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Artikel: Twyneddischer Schattengänger - evtl. nur Myrkgard


wolfheart

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Ich bin... meine Eltern gaben mir den Namen... man ruft mich Alun. Diejenigen zumindest, die zur Zeit um mich sind. Es sind keine Twyneddin, sie wissen nicht, wer unten ihnen wandelt. Sie lachen, wenn ich rede, glauben nicht meinen Worten. Es ist ein Schmerz, und doch kann ich ihnen nicht böse sein oder sie verfluchen!

Sie sind anders als meine Landesgenossen! Diejenigen, die mich begruben!

Ich erinnere mich... nein, ich glaube mich zu erinnern... es sind etliche Winter her! Ich sehe einen Sohn auf mich zurennen, mit Tränen in den großen Augen! Er will mich in die Arme schließen... nein, will in meinen Armen Trost suchen! Trost vor der Angst, vor dem Schmerz, vor dem schwarzen Loch, das der Tod seiner Mutter in ihm riss. Der Tod, der in Gestalt eines stinkenden Schattens eines Nachts in die Hütten kam. Der das Weib zerriss wie ein Bündel Stroh, sich labte an den Eingeweiden und dem Schock in den Augen der Sterbenden. Sich labte an dem Geschrei des Jungen, als dieser das ansehen mußte! Sich labte an dem Blick desjenigen, der machtlos daneben stehen mußte, der keine Macht hatte wie die Druiden, die Priester oder die Zauberkundigen! Der Mann, der nur hoffen konnte, dass der Dämon gesättigt sei von seinem grausigen Mal an der Frau, deren Lebenskraft langsam versickerte!

Ich sehe die Dorfbewohner, von denen einige ähnliches erlebt hatten in ihrem Leben. Ich sah das Mitgefühl in ihren Augen. Ich konnte keine Anschuldigung sehen, und doch fühlte ich, wie der Mann, der das alles sah, sich die Schuld aufbürdete! Nur um mit gebeugtem Rücken in der Schmiede zu stehen und sein Tagwerk zu verrichten! Und seinen einzigen Sohn groß werden zu sehen! Mit dem Wunsch, dass dieser nie eine solche Schuld würde tragen müssen.

Es war ein schöner Sommertag, die Sonne brannte wie sonst schon lange nicht mehr! Der Schweiß rann den Oberkörper hinab. Ein erhabenes Gefühl, den Acker zu bearbeiten mit den Freunden, um Nahrung wachsen zu lassen. Um Leben zu schützen und zu nähren! Plötzlich war da ein Gefühl, ein Durst nach Blut, nach Lebenskraft! Ein schier unlöschlicher Durst! Kein Durst, der menschlich zu nennen sei! Zu fremd, um menschlich zu sein! Zu bekannt, um nicht menschlich zu sein!

Der Blick zurück auf den Acker, auf dem das Werkzeug stak, und zu den Leuten aus der anderen Welt, die sich der Arbeit widmeten, dem Gefühl gemeinsam zum Überleben der Gemeinschaft beizutragen, diesem erhabenen Gefühl!

Der Blick voraus folgte dem Durst, in der Hand der Hammer, der schon so manchem dreisten Räuber den Arm oder schlimmeres zerschmettert hatte. Es war wie ein Flug auf den Schwingen des Durstes. Der Mond schien zu fliegen, zu hüpfen wie ein Ball beim Spiel, auf und ab! Und dann stand der Durst vor mir! Das bekannte Gesicht und doch das Fremde! Ein Gesicht aus Schatten, gebeugt über dem leblosen Körper eines Köhlers! Die Augen aus gleisendem Dunkel brannten, sahen den Arm, den Hammer! Sie sahen, dass am Arm niemand war, ein Toter! Und zum Durst gesellte sich ein Unbekannter hinzu! Die Augen spiegelten etwas neues wider: Angst! Doch dieser neue war so unbekannt, dass der Durst nicht wußte, mit ihm zu reden, zu fragen was die Angst vom Durst wolle. So stürzte sich der Durst auf den Arm. Doch der Hammer, der am Arm hing, fuhr hinab. Der Durst hörte die Angst schreien, hörte wie die Angst von einem anderen Unbekannten wimmerte, den die Angst das Nichts nannte!

Als der Arm endlich Ruhe fand, lag die verwüstete Hütte vor meinen Augen. Es war ein Bild... ich sagte mir, dass es ein Blick des Schreckens sein müsse. Aber es war nur ein Bild. Der Durst war weg und der Schatten verflüchtigte sich auch langsam, nach dem die Form zerschmettert war. Ich sah, wie sich die Angst noch in einem schimmernden Amulett widerspiegelte, das der Köhler in letzter Sekunde dem Durst hatte entgegenstrecken wollen, in der Hoffnung, den Durst zu bannen.

Und so nahm ich das Spiegelbild der Angst, und schlug es wie ein Brandzeichen in das Amulett, dass es schimmerte im Schatten. Alsbald wurde ich dem leisen Klimpern bewußt, dass erklang, wenn beim Erklimmen eines Hügels das Amulett gegen den Hammer schlug, an dem ich das Amulett gehängt hatte. Es war ein Klingeln wie eine Totenglocke, und doch eine Mischung von Trauer und Siegeshoffnung!

Es kam mir vor wie ein ganzer Winter, als ich an ein Dorf kam. Es standen Leute beisammen auf dem Feld, auf dem die Toten beigesetzt werden. Dort standen Erwachsene und Kinder. Ich war neugierig und doch scheu! Ich war nicht sicher, ob ich dazutreten durfte. Ich sah, wie die Erwachsenen, die mich sahen, den Kindern in ihren Armen die Augen verschlossen. Ich sah, wie sie einen Toten bestatteten! Und ich sah die andere Welt, obgleich die aus der anderen Welt mich nicht sahen! Es war ein Schmerz, der durch mich schoss! Schlimmer als der Tod, der Tod meines Weibs! Und doch stärker als der stärkste Arm!

Ich stand noch lang dort, lange nachdem jemand aus der anderen Welt, der soeben seinen Bruder beerdigt hatte, dessen Sohn wegzog, damit er in der anderen Welt weiterleben konnte. Ich stand dort, während die Himmel ihre Tränen vergossen.

Ich stand dort, als am Grab der fremde Sohn die Vaterschaft des Bruders annahm, wie er seinen Namen ablegte, auf einer Tafel zur Tafel des Toten legte! Wie der neue Vater seinem neuen Sohn einen neuen Namen gab! Ich stand dort und spürte einen Schmerz, ähnlich dem Schmerz über den Tod meines Weibs! Aber den Schmerz eines anderen! Und doch sah ich, wie aus diesem Schmerz ein neuer kräftiger Baum wachsen konnte! Ein kräftiger Jüngling, der selbst bald eine Familie haben könnte! Eine Familie, die nicht den Fluch tragen sollte, den Fluch des einen, der den Durst gespürt und getötet hatte! Den Fluch desjenigen, der zwischen den anderen Welten Wege kennt! Der den Schatten sieht und den Schatten ausbrennt! Der vom gleichen Schatten verfolgt wird!

Ich stand dort, in einem anderen Dorf, in einer anderen Welt, in der andere Leute wohnten! Ich durchstreifte andere Gegenden, meistens ohne dass mich die anderen Leute sahen, obwohl ich mich nicht verbarg! Oft nahm ich die Geschenke, das Essen an, dass die anderen Leuten dem Toten überreichten. Und oft spürte ich einen Durst! Und ebenso oft gesellte sich zum Durst wieder dieser Unbekannte, der von mal zu mal größer wurde... der mein Schatten wurde!

Ich sehe in die Flammen des Nachtlagers! Ich erinnere mich... und weiß doch nicht, ob es wirklich Erinnerungen sind, oder nur Träume! Denn ich weiß, dass es besser ist, vor dem Durst die Erinnerungen zu verstecken, zu verdrängen! Denn der Durst kennt Wege, sich an den anderen zu laben, die in diesen Erinnerungen leben!

Und so sitze ich hier am Nachtlager, starre in die Flammen, hänge den Erinnerungen nach, die nicht meine sein dürfen, und bin Alun... jetzt bin ich Alun! Alun ohne Familie...

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