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Enyas Briefe

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28. Brief - Sedag, 1. Trideade Bärenmond


Die Hexe

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Liebste Mutter,

eigentlich wollte ich dir erst nach dem Fest schreiben, wenn wir wieder bei Nervan sind. Doch ich muss dir die Ereignisse der letzten Tage berichten. Noch immer sitzt mir das Grauen in den Gliedern und mich plagen Zweifel und Schuldgefühle.

Am Morgen des Sedag wurden wir von Sheldon MacRathgar, einem Freund von Nervan abgeholt und begaben uns gemeinsam mit ihm auf das Jagdfest. Bruna begleitete uns nicht, ihr geht es in letzter Zeit nicht so gut, immer wieder muss sie das Bett hüten. Aber vielleicht ist sie auch nicht die richtige für eine Pirschjagd im Wald. Nicht dass ich es bin, aber ich werde mein Bestes tun.

Am Abend kamen wir dort an und stellten uns, wie sich das gehört, beim Laird vor. Wie naiv, wie unbekümmert, wie unvorsichtig ich gewesen war. Ich hätte dies alles leicht verhindert können, doch wie konnte ich wissen, dass es so kommen würde? So überraschend, so plötzlich, dass ich gar nicht wusste was geschah. Wir betraten sein Zelt, verbeugten uns und nannten unsere Namen. Er meinte, dass wir ihm bekannt vorkämen und wollte wissen, woher. Ich merkte wie die anderen zögerten, doch es war besser der Laird erfuhr es gleich von uns, als wenn er es später herausfinden würde. So erwähnte ich die Gerichtsverhandlung um den Tod von Rubin NiRathgar. Warum hatte ich gesprochen, warum die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt? Warum hatte ich meine Haare offen getragen? Warum habe ich mich nicht einfach an Dylans Seite gestellt und warum bin ich dort nicht geblieben? Er trat auf mich zu und machte mir Komplimente. Ich erschauderte, als ich bemerkte, wie er mich mit seinen Blicken auszog. Doch noch fühlte ich mich sicher, denn alle waren bei mir und er würde nicht…Da machte Mira eine Bemerkung zu den gelben Zelten der Huren. Ich schluckte erschrocken, doch der Laird lachte und meinte, würde ich dort arbeiten, wäre ich die reichste Frau Albas. Eine leichte Übelkeit machte sich in mir breit, die sich verschlimmerte, als er Gray, Mira und Dylan aus dem Zelt bat. Ich konnte nicht begreifen was geschah. Warum ließen mich die anderen alleine? Hilfesuchend wandte ich mich um und blickte Dylan an. Was ich in seinem Blick las, schnürte mir die Kehle zu. Es fiel ihm schwer, doch er würde nicht gegen den Befehl des Lairds gehen. Wie schrecklich dieser Moment für ihn gewesen sein musste, nicht zu wissen was passieren würde, sich so hilflos und ohnmächtig zu fühlen. Es tut mir so leid. Als die anderen das Zelt verlassen hatten, stellte Donuilh MacConuilh mir seinen Sohn und noch weitere Personen vor. Kurz darauf betrat Salomon das Zelt. Er war zuvor bei den Damen der gelben Zelte hängen geblieben und stellte sich nun ebenfalls dem Laird vor. Ein Funken Hoffnung glühte in mir auf, doch erstarb wieder, als Salomon meinen flehenden Blick ignorierte und mit ein paar Worten an Donuilh MacConuilh, lächelnd das Zelt verließ. Dann war ich mit dem Laird alleine. Er schenkte mir Wein ein, doch ich nippte nur daran. Auf keinen Fall durfte ich meinen Verstand vernebeln. Ich ließ mir die Regeln der Jagd erklären und berichtete dann von dem Auftrag Nervans. Doch schon schnell bemerkte ich, dass sein Interesse an meinen Erzählungen nur gespielt war und sich sein wahres Interesse zwischen meinen Beinen befand. Eigentlich hatte ich gehofft, er schenke mir Gehör und unternähme etwas gegen die noch verliebenden Orcs in der Binge, die die Umgebung unsicher machen und wer weiß, ob sie nicht doch noch dem Herrn der Nebelberge von Nutzen sein können. So beendete ich meinen Bericht. Als er begann meine Bluse aufzuknöpfen, wurde mir erst wirklich bewusst, in welcher Lage ich mich befand. Ich konnte mich unmöglich diesem Mann verwehren. Selbst ohne dass ich mich mit ihm hätte gutstellen und unser Ansehen wiederherstellen wollen, war es anmaßend den Wunsch des Lairds auszuschlagen. Und doch, ich wollte nicht, alles in mir schrie. Ich saß Dylans Blick, als er das Zelt verlassen musste und malte mir seine Qual aus. Wie würde ich ihm jemals wieder in die Augen schauen können? Meine Augen füllten sich mir Tränen, welche langsam ihren Weg meine Wangen hinab fanden. Verwundert hielt der Laird inne und fragte nach dem Grund für meine Tränen. Ich sprach von meiner Liebe zu dem Mann, der mich vor dem Zelt erwartete, von dem mir Wichtigsten in meinem Leben, was er drohte zu zerstören. doch dies interessierte ihn alles nicht und küsste mich. Meinen Widerstand und Unwillen überging er. Doch ich konnte mich nicht wirklich wehren. Ich war gefangen zwischen Entsetzten, Schuldgefühlen und dem Glauben, ich müsse diese Nötigung für unseren Ruf, für die andern über mich ergehen lassen. Von draußen war Miras Schrei zu hören, doch der Laird ließ sich von nichts abhalten. Ich hoffte, sie würde nichts Dummes anstellen. Da tauchte wieder Dylans Gesicht vor meinem inneren Auge auf, ich spürte seine Berührungen auf meiner Haut, hörte seine Worte in meinem Ohr und entzog mich den Händen des Lairds. Ich ging auf die Knie und flehte ihn an, mir zu verzeihen und mir dies nicht anzutun. Da bemerkte ich eine Bewegung an der Zeltwand und sah durch einen Riss Gray dort stehen. Die Wut war deutlich in seinem Gesicht zu sehen und Panik packte mich. Verzweifelt signalisierte ich ihm das Zelt nicht zu betreten. Ich schickte ein Stoßgebet zu den Göttern, dass er seinen Zorn nur dieses eine Mal im Zaum halten konnte. Was dies für uns bedeuten würde, ließ mir mein ohnehin schon rasendes Herz bis zum Hals klopfen. Der Laird schien, den Göttern sei Dank, von dem allen noch nichts bemerkt zu haben und schaute mich weiterhin mit seinen lüsternen Augen an. Er meinte, ich wünsche doch, dass er sich um die Orcs in Nierthalf kümmere. Nun benutze er auch noch meine eigenen Worte gegen mich. Wie konnte er nur so etwas von mir verlangen? Da verließ mich nur für einen Moment meine Beherrschung und mir rutschte über die Lippen, dass ich für diesen Wunsch nicht meinen Körper hergeben würde. Donuilh fasste es anders auf, als ich es gemeint und erwartet hatte. Er schrie mich an und bezeichnete mich als Hure. Er ließ mir die Wahl entweder das Zelt nun als Hure zu verlassen oder ihm das zu geben wonach es ihn verlangte. Was war das für eine Wahl? Entweder ich ließ mich zu Hure machen, weil ich das Zelt verließ und dem Laird seinen Wunsch verwehrte oder gab mich ihm hin und wäre damit nicht anders als eine der leichten Damen der gelben Zelte. Nur war meine Belohnung kein Geld. Am liebsten hätte ich den Mann geschlagen, doch ich schluckte meinen Zorn und meine Abscheu hinunter und erwiderte ruhig, dass ich Enya, Tochter von Chelinda und Aneteckroth mich nicht als Hure beschimpfen lasse, auch nicht von einem Laird und verließ das Zelt. Kaum war ich ein paar Schritte draußen, brach ich zusammen und nichts konnte die Tränen aufhalten. Tränen der Angst, der Scham, der Wut und des Entsetzens. Doch es dauerte nicht lange, da spürte ich vertraue Hände und hörte vertraue Stimmen. Mira und Dylan waren bei mir und begleiten mich zum Zelt. Die ganze Zeit über weinte ich hysterisch, ich konnte mich nicht beruhigen, wollte so viel sagen, mich entschuldigen. Endlich hatte ich mich beruhigt und trug den beiden auf Gray zu holen. Sie verließen das Zelt, doch es dauerte mir zu lange, eine innere Unruhe hatte von mir Besitz ergriffen und so ging ich hinter ihnen her. Bevor ich jedoch das Zelt verließ verband ich mir meine Haare. Als ich sie schließlich entdeckte, erfuhr ich, dass Gray vorhatte zu gehen. Er hatte versucht in das Zelt des Lairds zu gehen und hatte mit ihm gesprochen, ihm sogar gewagt zu drohen. Der unbändige Zorn, der ihn noch immer umgab, war deutlich zu spüren. Doch ich wollte nicht, dass er geht. Wir konnten ihr überreden zu bleiben. Irgendwie würden wir es schaffen. Dazu musste er sich erst einmal beim Laird entschuldigen, doch er weigerte sich dies zu tun. Vielleicht war es auch besser so, eine weitere Begegnung würde uns um Kopf und Kragen bringen. Mir ist bewusst, welches Risiko wir eingehen, in dem wir bleiben, doch ich möchte nicht so einfach aufgeben. Nachdem ich einen Tee für Gray zubereitet hatte, kehrte ich an Dylans Seite zurück und erzählte ihm, was im Zelt von Donuilh MacConuilh geschehen war. Schmerzlich wurde ich mir meiner Liebe zu diesem Menschen bewusst, als ich ihn anblickte und seine Nähe spürte. Ich bin so froh, dass ich mich den gierigen Armen des Lairds entzogen hatte. Auch wenn Dylan meinte, er hätte mir verziehen, ich hätte mir selbst nie vergeben können. Ich versicherte ihm, dass ich seine Hilfe nicht erwartet hatte, denn es hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Doch musste er mir versprechen, dass er von nun an für den Rest des Jagdfestes stets an meiner Seite bleiben würde.

Einen kleinen Teil in mir gibt es jedoch, der tief verletzt ist und mit Vorwürfen um sich wirft. Noch habe ich das Gefühl in dem Moment als ich begriff, dass ich alleine war und mir niemand helfen würde, noch nicht ganz abgeschüttelt. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass ich mich nicht immer auf die Hilfe und den Beistand anderer verlassen kann. Doch noch wehrt sich mein Inneres gegen die Erkenntnis, dieses Gefühl der Einsamkeit. Ich weiß jedoch, dass solche Situationen wieder kommen werde, weshalb ich lernen muss sie zu akzeptieren.

Die nächsten Tage werden wir im Wald verbringen, ich hoffe wir haben bei unserer Jagd Glück. So verrückt es klingen mag, aber die Ereignisse haben mich neben all dem Schrecken auch mit viel Kraft und Entschlossenheit erfüllt, so dass ich den nächsten Tagen mit Erwartung und Eifer entgegen sehe.

 

In Liebe

Enya

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