Ich denke, dass die Frage nach Streiter oder Beschützer zwei Seiten hat, nämlich die mögliche Einbettung in die jeweilige Landeskultur und die Spielmechanik.
Was die Kultur betrifft, bin ich ebenfalls der Meinung, dass bestimmte Götter keine Priester Streiter benötigen. Neben den Göttern mit den ausdrücklich lebenserhaltenden/friedliebenden Grundsätzen zählen für mich auch die Götter dazu, die ohnehin schon über einen starken Arm durch Ordensritter verfügen, wie beispielsweise in Alba Xan und Irindar. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass der klassische "Dorfpriester" eher ein Beschützer ist, weil das Lernschema ihn in seinen alltäglichen Aufgaben besser unterstützt (Stichwort soziale Fähigkeiten). Streiter vermute ich eher unter den organisierteren Priestern in Klöstern oder großen Tempeln und unter denen, die von solchen Institutionen in die Welt geschickt werden, um Artefakte zu bergen, Hexen zu jagen usw. Beschützer wird man dort vermutlich eher für diplomatische Missionen einsetzen (da das Thema angesprochen wurde: Ich halte sie auch für die geeigneteren Inquisitoren, wenn es so etwas denn geben muss). Grundsätzlich wird es aber auch in jeder "Priesterkultur" auch Zwischentöne geben - zum Beispiel bei einem Dorfpriester, der seine Schäflein traditionell in einer gefährlichen Umgebung hütet.
Was die Spielmechanik betrifft, würde ich die Charakterwahl davon abhängig machen, in welcher Gruppenkonstellation der Priester gespielt werden soll und die Vorgeschichte darauf abstimmen. Ich spiele z.B. eine Ylathor-Priesterin, die aus einer Abtei stammt. In M5 konnte ich sie daher für mein Empfinden problemlos zur Streiterin machen. Das ist auch deshalb praktisch, weil sie 90% ihrer Abenteuer gemeinsam mit nur einem weiteren Charakter erlebt. Da ist es sowohl für die Gesundheit der Kleingruppe als auch für die Nerven des SL besser, wenn die "erste Reihe" im Kampf nicht nur aus einer Person besteht. In einer größeren Gruppe spiele ich eine Torkin-Beschützerin, die ruhig ein bisschen mehr auf die Kampfkraft der anderen angewiesen sein darf und dafür andere Qualitäten weiter ausbaut. Ich kann nicht behaupten, dass einer der Charaktere "stärker" oder weniger sinnvoll wäre als der andere.
Und zu guter Letzt kann man auch einfach "nach Geschmack" wählen - ich glaube nicht, dass es im Einzelfall der Midgard-Realität einen Unterschied macht, ob nach den "Lehrjahren" ein Streiter oder Beschützer aus dem Tempel fällt. Die Unterschiede sind nicht so gravierend, als dass man sie nicht schlicht durch ein besonderes Talent in die eine oder andere Richtung erklären könnte, ohne dass man gleich eine Art eigene Profession daraus machen muss. Zumal "Streiter" nicht bedeutet, dass der Priester ein stahlharter Bursche sein muss, der die Dinge am liebsten und häufigsten mit der Waffe löst (dafür gibt es schließlich immer noch Ordensritter ). Und "Beschützer" heißt nicht, dass es sich dabei nicht um einen zynischen Hardliner handeln darf, der insbesondere in der Zivilisation deutlich gefährlicher werden kann als der Streiter mit dem dickeren Waffenarm.