so viel ereignet, dass ich nicht weiß wo ich beginnen soll. Mit der Annahme, die Reise nach Thame und wieder zurück, würde ohne weitere Vorkommnisse und Schwierigkeiten verlaufen, hatte ich mich schwer getäuscht.
    Am ersten Abend kamen wir an eine Taverne an der Königsstraße und kehrten ein. Wir hatten bereits für Unterkunft, Speis und Trunk gezahlt, als wir am Tisch saßen und ich mein Ale trank. Ich nahm den letzten Schluck, als das eingeritzte S am Boden des Bechers mir wie ein Dolch ins Auge stach. Augenblicklich warf ich den Becher von mir und übergab mich. Ich verspürte Übelkeit, doch noch zeigten sich keine weiteren Anzeichen einer Vergiftung. Verwundert fragten die anderen nach und ich zeigte auf den Becher. Schlagartig wurde es eiskalt im Raum und Gray ging zum Wirt, packte diesen und brüllte ihn an. Den anderen Menschen in der Taverne befahl er hinaus zu gehen und damit sie seinem Befehl Folge leisteten, ließ er es schneien. Es ging so schnell und noch war ich zu überrascht über die Ereignisse, dass ich ihn nicht aufhalten konnte. Gray und Iros bearbeiten den Wirt solange, bis wir erfuhren, dass Sandrina ihm vor nicht allzu langer Zeit fünf Oring dafür gezahlt hatte, den vergifteten Becher uns zu reichen. Wir forderten unser Geld zurück, Iros nahm die fünf Oring an sich und wir verließen das Gasthaus. Doch zuvor sprach Gray unzusammenhängende arkane Worte und sagte dann dem Wirt, dass er nun alles mitbekommen würde, was in dem Raum passiere. Natürlich war dies völliger Unfug. Draußen standen die Menschen und schauten uns mit angsterfüllten Augen an. Gray teilte ihnen mit, sie könnten wieder hinein, doch niemand bewegte sich. Den Göttern sei Dank, ich hatte schnell genug reagiert, denn das Gift hatte noch nicht begonnen in mir zu wirken. Mit dem Wissen, dass Sandrina in der Nähe war, entschieden wir uns, nicht mehr in Gasthäuser einzukehren und die Nacht durchzureiten. Bis nach Thame machten wir immer wieder kleinere Pausen, doch wirklich schlafen konnten wir nicht. Am Morgen des zweiten Sedag im Wolfmond kam uns ein Trupp entgegen. Es waren Ritter des Sonnenordens, die uns aufgrund der Ereignisse im Gasthaus verhafteten. Gray wollte alleine mit ihnen gehen, doch sie ließen nicht mit sich reden. Das Grays Verhalten Folgen haben würde, hatte ich mir bereits gedacht. Wann wird er lernen, mit der Magie in Alba noch vorsichtiger zu sein und seine Wut besser zu kontrollieren? So kamen wir also in die Ordensritterburg in Thame, die ich eigentlich nie von Innen hatte sehen wollen. Angst überkam mich, ich hatte das Gefühl, der Name Vraidos stand auf meiner Stirn geschrieben. Hinzu kamen meine noch ungefärbten Haare, die ich wieder unter dem Tuch versteckt hatte. Ein weiteres Mal wurden uns unsere Waffen abgenommen. Uns wurden die Augen verbunden, wir wurden gefesselt, geknebelt und in eine Zelle geworfen. Ich konnte und wollte es nicht glauben. Wieder befanden wir uns in Gefangenschaft und hatten und auch noch mit den Ordenskriegern des Xan angelegt. Doch diesmal mussten wir keine sechs Tage ausharren, nach kurzer Zeit kamen ein Ordensritter und eine Frau an unsere Zellentür. Bei der Frau handelte es sich um Arlena NiConuilh, die Vorsteherin der Magiergilde von Thame. Wir übergaben das Schreiben von Nervan und schilderten ihr die Ereignisse aus unserer Sicht. Danach wurden wir wieder entlassen, doch die Sorellis wollte noch ein Gespräch mit Gray über seine Taten führen. Wir bekamen unser Hab und Gut zurück und begaben uns zum Zwergenviertel Thames. Dort erzählten wir Glarn Rabenbart unsere Geschichte und ließen die magischen Artefakte und den Schmuck schätzen.
    Und dann begann die Diskussion. Wie erwartet ließ sich das Geld und die Gegenstände nicht einfach so verteilen. Iros wollte das Schild, das Amulett, das Diadem und am liebsten auch noch den Dolch behalten, war aber nicht bereit uns dafür auszuzahlen. Er weigerte sich an die Abmachung, die wir vor Betreten der Zwergenbinge gemacht hatten, zu halten. Er war der Meinung, das Diadem war bei ihm am besten aufgehoben und ließ keine andere Meinung zu. Stundenlang diskutieren wir. Es war so ermüdend, Iros zeigte keinerlei Einsicht. Mira hatte sich zu Beginn der Diskussion verzogen und kam erst zurück, als wir zu einer Einigung gekommen waren. Noch immer war Iros uneinsichtig und nicht bereit sein eigenes Verhalten zu überdenken, stattdessen beschuldigte er uns neidisch auf ihn zu sein und ihm die magischen Artefakte nicht zu gönnen. Vergeblich versuchte Gray ihn vom Gegenteil zu überzeugen und ihm die Unsinnigkeit seiner Worte vor Augen zu halten. Altes wurde wieder auf den Tisch gebracht, doch es brachte uns nicht weiter. Schließlich gab Iros nach und die Gruppe sollte über den Träger des Diadems bestimmen.
    Als Mira wieder zu uns stieß, berichteten wir ihr kurz, was vorgefallen war und dann ergriff Gray das Wort. Er sprach mir aus der Seele, als er Iros mitteilte, dass er solche Diskussionen in Zukunft nicht mehr führen wollte und dass er seine Drohung, die er damals ausgesprochen hatte, wahr machen würde. Ein Gruppenmitglied, welches sich nicht gruppendienlich verhielt, im Gegenteil, gegen die Gruppe agierte, könnten wir nicht tragen. Mira versuchte noch einmal einzulenken, doch die Entscheidung war gefallen. Als ich versuchte etwas zu sagen, fuhr mir Iros über den Mund und behauptete, dass wir uns noch nie verstanden hätten, er könne mich nicht ausstehen und ich ihn nicht. Viel konnte ich dazu nicht mehr sagen. Er hatte mich nie verstanden, er hatte es nicht einmal versucht. Nicht ihn akzeptierte ich nicht, sondern sein Verhalten. Schrecklich war das Gefühl in dem Moment, ich sah wie schwer es Gray fiel, dies Iros zu sagen. Auch ich hätte mir etwas Anderes gewünscht, doch es würde sich nichts ändern. Es war die richtige Entscheidung gewesen und jetzt da sie getroffen wurde, erfüllte mich neben der Bedrückung auch Erleichterung. Da ergriff Dylan das Wort. Da er ein Versprechen Iros gegenüber gemacht hatte, mich jedoch nicht verlassen wollte, bot er ihm an, seine Schulden zu übernehmen. Zuerst weigerte sich Iros und verlangte von ihm, ihn nach Chryseia zu begleiten. Doch Dylan meinte, er würde nicht von meiner Seite weichen und wenn er dafür wortbrüchig werden müsste. Schließlich einigten sie sich und Iros verlangte seine Ausbezahlung. Wir gaben ihm seinen gerechten Anteil, doch dies war ihm nicht genug. Er verlangte auch noch die Runenklingen schätzen zu lassen. Doch sie waren von unschätzbarem Wert, so dass wir nur den Materialwert der zerbrochenen Klinge nahmen und ihm auch noch davon einen Anteil gaben. Zorn wallte in mir auf über Dylans dummes Versprechen und Iros Gier nach Geld. In meinen Augen waren die Runenklingen etwas, was man nicht mit Gold aufwiegen konnte. Schließlich waren sie von unschätzbarem Wert und erwählten ihren Träger selbst. Iros Argument für Entschädigung, er könnte ja der Träger sein, sollte die Klinge wieder ganz werden, hatte keinen Wert. Sollte das Schwert ihn tatsächlich wählen, würde sie zu ihm gelangen. Aber ich bezweifelte stark, dass die Klinge solch einen Träger erwählen würde. Wie konnte solch ein egoistischer, gieriger Mensch ein Segen für die Menschheit sein?
    Dann war es an der Zeit getrennte Wege zu gehen und wir forderten die Artefakte, die er noch bei sich trug. Es wunderte mich nicht, dass er sich weigerte sie herauszugeben. Er wollte uns dafür bezahlen, doch wir meinten, diese Gegenstände gehörten der Gruppe, wie ausgemacht und er hatte seinen Anteil, der ihm zustünde und noch mehr, bekommen. Als er sich zur Tür wendete, waren Gray und ich sofort bereit und nach ein paar arkanen Worten und Gesten von Gray sackte Iros zusammen und lag schlafend am Boden. Es tat mir leid, zu solch Mitteln greifen zu müssen, ja es beschämte mich, aber nach all den Ereignissen mit Iros, Bernardo, Sandrina, Udele, war in uns kein Raum mehr für Gnade und Nachsicht. Mira nahm ihm das Amulett ab, das Diadem hatte Gray zuvor an sich genommen. Doch als sie den kleinen Schild versuchte von Iros Arm zu lösen, wachte er auf und brüllte. Glarn war verwundert und fragte, was das Wirken von Magie in seinem Hause sollte. Wir erklärten, dass wir versuchten die Sache auf eine friedliche Art ohne Blutvergießen zu lösen. Gray schläferte Iros ein weiteres Mal ein und ich stellte mich an die Tür. Als Mira ein zweites Mal versuchte an das Schild zu kommen, gebot ihr Glarn Einhalt. Er wollte es anders regeln, stellte sich breitbeinig über Iros und weckte ihn. Er befahl ihm, uns unseren rechtmäßigen Besitz zu überreichen und dann ohne Weiteres sein Haus zu verlassen. Iros nahm das Schild, warf es von sich und stürmte wutentbrannt durch die Tür. Stille, Zorn und Schwermut füllten den Raum, welchen Iros verlassen hatte.
    Mira, Gray und ich regelten die restliche Verteilung des Goldes und der Gegenstände. Wir beschlossen, dass jeder in der Gruppe den Stirnreif einmal tragen würde und wir dann entscheiden würden, bei wem er am besten aufgehoben war. Wir waren uns einige und es gab keine Diskussionen mehr. So waren wir recht schnell fertig und begaben uns in die Stadt, um noch ein paar Besorgungen zu machen, bevor wir wieder nach Dun Irensrod aufbrachen. Da wir nun für längere Zeit in Nervans Burg bleiben würden, ließ ich mir meine Haare wieder färben.
    Dann begaben wir uns in die Magiergilde, denn dort wartete Arlena NiConuilh bereits auf Gray. Mira verabschiedete sich und wir vereinbarten uns am Tor zu treffen. Nun sitze ich hier und warte darauf, dass Gray zurückkommt.
    Wir sollten dafür sorgen, dass sich unser Ruf in Thame bessert. Gray hat nicht gerade in diesem Sinne gehandelt. Dass wir solch eine Begegnung mit dem Orden der Sonnenritter hatten, kann nichts Gutes bedeuten. Gray…Ich hoffe, er wird lernen seinen Zorn zu bändigen, es könnte uns eines Tages wirklich in Schwierigkeiten bringen. Was kann ich tun, um dies zu verhindern, ihn und uns zu schützen? Nun, irgendeinen Weg wird es geben. Nach all den Ereignissen ist mir noch einmal bewusst geworden, wie wichtig mir Gray, Mira und natürlich Dylan geworden sind und wie stark das Band zwischen uns geworden ist. Ohne sie und das gegenseitige Vertrauen würde ich das alles nicht durchstehen. Mich freut es, dass du sie kennenlernen möchtest. Ich hoffe die Gelegenheit ergibt sich bald.
    Ich werde einen Teil der Schulden abbezahlen, doch muss ich noch einen sicheren Weg finden, sie dir oder Vater zukommen zu lassen. Das restliche Gold wird bald folgen. Mit Dylan muss ich diesbezüglich noch ein Wörtchen reden…
    Sobald wir in Dun Irensrod angekommen sind, werde ich Ihn rufen und um Unterweisung bitten. Von Udele und Samiel werde ich Ihm ebenfalls berichten. Wenn finstere Mächte am Werken sind, kann Er mir vielleicht auch etwas zum Herrn der Nebenberge sagen.
    „Nur durch Vertrauen kann man neue Freunde gewinnen.“ Mutter, es fällt mir schwerer den je den Menschen, auf die wir treffen, nicht mit Misstrauen zu begegnen, sondern ihnen zu vertrauen. Zu viel ist in der Vergangenheit passiert. Erst Bernardo, dann Sandrina, die wie ein Schatten über uns schwebt und uns nicht ruhig schlafen lässt. Wegen Udele ist Thame für uns ein Ort, den wir besser meiden sollten. Und schließlich Iros. Immer wieder habe ich versucht, mir mit ihm eine Chance zu geben, doch ich habe es nie geschafft ihm zu vertrauen. Er hat das bedroht, was mir teuer war, den Zusammenhalt der Gruppe. Er hat uns benutzt und war am meisten auf seinen Vorteil bedacht. Ich dachte, nach dem Gespräch im Halfdal würde sich etwas ändern, doch ich hatte mich getäuscht. Und nun gehen wir getrennte Wege. Der „Abschied“ war grauenvoll und hinterlässt eine bittere Erinnerung. Ich möchte kein Mensch werden, der anderen misstraut. Ich möchte nach wie vor an das Gute glauben. Aber wie weiß ich, wem ich vertrauen kann? Wie oft werde ich noch enttäuscht werden? Und wie oft kann ich die Enttäuschung ertragen, bis ich mein Herz verschließe?
     
    In Liebe
    Enya
  20. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    wir sind endlich der Zwergenbinge Nierthalf und damit den Orcs entkommen und im Schlauen Fuchs angekommen. Am Morgen begaben wir uns durch die Schmiede ohne weitere Vorkommnisse hinaus und auf den Rückweg. Im Hügelgrab nahmen wir die Rüstung, die wir dort gelassen hat mit. Nach drei Tagen erreichen wir das Gasthaus. Der Weg war grauenvoll, allerdings nur für mich, passiert ist nichts mehr. Aber ich fand kein Wasser, nicht einen noch so kleinen Bach. Ich fühlte mich so unwohl wie schon lange nicht mehr. Schweiß, Blut und Dreck klebten an mir und der Geruch raubte mir fast den Verstand. Doch ich konnte nichts tun und ertrug es still. Schließlich kamen wir am Gasthaus an und betraten es. Das erste was ich sah, war Dylan, der zusammen mit einer jungen Frau ein Lied vortrug. Seinen Händen schien es wohl besser zu gehen. Ich war glücklich ihn wiederzusehen, doch ich war viel zu abgelenkt durch mein Unwohlsein, so dass meine Begrüßung eher halbherzig aus viel. Dylan meinte, dass er froh sei uns zu sehen, woraufhin Gray antwortete, er sei froh, überhaupt noch etwas zu sehen und erwähnte die Anzahl der Orcs, mit denen wir uns gemeinsam in Nierthalf befunden hatten. Ich funkelte Gray an und schon musste ich Vorwürfe und derlei über mich ergehen lassen. Ich ignorierte sie und begab mich zu Wirt, den ich um eine Schale Wasser bat. Wortlos ging ich die Treppe hinauf, Dylan folgte mir, immer noch damit beschäftigt, sich zu beschweren. Oben angekommen, zog ich mich aus, Dylan noch immer nicht beachtend und wusch mich. Er ließ mich nicht wieder meine Kleider anziehen und endlich wieder sauber, wurde mir in seinen Armen bewusst, wie sehr ich ihn vermisst hatte. Ich wäre gerne noch länger mit Dylan alleine gewesen, doch ich wollte bei den Erzählungen, dem Gespräch mit Nervan anwesend sein und so begaben wir uns wieder zu den anderen. Zu uns an den Tisch setzte sich auch die hübsche Bardin, die zusammen mit Dylan Musik vorgetragen hatte. Sie stellte sich als Lilie vor. Nachdem ihm unsere Geschichte, wie wir das Buch gefunden haben, bekannt war, zahlte der Gelehrte uns aus und bot an, dass wir eine Weile auf seiner Burg unterkommen könnten. Er riet uns Thame zu meiden, denn dort war unser Ruf nach den Ereignissen kein guter. Um Udele würden wir uns später kümmern, die Schätze wahrscheinlich in Twineward verkaufen. Nervan hatte bereits, wenn auch nur wenig, über den Herrn der Nebelberge gehört und bezeichnete ihn als Feind der Menschen. Gray äußerte unser Misstrauen, was Nervan etwas überraschte, er hatte jedoch Verständnis dafür. Von den Runenklingen berichteten wir ihm ebenfalls und ich wollte ihn auf seinen Wunsch hin Feuermal in die Hand geben. Doch als er sich gerade über das Schwert beugte, fing es an zu brennen und der Gelehrte wich zurück. Danach wirkte er nachdenklich. Die Runenklingen hatten sich gezeigt und Nervan bestätigte die Worte des Zwerges, nach denen sich die Klingen ihren Träger selbst erwählten und sie bis zum Tode binden würden. Auch er meinte, dass die Träger entweder großen Segen oder Verderben bringen würden. Welche Aufgabe, welche Verantwortung wurde uns mit der Wahl der Klinge auferlegt?
    Iros ließ verlauten, dass er nach Chryseia reisen wollte, um endlich seine Liebste für sich zu gewinnen. Da erfuhren wir von dem Versprechen, welches Dylan gegenüber Iros gegeben hatte. Sollte er mich sicher aus der Binge zurückbringen, würde Dylan ihm bei seinem Vorhaben helfen. Wir fragten, wie er das machen wollte, denn das Geld hatten weder er noch Dylan. Da meinte Iros, dass es auch andere Wege und Mittel gäbe. Wütend stand Gray auf und verließ den Tisch. Auch in mir brodelte es. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Wie konnte er nur solch ein dummes Versprechen machen und dann auch noch Iros gegenüber. Als wäre ich ein Gegenstand, welchen der Chryseier bei sich trüge. Iros, dem ich am wenigsten vertrauen würde, mich zurück zu bringen.. Im Gegenteil, Iros wäre der erste der mich sterben lassen würde. Mich lebend aus der Zwergenbinge zurückzubringen, wenn noch drei weitere Menschen uns begleiten und eine Frau aus den Fängen ihres reichen Mannes zu befreien, vor allem mit eher fraglichen Mitteln, sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Doch ich war so fassungslos, dass ich nichts sagen konnte, und einen Streit anfangen, nachdem wir uns erst seit wenigen Stunden wiedergesehen hatten, wollte ich nicht.
    Am nächsten Morgen brachen wir auf und kamen nach sechs Tagen an die Burg Dun Irensrod und dem Dorf Morvill. In der Burg wurden wir von Nervans junger Tochter Jaris begrüßt. Beim Essen besprachen wir unser weiteres Vorgehen. Wir würden nun doch nach Thame reisen und dort einen Teil der Schätze verkaufen. Danach würden wir wiederkommen und auf Dun Irensrod bleiben und unsere Fähigkeiten verbessern. Nervan würde einen Teil der Kosten für unsere Lehrmeister übernehmen. Er würde wenig Zeit für uns haben, denn er wollte sich dem Buch über die Runenklingen widmen. Gray bat darum, ihn dabei unterstützen zu können. Neben einem Besuch in der Bibliothek der Burg, lernten wir noch die Elfe Myriel kennen, die für den Gelehrten Aug und Ohr im Wald von Tureliand ist. Alle zusammen bekamen wir ein Zimmer für die Nacht. Ich war froh, dass ich mich nicht mehr verstecken musste, es war die richtige Entscheidung gewesen.
    Beim Frühstück trafen wir auf ein bekanntes Gesicht. Tachwallon, der Barde, ein langjähriger Freund Nervans, saß am Tisch und begrüßte uns. Gray lachte und ich stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. Da sagte er etwas, was uns alle zum Lachen brachte: „Jedes Mal wenn unsere Reisegemeinschaft unter widrigen, komischen Umständen einem Barden begegnet, ist es zur Gewohnheit geworden, diese später wiederzutreffen.“ Dabei schaute er ganz bewusst Dylan an, welcher in schallendes Gelächter ausbrach. Außer uns verstand natürlich am Tisch niemand, den Grund für unsere Erheiterung. Bevor wir aufbrachen überreichte uns Nervan zwei Schriftstücke, eines bekundete die Erfüllung unseres Auftrags, das andere beinhaltete die Vergünstigung unserer Lernkosten. Damit wir auf der Reise schneller sein würden, lieh uns der Gelehrte Pferde und so brachen wir auf. Unser Auftraggeber ist wirklich ein wohlhabender, etwas rätselhafter Mann.
    Mir wäre es lieber gewesen, etwas auf der Burg zu bleiben, auszuruhen und endlich mal wieder beruhig schlafen zu können. Doch es ist besser, sich um die Dinge die zu erledigen sind, gleich zu kümmern. Und ich möchte natürlich so schnell wie möglich die Schulden begleichen, oder zumindest ein Teil davon. Noch wissen wir den Wert des Gefundenen nicht. Wenigstens muss ich mich nicht schon wieder von Dylan trennen, denn er begleitet uns. Bruna bleibt jedoch auf der Burg, ihr ist das Reisen nicht möglich, sie muss sich erst von den Strapazen der letzten Tage erholen.
     
    In Liebe
    Enya
  21. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    am Criochdag gelangten wir an die verlassene Zwergenbinge. Wir entdeckten einen Eingang, der von Orcs bewacht wurde. Da wir jedoch nicht wussten, ob dieser tatsächlich in die Binge führen würde, begaben wir uns zum Haupttor, doch der Anblick dort ließ uns wieder umkehren. Wir überwanden die Wachen und drangen in das Innere von Nierthalf ein. Die nächste Begegnung mir Orcs war nicht weit, dabei fanden wir eine Karte der Ebene auf welcher wir uns befanden. Auf unseren Weg kam es immer wieder zu Diskussionen, insbesondere mit Iros. Schließlich weigerte sich Bruna mit uns weiterzugehen, da sich Iros noch immer nicht entschuldigt hatte. Wir gingen ohne sie weiter, als Iros, nach einem spitzen Kommentar Grays, doch umdrehte und sie zurückholte.
    Wir kamen in einen Turm in dem Gray und ich zwei Schriftrollen fanden. Doch viel Zeit blieb uns nicht, denn die nächsten Orcs erwarteten und bereits. Im folgenden Kampf entkamen drei der Orcs und Iros, Gray und ich nahmen die Verfolgung auf. Fast bis zum Tor brauchten wir, um auch den letzten daran zu hindern, unsere Anwesenheit zu verraten. Als wir wieder zurück waren, ließ Iros verlauten, dass er sich in der Gruppe nicht willkommen fühlte. Er hatte gedacht, er würde bei uns Freundschaft finden, er hatte das Gefühl, alles war er tun würde, wäre falsch. Des Weiteren behauptete er dass, es für meinen Zorn keinen Grund gäbe und ich nur etwas persönlich gegen ihn haben würde. Ich versuchte mich und meinen Zorn, der mir durchaus berechtigt schien, zu erklären, als unser Gespräch durch Wolfsgeheul unterbrochen wurde. Angesichts unserer Verfassung und der Anzahl der Gegner, zogen wir uns zurück. Wir gelangten in einen schmalen Gang, der sich später als Geheimgang herausstellte. Neben Speisekammer und Küche, entdeckten wir den Essensraum, in dem geschätzte 50 Orcs saßen. Erst da wurde uns bewusst, wo wir uns befanden und vor allem in welcher Gefahr. Wir wandten uns ab und erkundeten weiter die Gänge, bis wir auf eine Empore gelangten, auf der wir uns noch einmal Orcs stellen mussten. Mit Glück konnten wir sie alle überwinden, ohne dass es jemand bemerkte. Zu unseren Füßen arbeiteten Menschen in Ketten, von Orcs mit Peitschen angetrieben. Wir zogen uns zurück in den Geheimgang und nachdem wir uns verarzten hatten, gaben wir der Müdigkeit nach, die schon eine Weile an unseren Gliedern zerrte.
    Am Morgen, oder vielleicht war es auch noch mitten in der Nacht, ohne Sonne war zwischen Tag und Nacht nicht zu unterscheiden, wurden wir von Trommeln geweckt. Nachdem Iros auf der anderen Seite einen Durchgang entdeckt hatte, krochen wir über die Empore und fanden einen weiteren Geheimgang. Durch ihn gelangten wir in einen Raum, in dem vom danebengelegenen Thronsaal Stimmen zu hören waren. Dort lagen einige Schätze, unter anderem ein Ring, den sich Gray an den Finger steckte und drehte. Daraufhin ertönte ein lautes Heulen, welches uns das Mark in den Gliedern erstarren ließ. Der Geist eines Orckriegers erschien und näherte sich uns wütend. Doch das war nur ein geringes Problem, welches wir bald beseitigt hatten. Durch das Heulen alarmiert, öffneten die Orcs im Thronsaal die Tür zu unserem Raum. Von einer Sekunde auf die andere standen wir 30 Orcs und dem Hexenmeister entgegen. Sie forderten uns auf aufzugeben, doch Bruna ließ sich nicht beirren. Gray meinte, wir müssten fliehen, ich hielt eine Flucht für unmöglich, doch ein Gewinnen gegen diese Übermacht war ebenso ein hoffnungsloses Unterfangen. Doch was würde uns in Gefangenschaft erwarten? Wir sollten es bald erfahren.
    Nach dem Zauber des Hexers sah es für die am Boden liegende und einen Fisch nachahmende Bruna schlecht aus. Da sah ich Gray zaubern und im nächsten Moment erschien eine Eiswand, die Mira, Iros und mich vom Rest trennte. Entsetzt rief ich nach Gray und schlug gegen die Wand. Meine Gedanken waren blank, mein Herz kalt wie das Eis vor mir. Ich weigerte mich ihn zurückzulassen, aber Iros und Mira zogen mich mit ihnen und wir flüchteten durch den Geheimgang. Doch Gray hatte umsonst sein Leben aufs Spiel gesetzt, denn Orcs waren bereits überall und nahmen uns ebenfalls gefangen. Iros entkam den Orcs noch eine Weile länger, doch schließlich wurde auch er vorbei an eingesperrten Kobolden, Dunkelwölfen und Trollen in unsere Zelle geführt. Dies würden unsere Gegner sein in den Grubenkämpfen, die uns bevorstanden.
    Ein weiteres Mal waren wir gefangen, all unserer Sachen beraubt und erwarteten den Tod. Bevor die Kämpfe begannen kam der Hexer, in Begleitung von Menschen zu uns und fragte, was wir hier zu suchen hatten. Nichts sagten wir von dem Buch, erfuhren jedoch, dass er dem Herrn der Nebelberge diene und die Orcs ihm für irgendeinen Zweck dienlich waren. Nachdem wir die Waffe unserer Wahl benennen durften, wurden wir in die Grube geführt. Mehrere hundert Orcs saßen auf der Tribüne, grunzten, johlten, brüllten und lachten von oben auf uns herab. Angesichts unserer Verfassung wäre der Kampf unser Tod gewesen, doch noch sollte unser Leben nicht enden. Gray murmelte ein paar Worte, woraufhin der Orchäuptling inne hielt. Gray brüllte ihm zu, er solle den anderen befehlen uns unser Hab und Gut wieder zu bringen. Ein Orc, mit einem Wolfskopf auf seinem Gewand, erhob sich und fragte uns, was wir mit dem Häuptling gemacht hätten. Doch Gray ließ sich nicht beirren und rief dem Orc zu, er solle den anderen mitteilen, dass wir nichts mit ihm gemacht hätten und es ihm gut ginge. Dann geschah etwas womit weder wir, noch viele der Orcs gerechnet hatten. Der Wolforc hatte anscheinend schon länger einen Aufstand geplant und hielt diesen Zeitpunkt nun für geeignet ihn zu beginnen. Ein kurzer Blick reichte aus, um zu erkennen dass die Anhänger des Wolforcs überlegen waren. Gray brüllte dem Häuptling zu, den Befehl zu geben, den Aufrührer zu töten und ich riss in letzter Sekunde ihm die Streitaxt aus der Hand. In wenigen Augenblicken verwandelte sich die Arena in ein Schlachtfeld und uns schenkte niemand mehr Beachtung. Fluchtartig verließen wir den Raum und begaben uns auf die Suche nach unserem Besitz. Ich überredete Mira Bruna ihren Heiltrank zu geben, den sie hatte an sich bringen können, damit Brunas verletztes Bein geheilt wurde und sie wieder laufen konnte. In einem Raum fanden wir unsere Besitztümer, bis auf das Diadem und Grays Stab. Nach weiteren Zusammentreffen mit Orcs führte uns die Suche schließlich in die Ebene, die wir als erstes betreten hatten. In der Schatzkammer fanden wir neben Gold auch die fehlenden Dinge, doch von dem Buch war noch immer keine Spur. Als Mira eine Falle auslöste und versteinert wurde, mussten wir innehalten und Gray widmete sich der Spruchrolle, die, den Göttern sei Dank, einen Zauber enthielt, welcher Mira wieder zurück verwandelte. In der Schatzkammer hatten wir eine zweite Runenklinge gefunden, doch waren von ihr nur noch Bruchstücke übrig. Noch einmal begaben wir uns nach oben, um von dort aus wieder nach unten zu gelangen. Der Kampf war mittlerweile zu Ende und so trafen wir auf weitere Orcs. Doch sie flohen vor uns und so kamen wir ohne weitere Zwischenfälle über eine Wendeltreppe auf die untere Ebene. An zwei Orcwachen gelangten wir in weitere Schlafkammern. Der Hexer schien die Binge verlassen zu haben, denn von ihm war keine Spur mehr. Von dort aus gingen wir eine Treppe herunter, um den restlichen Teil der Höhle zu erkunden, in der Hoffnung irgendwo das Buch zu finden und trafen auf weitere Orcs. Wir hätten sie umgangen, doch zum einen wäre es schier unmöglich gewesen sich an ihnen vorbei zu schleichen, zum andere trieben sie mit Peitschen die Sklaven zu Arbeit an und das konnte ich nicht mit ansehen. Dieser Kampf hätte uns ein weiteres Mal beinahe das Leben gekostet, doch nicht die Orcs stellten die Bedrohung dar. Nach kurzer Zeit hörten wir schwere Schritte hinter uns und sahen einen Troll auf uns zu rennen. Mit mehr Glück als Verstand konnten wir dem Troll über den unterirdischen Fluss entkommen. Schließlich gelangten wir an eine Tür, an der ein Eintreten unmöglich war, fanden jedoch nach einigem Suchen den Mechanismus um sie zu öffnen.
    In den dahinterliegenden Räumen trafen wir auf den Geist eines Zwerges, der seit über 100 Jahren diese Heiligtümer bewachte. Dank des weißen Rings konnte Gray mit ihm kommunizieren. Marze, so sein Name, erzählte ihm von den Runenklingen, die fünf Schwerter, die von den Altvorderen vor etlichen Jahrhunderten geschmiedet worden waren, um die Gefahr zu bannen. Diese Klingen erwählten ihren Träger selbst, welche Großes vollbringen oder Unheil heraufbeschwören würden. Jede Klinge war einem Element zugeordnet. Feuermal, Steinherz, Wasserläufer, Wirbelwind und Eiswehr. Von ihm erfuhren wir auch, dass der Foliant, welchen wir suchten, sich im Raum hinter ihm befand. Die Fibel befasste sich mit den Runenklingen und würde uns vielleicht Antworten auf unsere Fragen geben. Sollten wir das Buch in Sicherheit, zu den Zwergen im Atrossgebirge bringen, wäre sein Geist erlöst und er würde endlich Frieden finden. Wir erzählten ihm von unserem Dilemma, dass uns zwang das Buch an Nervan zu überreichen, versprachen jedoch, die Zwerge im Atrossgebirge über das Buch zu informieren und mit unserem Auftraggeber zu reden. Schließlich holten wir das Buch, welches zu unserem Erstaunen völlig versteinert war und sich nicht öffnen ließ. Gray versuchte, die Magie, welche auf das Buch wirkte, zu bannen, doch sie war so alt und mächtig, dass es seine Fähigkeiten bei weitem überstieg. Ich berührte das Buch mit meinem Schwert, woraufhin die Klinge in Flammen aufging. Noch sind mir die Kraft und die Magie, die ihm inne wohnen, ein Mysterium. Und doch habe ich das Gefühl, ich werde mit der Klinge immer vertrauter. Immerhin weiß ich nun, was ich dort in der Hand halte: Feuermal, eine der fünf Runenklingen. Warum gerade mir diese Waffe in die Hände fiel? Und was ist mit der zerbrochenen Klinge, die wir ebenfalls gefunden haben? Gibt es eine Möglichkeit sie zu reparieren? Und wen wir sie dann wählen? Und was ist mit dem Rest der Klingen? Alles Fragen auf die keine Antwort wartete. Wir nahmen das Buch an uns und entschlossen uns, noch ein letztes Mal in der Binge zu nächtigen, denn wir waren am Ende unserer Kräfte.
    Morgen, wenn denn der nächste Tag angebrochen ist, werden wir Nierthalf verlassen. Ich hoffe, dass uns dies ohne weitere Schwierigkeiten gelingen wird. Ich kann es kaum erwarten wieder zurück im Schlauen Fuchs zu sein, zurück bei Dylan. Eines bereitet mir jedoch noch Sorgen. Die Schätze und das Geld, welches wir gefunden haben und damit auch die Schulden. Ich fürchte diesbezüglich wird es noch Diskussionen geben, vor allem mit Iros. Ich hoffe wir gelangen friedlich zu einer Lösung, die für alle in Ordnung ist. Bald hat dieser Schrecken ein Ende, mehr denn je freue ich mich auf eine warme Mahlzeit, ein Bett und eine Schüssel Wasser, um mich zu waschen.
     
    In Liebe
    Enya
  22. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    am Morgen hieß es Abschied nehmen. Unser Auftrag gebot Eile und ich wollte es nicht unnötig lang und damit schwerer machen. So trennten sich unsere Wege nach einem letzten Kuss und ich sah Dylan nur noch einmal hinterher, mit dem Gedanken, dass ich ihn vielleicht das letzte Mal sah. Gen Mittag machten wir eine Rast. Als ich dort saß, mit meinen Gedanken bei Dylan, mein Herz schwer, hörte ich auf einmal eine Melodie. Solch eine wunderschöne Melodie, welche mich verzückte und die unterschiedlichsten Emotionen in mir hervorrief. Sie rief nach mir und lockte mich weg von den anderen. Ich war gerade ein paar Schritte gegangen, als der Boden zu meinen Füßen einbrach und ich in die Tiefe stürzte. Doch der Fall war schnell vorbei. Ich war auf einem Tisch gelandet, der durch die Wucht des Aufpralls entzwei gebrochen war. Durch das brackige Wasser, welches den Boden bedeckte, lief ich weiter, noch immer geführt von der bezaubernden Melodie. Vor mir sah ich einen Waffenständer, darauf lag ein Schwert, welches mit Flammen und Runen verziert war. Wie von selbst reichten meine Finger nach dem Schwertgriff. Dann hatte ich es endlich in der Hand und hob es hoch. Flammen züngelten an der Klinge entlang und erloschen kurz darauf zusammen mit der Musik. Obwohl ich nie den Besitz solch einer Waffe gewünscht hatte, noch mit ihr umgehen konnte, war mir in dem Moment klar, dass dieses Schwert in keine anderen Hände außer meine gehörte. Es schien als wäre ich aus einer Trance erwacht und endlich hörte ich die anderen, wie sie nach mit riefen. Einer nach dem anderen kamen sie ebenfalls herunter und wir wandten uns an das Steinportal, welches uns weiter unter die Erde führen würde. Hatten wir bereits Teile der Binge entdeckt? Doch eigentlich waren wir noch zu weit entfernt. Bevor irgendjemand ihn aufhalten konnte, griff Gray nach dem versteckten Hebel und öffnete so die Tür. Dabei wurde er von etwas in den Arm gebissen. Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass er vergiftet worden war, doch niemand konnte ihm helfen. Im Raum hinter der Tür erwarteten uns sechs große Fledermäuse. Nachdem wir uns diesen entledigt hatten, fiel mir auf, dass wir uns in einem Hügelgrab befanden. Am liebsten wäre ich wieder gegangen, doch ich konnte die anderen nicht umstimmen. Nach einem voreiligen Eintritt in den nächsten Raum, fiel Bruna in eine Fallgrube und wir standen vier Skeletten und einem Geist gegenüber. Den Göttern sei Dank hatte ich den Zauber Flammenkreis erlernt. Damit konnte ich alle, bis auf Mira schützen. Sie verlor beinahe ihr Leben, als der Geist auf sie einhieb, doch mit einem Heiltrank konnte ich sie vor dem Tod bewahren. Schließlich war von den Untoten nichts mehr übrig und auch Gray schien die Auswirkungen des Gifts überwunden zu haben. Ein Streit zwischen Bruna und Iros entbrannte. Iros wollte sich für seine Beschuldigen nicht entschuldigen, woraufhin sich Bruna beleidigt nach oben verzog, während wir den Rest des Grabes erforschten. Um einige Schätze reicher, verbringen wir die Nacht nun hier, um vor weiteren Wölfen sicher zu sein. Ich glaube mit Iros und Bruna wird es ein anstrengendes Unterfangen werden. Iros hat bereits das Meiste an Schätzen an sich gerissen, ein magisches Amulett und ein Diadem, und sieht diese schon als sein Eigentum. Eigentlich sollte es mich nicht wundern, nach allem, was ich über ihn weiß. Ich jedoch kann nichts von dem was wir gefunden haben, als mein Eigen ansehen, weiß ich doch, was ich Vater schulde. Nun, solange die Schätze uns helfen, unseren Auftrag zu erfüllen, kann Iros sie gerne nutzen. Noch einen Tag, dann werden wir wissen was uns erwartet. Ich hoffe, wir finden das Buch in kurzer Zeit und können zurückkehren. Ich vermisse Dylan bereits und frage mich, ob er bei Nervan wirklich in Sicherheit ist. Was ist, wenn Sandrina wieder auf ihn wartet. Darüber darf ich gar nicht nachdenken, sonst kehre ich augenblicklich um. Ich wünsche mir, dass er seine Hände schont und nicht aus Langeweile auf seine Laute spielt. Hm…Langeweile, hoffentlich wird er nicht… Nein, ich vertraue ihm.
    Bezüglich des Schwertes habe ich noch einige Fragen, von denen ich nicht weiß, ob ich jemals Antworten bekommen werde. Was ich weiß ist, dass die Runen auf der Klinge nicht der Sprache der Zwerge entstammen, Bruna konnte sie nicht entziffern. Welche Macht ihr wohl inne wohnt?
     
    In Liebe
    Enya
  23. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    nach der Verhandlung begaben wir uns in den Staubigen Zwerg. Nachdem wir etwas zu uns genommen hatten – so gut hatte albischen Essen noch nie geschmeckt – gingen wir ins Badehaus. Dort sprachen Dylan und ich darüber, dass er nicht mitkommen würde, denn mit seinen Händen war er uns keine große Hilfe. Es viel ihm schwer, doch er sah ein, dass er uns mehr im Weg sein würde. Ich gab ihm meinen zweiten Ohrring, den letzten, den ich noch hatte, als Erinnerung an mich. In mir war es ein Versprechen, dass ich zu ihm zurückkommen würde. Ich konnte seine Sorge verstehen, doch ich meinte, dass wir mit dieser Unsicherheit zu leben hatten. Endlich konnte ich ihm mein Gedicht, das Lied für ihn singen. Wir redeten auch über das Vergangene, doch ich hatte wenig Lust auf diese Erinnerungen, so dass wir das Gespräch bald beendeten.
    Von Nervan erfuhren wir mehr über unseren Auftrag. Wir sollten in der verlassenen Zwergenbinge Nierthalf am Rande der Nebelberge, einen alten Folianten der Zwerge bergen und ihn zu Nervan bringen. Alles andere was wir dort finden würden, stünde uns zur freien Verfügung. Die Reise würde acht Tage dauern, fünf bis zum Schlauen Fuchs, dem Gasthaus, in welchem Nervan auf uns warten würde. Wir hatten Zeit bis zum Myrkdag des Wolfmondes. Sehr zu meinem Erstaunen feilschten Bruna, Mira und Iros um unsere Belohnung. War ihnen nicht bewusst in welcher Lage wir uns befanden? Nervan konnte uns nicht einen Penning zahlen und wir würden den Auftrag trotzdem erfüllen, denn schließlich verdankten wir ihm unser Leben und waren seiner Gnade ausgeliefert. Mir wurde bewusst wie sehr mich die Vorstellung traf, aus Alba fliehen zu müssen. Ich liebe mein Heimatland, trotz des Wetters und des Essens, trotz der Menschen und ihren Eigenheiten. Schließlich zahlte er uns von den 25 Oring Belohnung zehn im Voraus.
    Am nächsten Tag zogen wir los, um uns für die Reise auszurüsten. Um Heilränke zu kaufen ging ich unter anderem zu den Priestern des Vraidos. Dort gab ich mich als eine der ihren zu erkennen. Wir hatten unsere letzten Münzen zusammengelegt um uns einen starken Heiltrank zu kaufen. Mira hatte mir heimlich noch die Summe für einen weiteren gegeben. Verwundert nahm ich das Gold an. Ich frage mich woher der Halbling so viel Gold hat, wo ich nach kurzer Zeit wieder in einen leeren Beutel schaue. Ich bin mir nicht sicher ob ich es tatsächlich wissen möchte…
    Wir verblieben noch sechs Tage in Thame um uns von dem Kerkeraufenthalt zu erholen und unsere Fertigkeiten zu verbessern. Gray, Dylan und ich spielten jeden Abend in den Gasthäusern der Stadt, um etwas Kleingeld zu verdienen. Unter anderen Umständen wäre es für uns ertragreicher gewesen, doch im Allgemeinen schien man uns aus dem Weg zu gehen.
    Sedag, 1 Trideade Draugmond brachen wir auf. Am Abend des Oachdag kamen wir im Schlauen Fuchs an. Wir fragten nach etwas zu essen, zu trinken und einem Bett. Der Wirt konnte uns neben dem Gemeinschaftsschlafraum nur ein Doppelbett anbieten. Natürlich wollte Iros in dieses Zimmer, doch ich bat ihn, mir diese Nacht mit Dylan zu gewähren. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht, als er nachgab. Die Gaststube war gut besucht und es spielte bereits ein Barde. Er trug eine Ballade vor über Heldentaten, Schlachten und Runenklingen vor. Gebannt lauschte ich seiner Stimme und seinem wundervollen Harfenspiel. Auf einmal schrie Mira auf. Ein kleiner Junge hatte ihr den Geldbeutel entwendet. Augenblicklich versuchten wir den kleinen aufzuhalten. Gray gelang dies auch, doch seine Methode ließ mich erschrocken den Atem anhalten. Er hatte eine Eiswand vor die Tür gezaubert, gegen die der Junge lief. Schlagartig wurde es still im Gasthaus. Erinnerungen stiegen in mir hoch, ich hörte den aufgebrachten Ruf der Menge „Hexe!“ und Grauen packte mich. Doch zu meiner Erleichterung konnten Mira und Gray die Menschen beruhigen. Hinterher wendete sich Iros wütend Gray zu. Ausnahmsweise war ich mit dem Chryseier einer Meinung, doch Gray zeigte sich unbeeindruckt. Als der Barde geendet hatte, ging ich auf ihn zu, begrüßte ihn und sprach über sein wundervolles Harfenspiel. Er stellte sich als Tachwallon vor. Aufgrund des Namens und seines Aussehens vermutete ich, dass er erainnischer Herkunft war. Kurz darauf kam auf einmal Iros herbei und stellte uns drei Gläser Schnaps vor die Nase. Irritiert fragte ich mich, was er diesmal bezwecken wollte und teilte ihm mit, dass ich den Alkohol nicht anrühren würde. Nachdem Iros die Hälfte in sein Glas geschüttet hatte, ließ ich mich doch überreden und trank das Gläschen. Im Anschluss fragte ich, ob Tachwallon sich nicht an unseren Tisch setzten wollte. Dort setzte ich mich neben Dylan, der mir seinen Arm um die Schulter legte. In dem Moment hatte ich noch nicht begriffen, was alle dachten. Als der Barde mich „Blume“ nannte, lachte Gray lauthals. Der Barde kam nicht weit mit seinen Erzählungen – Mira hatte ihn nach den Runenklingen gefragt – denn Iros musste ihm irgendetwas in den Schnaps getan haben. Er entschuldigte sich und stand auf. Doch Gray hielt ihn fest und er übergab sich vor unserem Tisch. Alle brachen in schallendes Gelächter aus und ich schämte mich ihrer. Iros hielt Dylan die Hand hin und Iros ließ verlauten: „Dylan…Zelt, Zimmer, Konkurrenz.“ Ich wendete mich dem armen Mann zu und versuchte ihm so gut es ging zu helfen. Ich hätte dazu gerne noch etwas gesagt, doch kurz vor unserer Trennung, wollte ich keine Diskussion anfangen. Als Iros jedoch Anstalten machte, sich und dem Rest den Abend mit Wein zu versüßen, gebot ich dem Einhalt und erinnerte ihn an die letzte Erfahrung mit übermäßigem Verzehr von Alkohol.
    Am nächsten Morgen erreichte mich endlich die erwartete Nachricht von dir. Gold befand sich natürlich keines mehr dabei, dies war schon bei Udele angekommen. Wie zornig mich dieser Gedanke macht, Vaters Schätze in den Händen dieser Frau. Meine Gefährten waren natürlich verwundert, doch stellten sie, den Göttern sei Dank, kaum Fragen. Ich fand, es fehlte ihnen etwas an Dankbarkeit, wie hätten sie das Blutgeld in so kurzer Zeit aufbringen wollen? Bis wir wieder aus der Binge zurück sein würden, konnten Trideaden vergehen. Vielleicht wäre es anders gewesen, ich hätte es mit ihnen im Vorfeld besprochen, doch ich muss zugeben, dass meine Handlung aufgrund der Ereignisse unüberlegt und überstürzt war. Immerhin haben wir nun erst einmal eine Sorge weniger.
    Ich danke dir aus tiefsten Herzen, Mutter. Bitte teile Vater ebenfalls meine Dankbarkeit mit, ich weiß was er davon hält. Ich werde alles tun, damit das Gold so schnell wie möglich wieder zu ihm zurück findet. Wer weiß, was wir in dieser Binge alles finden werden. Du hast mit deiner Warnung vollkommen Recht. Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen und aus den Ereignissen lernen. Es soll nicht mehr vorkommen, dass ich euch auf diese Weise um Hilfe bitte. Du sprichst von Vertrauen. Vertrauen…nach allem was geschehen ist, fällt es mir schwer. Trotzdem habe ich noch die Befürchtung, dass ich nach wie vor zu vertrauensselig bin, weil ich an das Gute im Menschen glaube, glauben möchte. Ich frage mich ob mir eines Tages dieser Glaube abhandenkommt, ich hoffe es nicht.
    Nachdem sich der Bote wieder verabschiedet hatte, brachen wir auf und Dylan begleitete uns noch einen Tag. Ich hatte den Entschluss gefasst, ihnen zu offenbaren, was ich vor ihnen versteckte, Dylan wollte ich dabei an meiner Seite haben, da selbst er nicht alles wusste. So ließen wir den Wagen bei Nervan, Bernesse nahmen wir jedoch mit, da er mit ihr schneller wieder beim Schlauen Fuchs sein würde, wo er mit dem Gelehrten auf uns warten würde. Auf unserem Weg begegneten uns tatsächlich Begor Balodin und Krund Pöttenschmeißer. Nach einem kurzen Austausch zogen wir jedoch weiter, denn allen war Eile geboten. Bis auf eine Begegnung mit einer alten Kräuterfrau, die uns von einem Hexenmeister, der hier Krähen, Orcs und dergleichen um sich sammeln würde, erzählte, verlief der Tag bis wir das nächste Gasthaus erreichten, ereignislos. Doch uns erwartete kein Feuer im Kamin, keine warme Mahlzeit, denn von der Taverne waren nicht mehr als rußbedeckte Ruinen übrig. Wir bauten unser Lager auf und ich kümmerte mich um das Feuer. Nachdem wir fertig waren, ergriff ich das Wort und meinte, dass ich ihnen etwas mitzuteilen oder viel mehr zu zeigen hätte. Ich trat aus dem Licht des Feuers heraus, löste den Ring an meinen Finger, zog die Stulpe aus und wickelte meinen Ärmel hoch. Auf mein Haar entleerte ich das Fläschchen Entfärbersalz und trat dann wieder ans Feuer heran. Mutter, du weißt was sie sahen. Iros stand auf und ging ins Zelt, die anderen, bis auf Dylan, starrten mich an. Dann kamen die Fragen, doch ich gab ihnen keine Antwort. Das letzte Geheimnis war ich noch nicht bereit zu teilen. Ich erkannte, dass tief in mir immer noch, selbst bei diesen Menschen, die Angst vor Ablehnung saß. Eines Tages vielleicht... Doch dies wurd wohl noch eine Weile dauern, denn nun liegt etwas anderes vor uns. Ich nahm ihnen, bis auf Iros, da er im Zelt verschwunden war, das Versprechen ab, anderen gegenüber, das was sie erfahren hatten, niemals zu erwähnen. Mira ging zu Iros ins Zelt, kam nach kurzer Zeit wieder und meinte, er täte ihr Leid, denn er hatte es von Anfang an gesagt, das etwas mit mir nicht stimmte. Gray erwiderte daraufhin, dass er das gewusst hatte, doch für ihn ändere sich deswegen nichts. Schließlich trat ich mit Dylan die erste Nachtwache an. Es würde für, ich weiß nicht wie lange, die letzte Nacht gemeinsam mit ihm sein. Doch diesmal ist es mir lieber, von ihm getrennt zu sein, als dass er uns in die Zwergenbinge begleitet. Bei Nervan weiß ich ihn in Sicherheit und nichts wird mich von unserem Auftrag ablenken. Nichtsdestotrotz wird es morgen schwer, mich von ihm zu verabschieden. Es ist das erste Mal, dass sich unsere Wege für längere Zeit trennen. Ich hoffe alles wird gut.
    Noch einmal, deine Worte sind angekommen, es tut mir leid. Ich werde eine Möglichkeit finden es bei Vater wieder gut zu machen und damit meine ich nicht die Rückzahlung des Goldes.
     
    In Liebe
    Enya
  24. Die Hexe
    Liebste Tochter,
    mit großem Schrecken und Schaudern las ich deinen Brief.
    Ihr seid wirklich in eine hinterhältige Intrige geraten, deren Stricke kaum zu erkennen waren. Das Verhalten deiner Gefährten zeugt nicht gerade von Vernunft und Einsicht, aber sei dir sicher, darüber wirst du noch häufiger verärgert sein. Auch du handelst nicht immer vernünftig, lass es ruhen. Dennoch muss ich dich nochmals eindringlich warnen! Gehe deinen Weg mit Bedacht und Vorsicht, dein Vater und ich können dir nicht immer den Rücken freihalten, auch wenn wir es gerne könnten.
    Mache dir um die Schulden keine Sorgen, ich werde deinen Vater davon in Kenntnis setzen, er wird dir das Gold zukommen lassen. Allerdings weißt du, was er davon hält. Er wird die Schulden bald zurückverlangen, womit er auch Recht hat. Du musst lernen dein Verhalten besser zu überdenken, denn wir können dir nicht immer die Konsequenzen abnehmen – ich denke da an die Folgen eines gewissen Tranks.
    Ansonsten freue ich mich aber sehr von dir zu hören und es macht mich glücklich, dass du zwar ein unstetes, aber offenbar ein aufregendes und interessantes Leben führst, welches dir zu gefallen scheint. Ich kann es kaum erwarten dich zu treffen und endlich deine Freunde kennen zu lernen.
    Ich bin weiterhin froh, dass ihr offenbar starke Verbündete gefunden habt und lass dir dies ein Rat sein, diese Verbündeten braucht man. Entscheide daher gut, wem du vertraust und wem nicht, aber nur durch Vertrauen kann man neue Freunde gewinnen.
    Ich freue mich schon bald wieder von dir zu hören.
     
    Chelinda
  25. Die Hexe
    Liebste Mutter,
    verzeih mir, dass ich mich erst jetzt melde. Mir war die Möglichkeit nicht eher gegeben Und nun da dich mein Brief ereilt, enthält er eine dringende Bitte. Doch zuerst möchte ich dir erzählen, was mir widerfahren ist.
    Während unsere betrunkenen Burschen sich im und um das Haus ihre Schlafplätze gesucht hatten, traten Mira und ich unsere Nachtwache an. Nach einiger Zeit hörte ich, wie die Eingangstür aufging und wieder zufiel. Ich verwünschte Iros, Gray und Dylan für ihre Dummheit. Hätte ich doch nur in der Stadt nach Udele gefragt, vielleicht hätte ich bemerkt, dass etwas nicht stimmte. So aber wartete ich auf ihr vermeintliches Spiegelbild und da kam es die Treppe herauf. Vor mir sah ich Udele NiRathgar, jedoch war sie in schlechtere Kleider gehüllt. Zu meiner Verwunderung rief sie: „Was hat das zu bedeuten, wo ist Udele NiRathgar?“ Doch viel Zeit über ihre Worte nachzudenken blieb mir nicht, als dunkle Silben der Macht von den Wanden widerhallten und sich Schatten aus dem Nichts erhoben. Augenblicklich senkte sich ein dunkler Nebel und verringerte das Licht meiner Fackel. Mira eilte mir zu Hilfe und so standen wir zu zweit sechs von diesen Schattenwesen gegenüber. Es ging so schnell und der erste Schatten griff mich an, so dass mir nicht einmal mehr die Möglichkeit zum Zaubern blieb. Immer noch verstört über das Geschehene, konnte ich den Angriff des Schattenkriegers nicht abwehren. Sein Schwert dran in meine Kehle, löste ein furchtbares Kratzen in meinem Hals aus und ich begann zu husten. Mit Entsetzten realisierte ich, dass mir die Schattenklinge die Luft zum Atmen nahm. Die angebliche Seele Udeles schrie auf. Lag Panik, Freude, Wahnsinn in ihrer Stimme? Ich konnte es nicht sagen. Hätte ich doch nur nach Udele gefragt, ich hätte gewusst, wem wir da gegenüber standen. Die anderen zwei Schatten drangen mit ihren Schwertern ebenfalls in meine Kehle und kurz darauf verließ mich jegliche Kraft. Keuchend versuchte ich noch, sie von mir weg zu drängen, doch ich war nicht im Stande irgendetwas auszurichten. Kaum hatte der Kampf begonnen, war ich bereits machtlos. Irgendwann mussten Iros und Gray gekommen sein, denn ich sah Iros, wie er mit seinen Speer zu stach und die Frau daraufhin unter Schmerzen aufschrie. War dies wirklich ein Schatten, eine Seele, sie sah mit den blutgetränkten Kleider so menschlich aus. Doch nach Luft ringend, konnte ich nicht wirklich darüber nachdenken. Als Iros ein zweites Mal mit seinem Speer zu stieß, ging die Frau zu Boden. Die Schattenkämpfer blieben jedoch und noch immer bekam ich keine Luft. Ich versuchte noch einmal ein wenig einzuatmen, doch es gelang mir nicht. Da hörte ich Dylan schreien, wann war er gekommen? Ich sah wie er mit seinem Schwert nach einem der Schatten hieb und dabei vor Schmerzen aufschrie. „Seine Hände, welch ein Narr“, war das Letzte was ich noch denken konnte, bevor ich zu Boden sank. Dann bekam ich auf einmal wieder Luft, als die Schatten verschwanden. Augenblicklich stürzte ich zu der, auf dem Boden liegenden, Frau. Ein Blick genügte und ich wusste, dass sie unwiderruflich in Ylathors Reich eingegangen war. Warum hatte er das getan? Wir hatten doch besprochen, dass wir dem Schatten nicht den Tod bringen würden, schließlich lautete unser Auftrag, ihn zurück zu Udele zu führen. Er hätte doch bemerken müssen, dass er einem Mensch aus Fleisch und Blut gegenüber gestanden hatte. Sie hatte sich nicht einmal gewehrt. Die Tür zu Udeles Schlafgemach war verriegelt und langsam regte sich unser Zweifel und so brachen wir sie auf. Das Zimmer war leer, die Fenster offen. Kaum wurden wir uns über die Bedeutung bewusst, als die Eingangstür aufschlug und das Geräusch von Schritten zu vernehmen war. Die Stadtwache. Hinter ihr lief Udele mit einem boshaften Grinsen auf dem Gesicht. Als sie uns erblickte, schrie sie: „Sie haben meine Schwester umgebracht!“ Fassungslos starrte ich die Frau an, die in Tränen ausbrach. Die Stadtwache begann uns zu fesseln. Da rief Gray: „Ich hab es euch gesagt. Sie hat uns benutzt um ihre Schwester umzubringen. Dämonenpaktiererin. Ihr habt es selbst nachgelesen.“ Wie recht er hatte, die Erkenntnis traf mich wie ein Schwerthieb. Wieder einmal waren wir in eine Falle getappt und hatten den Falschen getraut. Ich wäre dahinter gekommen, hätte ich nur mehr Zeit gehabt. Doch der Schrecken war zu groß, als dass ich wirklich wütend sein konnte. Es war vielmehr ein Gefühl von Verzweiflung, welches sich meiner bemächtigte.
    Das was danach folgte, zählt für mich zu den schrecklichsten Erlebnissen in meinem bisherigen Leben. Wir wurden unserem Besitz bis auf die Unterkleider entledigt und in ein dunkles, feuchtes Loch geworfen. Die Erinnerung an den Geruch wird mich den Rest meines Lebens verfolgen. Mutter, es glich einem Alptraum. Doch noch hatten wir genügend Kraft, oder nenn es wie du willst, und so gerieten Iros und ich ein weiteres Mal aneinander. Er wies alle Vorwürfe von sich und zeigte sich seiner Fehler nicht im Geringsten einsichtig. Er machte es sich einfach und dachte nicht einmal über sein Handeln und die Konsequenzen nach. Ich konnte es nicht fassen, doch angesichts der Lage, sah ich keinen Sinn in unserem Streit. Doch ich wünschte mir, dass er wenigsten ein wenig über sein Verhalten reflektieren würde. Sollten wir hier jemals wieder lebend heraus gelangen, täten wir alle gut daran, aus unseren Fehlern gelernt zu haben.
    Fieberhaft dachte ich über einen Ausweg nach und rief nach einer Wache. Ich bat um Pergament und Feder, um eine Nachricht an dich zu verfassen. Doch im Gegenzug verlangte der Mann etwas und schaute mich dabei lüstern an. Ich wusste, nach was er verlangte. Meine Gedanken überschlugen sich, das Klopfen meines Herzens hallte laut in meiner Brust. Ein Strom aus Bildern überschwemmte und lähmte mich. Doch wenn es die einzige Möglichkeit wäre, um das Leben meiner Gefährten zu retten…Da packte Gray die Mann mit seiner Magie, stieß ihn gegen das Gitter und brüllte ihn an. Daraufhin starrte die Wache ihn panisch an und floh. Zwischen Verärgerung, Verzweiflung, dass mit der Wache auch die Möglichkeit, dich benachrichtigen, verschwunden war und unbeschreiblicher Erleichterung und Dankbarkeit, war es mir kaum möglich zu sprechen. Doch Grays Wutausbruch hatte bittere Folgen. Die Nacht bracht herein und dauerte an. Niemand kam, um uns etwas zu essen und zu trinken zu bringen. Bis zu unserem Prozess, heute weiß ich sechs Tage lang, ließ man uns alleine in der Dunkelheit. Ich hätte mich, wie Gray, gegen diese Entbehrung auf magische Weise stählen können, doch mir fehlte dazu jegliche Kraft. Endlich hatte der Alptraum ein Ende, als man uns am Ljosdag, 2. Trideade Trollmond auf den Marktplatz schleifte. Dort hatte sich schon eine beachtliche Menschenmenge versammelt. Oh Mutter, dass ich jemals dort stehen würde, des Mordes angeklagt. Wie konnte dies nur geschehen?
    Udele, dieses Biest saß ebenfalls dort und grinste uns höhnisch an. Der Laird Donuilh MacConuilh, Fürst von Conuilhnor, erhob das Wort und klagte uns des kaltblütigen Mordes an Rubin NiRathgar an. Dann war es an der Händlerin ihre Anklage vorzubringen. Als sie geendet hatte, wurde uns das Wort erteilt und ich erzählte die Geschichte aus unserer Sicht. Ich sprach dabei ausschließlich Wahres, weshalb ich nicht bestritt, für Rubins Tod verantwortlich zu sein, denn Iros hatte sie, aus welchen Gründen auch immer, getötet. Der Laird hielt unsere Geschichte für unglaubwürdig und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Denn sie noch einmal aus meinem eigenen Mund zu hören, ließ mich unsere Einfältigkeit und die Absurdität unseres Auftrages erkennen. Nun lag unser Schicksal in den Händen der Leumundszeugen. Sofort trat Glarn Rabenbart vor und sprach sich für uns aus. Ihm folgten Bardulf und Meister Cleobolus, der ein Schreiben des Abts von Muranmuir vorzeigte. Schließlich trat ein mir unbekannter Mann in Robe aus der Menge und stellte sich als Nervan, Magister der königlichen Akademie zu Cambryg. Er suche nach einer Gruppe, die einen Auftrag erfüllen sollten und meinte wir wären dafür, den Erzählungen zufolge, die richtigen. Sollten wir ihn erfüllen, würden wir frei gesprochen werden, sollten wir fliehen, würde man uns für vogelfrei erklären. Der Laird hielt diesen Vorschlag für eine gute Möglichkeit, doch verlangte er von uns darüber hinaus noch ein Blutgeld von 100 Oring, das wir an Udele zu zahlen hatten. Sie hat uns belogen, benutzt, schließlich angeklagt und sollte nun auch noch 600 Oring dafür bekommen. Wahrscheinlich war sie auch noch mit einem Dämon im Bunde. Bei diesem Gedanke stieg erneut Zorn in mir auf, doch was hatten wir für eine Wahl? Uns wurde freigestellt, das Geld selbst zu bezahlen oder einen Bürgen zu finden. Und genau dies ist der Grund weshalb ich dir in aller Eile diesen Brief schreibe. Niemand von uns nennt 100 Oring sein Eigen und ich weiß nicht an wen ich mich sonst wenden soll. Es beschämt mich, mit solch einer Bitte an dich heranzutreten, Mutter. Es tut mir leid… Wie sehr ich mir wünsche, ich könnte dich sehen.
    Ich hoffe, dass der Bote schnell ist und mich deine Antwort bald ereilt.
     
    In Liebe
    Enya
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