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"Gerechtigkeit" im Rollenspiel


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Zufall kann nur rein zufällig (und damit eher beiläufig, unbeabsichtigt) gerecht sein. Ein Würfel kann daher in meinen Augen nicht gerecht sein, gerecht impliziert eben das genaue Gegenteil von Zufall, dass nämlich idealiter jeder genau das bekommt, was ihm zusteht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ein Würfel kann dies eben genau nicht simulieren. Um 100%ig gerecht zu sein, müßte Rollenspiel daher vollständig determiniert sein, weil nur dann ausgeschlossen werden kann, dass jemand zufällig ungerecht behandelt wird.

Nur, das wäre vollständig langweilig, da berechenbar.

Willkür, sprich der Würfel bringt das Element der Unwägbarkeit, der Risikoabschätzung ins Spiel, die zwar der Gerechtigkeit diametral entgegen steht, im richtigen Maße eingesetzt aber überhaupt erst Spannung erzeugen kann.

Bearbeitet von Kazzirah
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Jeder kann beim W20 zu 5% den kritischen Erfolg oder Fehler würfeln.

 

Und jeder hat die gleiche Chance, das fünf mal nacheinander zu schaffen.

Ja, nur hat das nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Denn wichtiger als der Wurf ist die Festlegung, welche Auswirkungen er hat. So ist die 20/100 gegen einen Drachen weniger wert als gegen einen Braunbären (der Drache hat SG).

Oder bei einer 1 beim Klettern stürze ich ab, beim Schwimmen saufe ich ab und bei Geländelauf verstauche ich mir den Fuß.

 

Wie EK schon schrieb: Es kommt stark auf den Moment an und der wird von den Würfeln eben nicht bestimmt. Mir ist eine 12 beim 2W6 der Lernpunkte viel lieber als die 12 beim ersten Schaden mit einer entsprechenden Zweihandwaffe. Oder ein hoher Prozentwurf bei einer Grundeigenschaft verglichen mit dem Prozentwurf fürs Geld. ;)

 

Eine andere Situation, die häufig vorkommt und nicht wirklich gerecht ist (trotzdem aber in vielen Runden so vom Mechanismus her akzeptiert wird): Eine Gruppe mit einem Krieger in starker Rüstung und einem Zauberer ohne Rüstung zieht durch die Gegend und bei einem Überfall fliegen Pfeile. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass jeder in der Gruppe einen Pfeil abbekommt oder das für jeden Pfeil ausgewürfelt wird, auf wen gezielt wird. Ist das gerecht?

Und wie ist es, wenn alle Pfeile nur auf eine Figur gehen? Hier z.B. auf den Zauberer, weil da der meiste Schaden gemacht werden kann?

 

Kommt es zu so einer Situation, dann gibt es viele Möglichkeiten. Von einem Spielleiter erwarte ich, dass die Spieler gleich behandelt werden. Es sollte also keinen Unterschied machen, wer den Zauberer und wer den Krieger führt. Die Auswahl der Figur für den nächsten Pfeil hingegen kann durchaus unfair erscheinen und trotzdem logisch sein. Gerechtigkeit käme für mich dann zustande, wenn im Laufe eines Abenteuers oder einer Kampagne jede Figur mal in die Rolle des bevorzugten Opfers kommt. Nicht weil ich die Figuren gleich behandeln wissen will, sondern die Spieler.

 

Solwac

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Bleiben wir bei dem Räuberbeispiel. Sechs Räuber mit Bögen gegen einen Magier und einen Krieger. Intelligente Räuber würden zu sechst auf den Magier schießen, dann wäre der platt und sie könnten sich mit Übermacht der Dose zuwenden (wenigstens wäre das meine Strategie). Würden sich jetzt alle Räuber Midgards an diese aus Sicht des SLs intelligente Strategie halten, bräuchte man praktisch keinen Magier mehr zu spielen.

 

Ist das gerecht? Oder sollten die Räuber lieber die suboptimale Taktik wählen?

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1.) Die strikte und ausnahmslose Anwendung des Regelwerks sorgt für Gerechtigkeit (teilweise sogar noch verschärft um die Aussage, dass Regelpassagen nicht angewendet werden dürften oder gestrichen werden müssten, wenn sie dem SL eine gewisse Freiheit im Umgang mit den Spielregeln zugestehen - z.B. Goldene Regel).

 

2.) Zufallsentscheidungen (Würfeln) und das ausnahmslose Ernstnehmen der Würfelergebnisse sorgt für Gerechtigkeit.

 

Stimmt das so?

 

zu 1.) Nein, das ist nicht zwingend der Fall. Gerechtigkeit lässt sich auch herstellen, indem im Einzelfall von Regeln abgewichen oder diese anders interpretiert werden, wenn dadurch ein allen Beteiligten angemessener Interessenausgleich erreicht wird. Die strikte Regelbefolgung sorgt eher für mehr Rechtssicherheit im Sinne von klaren, vorhersagbaren Ergebnissen. Diese sind aber keineswegs unbedingt immer dem angemessen, was die Beteiligten in speziellen Situationen als vernünftige Berücksichtigung der Interessen aller (hier des größtmöglichen gemeinsamen Spielspaßes) ansehen würden. Die Prämisse kann allenfalls stimmen, wenn der größtmögliche gemeinsame Spielspaß nur durch strikte Regelbefolgung erreicht werden könnte.

 

zu 2.) Auch das stimmt sicherlich nicht. Würfelergebnisse können nicht "gerecht" sein, wie hier im Strang bereits gesagt wurde. Sie dienen m. E. eigentlich dazu, die Ungerechtigkeit der Welt in der Rolenspielsimulation abzubilden. Es ist nicht "gerecht", wenn der Neuling in seinem ersten Abenteuer an der 20/100 verstirbt. Die stete Möglichkeit soll für Realismus und Spannung sorgen, aber sicherlich nicht für "Gerechtigkeit". Der Gedanke kann allenfalls unter dem Aspekt von Punkt 1.) als systemgerecht angesehen werden: Da die Regeln das Würfeln vorsehen, müssen die Ergebnisse auch befolgt werden. Dabei ergibt sich natürlich die oben bereits dargestellte Problematik der Einzelfallgerechtigkeit. Genau aus diesem Grund wurden vermutlich "Schummelregeln" entwickelt, von der SG bis hin zur "Goldenen Regel".

 

LG, Henni Potter

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Ein kurzer Einwurf: Diese Debatte krankt teilweise daran, dass es tatsächlich zwei verschiedene Begriffe von Gerechtigkeit gibt, zwischen denen hier (wie auch andernorts) oft nicht ausreichend differenziert wird. In der Philosophie (z. B. bei John Rawls) wird unterschieden zwischen prozeduraler oder Verfahrensgerechtigkeit, die lediglich ein unparteiisches, regelgeleitetes Entscheidungsverfahren garantiert, und substanzieller oder materieller Gerechtigkeit, die eine bestimmte Verteilung von Gütern beinhaltet. Wenn man Entscheidungen konsequent und für alle Mitspieler gleich den Würfeln überlässt, handelt man prozedural gerecht; damit ist aber keineswegs eine substanziell gerechte Verteilung gesichert.

 

Es haben also sowohl diejenigen Recht, die dem Würfel Gerechtigkeit zuschreiben, als auch diejenigen, die sie ihm absprechen - beide Seiten verwenden lediglich unterschiedliche Begriffe von Gerechtigkeit (die beide auf ihre Weise sinnvoll sind) .

 

Gruß

Pandike

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Jeder kann beim W20 zu 5% den kritischen Erfolg oder Fehler würfeln.

 

Und jeder hat die gleiche Chance, das fünf mal nacheinander zu schaffen.

Ja, nur hat das nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Denn wichtiger als der Wurf ist die Festlegung, welche Auswirkungen er hat. So ist die 20/100 gegen einen Drachen weniger wert als gegen einen Braunbären (der Drache hat SG).

Oder bei einer 1 beim Klettern stürze ich ab, beim Schwimmen saufe ich ab und bei Geländelauf verstauche ich mir den Fuß.

 

Wie EK schon schrieb: Es kommt stark auf den Moment an und der wird von den Würfeln eben nicht bestimmt. Mir ist eine 12 beim 2W6 der Lernpunkte viel lieber als die 12 beim ersten Schaden mit einer entsprechenden Zweihandwaffe. Oder ein hoher Prozentwurf bei einer Grundeigenschaft verglichen mit dem Prozentwurf fürs Geld. ;)

 

Solwac bringt hier einen sehr wichtigen Punkt. Theoretisch (wir sind im Theorieforum...) gleicht sich das natuerlich auf die Dauer aus. Der Wuerfel bringt nicht nur mal eine 2 und mal eine 12, er bringt auch mal eine 2 bei den Lernpunkten und mal eine 12, mal eine 2 beim Schaden und mal eine 12, usw.

 

Es kann allerdings eine Weile dauern, bis sich das ausgeglichen hat (und da ist ein gewisses Frustpotenzial - wie viele Figuren muesste man in Folge auswuerfeln, damit das Gesetz der grossen Zahl griffe?).

 

Es setzt auch voraus, dass die Auswirkungen besonders guter oder schlechter Wuerfe gleich sind, d.h. dass z.B. einer 20/100 beim gegnerischen Angriffswurf ein ebenso "weiter" Ausreisser fuer den Spieler gegenueberstuende. Eine spielerseitige 20/100 ist da nicht ganz ausreichend, es sei denn, sie haette einen toedlichen Hauptgegner im ersten Anlauf ausgeschaltet.

 

Eine andere Situation, die häufig vorkommt und nicht wirklich gerecht ist (trotzdem aber in vielen Runden so vom Mechanismus her akzeptiert wird): Eine Gruppe mit einem Krieger in starker Rüstung und einem Zauberer ohne Rüstung zieht durch die Gegend und bei einem Überfall fliegen Pfeile. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass jeder in der Gruppe einen Pfeil abbekommt oder das für jeden Pfeil ausgewürfelt wird, auf wen gezielt wird. Ist das gerecht?

Und wie ist es, wenn alle Pfeile nur auf eine Figur gehen? Hier z.B. auf den Zauberer, weil da der meiste Schaden gemacht werden kann?

 

Bei mir haengt das von der Intelligenz der Gegner ab - und eine Bande menschlicher Intelligenz wird sich natuerlich zuerst auf den Zauberer konzentrieren.

 

Hier greift dann allerdings auch, was Abd in der Zufallstabellendiskussion so engagiert vertreten hat: Spieler sollten (ich fuege an: vor allem, bevor es toedlich wird - sechs Pfeile aus dem Hinterhalt sind hart!) vor Gefahren die Moeglichkeit der Warnung haben.

 

Kommt es zu so einer Situation, dann gibt es viele Möglichkeiten. Von einem Spielleiter erwarte ich, dass die Spieler gleich behandelt werden. Es sollte also keinen Unterschied machen, wer den Zauberer und wer den Krieger führt. Die Auswahl der Figur für den nächsten Pfeil hingegen kann durchaus unfair erscheinen und trotzdem logisch sein. Gerechtigkeit käme für mich dann zustande, wenn im Laufe eines Abenteuers oder einer Kampagne jede Figur mal in die Rolle des bevorzugten Opfers kommt. Nicht weil ich die Figuren gleich behandeln wissen will, sondern die Spieler.

 

Die Personen "Spieler" sollten in die Entscheidungsfindung am Spieltisch tatsaechlich nicht einfliessen. Sie tut es manchmal (z.B. haette ich die 20/100 gegen einen Neuling in dessen erster Sitzung wahrscheinlich auch abgeschwaecht - kritischer Treffer Schildarm waere eine Moeglichkeit), aber das sollte selten sein.

 

Ob das dann "gerecht" ist, wenn dem Spieler des Zauberers mitgeteilt wird, es floegen jetzt ploetzlich sechs Langbogenpfeile auf ihn zu und er koennte den Abwehrwuerfel stecken lassen, da ueberrascht - aber man werde die Angriffe offen wuerfeln, damit er sich nicht ueber Willkuer beklagen koennte, der Wuerfel sei schliesslich neutral - sei mal dahingestellt... (ich faende eine solche Szene, wenn nicht vorher deutlich gewarnt worden waere, unfair und ungerecht. Es geht schon sehr nah an "Paeng, Du bist tot").

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Viel ergiebiger wäre es von dem Punkt auszugehen: "Was gefällt dir an deiner Gruppe nicht? Wodurch wird dein Spielspaß eingeschränkt?" oder positiv "Was gefällt mir an unserer Spielweise? Wodurch entsteht für mich Spielspaß".

 

Ich bin ja mit dem geloeschten Teil Deines Beitrags voellig einverstanden, allerdings halte ich auch diese Diskussion hier fuer sinnvoll. Wir wuerden naemlich bei einer entsprechenden Umfrage wahrscheinlich feststellen, dass sich unser Gerechtigkeitsempfinden doch in ziemlich weiten Teilen deckt. Darueber (und auch ueber die Grenzfaelle, bei denen wir unterschiedlich empfinden) kann es sich sehr wohl lohnen, zu diskutieren.

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Einerseits wird hier erzählt, dass Würfel gerecht und für alle gleich sind und man sich deshalb im Spiel komplett den Würfeln zu unterwerfen hat - das ist ja in Ordnung, die Meinung kann man haben.

 

Andererseits existieren Stränge, die seitenlang erzählen, es wäre völlig indiskutabel sich der Diktatur der Würfel zu unterwerfen - allerdings geht es da um Figurenerschaffung. Auf einmal sind dieselben Mechanismen nicht mehr gerecht und für alle gleich und man muss unbedingt ein Kaufsystem schaffen, damit jeder wirklich dass spielen kann was er - und nicht die Würfel - bestimmt.

 

Lasst tausend Blumen bluehen!

 

Es sind allerdings schon zwei auch qualitativ unterschiedliche Situationen.

Wenn ich einen Spitzbuben spielen will (mit dem ich ggf. fuer die naechsten Jahre jede Woche mehrere Stunden verbringe), dann haben meine Vorstellungen ein sehr starkes Gewicht. Andererseits bin ich in dem Moment nicht in einer Wettbewerbssituation. Neutralitaet ist nur insoweit gefragt, als 100er-Figuren suspekt erscheinen. Deshalb der Gedanke "Kaufsystem".

Wenn ich mitten im Abenteuer etwas wuerfle, dann hat das als einzelne Aktion (sofern ich nicht gerade versuchen muss, ohne SG eine 20/100 abzuwehren) wenig bleibende Wirkung. Dafuer bin ich aber im Wettstreit mit dem Abenteuer, der Aufgabe, der Herausforderung - und da ist die Neutralitaet der Wuerfelentscheidung eher gefragt.

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„Es wird mit einem W6 ein Schaden gewürfelt – Ergebnis 3. Bei meiner Figur sagt die Regel: Die Figur nimmt drei Punkte Schaden und lebt. Bei Deiner Figur sagt die Regel: Die Figur ist bei einem Ergebnis von 3 gestorben.“

 

Du bist implizit davon ausgegangen, dass die Regel für alle gleich ist.

 

Je nun, das ist sie bei Midgard i.a. auch. Man dreht da zwar gerne dran - sowohl SLs als auch Spieler ruesten ihre Figuren gern mit tollen Artefakten aus - aber grundsaetzlich macht auf Midgard jeder, der ein Langschwert mit persoenlichem Schadensbonus +2 fuehrt und eine "3" wuerfelt, einen Schaden von 6.

 

Das muss mitnichten der Fall sein. Es gibt genügend Spiele – etwa historische „KoSims“ (die Du ja auch schätzt), bei denen gleiche Würfelergebnisse für die unterschiedlichen Spielparteien unterschiedliches bedeuten.

 

Nun, diese Spiele diskutieren wir hier aber nicht...

 

Wenn es „die Regel“ ist, die bei Midgard „Gleichheit“ herstellt, dann haben Würfelwürfe wohl eine andere Funktion. Ich glaube, dass Würfelwürfe „Ungleichheit“ herstellen sollen. Auch dazu ein einfaches Beispiel:

„Wir beide haben jeder eine Spielfigur. Die beiden Spielfiguren sind in ihren Daten in jeder Beziehung genau gleich. Es kommt zu einem Kampf gegeneinander. Die Frage ist, wer gewinnt?“

Die Regel alleine, die ja bei Midgard den Zweck hat, möglichst genau gleiche Bedingungen herzustellen, kann hier keine Lösung bringen, da beide Figuren ja gleich sind. Es wäre also höchst „ungerecht“, wenn per Regel eine zum Sieger bestimmt wird.

 

Genau an dieser Stelle kommt die Zufallsmaschine Würfel ins Spiel. Die Würfel stellen nämlich per Zufall zwischen den ansonsten gleichen Figuren „Ungleichheit“ her. D.h. aus meiner Sicht, Würfel sind mitnichten dafür da „Gleichheit“ herzustellen, sondern entschieden dafür gedacht „Ungleichheit“ herzustellen, eben weil die Regel Gleichheit herstellt.

 

Nun, im beschriebenen Beispiel soll unter zwei voellig gleichen Figuren eine Entscheidung herbeigefuehrt werden. Wenn das "Entscheidung Finden" wirklich an erster Stelle stehen soll, dann sind die Wuerfel der gerechteste Entscheider - sonst gibt's ja keinen Unterschied!

 

Ungleichheit kaeme hier also eigentlich nicht vom Wuerfel, sondern von der vorangegangenen Entscheidung, jetzt eine der beiden identischen Figuren als staerker definieren zu wollen. Wenn Du aber langfristig die beiden immer wieder gegeneinander antreten lassen wuerdest, dann kaeme halt im Mittel doch immer das Gleiche heraus...

 

Würfel stellen diese Ungleichheit allerdings auf eine Weise her, die man sich – wie ich meine – im Kontext der sozialen Situation am Spieltisch ziemlich genau betrachten sollte – nämlich „zufällig“. Was zunächst wie ein banaler Allgemeinplatz klingt, ist für den Spielspaß aller Mitspieler manchmal ziemlich entscheidend. Der Zufallsmechanismus macht die Ungleichheit, die zu Entscheidung entstehen muss, nämlich für manche Mitspieler erträglicher. Gerade, weil die Regel ansonsten nichts hergeben kann, was es rechtfertigen würde, dass eine Figur verliert, muss eine Maschine her, um die Sache zu entscheiden, d.h. um Ungleichheit herzustellen.

 

Dieses Herstellen von Ungleichheit durch Würfel hat aber nichts mit „Gerechtigkeit“ im Rollenspiel zu tun.

 

Dazu hat Pandike ja schon etwas gesagt. Prozessgerechtigkeit ist schon einmal ein wesentlicher Punkt im Gerechtigkeitsempfinden.

 

Die Herstellung von Gerechtigkeit ist „per se“ immer ein sozialer Akt. Gerechtigkeit kann man mit einer Würfelmaschine nicht herstellen, dazu bedarf es immer einer sozialen Einbettung (im Rollenspiel sind da verdammt viele Faktoren zu nennen).

 

„Gerechtigkeit“ beruht (nach langläufiger Meinung) auf der prinzipiellen Gleichheit aller beteiligten Menschen. Der Sinn des Würfels aber ist es, „Ungleichheit“ zu erzeugen.

 

... kurzfristig! Langfristig mitteln sich die Wuerfelwuerfe alle auf den Durchschnitt. Sofern halbwegs zufaellige Wuerfel verwendet werden, kriegen alle irgendwann ihre zwanziger, und auch ihre wichtigen zwanziger.

 

Dem Würfelwurf selbst, ich schrieb es oft, wohnt „Gerechtigkeit“ deshalb eben nicht inne. Im Gegenteil er soll „Ungleichheit“ und daraus folgend „Ungerechtigkeit“ auf maschinellem Wege akzeptabler machen. Und genau deshalb sind Zufallsereignisse, die auf Würfelwürfen beruhen - um dem Strangtitel wieder etwas näher zu kommen - keinesfalls "gerecht" für die Spieler.

 

Und auch hier: kurzfristig mag das durchaus so sein, aber:

- langfristig sieht's anders aus (bzw. man muesste dann auch ausnehmendes Wuerfelglueck eines Spielers entsprechend abschwaechen),

- es gibt Spieler (Rosendorn z.B.), die fuehlen sich "weichgespuelt", wenn zu ihren Gunsten Wuerfel gedreht werden. Ihr Gerechtigkeitsempfinden akzeptiert den Wuerfel als Zufallsgenerator. Da ist kein "keinesfalls" am Tisch zu bemerken.

 

Nun noch etwas zu Deinen statistischen Bemerkungen: Dein Beispiel gibt es im Rollenspiel so nie. Es spielt in der Praxis überhaupt keine Rolle, ob es theoretisch bei unendlich vielen Würfeln zu einer statistischen Angleichung kommt. Bei Rollenspielsituationen handelt es statistisch gesehen immer um abgeschlossene Ereignisse. Ob ein Spieler im letzten Abenteuer dauernd super gewürfelt hat, spielt für einen Spielabend drei Monate später überhaupt keine Rolle mehr. Es kann trotzdem sein, dass der Spieler vollkommen zu Recht sein Würfelpech an dem entsprechenden Abend beklagt und erklärt, dieses aktuelle Würfelpech verderbe ihm den Spaß.

 

Wenn es in so einer Situation die Aufgabe des Spielleiters ist, sich in herausgehobenem Maße für den Spielspass aller einzusetzen – wovon ich ausgehe, dann sollte er zugunsten des Pechvogels Würfelwürfe relativieren.

 

Das ist eine andere, eine interessante, und eine durchaus fuer genau diese Diskussion relevante Frage. Ein Spieler hatte durchaus in der Vergangenheit viel Glueck und hat jetzt gerade eine Pechstraehne. Er beklagt sich darueber, offensichtlich ist sein Spielspass beeintraechtigt. Soll man ihm ein "Zuckerl" geben oder nicht? Soll man die Pechstraehne zulassen oder abschwaechen?

Ich weiss, dass ich als Spieler, der seine Pechstraehnen hinnimmt, mich etwas verarscht fuehlen wuerde, wenn einer am Tisch ueber die bloeden Wuerfel jammert (vor allem, wenn man vor ein paar Wochen staunend zugucken konnte, wie derselbe Mensch sich in der Sonne unmoeglich scheinender Erfolge sonnte) und dem dann Trostpreise hinterhergeschoben wuerden. Das waere in meinen Augen ein Anreiz zum Jammern und ein Spielspassverminderer. Was soll der arme SL da machen? Entweder der eine Spieler ist traurig, oder der (oder die) andere(n). Ich persoenlich wuerde da bei den Wuerfeln bleiben, erstens damit mir die Runde nicht in einen Jammerwettbewerb degeneriert, und zweitens weil ich denen mehr Willkuerfreiheit als meinem Jammerregistrierorgan zutraue...

 

(davon abgesehen: ja, jeder Wuerfelwurf ist unabhaengig zufaellig, aber zufaellig konvergieren sie mit steigender Zahl trotzdem zu den bekannten Verteilungen. Das grundsaetzliche Argument "langfristig gleicht es sich alles aus" betrachte ich also nicht als entkraeftet).

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