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06. Oktober - abends


Y_sea

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"Du hast was?", fragte Robin entsetzt.

 

Feanor war längst im Bett und ich hatte Robin und mir ein Glas Rotwein eingeschenkt.

 

"Ich habe Elternzeit eingereicht", wiederholte ich vergleichsweise ruhig. Ich hasste es, wenn er meine Entscheidungen in Frage stellte, und sei es nur dadurch, dass er nachfragte.

 

"Hattest du mir das schon gesagt?" War er unsicher? Ich hielt es auf jeden Fall für eine Anklage. Recht hatte er. So etwas bespricht man vorher. Hörst du, Ypey! So etwas bespricht man vorher.

 

Sie grinste. Du hättest dich nie darauf eingelassen, war ihre Antwort.

 

Ich hatte sie daran hindern wollen, aber Ypey hatte das unterschriebene Formular direkt bei der Sachbearbeiterin abgegeben, während ich schreiend und jammernd im Hintergrund meines Kopfes zugesehen hatte.

 

Aber ich wollte die Elternzeit auch.

 

Ich nahm den Stiel des Weinglases zwischen spitze Finger und drehte es abwesend, ohne zu trinken. Meine Augen folgten den Wellen, die die rubinrote Flüssigkeit in ihrem Goldfischglas schlug.

 

"Mir wird gerade einfach alles zu viel. Und du weißt doch, dass das geht, wenn das Kind in die Schule kommt, wenn man die drei Jahre noch nicht ausgeschöpft hat."

 

Er sah mich lange an. Ich schaute ihm kurz in die Augen, aber vermochte es nicht, seinem Blick länger als ein paar Sekunden standzuhalten.

 

Schnell trank ich einen Schluck, um etwas anderes zu tun zu haben und dem Schlucken einen Sinn zu geben.

 

"Naja, wenn dir alles zu viel wird, dann ist es vielleicht ganz gut, wenn du ein paar Woche kürzer trittst", meinte er.

 

"Ich habe gleich das ganze Jahr genommen."

 

"Muss ich da nicht zustimmen?", fragte er verwirrt. "Also ich meine, ich muss doch bestimmt etwas unterschreiben. Hätte ja auch sein können, dass ich die Elternzeit nehmen will."

 

"Äh ja." Fieberhaft suchte ich nach einer Erklärung oder einer Ausrede. Ihm zu sagen, dass ich seine Unterschrift gefälscht hatte, ging nicht. So ein großer Vertrauensbruch. Aber Ypey war im Ausreden erfinden so geübt, dass ich nicht lange suchen musste.

 

"Ich habe den Antrag in der Uni vergessen", sagte ich. "Du kannst ihn morgen Abend unterschreiben. Ich habe aber mit Wilhelm schon alles besprochen."

 

"Na, der wird nicht glücklich gewesen sein. Euer Projekt läuft doch Ende nächsten Jahres aus. Da muss er dich ein halbes Jahr mit anderem Geld finanzieren."

 

"Ich habe erklärt, dass ich darauf verzichte", sagte ich und wusste, dass er sich darüber aufregen würde.

 

"Aber das steht dir zu!", sagte er ärgerlich, ließ seine Hand auf den Tisch fallen, wo der Wein wieder in Schwingungen versetzt wurde, auf die ich meine dankbaren Augen richten konnte, damit ich ihn nicht ansehen musste. "Du hast dir also wieder was aufschwatzen lassen."

 

Ich seufzte. Ich hatte darauf verzichtet, weil ich Angst gehabt hatte, dass sie es mir verbieten würde, aber unter diesem Vorwand verbarg sich noch ein ganz anderer Grund.

 

Ich habe überhaupt keine Lust mehr auf diesen Scheißjob, dachte ich heftig.

 

Genau!, pflichtete Ypey mir bei und ballte ihre erhobene Faust. Sag ihm das!

 

"Ich will die Zeit auch nutzen, darüber nachzudenken, was ich vielleicht anderes machen kann. Die Arbeit in der Uni war in der letzten Zeit -- eigentlich immer schon -- so unbefriedigend. Ich kann das eigentlich gar nicht, was da von mir verlangt wird, ich habe zu wenig Zeit und dann wird auch noch erwartet, dass ich alles, was ich mache so darstelle, als wäre es der Stein der Weisen." Ich lächelte versonnen. Ich freute mich immer, wenn ich Fantasy in mein Leben integrieren konnte.

 

"Du bist phantastisch in dem, was du tust", protestierte er.

 

Ich zuckte nur die Schultern und sah zur Seite.

 

"Hey, Hedwig", sagte Robin plötzlich ganz sanft, "ich habe gar nicht mitbekommen, dass du so unzufrieden bist. Seit wann ist das denn schon?"

 

Ich zuckte die Schultern und schloss die Augen, die sich mit Tränen gefüllt hatten. Aber ich fand keine Antwort auf seine Frage. Seit wann war es schon so?

 

Er zog seinen Stuhl nah an meinen und legte mir den Arm um die Schultern, zog mich an sich und strich mir über die Haare.

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