Oskar

Solch ein Auto ist schon ein seltsames Ding. Als ich noch ganz klein war und nur vor dem Sitz liegen durfte - dort, wo es nach Gummi, Fuß und Straße riecht - verstand ich noch nicht, wie die Welt sich so völlig verändern kann, bloß weil wir im Auto sitzen. Doch inzwischen bin ich viel größer und habe meinen eigenen Platz mit meinem eigenen Kissen und meinem eigenen Fenster, direkt hinter meinem Chef. Seitdem ist mir klar geworden, dass nicht die Welt sich ändert, sondern ein Auto sich rasend schnell bewegt. Obwohl es keine Beine hat, ich habe schon mehrfach nachgesehen. Das ist die erste rätselhafte Eigenschaft des Autos. Die zweite ist mir völlig unbegreiflich: Wenn mein Chef möchte, das ich eine bestimmte Handlung ausführe, gibt er mir ein Kommando. Wenn ich gut folge, werde ich gelobt und bekomme manchmal etwas Leckeres von ihm zugesteckt. Wenn nicht, dann eben nicht, ist ja klar. Jetzt habe ich mal ganz genau aufgepasst, wenn wir ins Auto gestiegen sind. Jeden Tag bringt es uns zu schönen Spazierwegen, zur Arbeit und auch nach Hause. Und jedesmal frage mich: Woher weiß das Auto, wo mein Chef gerade hin gebracht werden möchte? Wie kann es das nur, obwohl ich ganz sicher bin, dass er ihm kein einziges Kommando gibt? Mein einziger Trost bei der Sache ist: Auch in anderer Hinsicht habe ich genau aufgepasst. Das Auto bekommt kein einziges Leckerli, noch nicht einmal Lob! Und es darf auch niemals mit ins Haus - naja, es würde auch nicht durch die Tür passen. Auch wenn ich nicht verstehe, wie das Auto so schlau sein kann, bin ich mir schon deshalb in einem Punkt sicher: Ein Hund hat ein schöneres Leben als ein Auto. Euer Oskar

Eben noch freute ich mich: Mein Chef und ich gingen raus. Gut, ein wenig wunderte ich mich schon, dass er seine dicke, zweite Haut überzog; dennoch rannte ich ungestüm wie immer vor die Tür. Das war ein Fehler! Rennen geht plötzlich so gar nicht mehr: der Boden ist ganz glatt und hart geworden. Und kalt, verdammt! Richtig kalt und rutschig ist es. Wo ich herkam, war es immer warm und sandig. Die paar Menschen, die ich eben gesehen habe, sind auch ganz albern gestakst, als ob ihnen schlecht sei. Mein Chef ist auch ganz komisch und viel vorsichtiger als sonst gelaufen als sonst und hat mich gar nicht die neuesten Nachrichten an den Wänden beantworten lassen. Dumme Sache, denn jetzt wird kein anderer Rüde erfahren, dass ich vorbeigekommen bin. Ein wenig wundern muß ich mich schon. Aber ich nehm's locker, schließlich sind wir nicht mit dem Auto weggefahren, sondern wieder zurückgegangen in die Wärme. Und weil mein Chef ganz sicher noch mal zum Auto gehen wird, habe ich genauso sicher eine zweite Chance. Die werde ich wahrnehmen und so häufig wie möglich meine Marke setzen, die zwar noch nicht eindrucksvoll riecht - aber früh übt sich der kleine Rüde! Ein wenig unangenehm ist mir die Kälte ja schon, denn ich habe nur kurze Haare und kaum Unterfell. Außerdem stecke ich gerade alles, was ich esse, in meine Größe. Als kleiner Hund im Wachsen muß ich das, wenn ich will, dass die Großen nicht für immer mit mir den Boden putzen. Denn schließlich bin ich als Terrier-Mix jetzt schon ein großer Kämpfer. Eben gerade habe ich eine grandiose Entdeckung gemacht: Der Boden in meinem zweiten Zuhause ist plötzlich warm, nicht überall, sondern nur an manchen Stellen. So kann man's aushalten; einen so schönen, warmen Boden hatte ich noch nie! Wenn ich jetzt noch Futter kriegte, am Besten dort, wo mein Chef schläft und ich sonst nie hineinkriechen darf, wäre die Welt völlig im Lot. Bis bald, Euer Oskar