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Richter-Di Romane


Richter-Di Romane - Kriminalfälle im alten China  

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  1. 1. Richter-Di Romane - Kriminalfälle im alten China

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Die Richter-Di-Romane von Robert van Gulik (1911 - 1967) sind keine Fantasy, sondern Kriminalromane, die im alten China spielen, genauer im 7 Jhdt. n.Chr. Die Kriminalfälle basieren auf traditioneller, chinesischer Kriminalliteratur, wurden aber in die Sprache und Erzählform unserer Zeit übertragen. Die Hauptfigur ist Richter Di Jen-dsiä, der als Bezirksrichter stets hoffnungslos mit Tagesarbeit eingedeckt ist und nebenbei ziemlich knifflige Fälle lösen muß. Zum Glück stehen ihm seine Assistenten zur Seite, allen voran der alte Wachtmeister Hung, sowie die Gehilfen Ma Jung und Tschiao Tai, die mehr für's Grobe zuständig sind, und über deren Eskapaden man immer wieder schmunzeln kann. In den insgesamt 17 Romanen wird Richter Di's Karriereweg durch die chinesischen Provinzen vom kleinen Bezirksrichter bis zum Gerichtspräsidenten der Hauptstadt über einen Zeitraum von 20 Jahren geschildert.

 

Eine Besonderheit der Romane ist es, daß sich Richter Di fast immer mit mehreren Fällen gleichzeitig beschäftigt (was in der Wirklichkeit bei einem Kriminalbeamten ja normal ist, in der Literatur eher selten). Es sind zu Beginn also mehrere Verbrechen zu klären, deren Spuren Di und seine Helfer durch den Roman hindurch verfolgen, bis am Ende - meist in einer überraschenden Wendung - alles aufgeklärt wird. Die Fälle sind wirklich zum Teil äußerst knifflig, und obwohl man als Leser den Schlußfolgerungen des Richters stets folgen kann, bleibt dieser doch wegen seiner Genialität, aber auch wegen seiner Kenntnisse der lokalen Gebräuche sowohl dem Leser, als auch seinen Assistenten bei der Lösung immer mindestens eine Nasenlänge vorraus.

 

Es ist dennoch immer wieder faszinierend, wie sich aus den Puzzleteilen nach und nach ein fertiges Bild formt. Und nebenbei bekommt man fast beiläufig viele Details der chinesischen Alltagskultur im allgemeinen und der Rechtsprechung im besonderen nahe gebracht. Was wiederum eine hervorragende Einstimmung auf eine KanThaiPan-Kampagne ist. Wer Detektiv- oder Kriminalromane mag, und KanThaiPan einen Besuch abstatten möchte, kommt an dieser Reihe nicht vorbei.

 

Ich selbst lese die Romane in der chronologischen Reihenfolge, folge also der Karriere von Richter Di. Angefangen habe ich deshalb mit dem Band "Geisterspuk in Peng-Lai", der seine ersten drei Fälle enthält.

 

Eine Übersicht über die Romane gibt es z.B. hier.

 

 

Herzliche Grüße,

Triton

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auch ich mag diese romane sehr.

Triton hat im grunde schon alles gesagt. auch ich finde das zusammenführen der handlungsstränge immer wieder faszinierend. oft genug haben alle stränge irgendwie miteinander zu tun.

 

auch ich habe sie chronologisch gelesen, was nicht mit der veröffentlichungschronologie übereinstimmt.

bei bedarf kann ich die handlungschronologie, also die romane in "richtiger" reihenfolge mal posten.

 

sehr empfehlenswert und für spieler, die mit Di Yung auf abenteuer gehen, ein absolutes muss.

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Richter Di hat sicher viele Freunde hier im Forum, ich gehöre nicht dazu. Viele Gewaltszenen, und zwar vorzugsweise gegen Frauen, das ist der träumerische Sexismus eines Mannes aus dem 20. Jahrhundert, der lieber in einer anderen Zeit gelebt hätte.

"Schwach" habe ich trotzdem nicht angekreuzt, die Bücher sind literarisch in Ordnung, nur wie gesagt schrecklich chauvinistisch und darum für mich persönlich abstoßend.

 

Gruß von Adjana

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@ adjana:

 

bin über deine aussage sehr überrascht.

habe die bücher bisher drei frauen ausgeliehen, die so etwas wie "chauvinistisch" oder "frauenfeindlich" nicht festgestellt haben, sondern die romane mit begeisterung gelesen haben.

und alle drei sind unabhängige, intelligente frauen, die mit beiden beinen im leben stehen (also so wie du wink.gif ) und sich bestimmt über solche tendenzen, wenn vorhanden, in den romanen aufgeregt hätten.

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Ich glaube zu verstehen, was Adjana meint. Nur ein Beispiel: seht euch doch mal an, wie über Richter Dis Ehefrauen berichtet wird. Gleichwertige Partnerinnen sind das bestimmt nicht.

 

Trotzdem stellt sich hier ´mal wieder das bekannte Problem: Ist diese Darstellungsweise durch die Romaninhalte entwickelt (also in Guliks Beispiel weitgehend durch historische Hintergründe) oder schreibt der Autor sich hier seine eigenen Machoträume von der Seele? Die Antwort ist gar nicht so einfach. Im Eschar-Quellenbuch heißt es beispielsweise: "Die Frauen der wohlhabenden Kairani, zum Beispiel des niederen Adels oder der Kaufleute, verwenden dagegen einen großen Teil ihrer reich bemessenen Zeit darauf, beeindruckende Bankette auszurichten, um so das Ansehen ihres Mannes oder ihrer Familie zu mehren." Auch sonst sind die meisten Frauen Eschars alles andere als emanzipiert. Ist Stephanie Lammers deshalb chauvinistisch? Wohl kaum. Ist das QB deshalb ein patriarchalisches Machwerk? Eigentlich auch nicht. Es spiegelt die Lage der Frau lediglich auf ähnliche Weise wider, wie sie in der historischen Realität ebenfalls vorhanden war. Wir haben (oder hatten?) nun ´mal in sehr vielen Kulturen der Erde eine Männerherrschaft. Autoren, deren Werke auf solche Kulturen zurückgreifen, sollte man meines Erachtens keinen Strick daraus drehen, dass sie eine Kultur lediglich darstellen und nicht bei jeder prekären Stelle darauf hinweisen, dass das jetzt aber ganz doll böse-patriarchalisch ist.

 

Gulik insbesondere geht noch einen Schritt weiter. Er versucht nicht nur, historische Detektivromane zu schreiben, er versucht auch, diese Romane stilistisch der Kulturepoche anzugleichen, in der sie spielen. Er versucht eine mehr oder weniger enge Stilkopie alter chinesischer Detektivromane zu schreiben. Ich bin kein Sinologe und kenne mich nicht wirklich aus, aber ich denke schon, dass das dortige Frauenbild erheblich von dem heutigen abweicht.

 

Die einzige vorwurfsvolle Frage, die man einem solchen Autor stellen kann, geht einen Schritt weiter zurück: Warum interessiert sich der Kerl gerade für diese patriarchalische Männergesellschaft? Weil er selbst Chauvinist ist? Aber alle Antworten bleiben zwangsläufig Spekulation. Gulik war bezüglich der chinesischen Kultur wirklich so umfassend gebildet, wie man es als Europäer nur sein kann. Genausogut denkbar ist es, dass seine anfängliche Faszination durch die Sprache oder die Musik entstanden ist und er dann eben das Patriarchat seiner Lieblingskultur als bedauerliche, aber nicht wegzuleugnende Tatsache akzeptieren musste. In dubio pro reo, würde ich sagen.

 

Es gibt einen grundsätzlich problematischen Kurzschluss: die Ideen einer Romanfigur spiegeln die Ansichten ihres Schöpers wider! Das lässt sich selten nachweisen und ist in aller Regel vorurteilsbeladen. Das Problem ist übrigens brandaktuell. Es taucht auch in der Debatte zwischen Walser und Reich-Ranicki (Tod eines Kritikers) auf.

 

 

Wurde etwas länger... sorry, das ist ein Thema, was mich sehr beschäftigt.

 

 

Tharon.

 

 

 

 

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Dass sich Gulik eine patriarchalische Epoche ausgesucht hat, stört mich nicht. Dass er eine polygamistische Ehe beschreibt, auch nicht - im Gegenteil, das macht er vermutlich recht authentisch.

Aber dass in seinen Geschichten Frauen fast immer als Gewaltopfer geradezu lustvoll geschildert werden und immer wieder Vergewaltigungen als Handlungselement vorkommen, ist eine andere Sache. Und das erweckt in mir den Eindruck, dass er an dieser Epoche mehr als nur historisch gefallen findet.

 

@Tharon: Tja, aber der Roman ist nun mal das Kind des Autors. Alle Inhalte sind in seinem Kopf entstanden, und indem er sie niederschreibt, trifft er eine Auswahl und gibt immer auch eine Wertung ab. Natürlich kann keiner was für seine Fantasien, und jeder darf aufschreiben, was er will (weder bei Büchern noch bei Filmen bin ich für eine politisch korrekte Zensur von Gewalt), aber wie gesagt, ich persönlich finde es in diesen Romanen unangenehm, und es disqualifiziert für mich auch Gulik als Autor.

 

Gruß von Adjana

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Liebe Adjana,

 

du hast in mehrerlei Hinsicht Recht: "Der Roman ist Kind des Autors". Das stimmt natürlich. Auch deine Aussage, die Auswahl der niedergeschriebenen Themen sei von ihm getroffen worden, sind richtig.

 

Leider ist es schon ziemlich lang her, dass ich die Richter Di Romane gelesen habe. Du hast schon Recht, dass es dort einige unschöne Beschreibungen gibt. Wenn ich mich recht entsinne habe ich das bei meiner damaligen Lektüre allerdings eher Guliks Absicht zugeschrieben, er wolle ein Verbrechen noch verabscheuungswürdiger darstellen, als es normalerweise sowieso schon ist. Ich habe diese Darstellungen also eher mit einem erhobenen Zeigefinger verknüpft (so nach dem Motto: "Mord ist schändlich, aber Mord an einer zuvor geschändeten Frau... das Schändlichste!") als mit einer perversen Freude an derlei Fantasien. Da beides denkbar ist, sollte man mit derlei Vorverurteilungen meines Erachtens aufpassen.

 

Ich glaube auch, dass du dahingehend in deinem posting zwei vorschnelle Schlüsse ziehst: Die Gewalttaten in den Büchern Guliks sind jedenfalls nicht unbedingt in seinem Kopf entstanden. Aus der Gulik-Biographie von van de Wetering ("Robert van Gulik; Ein Leben mit Richter Di") geht hervor, dass Gulik eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema "Sexual Life in Ancient China" geschrieben hat, in der er Richtlinien darlegt, die die Einstellungen der damaligen Zeit beleuchten. So wurden damals Sexualverbrechen nach >Punkten< erfasst; je höher die Punktzahl, umso schrecklicher die Strafen, die die Richter verhängen konnten. Und hier findet sich gleich an allererster Stelle, also als verabscheuungswürdigstes Verbrechen schlechthin:

 

"Art des Vergehens: pao-yin "gewaltsame Unzucht", d. h. Besitzen einer Frau gegen ihren Willen, ohne wirklich an ihr interessiert zu sein, und nur aus Macht- und Besitzgier:

- begangen an verheirateten Frauen: 500 Strafpunkte, bei Frauen von Bediensteten 200 Strafpunkte.

- begangen an Witwen und Jungfrauen: 1000 Strafpunkte, bei Witwen von Bediensteten oder Mägden: 500 Strafpunkte.

- begangen an Nonnen: unendliche Strafpunkte.

- begangen an Prostituierten: 50 Strafpunkte wenn sie nicht wollten, weil sie einen festen Gönner oder eine andere feste Bindung hatten."

 

Es folgen übrigens noch 80 weitere Verbrechen, die zwischen 0 und 1000 Strafpunkten rangieren.

 

Sicher sind die näheren Untergliederungen aus heutiger Sicht gnadenlos chauvinistisch. Aber es zeigt zweierlei: Diese Verbrechen sind nicht Guliks kranke Phantasien, sondern er hat sie antiken Justizfällen nachgebildet. Und darüberhinaus sind sie auch in der Ursprungsquelle nicht als männeraufgeilende Machostories gedacht gewesen, sondern als eine Art Gesetzestexte, in denen man versuchte Verfehlungen moralisch zu klassifizieren.

 

Damit wären wir bei der von dir angesprochenen Wertung des Schriftstellers. Sicher wird ein Autor einen Standpunkt zu seinen Romaninhalten einnehmen, aber können wir den am Romaninhalt ablesen? Manchmal vielleicht, aber können wir wirklich sicher sein, dass wir die korrekten Rückschlüsse auf die Einstellungen des Autors durchgeführt haben? Ich behaupte: Bei Fiktionen fast nie!

 

Zum aktuellen Thema: Martin Walser lässt in seinem Roman einen betrunkenen Schriftsteller einen jüdischen Kritiker beschimpfen und bedrohen, der seinen letzten Roman verrissen hat. Er tut das mit den Worten: "Die Zeit des Hinnehmens ist vorbei. Herr Ehrl-König (der Kritiker) möge sich vorsehen. Ab heute nacht Null Uhr wird zurückgeschlagen." Nun ist es im Roman aus verschiedenen Gründen schon schwierig genug, der Romanfigur des Autors Antisemitismus vorzuwerfen. Noch viel unsicherer ist die weitergehende These, Walser sei selbst Antisemit.

 

Ich finde, bei Gulik ist es ähnlich: Nur weil er Vergewaltigungen thematisiert, ist er in meinen Augen noch längst nicht selbst pervers.

 

Liebe Grüße,

 

 

Tharon.

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@Einsi: Sorry, hab ich nicht im Kopf. Zwei oder drei hab ich gelesen. In einem kam am Schluss die ziemlich heftige Beschreibung einer öffentlichen Züchtigung, die mir einfach zu brutal war. In einem anderen handelte fast jeder Fall von Vergewaltigung.

 

@Tharon: Ich behaupte nicht, Gulik sei pervers. Das wäre er, wenn er selbst diese Dinge tun würde, nicht wenn er darüber schreibt.

 

Natürlich ist es immer nur spekulativ, wenn man von einem Werk auf einen Autor schließt. Aber gerade historische Romane stellen eben immer auch einen Spiegel zur heutigen Zeit dar. Zum Beispiel schildert Gulik auch an der Person Richter Di, wie effektiv die damalige Rechtssprechung war. Dass man dabei völlig der Willkür eines Richters ausgeliefert war, der sicher in der Realität nicht immer so clever und integer war wie Guliks Protagonist, das unterschlägt er (an den meisten Stellen). Darum kommt bei mir der Verdacht auf, dass der Autor von einer "guten alten Zeit" berichtet. Es ist nur ein Verdacht, natürlich.

 

Ganz anders schreibt zum Beispiel Eco, der im Namen der Rose zutiefst ironisch über das Mittelalter und die Parallelen zur Jetztzeit berichtet. Und der hat sich ja auch ein sehr frauenfeindliches Umfeld für seinen Roman ausgesucht.

 

Unabhängig von diesen Spekulationen über Gulik empfinde ich die Romane einfach als unangenehm und unnötig brutal.

 

Gruß von Adjana

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vielleicht hast du einfach einen schlechten griff getan. es gibt genug männliche opfer oder einfach nur den fall, dass eine wichtig perlenkette verloren geht.

züchtigungszenen sind auch eher selten. und immer wird erwähnt, dass Di hinrichtungen überhaupt nicht mag und nur aus beruflichen gründen erscheinen muss.

 

wie dem auch sei, deine meinung sein dir ungenommen, aber ich fürchte du hast einfach eine ungünstige auswahl getroffen.   wink.gif

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</span><table border="0" align="center" width="95%" cellpadding="3" cellspacing="1"><tr><td>Zitat (Einskaldir @ Nov. 07 2002,15:26)</td></tr><tr><td id="QUOTE">vielleicht hast du einfach einen schlechten griff getan. es gibt genug männliche opfer oder einfach nur den fall, dass eine wichtig perlenkette verloren geht.

züchtigungszenen sind auch eher selten. und immer wird erwähnt, dass Di hinrichtungen überhaupt nicht mag und nur aus beruflichen gründen erscheinen muss.

 

wie dem auch sei, deine meinung sein dir ungenommen, aber ich fürchte du hast einfach eine ungünstige auswahl getroffen.   wink.gif<span id='postcolor'>

Vielleicht liegt es auch einfach daran, das dem Einen mißfällt, was dem Anderen gefällt.

Das muß nicht mal an einer schlechten Auswahl der Romane liegen.

 

mfg

Detritus

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"Aber gerade historische Romane stellen eben immer auch einen Spiegel zur heutigen Zeit dar. Zum Beispiel schildert Gulik auch an der Person Richter Di, wie effektiv die damalige Rechtssprechung war. Dass man dabei völlig der Willkür eines Richters ausgeliefert war, der sicher in der Realität nicht immer so clever und integer war wie Guliks Protagonist, das unterschlägt er (an den meisten Stellen)." (adjana)

 

Also, dass nun GERADE historische Romane einen Spiegel zur heutigen Zeit darstellen finde ich nicht unbedingt. Romane die in der heutigen Zeit spielen, stellen doch viel eher einen Spiegel zur heutigen Zeit dar, als historische. Man kann das als Schriftsteller eines historischen Romans ja machen: Parallelen zur Jetzt-Zeit aufzeigen u. ä. Und Eco tut das wirklich auch ganz toll. Aber man muss es nicht, und ich denke, Gulik war schlicht und einfach nur an einer möglichst makellosen Neuschöpfung im Stil der alten Gattung gelegen.

 

Was Gulik über das alte, chinesische Rechtssystem dachte, steht im Nachwort vieler Richter Di Romane. Hier sind es keine Romanfiguren, die eine Meinung vertreten, sondern Gulik selbst. Hier lassen sich also Rückschlüsse auf Guliks Einstellungen viel verlässlicher gewinnen:

 

"Alles in allem arbeitete das alte chinesische (Rechts)System ganz ordentlich. Scharfe Kontrollen seitens der Oberbehörden verhinderten Auswüchse und auch die öffentliche Meinung wirkte auf schlechte oder verantwortungslose Beamte hemmend. Todesstrafe mußte durch den Thron bestätigt werden, und jeder Angeklagte hatte die Möglichkeit, an höhere Gerichtsinstanzen bis zum Kaiser selbst zu appellieren. Außerdem war es keinem Richter erlaubt, den Angeklagten unter vier Augen zu befragen, jedes Verhör einschließlich der Voruntersuchung mußte in öffentlicher Sitzung stattfinden. Alle Vorgänge wurden sorgfältig protokolliert, und die Protokolle den Oberbehörden zur Kontrolle überwiesen."

 

Nicht unbedingt Grund für harsche Sozialkritik, finde ich.

 

Der Roman mit der brutalen Hinrichtungsbeschreibung ist "Wunder in Pu-Yang?" Hier findet sich im Nachwort der Hinweis: "Der chinesischen Tradition bin ich gefolgt, indem ich (...) eine Beschreibung der Hinrichtung der Verbrecher hinzugefügt habe. Der chinesische Sinn für Gerechtigkeit verlangt, daß die Bestrafung des Verbrechers mit vielen Einzelheiten dargestellt wird."

 

Der Titel des Romans mit den Vergewaltigungen fällt mir auch nicht mehr ein. Vielleicht gilt dafür aber ein ähnlicher Grund.

 

Überhaupt diese Nachworte: die sind sehr aufschlussreich über Guliks Verständnis seiner Romane: Gulik ist hauptsächlich ein schriftstellernder Historiker. Wenn ich diese Nachworte lese, sehe ich keinen Grund dafür, ihm reaktionäre oder sadistische Charakterzüge zu unterstellen.

 

 

Tharon.

 

 

 

 

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  • 9 Monate später...

Jetzt buddel ich den Thread noch mal aus..

 

Ich habe jetzt ein paar Bücher gelesen und sie haben mir ganz gut gefallen. Kleine Krimis zum Selberraten mit ein paar Details aus dem mittelalterlichen China.

 

@Einskaldir: Kannst du mir die Reihenfolge der Romane posten?

 

Allerdings halte ich die Bücher auch für ziemlich übel sexistisch. Dauernd (halb-)nackte Frauen, die irgendwie in die Handlung gemogelt werden und meistens in einer Illustration auftauchen. Nervt etwas, aber so ernst nehme ich die Bücher auch nicht, daher komme ich damit klar. Auf wirklich schlimme Gewaltdarstellungen bin ich noch nicht gestoßen, vielleicht habe ich da Glück gehabt.

 

Andreas

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1. Geisterspuk in in peng lai

2. der see von han -yuan

3. der wandschirm aus rotem lack

4. der affe und der tiger (zwei fälle: der erste fall ist

   chronologisch hier, der zweite später)

5. nächtlicher spuk im mönchskloster

6. wunder in pu-yang

7. poeten und mörder

8. tod im roten pavillion

9. halskette und kalebasse

10. die perle des kaisers

11. mord im labyrinth

12. das phantom im tempel

13. nagelprobe in pei-tscho

14. mord nach muster

15. mord in kanton

16. richter di bei der arbeit

17. merkwürdige kriminalfälle des richter di (nur für fans, weil

     eine zusammenfassung, kaum neues)

 

tut mit leid, aber bei zwei und drei, bin ich mir nicht sicher. ich habe zu meinem erstaunen die beiden verliehen ( wer hat sie bloß  ? ) und weiß deshalb nicht, ob es so rum ist oder andersrum. ist in diesem fall aber auch nicht so wild.

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@ Tharon

 

Hier ist nicht der richtige Ort dafür, aber kurz zu Deinen Aussagen.

 

Mit Walser machst Du es Dir zu einfach. Dazu gerne mehr per Messenger, wenn gewünscht.

 

Dein Glauben an das chin. Rechtssystem in allen Ehren. Aber: Das war ´ne Diktatur. Die Oberen konnten schon immer machen was sie wollen. Und Papier ist geduldig. Russland unter Stalin hatte z.B. eine der fortschrittlichsten bürgerlichen Verfassungen. Und was hat es in der Praxis genutzt.

 

Alle Verherrlichung der "guten alten Zeit" sind meistens fehl am Platze: Der "einfache" Bürger hatte immer die Arschkarte.

 

Es grüßt

Nanoc der Wanderer

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Also gut, Nanoc, ich mache es mir also einfach... (seufz).

 

Ich habe geschrieben, es sei schwierig, Walser Antisemitismus nachzuweisen, das ist alles. Ich habe nicht geschrieben: "Walser ist kein Antisemit"! Ich habe übrigens in meinem Deutschkurs ein halbes Jahr lang dieses Problem mit meinen Schülern durchdiskutiert und etliche Bücher und noch mehr Zeitungsausschnitte gelesen. Man kann ja anderer Meinung sein, aber man kann mir nicht vorwerfen ich machte es mir zu einfach.

 

Ich habe über Guligs Schilderung des altchinesischen Rechtssystems lediglich geschrieben, sie klinge so, als sei harsche Sozialkritik nicht unbedingt nötig. Deine Erwiderung klingt, als wolltest du mir daraufhin eine reaktionäre Sehnsucht nach der guten alten Zeit unterstellen. Das finde ich ziemlich unangemessen, ehrlich gesagt. Kann man nicht alte Rechtssysteme differenzieren? Da gibt´s doch sicherlich bessere und schlechtere. Für mich hörte es sich so an, als sei das chinesische eines der besseren gewesen.

 

"Die Oberen konnten schon immer machen, was sie wollten": Kann ja sein. Muss man eben sehen, was sie tatsächlich wollen.

 

"Der einfache Bürger hatte immer die Arschkarte"? Kann ja sein. Aber Arschkarten können Gelb oder Rot sein.

 

Das Wort "immer" macht mich skeptisch. Wer macht es sich eigentlich zu einfach hier?

 

Was soll übrigens der Hinweis, "Das war ´ne Diktatur"? Wesentlichstes Merkmal einer Diktatur ist in meinen Augen die Aufhebung der Gewaltenteilung. Folglich sind sehr viele Könige und Kaiser gleichzeitig Diktatoren. Das Argument ist für die in Frage kommende Zeit nicht besonders schwerwiegend. Richter Di lebte 630-700 n. Chr. Der Ploetz behauptet über diese Zeit:

 

"Die feudale Gesellschaftsstruktur geht - anders als im Abendland - in eine bürokratische über. (...)

618-906: Unter der T´ang-Dynastie erreicht China einen politischen und kulturellen Höhepunkt (...). Die T´ang-Kaiser, zunächst weitgehend von erblicher Aristokratie abhängig, suchen durch ein für jeden offenes Prüfungssystem - Inhalt ist vor allem die konfuzianische Lehre - Kräfte aus dem Volk als Gegengewicht heranzuziehen."

 

Man kann dazu stehen wie man will, so ist das in der Politik. Mir allerdings ist das sympathischer als das, was zeitgleich in Europa stattgefunden hat. Mehr wollte ich auch gar nicht sagen.

 

Grüße,

 

 

Tharon.

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  • 4 Monate später...

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