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Cyberpunk 2077 (keine Spoiler)


dabba

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Nach einigen Tagen ist es Zeit für ein kleines Review.

Cyberpunk 2077 ist ein Action-Rollenspiel von CD Projekt, die auch schon die The Witcher-Spiele produziert haben.
Die Handlung: Man spielt eine Person namens V. Diese landet auf der Straße von Night City, einer typischen Cyberpunk-Stadt. Konzerne beherrschen das Leben und drängen staatliche Behörden aus ihren Zuständigkeiten. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Wer gut mit den Konzernen kann, der kann gut leben - wer nicht, der nicht.
Wer bspw. schon mal Shadowrun gespielt oder entsprechende Filme oder Romane gelesen hat, kennt das. ;)

V muss sich fortan als Söldnerin verdingen und diverse Jobs erledigen, um zu Geld zu kommen. V will nach oben und sich einen Namen machen. So kommt es früh in der Story so, wie es kommen muss. Ein Auftrag läuft nicht wie geplant, V ist zur falschen Zeit am falschen Ort und... bekommt ein Problem. Mehr möchte ich nicht verraten. :)

Das eigentliche Gameplay erinnert an einen Ego-Shooter. Man steuert V aus der Ich-Perspektive und kann non-verbale Auseinandersetzungen mit Pistolen, Gewehren, Raketenwerfern, Schwertern u. v. m. austragen.
Dabei muss man nicht zwingend den Rambo raushängen lassen, sondern kann auch versuchen, an Gegnern vorbeizuschleichen oder sie hinterhältig per Hacking traktieren.
Das Hacking im Spiel erinnert ein wenig an Watch Dogs: Man kann aus der Ferne erst eine Überwachungskamera übernehmen - und dann die Menschen und Maschinen "hacken", die man durch diese Kamera sieht. So löst man Kurzschlüsse und Überhitzungen aus oder zieht Geschütztürme und Roboter einfach auf die eigene Seite. Nicht sehr realistisch, aber ist ja nur ein Spiel. :)

Besiegte Gegner lassen jede Menge Items fallen, die man aufsammeln und benutzen oder verkaufen kann. So entsteht ein bisschen das Gefühl eines Loot-Shooters wie Borderlands. Wer im Laufe des Spiels eine Chance gegen die immer stärker werdenden Gegner haben möchte, muss regelmäßig die jeweils aktuelle Kleidung & Waffen gegen bessere Fundstücke austauschen.
Das führt bei der Kleidung leider dazu, dass man irgendwann angezogen ist wie das gemeinsame Kind von Wigald Boning und Jürgen von der Lippe: So trägt man im Laufe des Spiels vielleicht gleichzeitig einen Strohhut, eine grüne Türsteher-Weste, ein pinkes Tank-Top, eine kurze weiße Hose und hohe graue Stiefel - denn es kann passieren, dass genau diese Kombination den besten Rüstungs-Gesamtwert liefert, die im Spieler-Inventar verfügbar ist.

Das Gunplay ist zweckmäßig. Die Pistolen, der Nahkampf und die Scharfschützen-Gewehre spielen sich angenehm. Die vollautomatischen Gewehre sind nicht so fetzig: Sie richten gefühlt und tatsächlich relativ wenig Schaden an. Das ist ein bekanntes Rollenspiel- bzw. Loot-Shooter-Problem: Wie bei Borderlands ist es nicht sehr plausibel, dass menschliche Standard-Gegner ganze Kugelsalven in den Kopf einstecken können, nur weil man eine Maschinenpistole benutzt, die einen zu geringen Schadenswert für den Quest-Level hat. Ich wüsste aber nicht, wie man es sinnvoll anders lösen kann, ohne die Progression komplett wegzulassen und einen reinen Story-Shooter ohne Level-System zu schaffen.

Wer The Witcher III mochte, wird, trotz des anderen Settings, einige Elemente wiederfinden: Zu Beginn des Spiels bekommt V künstliche Augen verpasst, die u. a. einen Scanner beinhalten, mit dem V Personen identifzieren, Schränke durchsuchen, Blutspuren finden u. v. a. nützliche Tätigkeiten ausführen kann. Dieser stellt quasi das Cyberpunk-Pendant zu den Hexersinnen aus The Witcher dar.

Besonderes Augenmerk verdient die Grafik: Wer eine schicke Maschine hat (moderner PC, PS5, Xbox Series), sieht Night City in seiner ganzen hübsch-hässlichen Pracht. Vor allem mit Raytracing kann man sich in eine Stadt hineinsaugen lassen, in der Neonlichter in Wasserpfützen spiegeln und an den mattglänzenden Jacken der Begleiter reflektieren. Wer eine nicht so schicke Maschine hat, muss zurückstecken. Die PS4- und Xbox-One-Fassungen fallen technisch deutlich ab. Da sollte man zumindest abwarten, bis und wie weit der Hersteller da per Patch nacharbeitet und die Performance verbessert.

Ein Lob verdienen die zahlreichen Nebenquests: Statt belangloser Klettere-auf-das-Haus- oder Hole-den-Gegenstand-Quests gibt es zahlreiche originelle Aufgaben. Ein Spiel, in dem man selbstmordgefährdete Taxis retten kann oder Kinder beim AR-Lasertag-Spiel gewinnen lassen muss, gehört in jede gutsortierte Spielesammlung.

Cyberpunk ist ein Open World-Spiel, d. h. man kann sich in Night City frei bewegen und Quest-Handlungen gehen erst und genau dann weiter, wenn man sich als Spieler dazu entschließt, sich um sie zu kümmern. Eine offene, moderne Großstadt könnte den Eindruck erwecken, eine GTA-Alternative zu spielen. Dem ist aber bedingt so: Die Stadt Night City ist kein Spielplatz, sondern eine Kulisse. Die Stadt funktioniert nur, solange man sich halbwegs ordentlich verhält. Wer einen Amoklauf oder eine Amokfahrt beginnt, wird sich über seltsam verhaltende NSpFen und heran teleportierte Polizei wundern, die einen nur bis um die nächste Straßenecke verfolgen wird. Die NSpFen sind Statisten, die genauso relevant und vielschichtig sind, wie Komparse Nr. 253, der beim Tatort hinten durchs Bild läuft. Oder die namenlosen Mitschüler bei Harry Potter, die offenbar niemals die nächste Klasse erreichen, weil die Komparsen nicht nochmal gecastet werden. Das Spiel erwartet, dass man sich darauf einlässt. Dass man sie als Hintergrund-Rauschen wahrnimmt. Dass man nicht erwartet, dass die junge Frau, die durch die Straßen schlendert mehr Lebenssinn hat als dieses blonde geschenkeignorierende Mädchen aus dem ersten Harry Potter-Film. Wenn man das tut und kleinere Fragwürdigkeiten ignoriert, dann funktioniert die Stadt mMn relativ gut.

V kann zu Spielbeginn relativ frei definiert werden. Neben dem Geschlecht lässt sich auch das Aussehen aus Versatzstücken zusammenbauen. Völlig frei ist man dabei aber nicht: Eu(er/re) V wird weder übergewichtig sein, noch ein unnatürlich verzerrtes Gesicht haben.
Im Rahmen der Hauptquest wird diese Freiheit leider ein wenig eingeschränkt, weil V einen alternativlosen Sidekick verpasst bekommt. Dieser wird "gespielt" von Keanu Reeves, der sich in der englischen Fassung auch selbst vertont - und dabei leider beweist, dass ein guter Schauspieler nicht zwangsläufig ein guter Sprecher ist. Die deutsche Fassung mit Benjamin Völz ist deutlich gelungener. Ich persönlich fand den Sidekick trotzdem nervig. Er ist als unsympathische Figur angelegt, was storytechnisch Sinn ergibt. Für mich sollte aber ein Sidekick in Computerspielen eine Basis für erklärende Gespräche sein und nicht jemand, der einem ständig Widerworte und Meckereien drückt. Jemand, der nicht an der Seite einer weiblichen, heterosexuell angelegten Spieler-Figur rumpienst, dass er (!) einen Kerl vögeln musste. Haha. :sigh:

Bugs sind einige drin. Mal bleibt ein Hinweisfenster dauerhaft stehen, mal eine Untertitel-Zeile. Mal tauchen aus dem Nichts Statisten auf. Mal lösen sich sie in Luft auf. Mal muss das Spiel Nichtspielerfiguren an die richtige Stelle teleportieren, weil es sie nicht von alleine dahinlaufen lassen kann. Einige Leute haben wohl auch Plot-Stopper-Bugs und Abstürze, das kann ich aber nicht bestätigten. Wer abwarten kann, sollte auf weitere Patches warten, die das Spiel runder machen.

Fazit:
+ tolle Grafik (wenn man die richtige Maschine am Start hat)
+ gelungene Hauptstory, mit mehreren verschiedenen Möglichkeiten der Schluss-Auflösung
+ zahlreiche originelle Nebenquests mit sympathischen, ausgearbeiteten Figuren
o Stadt-Kulisse funktioniert nur, wenn man sich nicht auf sie konzentriert
- Loot-Progessions-System stört die Atmosphäre
- blöder Sidekick, der mMn nur auf diese Weise eingebaut wurde, um Keanu Reeves zu verwerten

Wertung: 4 von 5 Sternen

Bearbeitet von dabba
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