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  • Auf nach Runeward - Abenteuerbericht von Roric (Eine Kurzgeschichte)


    Hallo miteinander,

     

    diese Geschichte habe ich schon vor ca. einem Jahr geschrieben, nun noch mal gelesen und mich gefragt, warum ich sie nicht längst hier eingestellt habe. :D

    Also tue ich dies nun. ;)

     

    Roric wurde damals im Abenteuer (von mir ausgedacht, vielleicht stelle ich es auch noch mal ein) als NSC mitgeführt und für die beiden beteiligten Spieler (Laura und Nunzio waren SC, Guido und Roric von mir geführte NSC) habe ich diese Mitschrift als Kurzgeschichte verfasst. Zur Abwechslung mal aus Sicht des noch jungen Roric, der nach Runeward reisen muss, um seine Ausbildung zum Priester abschließen zu können...aber lest selbst.

     

    LG Anjanka

     

    Für alle die die Datei nicht öffnen können:

     

    Auf nach Runeward

     

    Priester Allain von Twineward kam eines regnerischen Morgens auf mich zu, entrichtete den traditionellen Gruß und verkündete, dass ich nun soweit wäre. Bereit für Runeward – den Gebirgstempel, den nur die begabtesten Novizen aufsuchen dürften, um dort ihre Ausbildung zum vollwertigen Priester Ylathors zu vollenden.

    Nun gehörte ich, Roric aus Tellingshall, ebenfalls zu ihnen. Welch Ehre! Sofort machte ich mich reisebereit und konnte den Aufbruch kaum erwarten. Priester Allain bestimmte einen Ordenskämpfer als unsere Begleitung – die dunklen Kreaturen der Verdammnis lauern schließlich überall – und schon konnte es losgehen.

    Wir verließen Thame durchs Nordtor und unterwegs wurde mir offenbart, dass nicht Priester Allain und der Kämpfer Kenton den Weg bis Runeward mit mir reisen würden, sondern einige Fremdländer, die dem Tempel ein heiliges Versprechen gegeben hatten. Offenbar hatten diese Leute bereits mehrere Dienste im Auftrag des Ordens verrichtet und sich einen recht guten Ruf erarbeitet.

    Ich war gewillt, den Fremden eine faire Chance zu geben und sie nicht vorschnell zu verurteilen, daher nickte ich bei Priester Allains Erläuterungen und nahm mir vor, die Reise dennoch zu genießen – wann kommt man schon mal so weit aus den bekannten Mauern heraus? – und vor allem das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Bald würde ich Priester sein!

     

    Gemeinsam mit Priester Allain und Kämpfer Kenton, verbrachte ich zwei angenehme Reisetage, die dann vor der Tür des hochangesehenen Gelehrten Nervan endeten. Und dann traf ich zum ersten Mal die Fremden, die mich begleiten würden. Ihr albisch war nicht gerade hervorragend, aber wir konnten uns verständigen. Die beiden, die das Versprechen geleistet hatten, stellten sich als Laura und Guido vor.

    Laura war ein natürlicher Frohgemut zu Eigen, der mich vom ersten Moment an faszinierte. Ihre Erscheinung war schlicht, aber dennoch ansprechend, ihre Kleidung bunt und teuer, wie bei ihren Gefährten. Sie sprach anfangs nicht viel, wenn es aber doch geschah, konnte ich mich ihres Charmes kaum entziehen.

    Guido schien auf den ersten Blick einer jener verschlossenen Kämpfer zu sein, die nichts anderes kennen, als ihr Schwert und das Schlachtfeld. Zwar trug er seine Rüstung, als wir einander vorgestellt wurden, noch nicht, aber man konnte ihm irgendwie ansehen, dass er eine besitzen musste. Er übernahm das Sprechen, solange sein Bruder, der Priester Nunzio, nicht dabei war. Was mich wunderte – schließlich schien Guido das Albische viel besser zu beherrschen, als Nunzio.

    Nach kurzer Zeit musste ich meinen Eindruck des gelassenen Guidos allerdings revidieren – seine Stimme klang absolut nicht rau, so wie ich es immer mit Kriegern in Verbindung gebracht habe, nein, er schien auch längst nicht so distanziert zu sein, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Seine – wie ich schnell heraushörte – Ehefrau Akemi musste nur im Raum weilen, um ihm ein Lächeln auf die Züge zu zaubern. Er war sogar bemüht, den ein oder anderen erheiternden Kommentar während der Gespräche zu Tisch zu liefern, schien aber den Bogen noch nicht ganz heraus zu haben. Nun, wenigstens war er bemüht.

    Ganz anders als sein – auch das war leicht herauszuhören – großer Bruder Nunzio, der stets einen vollkommen ruhigen und in sich gekehrten Ausdruck zur Schau trug. Später erfuhr ich, dass dies beim Glauben der beiden Brüder wohl eine wichtige Rolle spielt. Nun, was das anging, beherrschte es Nunzio wesentlich besser als Guido.

    Nunzios Gestalt war – wie die Guidos – die eines Kämpfers. Obwohl er Priester war. Diese Ähnlichkeit zwischen Ordenskämpfern und Priestern kannte ich sonst nur vom Irindar-Orden. Ansonsten war Nunzio vom Typ her eher unauffällig und seine Bewegungen ein wenig ungelenk. Das machte ihm aber nichts aus. Zumindest ließ er es sich nicht anmerken.

    Nunzio strahlte in jeder Situation eine Autorität aus, die einen Priester – vor allem eines Kriegsgottes – auszeichnen sollte. Ich nahm mir vor, mich zu bemühen, einmal genauso selbstverständlich als Anführer meiner Gemeinde aufzutreten.

    Diese drei – Laura, Guido und Nunzio – sollten also für die nächsten Tage meine Begleiter sein. Es hätte sehr viel schlimmer kommen können – ich verstand mich mit allen recht gut, wobei Laura mir noch ein wenig sympathischer war als der Rest.

    Viel Zeit blieb nicht, um mich auch mit Akemi, Nadja und Juan bekannt zu machen. Die drei hatten wichtige Arbeiten für Nervan zu erledigen und ich musste mich um mein Gepäck, die Abendrituale und die Verabschiedung von Priester Allain und Kämpfer Kenton kümmern. Die beiden wünschten mir alles Gute und verließen uns schon kurz nach dem Abendessen, um sich Zimmer im nahen Gasthof zu suchen.

    Und am nächsten Morgen ging es bereits in aller Frühe los. Nunzio und Guido schienen recht ausgeruht und bereit für eine längere Reise, Laura aber war leicht verkatert und wirkte, als hätte sie auch gern erst zur Mittagszeit aufbrechen können. Eigentlich – wenn man das heilige Versprechen als Grund nimmt, mich zu begleiten – hätten nur Laura und Guido meine Wege überwachen müssen. Nunzios Gründe, sich uns anzuschließen, standen wohl im direkten Zusammenhang mit der grünhaarigen Nadja. Obwohl er das niemals zugegeben hätte.

    Über Nadja, die genau wie Akemi, nicht direkt aus dem so genannten Tevarra zu stammen schien, wollte ich gar nicht genauer nachdenken. Da sie mit einem Priester reiste, nahm ich einfach an, dass sie keine dunkle Hexe war – wie man im ersten Moment einfach vermuten musste!

    Akemi sah einfach exotisch aus. Ansonsten war sie von der Kleidung und ihrem Verhalten her eher dem Rest dieser Tevarraner zuzuordnen. Ihre Liebe zu Guido war dermaßen offensichtlich, dass man auch ohne Eheringe diese beiden sofort als zueinandergehörig erkannt hätte. Mir fiel beim Abendessen auf, dass Akemi – in welcher Sprache auch immer – gern redete und dies auch jedem zeigte. Sie schien recht fröhlich und wortgewandt zu sein. Ich mochte sie, aber nicht so sehr wie Laura.

    Juan ließ sich eigentlich nur mit dem Wort „glatt“ beschreiben. Er hatte mit Öl in Form gebrachtes Haar, seine Haut schien mit selbigem weich und zart gehalten zu werden und seine Kleidung war – wenn auch sehr bunt – exquisit. Juan konnte sich ausgesprochen elegant bewegen und demonstrierte dies auch gern – vor allem, wenn ihn Akemi oder Laura sehen konnten. Mir war er etwas zu glatt.

    Aber vielleicht tat ich ihm auch unrecht – schließlich blieb nicht eben viel Zeit, um Juan und die anderen besser kennen zu lernen.

     

    Wir gewöhnten uns während der Reise gut aneinander und das Ziel rückte täglich näher. Ein Brückenwächter hatte bereits Lauras gute Laune herausgefordert, einige Orks wollten uns von unserer Habe trennen und ich erfuhr so manches über den Gott Laran, der wohl ein Drache sein sollte und nichts mit gewöhnlichen Drachen zu tun hätte. Nun, es gibt viele Götter auf Midgard – obwohl die mächtigsten natürlich die Dheis Albi sind – und einem fremden Lichtgott sollte man ebenfalls Respekt erweisen, auch wenn dieser hinter den eigenen Göttern zurücksteht.

    Ich nutzte die gute Gelegenheit, meine Reisebegleiter über Ylathor und die Dheis Albi aufzuklären und hatte bei Laura sogar das Gefühl, dass sie dem Ganzen aufgeschlossener gegenüberstand als Guido und Nunzio.

    Natürlich führte ich täglich und gewissenhaft die Rituale durch, was auf Reisen zwar schwierig, aber nicht unmöglich ist. Guido und Nunzio hatten ihre ganz eigenen Rituale, die sie ebenfalls gewissenhaft ausübten. Vor allem Nunzio sorgte stets dafür, dass Laran genug Ehre zuteil wurde. Eben wie es sich für einen Priester gehört!

    Diese Reisebeschreibung könnte ich nun mit einem Bericht über den Orküberfall – bei dem Nunzio schwer am Bein verletzt wurde – oder den merkwürdigen Mann, der uns einen Oring für den Test seines magischen Trunks geben wollte, füllen, aber neben diesen beiden Geschehnissen, ragte eine Begebenheit stark heraus. Die Bibliothek im Berg!

    Es war ein verregneter Tag, als mich ein nur zu bekanntes Unwohlsein ergriff. Wachsam hielt ich nach dem Grund dafür Ausschau und rechnete praktisch ständig damit, dass ein wandelndes Gerippe, oder eine lebende Leiche unseren Weg kreuzen würden. Doch nichts dergleichen geschah, obwohl ich schon in frühester Kindheit – seit Rubens Tot – ein Gespür für Untote entwickelt hatte.

    Ich verabscheue diese widernatürlichen Kreaturen, die Ylathors Willen trotzen und auch nach ihrem Ableben in den Gefilden der Lebenden wandeln. Manche – so wie Zombies oder wandelnde Gerippe – wurden von schändlichen Zauberern dazu gezwungen, ihre Seele wurde in ihren verfallenden Körper zurückgeholt. Aber es gibt auch andere, diejenigen, die eine Wahl hatten und sich dem Zugriff der Nachwelt entzogen. Egal in welcher Form sich Untote zeigen und wie sie in ihr unheiliges Leben gelangten – es gilt sie zu vernichten und die verwirrten Seelen in Ylathors Reich zu befördern. Jede einzelne!

    Doch den ganzen Tag über zeigte sich keine der unheiligen Bestien und meine Begleiter gingen wohl davon aus, dass mir einfach die lange Reise und der Regen zu schaffen machten. Aber so war es nicht. Wachsam hielt ich nach allem Möglichen Ausschau, bis meine Augen müde wurden und wir, als der Tag sich dem Ende neigte, einen Rastplatz suchen mussten. Schnell konnte ich eine Höhle ausmachen und auch die anderen befanden diesen Ort für den Richtigen.

    Das Unbehagen aber blieb. Auch in der behaglichen, trockenen Höhle. Wir machten es uns bequem, bereiteten ein karges Abendessen und sprachen über dies und das. Zumindest die anderen taten es. Ich selbst war viel zu unruhig, um mich auf das gebrochene Albisch meiner Gefährten zu konzentrieren. Man muss ihnen aber zugute halten, dass sie wenigstens versuchten, sich in meiner Gegenwart nicht in ihrer merkwürdigen Muttersprache zu unterhalten. So etwas wäre aber auch unhöflich gewesen.

    Irgendwann drängelte mich meine Blase und ich wollte austreten. Da fiel mir ein dunkler Spalt in der hinteren Höhlenwand auf, den wir bis dahin nicht entdeckt hatten. Ich sah ein Buch dort liegen und machte alle darauf aufmerksam, bevor ich dem Ruf der Natur doch nachgeben musste.

    Während ich – diskret überwacht durch Guido – meinen Bedürfnissen nachging, besah sich der Rest den Spalt und das Buch genauer. Als Guido und ich wieder zu den anderen stießen, verkündete Nunzio nur, dass jene Schriften rein theoretischer Natur wären und daher eher unbedeutend für uns. Irgendetwas über „Sphärenmagie“, wenn ich ihn richtig verstanden habe.

    Dennoch war unsere Neugierde geweckt und wir wagten uns weiter in die Finsternis hinter dem Spalt vor. Bald schon erreichten wir eine gewaltige, künstlich bearbeitete Höhle, in der unzählige steinerne Regale mit Massen an Büchern standen. Fasziniert ließ ich meinen Blick über die Buchrücken streichen und entdeckte, unter den vielen unbekannten Schriftzeichen, auch einige albische Titel. Gedankenversunken stöberten wir alle eine Weile in dieser Welt aus Pergament, Lederumschlägen und Stein, bis Laura Nunzio ein ganz und gar finsteres Werk zeigte.

    Mich wunderte ohnehin, dass sich Nunzio – als Kriegspriester – und Guido, der Kämpfer, überhaupt für diese Schriften interessierten, aber sie taten es. Auch wenn es Guido keine große Freude zu bereiten schien.

    Auf jeden Fall hatte Laura ein Buch über finsterste Magie ausgegraben – das „Daimonikum“ oder so ähnlich, es kam mir aus dem Unterricht vage bekannt vor – und Nunzio wollte es Augenblicklich vernichten. Guter Mann! Solch ein Machwerk kann man nicht einfach herumliegen lassen.

    Er murmelte also einige Worte in seiner Sprache, für mich sofort als Gebet zu erkennen, und schon begannen die Seiten des Buches zu verkohlen und zu dampfen. Zufrieden betrachteten wir den langsam zerbröckelnden Folianten, bis nur noch ein Haufen Asche blieb. Ich wollte Nunzio schon meine Anerkennung zeigen, als plötzlich eine Stimme hinter mir ertönte, etwas von „Wissen, das gewahrt bleiben muss“ verkündete und schon erfasste uns alle ein Sturm, dem wir nicht entkommen konnten.

    Ich wurde durch die Luft gewirbelt. Gegen Wände geschleudert. Sah nur noch Dunkelheit um mich herum und ab und zu das Aufflackern unserer mitgeführten Fackel. Ich rechnete damit, jede Sekunde in Ylathors Reich aufgenommen zu werden und es geschah doch nicht. Mich überschlagend, rollte ich eine felsige, abschüssige Strecke entlang, ohne die Chance, mich je abzufangen. An meine Ohren drangen die Rufe und erstaunten Schreie der anderen, sowie das Klappern der Rüstungen und Waffen meiner Begleiter.

    Und ewig dieser Sturm. Wahrlich, ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.

     

    Mit rasenden Kopfschmerzen und so verwirrt wie noch nie, kam ich in einem grünlich beleuchteten Gang zu mir. Alles drehte sich und das diffuse Licht sorgte nicht gerade dafür, dass es mir besser ging. Ich fühlte das kribbelnde Prickeln, das meine Glieder immer erfasst, wenn Untote in der Nähe weilen.

    Um mich herum rappelten die anderen sich langsam auf und sahen nicht besser aus, als ich mich fühlte. Vor allem Nunzio, mit seinem verletzten Bein, wirkte alles andere als gelassen. Er gab kaum einen Ton von sich, aber ich – und auch die anderen – konnte ihm ansehen, dass er mit den Schmerzen rang.

    Laura und Guido besahen sich meine und Nunzios Wunden – Abschürfungen vom Sturz – und versorgten sie notdürftig. Zum Glück hatten sie ihre Ersthelferausrüstung mit in die unterirdische Bibliothek genommen. Ebenfalls vorhanden waren eine Fackel und die Waffen und Schilde meiner Begleiter. Leider standen die Rucksäcke und Decken noch bei unserem Lager, aber das Wichtigste war, dass wir noch lebten.

    Das zumindest wusste ich mit Gewissheit! Während der Behandlung unserer Verwundungen spekulierten wir alle, wo wir nun sein könnten und was es mit diesem Ding – das ich nicht gesehen hatte – wohl auf sich haben mochte. Es schien eine Art dämonische Eule zu sein, zumindest brummte Nunzio zwischendurch etwas von „Dämonische Aura!“. Er wirkte mit jeder verstreichenden Minute zorniger auf mich.

    Diesmal war es Guido, der von beiden gelassener blieb und zuerst alle Wunden versorgte, bevor er sich den nächsten Problemen stellte. Wir waren in einem Gang, der hinter uns an einer Mauer endete und dessen Länge im grünlichen Leuchten um uns herum verborgen blieb. Wir konnten nur die nächsten 40 bis 50 Meter überblicken.

    Schließlich entschloss sich die mutige Laura, ein Stück vorzugehen, um nachzusehen, was sich etwas weiter vorne erkennen ließe. Nach einer Weile – wir verloren sie nicht aus den Augen – kehrte Laura zurück und berichtete von einer Tür. Außerdem hörten wir schon eine ganze Zeit lang merkwürdige Geräusche und es erschien ihr wohl sicherer, bei uns zu bleiben. Ein guter Gedanke, wie sich kurz darauf herausstellen sollte – als wir uns der Tür nährten, wankten plötzlich mehrere wandelnde Gerippe aus dem grünen Dunst vor uns.

    Ich zögerte keinen Augenblick! Mit einem heldenhaften Spurt überwand ich noch vor den anderen die Strecke zwischen uns und den Untoten, zog meinen Morgenstern aus der Halterung an meinem Rücken und holte aus, um ihn dem ersten Skelett in den Brustkorb zu schlagen.

    Der Kampf war lang und Laura fluchte recht oft, was ich in meiner Wut auf diese vermaledeiten Gerippe aber nur am Rande mitbekam. Nach einiger Zeit erreichte uns auch Nunzio, der dann aber nicht mehr viel machen konnte, als sich selbst mit blauen Flammen zu umgeben. Soweit ich weiß, schützen diese Flammen vor Untoten.

    Irgendwann – ich musste einige heftige Kratzer hinnehmen – vernichteten wir die unheiligen Geschöpfe. Ylathor war mit uns!

    Als ich mich erschöpft zu Boden sinken ließ, beruhigte ich mich allmählich und nahm den Unwillen der anderen zur Kenntnis. Nunzio tadelte mein Verhalten sogar! Seiner Meinung nach, war ich viel zu unbeherrscht in den Kampf gestürmt und hatte keine Taktik von ihm oder Guido abgewartet. So etwas wäre vollkommen leichtsinnig und dumm. So fiele es den anderen schwer, mich zu schützen. Und so weiter. Ich hatte Nunzio davor nie so wütend erlebt. Außerdem sprach er sonst nur mit seinem Bruder in dieser Tonlage.

    Nun, ich hörte mir alles an und legte dem Priester Larans meinen Standpunkt dar. Ich hasse nun mal Untote! Da kocht einfach etwas bei mir über. Aber ich gelobte Besserung und endlich konnten Guido und Laura sich abermals um ihre und meine Wunden kümmern. Die beiden hatten wahrlich eine Menge Talente. Guido schien oftmals ganz genau zu wissen, was er tat, obwohl ich von einem Kämpfer eher erwartet hätte, dass er sich nur mit der Waffe auskennt und nicht mit der Hilfe nach einem Kampf.

    Als es allen wieder etwas besser ging, untersuchten wir die Tür und fanden dahinter einen seltsam verwinkelten Raum. Geräusche trugen hier nicht so weit, wie anderswo und alle waren erleichtert, als wir wieder auf dem Gang standen. Im Raum fand sich sonst nichts von Interesse.

    Wir folgten dem Gang weiter bis zur nächsten Tür und konnten schon die Mauer nicht mehr sehen, vor der wir zuerst gestanden haben. Ein weiterer Raum fand sich, zudem viele Knochen und Überreste von Kleidung. Und uns stachen zum ersten Mal die Botschaften ins Auge. An den Wänden im Gang und in diesem Raum, waren Dinge geschrieben worden. Mit Kreide, Blut und allem, was gerade zur Hand war. Einige der Botschaften konnte ich entziffern – es war immer das gleiche Kredo aus Angst, Verzweiflung und Hilfegesuchen an die Götter. Wir waren nicht die ersten, die hierher geweht wurden.

    Den anderen machten die Botschaften und die allgemeine Atmosphäre sehr zu schaffen und auch mir wurde zunehmend mulmiger zumute. Also entschieden wir, den Gang wieder zurück zu gehen und bei der Mauer nach Hinweisen zu suchen. Laura bemerkte in diesem Zusammenhang etwas von „Geheimtüren“. Nunzios Laune sank mit jedem humpelnden Schritt und er grummelte unentwegt missmutig über den Dämon, der uns hierher gewirbelt hatte. Guido blieb am ruhigsten und achtete wachsam auf mich, seinen Bruder und Laura.

    Als wir uns gerade aufmachen und den Gang entlang wandern wollten, tauchten wieder Leichen auf – dieses Mal weit mehr und sogar welche, die noch nicht skelettiert waren. Ein Schalter in meinem Kopf legte sich um und ich rannte los, gerade als Nunzio etwas vorschlagen wollte.

    Wie schon vorher kämpfte ich verbissen und mit der Gewissheit, richtig zu handeln. Ein roter Nebel wallte vor meinen Augen und ich wollte nur eins: Das unheilige „Leben“ dieser Kreaturen auslöschen.

    Und dann schnitt eine blanke Klaue durch den Nebel und mein Auge. Ein furchtbarer, nie gekannter Schmerz raste durch meinen ganzen Körper und ich taumelte drei Schritt zurück. Plötzlich war da sehr viel mehr Rot und ich konnte nicht mehr klar sehen. Mir war schlecht, ich wollte schreien, weinen, oder mich einfach fallen lassen. Aber ich tat es nicht. Ich sprang wieder vor und griff erneut an. Meine Verletzung pochte dumpf und ich war noch wütender als zuvor. Das bekam mein Gegner zu spüren und schnell war nur noch Knochenmehl von dem Ding übrig.

    Als ein neues Gerippe vor mir auftauchte und ich kaum noch genug Kraft hatte, um meinen Morgenstern zu heben, wurde ich der Anwesenheit Nunzios gewahr, der, wieder in blaue Flammen gehüllt, meinen Platz übernehmen wollte. Dieses Mal zog ich mich zurück.

    Blutend sank ich an der rechten Wand zu Boden und presste beide Hände auf mein schmerzendes Auge. So verbrachte ich den restlichen Kampf und versuchte, nicht die Kontrolle über mich zu verlieren. Es gelang mir.

    Als meine Begleiter den letzten Zombie in sein lebloses Dasein zurückbefördert hatten, wendeten sie sich mir zu. Ich konnte erkennen, dass Laura aus mehreren tiefen Wunden blutete. Bis zum Schluss war sie mitten im Kampfgetümmel geblieben, eine wahrhaft tapfere Frau!

    Nunzio sah mich nur schweigend an. Sonst nichts. Ich wusste, dass er mit meinem Verhalten zu Beginn des Kampfes unzufrieden war. Aber er sagte es nicht, mein verlorenes Auge erschien ihm Strafe genug zu sein. Und vielleicht war es das auch – eine Strafe für mein unüberlegtes, ungestümes Handeln. Innerlich gelobte ich Besserung und wollte es diesmal wirklich einhalten.

    Während sich Nunzio meiner annahm, erläuterte er in stockendem Albisch, was wir das nächste Mal – wenn niemand vorschnell losrennt – gegen die Untoten ausrichten können würden. Alles hörte sich sehr viel versprechend an.

    Mit Hilfe seines Gottes – und Ylathors stillschweigendem Einverständnis – ließ Nunzio meine offenen Verletzungen sich schließen. Der Schmerz verebbte allmählich und ich fühlte mich wieder etwas besser. Nur mein Augenlicht war unwiederbringlich verloren. Selbst Nunzio vermochte kein zerstörtes Auge wieder zu richten.

    Während ich mich langsam vom Schreck erholte und in mein Schicksal fügte – ohne zu jammern oder zu greinen – bedachte mich Guido mit einem wissenden, mitfühlenden Blick. Ich versicherte, dass es mir soweit gut gehe und nickte ihm dankbar zu. Auch Laura zeigte ihr Mitleid, ging allerdings nicht lange auf das Thema ein, sondern verband ihre eigenen Blessuren.

    Nachdem schon wieder eine Menge Verbandsmaterial verbraucht worden war, wanderten wir endlich zur Mauer zurück und untersuchten diese. Oder vielmehr: Laura untersuchte und wir setzten uns und verschnauften ein wenig. Langsam spürte jeder, dass wir schon lange hätten schlafen gehen sollen.

    An der Mauer war nichts zu finden, also mussten wir wieder umkehren und dem Gang in seine einzige Richtung folgen. Nunzio hatte die Pause genutzt und die uns umgebende Aura überprüft. Er murmelte Worte in seiner Muttersprache und verkündete dann, dass hier alles leicht finster sei. So eine Art schwache Hintergrundstrahlung. Niemand zweifelte daran.

    Wir markierten ab diesem Zeitpunkt jede einzelne Tür, an der wir vorbeikamen und lasen alle Botschaften – sofern es uns möglich war – mit großem Interesse. Noch viele merkwürdige Räume zogen an uns vorbei, während unsere Müdigkeit sich ins Unermessliche steigerte. Nunzios Plan, wie man Untote gut bekämpft, ging voll und ganz auf. Dabei mussten wir kaum wirklich kämpfen!

    Er schuf einfach, sobald wir wandelnde Leichen sahen, eine so genannte Bannsphäre aus blauem Licht und danach eine feurige Kugel, die sich langsam den Untoten näherte. Diese geistlosen Wesen blieben stets vor der Sphäre stehen und konnten dann mit der explodierenden Kugel vernichtet werden. Überstand ein Skelett oder Zombie die feurige Detonation, so nickte Nunzio Guido nur zu und sofort kümmerte sich der unerschrockene Krieger darum. So gab es keine Verletzungen mehr, nur Nunzio wurde immer erschöpfter.

    Als wir eine Art Kerker entdeckten, an den sich ein Raum mit steinernem Podest und finsteren magischen Zeichen an den Wänden anschloss, kam Nunzio eine geniale Idee. Er begann damit, die Wände mit Gebeten zu beschriften. Dies tat er mit einem Stein, der weißliche Striche an den Mauern hinterließ, wenn man ihn darüber zog. Es war keine Kreide, aber fast genauso gut.

    Ich schloss mich ihm kurz darauf an – nachdem ich zwei angekettete Skelette von ihrem unheiligen Dasein befreit hatte – und fühlte mich gleich viel besser. Ylathor – und auch Nunzios Gott Laran – war mit uns.

    Ein paar Türen später, wir hatten bereits die merkwürdigsten Räume, Buchfetzen und Kleidungsreste sowie Botschaften gefunden, trafen wir erneut auf Untote und am Ende des kurzen Kampfes waren wir alle derart mit den Kräften am Ende, dass wir uns einfach in dem letzten Raum verbarrikadierten und bald darauf eingeschlafen waren.

    Laura wollte Wache halten, aber selbst sie konnte ihre Erschöpfung nicht länger bekämpfen und schlief schließlich ein. Als wir nach einiger Zeit – mit großem Durst und Hunger – erwachten, waren alle noch wohlauf und das schien das Wichtigste zu sein. Kein Angriff während der Nacht. Ylathor hatte seinen schützenden Mantel über uns gebreitet.

    Mit neuer Kraft, aber immer größer werdendem Durst, begaben wir uns erneut auf die Suche nach einem Ausgang. Nunzios Wut auf den Dämon, dem wir unsere missliche Lage zu verdanken hatten, wuchs beständig. Zumal wir alle paar Meter Nachrichten lasen, die uns keine große Hoffnung machten. „Kein Ausgang“, „Hilfe!“ und „Ich finde hier nicht raus!“ wirkten keinesfalls beruhigend.

    Ein kleiner Trost war dann das Wasser, das in einem kleinen Raum – eindeutig der Abort dieser Anlage – aus einem Riss in der Decke tröpfelte. Es schmeckte ekelhaft, aber wir waren zu durstig, um uns daran zu stören. Laura bewies auch hier ihren Humor und tat so, als gehe es ihr vom Trinken schlecht, als ich einen Schlucken kostete. Sie hat mich ganz schön erschreckt, aber ich konnte ihr nicht böse sein. Guido schalt sie wegen ihres bösen Streichs, ich aber signalisierte ihr, dass ich ihr vergeben hätte. Irgendwie war es auch ein wenig lustig. Wenn man solche Scherze mochte.

    Weiter ging es, immer den Gang entlang, ohne Ausweg, ohne wirkliche Gewissheit, wo wir ankommen würden. Die Stimmung verschlechterte sich zusehends, als unser Hunger größer und größer wurde. Vor allem Guido hatte schwer damit zu kämpfen.

    Nachdem wieder einige Untote in einem der Räume vernichtet werden konnten, und wir uns abermals den endlosen Gang entlang schleppten, begannen Guido und Nunzio plötzlich, in ihrer Muttersprache eindringlich miteinander zu diskutieren. Nunzio schlug erneut den belehrenden Tonfall an, den er oft im Umgang mit Guido – oder manchmal auch mir – nutzte. Guido klang eher trotzig. Oder verwirrt, aber von seiner Meinung erstmal nicht abzubringen. Als ich Laura fragte, was die beiden umtrieb, bemerkte sie, dass die Brüder über ihren Glauben diskutieren würden.

    Faszinierend. Offenbar streiten in anderen Ländern die Ordenskämpfer mit ihren Priestern in Glaubensfragen. Ob sie verschiedene Lehren vertraten? Bei uns im Orden ziehen alle am selben Strang, jeder bekommt die gleiche theologische Ausbildung.

    Leider wollte Laura – auch auf mein Drängen hin – nichts Genaueres erklären. Also musste ich warten, bis die beiden fertig waren. Dem Anschein nach hatte Nunzio den verbalen Kampf gewonnen. Dennoch machte er einen gereizten, ja sogar resignierten Eindruck. Er grummelte in meine Richtung: „Merke dir eins – zweifele niemals an der Kraft deines Gottes und auch niemals an deinem Glauben!“. Er verhaspelte sich nicht einmal. Sein Albisch wurde langsam besser.

    Verwirrt bekräftigte ich, dass mein Glauben stark sei. Guido murmelte verdrossene Worte in seiner Sprache, aber niemand beachtete ihn. Muss schwer sein, wenn der eigene große Bruder auch noch das Sagen hat. Ganz offiziell. Wobei... lieber das, als den Tod seines geliebten Bruders mit ansehen zu müssen. Und seine spätere, unheilige Existenz. Ich hasse Untote!

    In übelster Stimmung wanderten wir weiter. Untersuchten einen Raum nach dem anderen, bekämpften unzählige wandelnde Leichen und noch mehr Skelette. Der Hunger wuchs. Nunzio malte Gebete an die Wände, ich ebenfalls. Laura suchte nach Geheimtüren. Guido blieb wachsam.

    Irgendwann entdeckten wir einen weiteren Raum mit Wasser – die Decke war hier eingestürzt und Geröll nachgerutscht – und tranken uns daran satt. Es war viel besser als das Wasser im Abort. Viel klarer und der Geschmack traumhaft. Leider blieb der Hunger. Er war aber noch nicht groß genug, um die bleichen Pilze, oder die Moose am Rande des Rinnsals, zu verspeisen.

    Erneut machte sich unsere Erschöpfung bemerkbar. Beinahe verzweifelt setzten wir einen Fuß vor den anderen, aber es nahm kein Ende. Nur das gute Gefühl, viele eingeschlossene Seelen von ihrer unheiligen Existenz zu befreien, hielt mich noch auf den Beinen. An Aufgeben wollten aber auch die anderen nicht denken.

    Als wir einen höhlenartigen Raum mit vielen Buchfetzen und Kleidungsresten erreichten, griffen uns abermals Zombies und plötzlich entstehende Skelette an. Nunzio handelte wie üblich – er schuf die Sphäre und dann die Feuerkugel. Dann kam die Explosion. Sie stellte alles Bekannte in den Schatten. Sie war viel lauter als die Male vorher und sehr heiß. Ich spürte die Hitzewelle selbst in sicherer Entfernung. Die Untoten wurden schlicht pulverisiert. Nur Asche blieb, wo sonst noch ein stark verkohltes Skelett gelegen hatte.

    Ich war sehr beeindruckt. Meine Ohren stellten zwar kurzzeitig den Dienst ein, aber dennoch konnte ich Nunzio klar machen, wie großartig sein Wirken war. Auch Guido und Laura waren begeistert.

    Von den Buchfetzen war zwar nicht mehr viel übrig, aber die Untoten waren erlöst worden und nur das zählte. Nunzio entdeckte in den Resten der verkohlten Kleidung, die überall herumlag, noch ein Schwert. Es war magisch und finster, wie er mir stockend erklärte. Er meinte, er und Guido könnten magische Schwerter spüren – so wie ich Untote. Das machte Sinn. Natürlich wurde das Finstere aus der Waffe vertrieben und wir gingen weiter.

    Wieder kam Durst auf und der allgegenwärtige Hunger ließ uns immer frustrierter werden. Wenigstens schienen wir den Gang von Untoten gereinigt zu haben – es kamen keine weiteren Angriffe außerhalb der Räume. Jeder versank in seinen eigenen Gedanken und in naher Zukunft mussten wir wieder rasten.

    Nunzio nutzte seine letzten Kräfte, um vorher die allgemeine Finsternis zu vertreiben. Er scheiterte aber. Währenddessen entfernte sich Laura einige Schritte und murmelte in ihrer Sprache vor sich hin. Dann blieb sie wie angewurzelt stehen und stierte die Wand an. Guido und Nunzio bemerkten es ebenfalls und sprachen sie darauf an.

    Die Antwort kam natürlich in ihrer Muttersprache, also konnte ich es nicht verstehen. Aber beide Brüder runzelten fragend die Stirn, daher ließ sich vermuten, dass es eine nicht allzu einleuchtende Antwort gewesen sein musste. Und dann verschwand Lauras Hand in der Wand.

    Wir sogen überrascht die Luft ein. Laura nutzte unsere Verblüffung, um einen entschlossenen Schritt nach vorn zu tun. Und verschwand ganz. Wir konnten es kaum glauben. Zwar waren schon Theorien darüber aufgekommen, dass dies alles eine große Illusion sein könnte, aber Laura nun durch festen Stein gehen zu sehen, war dann doch ein Schock.

    Nunzio erholte sich zuerst, humpelte zur mysteriösen Wand – die tatsächlich leicht flackerte, wenn man sie genauer betrachtete – und schritt dann mit großem Selbstvertrauen auf sie zu. Dabei sagte er Worte in seiner Sprache und wurde mitten im Satz unterbrochen, als seine Stirn hart gegen massiven Stein prallte.

    Aber Nunzio wäre wohl nicht Nunzio, wenn er sich davon gleich entmutigen ließe. Sofort, nachdem er uns signalisiert hatte, dass es ihm gut ging, humpelte er erneut vor, um wieder zurückzuprallen. Offenbar machte er etwas falsch.

    Ich sah Guido fragend an, der zuckte aber nur mit den Achseln und wirkte recht erheitert. Es sah aber auch zu komisch aus, wie Nunzio nun auch ein drittes Mal gegen die Wand polterte, zurückwankte und endlich einen Fluch in seiner Sprache ausstieß. Es musste ein Fluch sein – Gebete klingen anders.

    Sich die Stirn reibend, warf der Kriegspriester uns einen vernichtenden Blick zu und wurde plötzlich von einer Hand am Ärmel gepackt. Gleichzeitig konnten wir Lauras Stimme hören, als stünde sie direkt vor uns. Nunzio wurde grob in Richtung Wand gezogen und verschwand schließlich auch darin. Guido und ich brauchten ebenfalls Lauras Hilfe, um durchzukommen und standen letztendlich auch in dem Raum hinter der Wand. Die nun verschwunden war.

    In dem neuen Raum befand sich nur eine Wendeltreppe, die kunstvoll gestaltet war und in der Decke verschwand. Wir folgten ihr und fanden oben eine große Naturhöhle und einen leicht bläulich leuchtenden See vor. Sonst nichts.

    Alle waren erschöpft, also beschlossen wir, die neue Umgebung erst nach einer gehörigen Portion Schlaf zu erkunden.

     

    Nach dem Erwachen wurde alles genau überprüft. Wir gingen an den Höhlenwänden entlang, tasteten den unteren Teil der Treppe nach versteckten Falltüren ab, suchten sogar mit Blicken das Wasser ab. Leider war uns das Glück nicht hold. Schließlich rang sich Laura dazu durch, in den See zu springen – nachdem wir mittels Fußbädern und Trinkproben das Wasser für unbedenklich erklärt hatten – und schwamm geübt bis zum anderen Ende der Höhle. Dort gingen die Wände direkt in den See über, was uns also auch nicht weiterhalf.

    Hinzu kam unser bohrender Hunger. Zwar litten wir keinen Durst mehr, aber das Problem der fehlenden Nahrung – alle Vorräte lagen bei unserem Lager oben in der Höhle – blieb uns erhalten.

    Während wir noch zusahen, tauchte Laura nackt im See umher – der sehr kalt war – und suchte den Grund mit Blicken ab. Irgendwann kam sie prustend an die Oberfläche und verkündete, dass an der tiefsten Stelle ein schimmernder Stein liegen würde. Mit den Worten „Ich sehe mir das genauer an!“ verschwand sie wieder. Nunzio rief noch eine Warnung.

    Wir warteten also in unbehaglichem Schweigen und sahen zu, wie die kleinen Bläschen, von Lauras Bewegungen, an der Oberfläche platzten und immer weniger wurden. Als die letzte Luftblase verschwunden war und auch keine kleinen Wellen mehr von Lauras Bemühungen unter Wasser kündeten, folgerte Nunzio, dass etwas nicht stimmen konnte.

    Ohne lange zu überlegen, sprang er in den See und ging sofort unter. Natürlich, denn sein Bein war in eine enge Schiene gespannt und er konnte es kaum zum Schwimmen bewegen. Guido warf mir einen beinahe panischen Blick zu und ich verstand auch ohne Worte. Seine Rüstung konnte er nicht schnell genug ausziehen, um seinen Bruder zu retten. Also lag es an mir!

    Nunzio rauszuholen war schwierig, aber nicht unmöglich. Es gelang mir irgendwie, ihn in die seichteren Gefilde des Sees zu zerren und danach auch nach Laura zu suchen. Sie war nirgends zu sehen. Guido, Nunzio und ich riefen nach ihr, suchten das Wasser mit Blicken und durch Tauchgänge ab, aber außer dem Stein am Grund war nichts zu sehen.

    Nunzio kam zu dem Schluss, dass Laura den Stein angefasst haben musste und dadurch woanders hingebracht worden wäre. Er war unsere einzige Chance und wir beteten, dass der schimmernde Stein mit dem Buch auf seiner Oberfläche, einen nicht einfach nur komplett auflöst.

    Wir entkleideten uns, nahmen jeder unsere Habe mit in den See und sahen zu, wie das Zeug schnell sank, den Stein berührte und dann vor aller Augen verschwand. Guido half seinem Bruder und nacheinander fassten wir den Stein an.

    Eine kurze Orientierungslosigkeit folgte, dann landete ich auf etwas Weichem. Und auf mir kam etwas Schweres zum Liegen. Benommen musste ich erkennen, dass wir auf einem steinernen Tisch lagen, der mir vage bekannt vorkam. Nunzio unter mir grummelte wütend, woraufhin sich Guido sofort aufrappelte und mir damit ebenfalls die nötige Bewegungsfreiheit dafür lieferte.

    Als wir alle vom Tisch runter waren und auf unseren eigenen Beinen standen, grinste Laura uns breit an und erklärte, dass sie kurz zuvor hierher geraten sei. Unsere Kleidung lag neben dem Tisch. Es war der Tisch, der in der Bibliothek, aus der wir so plötzlich vertrieben worden waren, gestanden hatte. Wir waren wieder zurück.

    Nur beschlich uns nun die Angst, dass der Dämon auftauchen und uns wieder wegschicken würde. Nunzios Zorn auf das Wesen war so groß wie nie und er schwor, dass er sich an dem Biest rächen würde. Ich glaubte ihm gerne. In der Stimmung konnte er einem wirklich Angst einjagen.

    Als wir gerade – nass und hungrig – durch den Spalt zurück in unsere Lagerhöhle wollten, erschien das Eulenwesen. Es war an die drei Meter groß, hatte den Kopf einer Eule und trug eine Art Federmantel in schwarz. Es intonierte strafende Worte – dass das Wissen gewahrt werden müsse und wir Unwürdige wären – da beendete Nunzio sein geistesgegenwärtiges Gebet und das Wesen erstarrte.

    Er schien es geschwächt zu haben – es wirbelte uns nicht mit dem Sturm fort, sondern stieß nur einen markerschütternden Schrei aus. Aber wir griffen dennoch an und kurze Zeit später war es auch schon besiegt. Es löste sich in einen Schwung Daunenfedern auf, die zu Boden rieselten und dann langsam zu Asche wurden. Nunzio hatte seine Rache bekommen. Er wirkte äußerst selbstzufrieden.

    Im Lager mit unseren Vorräten, Decken und trockener Kleidung, konnten wir über das Geschehene rekapitulieren und ich spürte mein nun fehlendes Auge wieder stärker. Aber ich jammerte auch jetzt nicht, sondern ertrug es, wie es einem Priester geziemte. Nunzio war schließlich auch Meilenweit mit seinem kaputten Bein gelaufen. Ich würde es überleben, selbst wenn ich mich erst noch an die ungewohnte Art des Sehens gewöhnen musste.

    Nach einer langen Rast nahm sich jeder noch ein ungefährliches Buch aus der Bibliothek mit, wurden die Pferde gesucht und ausfindig gemacht und wir konnten den letzten Teil unserer Reise angehen.

    Das Wetter blieb schlecht, aber das machte mir weniger aus als den anderen. Ich fühlte mich gut, da ich beteiligt daran gewesen war, eine große Menge Untote zu vernichten und die armen Seelen damit zu befreien.

    Unterwegs trafen wir den komischen Trunkbrauer wieder, dessen Wagen stecken geblieben war. Wir halfen ihm und er gab uns dafür kleine Kügelchen, die wohl Rauch erzeugen sollten, wenn man sie warf. Ich beschloss, meine Ylathor zu opfern.

    Nach ein paar Tagen kamen wir dann in Runeward an und ich berichtete wahrheitsgemäß, was sich zugetragen hatte. Auch meine Beschützer und neuen Freunde wurden befragt. Nunzio muss mich sehr gelobt haben, denn zusätzlich zu den ohnehin schon wohlwollenden Worten der Priester, kamen großzügige Bekundungen über ihre Lippen, dass es sicher nicht mehr lange dauern würde, bis ich einer von ihnen werden würde.

    Laura, Guido und Nunzio blieben noch eine Weile im angrenzenden Dorf und warteten, dass Nunzios Bein ausheilte. Ich besuchte die Drei täglich und führte sehr nette Gespräche mit Laura.

    Mein Leben verdanke ich nur diesen mutigen Fremdländern! Ich werde sie niemals vergessen!


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