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20. Oktober


Y_sea

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Am nächsten Morgen hatte Ypey endlich wieder Tatendrang.

 

Nach dem missglückten Versuch mit der Bettlerin zu reden, hatte sie sich zurückgezogen und beobachtet, was ich so machte. Das war nicht viel gewesen. Ich hatte die Gelegenheit ergriffen, auszuspannen, etwas das ich, so schien es mir, seit Feanors Geburt nicht mehr gemacht hatte. Ich hatte stundenlang auf dem Sofa gelegen und an die Decke gestarrt. Meine Gedanken liefen dabei hierhin und dorthin, wo immer sie hin wollten. Zwischendurch war ich aufgestanden, um ein heißes Wasser zu trinken, woraufhin ich mich wieder hingelegt hatte. Ich hatte es genossen.

 

Aber ich hatte schon gemerkt, dass Ypey noch nicht fertig war.

 

Ich habe nachgedacht, eröffnete sie mir heute. Einzelnen armen Menschen Geld zu verschaffen, würde das Problem ja sowieso nicht lösen.

 

Da stimmte ich ihr zu.

 

Wir müssen das in großem Stil machen. Ihr habt doch alle diese Konten, auf denen offenbar Geld gespeichert ist und mit den kleinen Plastikkarten bekommt ihr es da herunter.

 

Oh-oh.

 

Ich setzte mich auf dem Sofa auf.

 

Was wir machen müssen, ist folgendes: Wir hacken uns in die Banken und platzieren einen Virus, der zu einem bestimmten Stichtag alle Konten nivelliert. Alles Geld, was drauf ist, wird gleichverteilt auf alle Konten, die es gibt.

 

Brilliant, dachte ich spöttisch und legte mich wieder hin, aber ich weiß gar nicht, wo ich damit anfangen soll, aufzuzählen, was an dem Plan nicht stimmt.

 

Fang halt irgendwo an, forderte sie mich grantig auf und wanderte mit meinem Körper, den ich gerade erst wieder in die Horizontale gebracht hatte, wie ein Tiger durch das Wohnzimmer.

 

Erstens. Ich kann das gar nicht. Ich scheitere doch schon an den Design Patterns.

 

Das können wir lernen. Dann dauert das halt zwei Jahre.

 

Zwei Jahre? Ich glaube eher, dass es gar nicht geht. Ich glaube nämlich, wenn das so einfach wäre, dann hätte es schon jemand getan.

 

Vielleicht wollte es nur noch niemand dringend genug.

 

Sie setzte mich an den Computer und startete Firefox.

 

Zweitens. Es gibt Backups, auch auf Papier, so wie Kontoauszüge, aber auch auf Festplatten.

 

Wir lassen es aussehen, wie richtige Transaktionen. Niemand wird mehr nachvollziehen können, welche Transaktionen an dem Tag legitim waren und welche nicht. Wir lassen sofort jeder Person einen Kontoauszug per Email zukommen, der den aktuellen Kontostand angibt.

 

Sie öffnete meinen Onlinebanking account, wie um mir zu zeigen, dass das möglich wäre.

 

Das Mindeste, das wir erreichen, ist ein Signal!, dachte sie fröhlich.

 

Drittens. Es betrifft nicht das Vermögen, das in anderen Formen existiert. Aktien, Optionen, Häuser, Yachten, Fabriken.

 

Na gut, aber es wäre schon mal besser als nichts. Ich meine eine völlige Gleichverteilung will ja auch niemand. Ich will es ja nur etwas ausgleichen.

 

Viertens. Wer gibt dir das Recht dazu?

 

Hä? Niemand! Wieso muss mir jemand das Recht dazu geben? Ich mache es, weil ich es für richtig halte. Mehr?

 

Fünftens. Es ändert nichts. Es gäbe immer noch Kapitalismus. Es würde alle in das totale Chaos stürzen. Wer weiß, was passiert. Hunger. Fehlende Gesundheitsversorgung. Wasserversorgung. Ich mag gar nicht daran denken.

 

Feigling.

 

Sie suchte etwas und fand es sofort in der Liste von Links, die Ixquick ihr lieferte.

 

Das erste, das wir brauchen, fuhr sie fort, als hätte ich zugestimmt, ist eine Möglichkeit, unerkannt an Informationen zu kommen.

 

Sie lud den Tor Proxydienst herunter.

 

Ypey, dachte ich ernst. Es ist ein schöner Traum. Ich würde auch gerne etwas richtig Cooles in meinem Leben machen, aber das ist totaler Quatsch. Es ist unrealistisch, kurzsichtig, egozentrisch, gefährlich.

 

Genau mein Stil also, grinste sie.

 

Bevor sie Tor installierte, richtete sie noch einen versteckten, verkrypteten Bereich auf meinem Computer ein.

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