In einer der Karawansereien von Dargirna nippt eine in einen verwaschen-hellblauen Mantel gekleidete Gestalt an ihrem Becher. Ein gelangweiltes Lächeln um spielt dann und wann ihre Lippen, wenn sie die übrigen Reisenden und Karawanenführer beobachtet, die kommen und gehen. Ein lukrativer Auftrag für eine Karawane lockte sie auf dem Rückweg von Estoleo hierher, doch stellte sich das Angebot als Blendwerk heraus, dem sie nicht auf den Leim gegangen war.
Seit einigen Tagen besucht Chamsiin mal diese, mal jene Karawanserei, wartet auf ein reizvolles Angebot, bei dem ihre Fähigkeiten als Karawanenführerin gefordert sein würden. Doch alle, die bisher an sie herantraten, wollen entweder per Schiff nach Norden oder aber benötigen schlicht eine weitere namenlose Wache auf irgendeinem belanglosen Weg. Einmal brach sie sogar in ein lautes Gelächter aus, das ihren Gesprächspartner mit betretenem Gesichtsausdruck zurückweichen ließ. Manchen ließ bereits der Ausdruck auf ihrem von zahllosen Tätowierungen dunklen Gesicht - oder ist es nur eine? - zurückweichen, bevor er überhaupt sein Anliegen vorbringen konnte, was sie mit einem verächtlichem Herabsinken der Mundwinkel quittierte.
Sie verändert ihre Position leicht, wobei unter der weiten Gewandung - Pluderhosen, Überwurf, weißes Hemd und blaue Schärpe - ein Knarzen wie von Leder zu hören ist. Ihre blauen Augen unter der um Kopf und Hals gewundenen Stoffbahn blicken unverändert aufmerksam in die Runde.
Im Verlauf des Abends, der inzwischen angebrochen ist, kann sie schwerlich die lautstarke Unterhaltung am Nebentisch überhören, bei der der ruchlose Scharide verdammt wird, der den Fürsten überfallen und zehn oder mehr Männer seiner Leibgarde erschlagen haben soll, bevor er selbst von den Übrigen zum Tode befördert wurde. Könnte ein Scharide je so dumm sein? Und so lehnt sie sich unauffällig ein wenig zu dem Nachbartisch hin, um jedes Wort der Unterhaltung zu verstehen.
Als sich das Gesprächsthema schließlich erschöpft und sich die Redner verabschieden, wendet auch sie sich zum Gehen. Sie wirft einen Dirhem auf den Tisch, greift nach Schwert und Speer, die neben ihr an der Wand lehnten, wirft sich den Schild um und verlässt den Raum. Ihr Rücken ist das Letzte, was die Anwesenden an diesem Abend zu Gesicht bekommen - und das große, wachsam blickende Auge, das auf dem Schild prangt.