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Scharf geschossen


Ithilwen

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[spoiler=Wächter der steinernen Flamme]

Ein lautes Pochen, Geschrei, laute Stimmen, grelles Licht. Ich schreckte aus einem Alptraum hoch, als jemand mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden neben mir zum liegen kam. In Panik wollte ich schon dem erstbesten eine Eisbirne verpassen, als ich erkannte, dass alle, die hier waren, meine Freunde waren. Neben mir lag Ganymed, über den sich Niphredil beugte, die hastig sämtliche mir bekannten und noch einige weitere Heilsprüche herunterrasselte. Ich sah genauer hin und erkannte, dass Ganymed den ganzen Hals mit Blut vollgeschmiert hatte, und auch Niphredils Hände waren voll davon. Eine Wunde konnte ich jedoch nicht mehr entdecken. Was war geschehen? Sie waren doch auf einem Baum gewesen - war Ganymed heruntergefallen und hatte sich dabei einen Ast in den Hals gerammt?

 

Alle Leute - und wir waren viele Leute, wenn ihr euch erinnert - schrien wild durcheinander, wollten wissen, was passiert war, suchten im Durcheinander nach ihren Waffen. Als Niphredil scheinbar auch ihr Repertoire an Heilzaubern erschöpft hatte, berichtete sie. „Ich habe geschlafen, als Ganymed mich plötzlich wachgerüttelt hat und nur so komisch gegurgelt hat. Ich war noch nicht ganz wach, deswegen habe ich nicht so richtig verstanden, was los war. Dann habe ich gesehen, dass ihm ein Armbrustbolzen im Hals steckte! Irgendjemand hat im Dunkeln auf uns geschossen, und er hat auch noch genau getroffen, obwohl wir verdeckt im Blätterdach von einem Baum saßen! Ich habe keine Ahnung, wie er das gemacht hat, aber er muss verdammt gut sein. Und er muss Infrarotsicht haben, sonst hätte er das niemals hinkriegen können. Ich wette mit euch, das ist auch der Mörder von Vilbert!“

 

Schritte, die über uns ertönten, ließen den Lärm ersterben und ersetzten ihn durch eine angespannte Stille. Kurz darauf tauchten Caya und Bordo, das Müllerpärchen, auf der Treppe auf. Nach ein paar erfolglosen Versuchen, sie abzuwimmeln - schließlich gab es keinen Grund, ihnen eine schlaflose Nacht zu bescheren - klärten wir sie über das Geschehen der letzten Viertelstunde auf. Danach war es verständlicherweise schwierig, sie dazu zu bewegen, wieder ins Bett zu gehen. Das ist ja auch schon fast die hinterhältigste Art, jemanden umbringen zu wollen - schlimmer ist es einzig und allein dann, wenn derjenige gerade beim Essen ist! Was wir im übrigen schon viel zu lange nicht mehr getan hatten, und nach diesen schrecklichen Ereignissen konnte doch gewiss keiner einen kleinen Snack ablehnen. Als ich jedoch den Vorschlag äußerte, nachdem die Wirtsleute mit einiger Überredungskunst wieder nach oben geschickt worden waren, starrten mich nur bleiche Gesichter entsetzt an. So musste ich meinen Snack doch alleine einnehmen und schlief danach, wider Erwarten, doch irgendwann noch einmal ein.

 

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert, was wohl unter anderem am harten Boden, zum größeren Teil jedoch an den Ereignissen der vergangenen Nacht lag. Ich bemühte mich, aus der etwas spärlich bestückten Küche der Müllerin ein Frühstück zu zaubern, nicht zuletzt, um mich selbst abzulenken, während die anderen nach und nach ebenfalls erwachten. Ihnen schien es nicht viel besser zu gehen als mir, obwohl Ganymed scheinbar wieder ganz fit war - Niphredil hatte ganze Arbeit geleistet. An diesem Tag verschanzten wir uns die meiste Zeit im Müllershaus, um nicht Ziel eines weiteren Anschlags zu werden. Während jedoch einige von uns im Dorf waren, bekamen sie mit, dass ein weiterer Dörfler namens Alek ermordet worden war. Nach einer raschen Überprüfung stellte sich heraus, dass auch er eine Rüstung im Schrank hängen hatte. Vom Schlüssel, von dem meine Gefährten behaupteten, er müsse einen haben, fehlte aber jede Spur. Außerdem hatten sie irgendwo aufgeschnappt, dass es trotz allem an diesem Abend eine kleine Party beim Köhler geben würde, zu der alle Dörfler außer Bordo und Caya eingeladen waren. Wir beschlossen, uns dort ebenfalls blicken zu lassen, um ein Auge auf die verbleibenden Schlüsselträger zu haben und eventuell ein paar weitere Informationen zu erhalten - die großen Leute haben ja die Angewohnheit, redseliger zu werden, wenn sie etwas alkoholisches zu sich genommen haben, und da der Köhler selbstgebranntes Zeug ausschenkte, war damit zu rechnen, dass sich der ein oder andere verplapperte.

 

Eine gute Sache hatte der Anschlag auf Ganymed: Die Geschichte hatte sich im Dorf bereits rumgesprochen, und so wurden wir nicht länger verdächtigt, einen Mord begangen zu haben.

 

Im Laufe des eher langweiligen Tages, den wir wie gesagt zum Großteil im Haus verbrachten, kam Dara zu uns und bat uns, ebenfalls bei uns einziehen zu dürfen. Ihr Vater war furchtbar wütend auf sie, da sie sich erneut mit Cordovan getroffen hatte. Wir gewährten ihr natürlich Asyl (auch wenn es streng genommen ja nicht unser Haus war). Abends machten wir uns zusammen - ohne Dara - auf den Weg zum Köhler. Dort gab es gutes Bier, und auch der selbstgebrannte Schnaps war nicht zu verachten. Reina schlich in der Gegend herum, um Leute zu belauschen, und die anderen diskutierten eifrig über die Informationen, die Reina ihnen in einer unbeobachteten Minute zusteckte. Für mich gab es da nicht wirklich viel zu tun, ich hatte den Anschluss etwas verloren, daher sprach ich, gemeinsam mit Elwedritsch, den Getränken zu, die ausgeschenkt wurden.

 

Als es schon stockfinster war, mit Sicherheit war Mitternacht schon vorbei, wurden wir von Niphredil und Ithilwen abkommandiert, sie zu begleiten, da der Wirt sich auf den Heimweg machte und sie ihn nicht alleine durch den Wald laufen lassen wollten - und scheinbar der Meinung waren, wir hätten inzwischen auch genug getrunken. Also gingen wir, wobei die Geräusche einer fröhlichen Feier uns noch lange hinterherhallten, und der Wirt schimpfte, er brauche keine Begleitung, und erst recht keine von uns, woraufhin wir ihm erklärten, dass wir einfach müde seien und ihm nachlaufen würden, weil wir sonst den Weg nicht finden würden. Was er uns natürlich nicht glaubte, wogegen er aber auch schwerlich etwas unternehmen konnte.

 

„Zuhause“, das heißt im Müllershaus, angekommen, fiel ich sofort ins harte, ungemütliche Bett auf dem Boden und schlief ein. Diese Nacht weckte mich nichts mehr.

 

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem leichten Brummschädel, aber nichts, was sich nicht bei einem guten Frühstück vergessen ließe. Verblüfft stellte ich fest, dass wir aus irgendeinem Grund weniger Leute als in der Nacht zuvor waren - es fehlten ein paar. Cliona konnte mich jedoch aufklären, dass sie noch nach dem Köhler gesehen hatten, der angeblich auch einen dieser mysteriösen Schlüssel besaß, und offenbar über Nacht dort geblieben waren. Da wir es satt hatten, uns im Haus einzusperren, beschlossen wir, wenn möglich alle Schlüsselträger zusammenzutrommeln und beim Köhler unterzubringen. Da konnte man besser auf sie aufpassen, als wenn alle einzeln irgendwo rumliefen. Außerdem wollten wir das Versteck des Assassinen ausfindig machen, wenn möglich. Dabei konnte uns unser neuer knochiger Freund sicher behilflich sein.

 

Noch während wir diese Dinge besprachen - natürlich nach dem Frühstück, denn beim Frühstück wäre es ja geradezu Gotteslästerung gewesen - klopfte es an der Tür. Reina öffnete. „Was willst du?“ Ich konnte nicht sehen, wer da stand, weil Reina mir im Weg stand. „Ich möchte mit Dara reden. Ist sie hier?“ Dara war aufgesprungen, als sie die Stimme gehört hatte, und versuchte, sich an Reina vorbeizudrängeln. „Cordovan!“ „Hallo, Dara. Ähm, können wir uns irgendwo unter zwei Augen unterhalten?“ Niphredil mischte sich ein. „Ich glaube erstens nicht, dass das nötig ist, und zweitens nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn Ihr euch allzuweit von anderen Augen entfernt. Außerdem hättet Ihr ruhig mal früher mit ihr sprechen können, sie war ganz aufgelöst, als sie gestern zu uns kam.“ Ich konnte nicht sehen, was Cordovans Reaktion darauf war, aber er schien schon mitbekommen zu haben, dass man mit Niphredil nicht gut diskutieren kann. „Ich muss ihr aber was sagen!“, versuchte er es noch einmal. „Was denn?“, hakte Niphredil nach. „Ich, also, wir, ähm, wir können uns nicht mehr treffen.“ Ich sah aus dem einen Augenwinkel, wie Daras Gesicht zusammenfiel und sie auf einem Stuhl zusammensackte, wo Guineth hineilte, um sie zu trösten. Aus dem anderen Augenwinkel sah ich, dass Cordovan und Niphredil sich völlig reglos gegenüberstanden, dann holte Niphredil blitzschnell aus und scheuerte Cordovan eine! Der heulte auf und hielt sich die Backe, dann trollte er sich ohne ein weiteres Wort. Dara saß noch länger schluchzend auf ihrem Stuhl und sah aus wie ein Häufchen Elend. Noch nichtmal von den guten Pfannekuchen mit Sirup wollte sie etwas probieren.

 

Ich machte mich mit Niphredil, Dara und Guineth schonmal auf den Weg zum Köhler, die anderen wollten noch versuchen, Cordovan, Bermann und Maren zu überzeugen, ebenfalls dorthin zu kommen. Unseren Skelettfreund trafen wir auf dem Weg, und wir schafften es, ihn zu überzeugen, dass es auch für ihn sicherer wäre, mit zum Köhler zu kommen. Er wollte zwar nicht mit ins Haus kommen, aber immerhin sich in Rufweite aufhalten. Wobei es ja bei ihm mit dem Rufen nicht so weit her war. Etwa eine halbe Stunde nach uns trafen auch die übrigen Gruppenmitglieder ein, zusammen mit Maren und - erstaunlicherweise - Cordovan. Ich weiß wirklich nicht, was sie angestellt haben, um den zu überzeugen, mitzukommen. Bermann hatten sie jedoch offensichtlich nicht überreden können. Er hatte sie vielmehr noch beschimpft, sie hätten seine Tochter gegen ihn aufgehetzt, und so weiter. Sehr undankbar. Da willst du ihnen helfen, diesen großen Leuten, und alles was sie tun ist, dich zu beschimpfen. Dara machte sich natürlich Sorgen um ihren Vater, aber leider ließ sich nichts machen, um ihn in Sicherheit zu bringen.

 

Wir ließen Marcello beim Köhler, alle anderen wollten mit nach dem Versteck des Assassinen suchen, und sagten ihm, er solle alle Fenster und Türen verbarrikadieren und unter keinen Umständen jemanden außer uns hineinlassen. Wir vereinbarten auch ein Losungswort, an dem er uns erkennen würde. Sie machten sich gleich daran, alle Fensterläden zu schließen, so dass das Haus schon fast unbewohnt aussah, als es aus unserem Blickfeld schwand. Unser Skelettfreund in Blechbüchse wartete schon auf uns. Er hatte wohl schon ein paar Erkundungen gemacht und führte uns Zielsicher in die Richtung, von der er glaubte, dass dort das Lager zu finden sei. Und tatsächlich kamen wir nach garnicht allzulanger Zeit zu einer gut geschützten Mulde, in der ein Zelt aufgestellt war. Außerdem gab es dort eine Kiste, an die eine Armbrust gelehnt war. Ganymed fand, man sollte diesem Typ so wenige Waffen wie möglich zur Verfügung lassen, und schwebte knapp über dem Boden zur Kiste, ritzte mit seinem Dolch die Sehne der Armbrust an und kehrte zu uns zurück. Ich hingegen war der Meinung, man sollte dem hinterhältigen, gemeinen Assassinen so wenig von seiner Ausrüstung lassen, wie überhaupt nur möglich, und stapfte daher kurzerhand in Richtung Kiste. Ganymed versuchte, mich zurückzuhalten, mit der Begründung, es wäre doch besser, wenn der Assassine nicht wüsste, dass wir da waren. Nachdem ich ihm aber klargemacht hatte, dass das wohl nicht funktionieren würde, da er ja die Sehne angeritzt hatte, was mit Sicherheit dem Assassinen verriet, dass jemand hier gewesen war, ließ er mich gehen.

 

Ich spingste zunächst ins Zelt - nicht, dass er noch da drin war und schlief, und sich dann von hinten auf mich stürzte! - aber da war keiner, und ich sah auch keine tollen Ausrüstungsgegenstände. Also ging ich zur Kiste. Die war verschlossen, und am Schloss war offensichtlich irgendeine Art magischer Schutzmechanismus angebracht. Da ich nur zu gerne wissen wollte, was sich in der Kiste befand, beschloss ich, sie erstmal mitzunehmen und irgendwo anders zu öffnen. Ich fasste also die Griffe auf beiden Seiten der Truhe und hob sie vorsichtig an. Sie war ziemlich schwer. Ich machte einen Schritt - und plötzlich fiel ich zu Boden und konnte mich nicht mehr bewegen. Ich hörte, wie die anderen nach mir riefen, und versuchte, zu antworten, aber meine Zunge gehorchte mir nicht mehr. Ganymed regte sich mal wieder auf: „Ich hab ihr doch gesagt, sie soll die Finger davon lassen!“ Irgendwann trugen sie mich dann ein Stück weiter weg, und Cliona begann Bannen von Zauberwerk zu wirken. Nachdem etwa zwei Minuten verstrichen waren, in denen ich zwar die Stimmen der anderen hören, nicht aber verstehen konnte, worüber sie sprachen, hörte ich einen begeisterten Ausruf von Ithilwen. „Genau ins Schlüsselloch! Habt ihr das gesehen?“

 

Nach weiteren acht Minuten konnte ich mich dann auch endlich wieder bewegen. Die Kiste hatten sie „aufgebrochen“: Ithilwen hatte wohl einen Pfeil genau ins Schlüsselloch der Kiste geschossen, woraufhin ein Auflösungsmechanismus das übrige getan hatte, um die Kiste und ihren Inhalt zu zerstören. Dabei hätte ich so gerne gewusst, was in der Kiste war! Aber immerhin konnte der Assassine es jetzt nicht mehr benutzen.

 

 

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